Elektromyografie
Die Elektromyografie (oder -graphie) (EMG) ist eine Methode der medizinischen Elektrodiagnostik, bei der man mit Hilfe von Oberflächenelektroden die Potenzialdifferenzen in großen Muskelfasergruppen misst, die sich als Summe der Aktionspotenziale der einzelnen Muskelzellen ergeben. Mit bipolaren Nadelelektroden hingegen lassen sich auch einzelne Fasern erfassen.
Dabei lassen sich Amplituden von einigen Mikrovolt bis zu wenigen Millivolt und Frequenzen von bis zu 30 kHz messen.
Die Hauptanwendung ist die differentialdiagnostische Unterscheidung zwischen Myopathien und Neuropathien, das heißt die Feststellung, ob eine Krankheit muskuläre oder nervliche Ursachen hat, zum Beispiel beim Ausstrahlungsschmerz beim Bandscheibenvorfall.
Allgemein
Beim EMG wird die Aktvität eines ruhenden Muskels (Spontanaktivität) oder bei unterschiedlich stark kontrahiertem Muskel (MUAP, engl. für motor unit action potential) gemessen.
In der medizinischen Elektrodiagnostik lassen sich durch das EMG Aussagen über Krankheiten der Nerven- und Muskelzellen machen. In der Biomechanik werden die Zusammenhänge zwischen den Frequenzen oder den Amplituden der registrierten elektrischen Signale und der Kraft eines Muskels untersucht, um etwa die Bewegungen von Sportlern zu optimieren.
Eine besondere Form der Elektromyografie ist das ENG.
Signalableitung
Zur Ableitung der elektrischen Signale verwendet man bipolare Oberflächen- oder Nadelelektroden. Die Positionierung der Elektroden entscheidet darüber, von wie vielen Muskelzellen und von welchen Muskelgruppen ein Signal gemessen wird. Die genaue Bestimmung der Muskelgruppe, die man untersuchen will, ist für eine medizinische Auswertung von besonderer Bedeutung, um Krankheiten genau lokalisieren zu können. Andernfalls würden EMG-Werte von anderen Muskeln das Ergebnis verfälschen.
Entsteht innerhalb einer Muskelzelle ein positives Aktionspotenzial, wird die extrazelluläre Flüssigkeit negativ. Dieses Potenzial breitet sich unter Abschwächung entlang der Muskelfaser bis zur Hautoberfläche aus. Die Potenzialdifferenz verändert sich relativ zu den bipolaren Oberflächenelektroden, die ein biphasisches Signal registrieren. Geht man von einer Ausbreitungsgeschwindigkeit des Aktionspotenzials von 12 m/s aus und einem Elektrodenabstand von 5 cm, ergibt sich mit t=s/v eine Frequenz von f=240 Hz.
In der Praxis misst man die Aktivität vieler Muskelzellen. Durch Schwankungen in der Aubreitungsgeschwindigkeit oder durch andere Störfaktoren, beispielsweise eine unabsichtliche, leichte Kontraktion eines Muskel während der Messung, ist die eigentliche Potenzialkurve polyphasisch.
Verstärkung
Bei der Leitung der Potenzialdifferenz zur Körperoberfläche wird das Signal anders als im Innern des Axons abgeschwächt und muss deshalb über einen Bereich von 50 bis 500 Hz verstärkt werden.
Das EMG ist ein Wechselspannungssignal. Dieses richtet man gleich und bestimmt in einem elektronischen Integrator das Integral über die Spannungsschwankungen. Damit kommt man oft zu besseren Ergebnissen als bei der Betrachtung von Frequenz und Amplitude.
Aufzeichung
Die Aufzeichnung des EMG erfolgt meist mit einem Oszilloskop, einem Magnetbandaufzeichungsgerät, dem PC oder Plotter, die für die hohen Geschwindigkeiten, die sich aus den Frequenzen ergeben, ausgelegt sind.
Spontanaktivität
Die Spontanaktivität ist die elektrische Aktivität eines Muskels, der sich in Ruhe befindet. Die Spontanaktivität äußert sich in verschiedenen Formen, die sich in den Frequenz- und Amplitudenwerten unterscheiden lassen. Von der Spontanaktivität zu trennen ist die Einstichaktivität. Sie entsteht bei der Verwendung von Nadelelektronen und wird durch eine mechanische Irritation der Muskelzelle erklärt.
Endplattenpotenziale
Endplattenpotenziale, auch Endplattenrauschen genannt, haben negative Amplituden von unter 100 µV und dauern 0,5 bis 2 ms an. Sie entstehen an den Kontaktstellen zwischen Neuron und Muskelzelle, wenn das Gleichgewicht der Ionen innerhalb und außerhalb der Zellmembran noch nicht vollständig wiederhergestellt ist. Sie weisen daher nicht auf eine Muskelschädigung hin.
Fibrillationspotenziale
Fibrillationspotenziale dauern 1 bis 5 ms mit bis zu 100 µV an und sind bi- oder triphasisch. Positive steile Wellen sind biphasisch, dauern etwa 4 ms mit 100 µV an und treten rhythmisch mit einer Frequenz zwischen 3 und 50 Hz auf.
Endplattenpotenziale und Fibrillationspotenziale entstehen in einzelnen Muskelzellen und sind Anzeichen für eine Muskelerkrankung (Myopathie), meist für eine beschädigte Verbindung zwischen Neuron und Muskelzelle (Denervation).
Faszikulationspotenziale
Faszikulationspotenziale entstehen im Gegensatz dazu in einer motorischen Einheit (einer Gruppe von mehreren Muskelfasern). Sie treten unregelmäßig auf, ähneln ansonsten der normalen Aktivität eines kontrahierenden Muskels. Faszikulationen deuten ebenfalls auf eine Myopathie hin, treten aber auch bei Überanstrengung des Muskels auf.
Myotone Entladungen
Myotone Entladungen sind hochfrequente Aktionspotenzialfolgen (80 Hz) mit einer Dauer von 1 bis 2 Sekunden und einer maximalen Amplitude von 0,8 mV. Sie deuten auf eine Fehlfunktion der Muskelmembran hin, deren Ionenkanäle beschädigt sind.
Aktionspotenziale motorischer Einheiten (MUAP)
Wird ein Muskel kontrahiert, misst man die Summe der Aktionspotenziale aller dabei aktivierten Muskelzellen. Bei dieser Methode bildet man Mittelwerte der gemessenen Dauer, der Frequenzen und Amplituden, weil sie in jeder Untereinheit des Muskels verschieden sind. Die Ergebnisse sind von vielen biologischen Faktoren wie Alter und Muskelgruppe abhängig und werden mit Normwerten verglichen, um Aussagen über mögliche Erkrankungen zu machen.
Der Normwert für die Dauer im mittleren Alter beträgt 8 bis 10 ms und für die Amplitude 1 bis 3 mV. Ein Sonderfall der MUAP-Untersuchung ist die Interferenzmusteranalyse, bei der man die elektrische Aktivität eines maximal kontrahierten Muskels misst. Bei einem gesunden Muskel ist die Summe der Aktionspotenziale sehr dicht. Je nachdem, wie stark das EMG gelichtet ist, liegt eine geringe oder deutliche Denervation vor.
Links
- [1] kurze Info-Seite
- [2] Infos zur Anwendung der Elektromyografie bei Brain-Computer Interfaces
- [3] Arbeit über EMG in der Biomechanik (auf englisch)
- [4] Uni-Seite mit EMG-Workshop
- [5] Selected Topics in Surface Electromyography for Use in the Occupational Setting: Expert Perspective
WEBLinks
- PAR Medizintechnik GmbH Hersteller von medizintechnischen Produkten: Tragbare ambulante Langzeit-Blutdruckmeßgeräte, Blutdruckmessmodule für Erwachsene und Neonaten, Tragbare Biosignalverstärker.
Siehe auch
Literatur
- Conrad, Bastian; Christian Bischoff: Das EMG-Buch, Stuttgart 1998
- Mühlau, Gerhard: Neuroelektrodiagnostik, Jena 1990