Jean Frédéric Bernard

französischer Autor, Übersetzer, Drucker, Verleger
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Jean Frédéric Bernard (* 1680 in Velaux, Provence; † 1744 in Amsterdam) war ein gebürtiger französischer Buchhändler, Autor, Übersetzer, Drucker und Verleger, der hauptsächlich in der Schweiz und den Niederlanden wirkte, aber überwiegend in seiner Muttersprache publizierte.

Leben

Jean Frédéric Bernard, 1680 in der Provence als Sohn des Pastors Barthélmy Bernard (1646–1694) geboren,[1] floh im Alter von fünf Jahren mit seiner Familien aus religiösen Gründen nach der Aufhebung des Edikt von Nantes durch das Edikt von Fontainebleau als Hugenotte aus Frankreich zunächst in die Schweiz.

Sein Onkel Jean Bernard (1625–1706), der als Pastor in Manosque gedient hatte, galt als bedeutender Theologe und hatte gewissermaßen die Führung der gesamten Familie Bernard und die Leitung der Flucht zunächst nach Lausanne übernommen. Dort sah man ihn als Führer aller hugenottischen Familien in der Diaspora an. Daher wählte man ihn aus, um Spenden für die Hugenotten in Europa zu werben, was ihn schließlich nach Den Haag führte, wo er bei Maria Stuart, der Gattin Wilhelm III. um finanzielle Mittel und eine dauerhafte Zuflucht für die Hugenotten bat. Von der Seite seiner Mutter, Catherine Guib, deren Vater Jean Frederic Guib, der neben einer schottischen Abstammung einen medizinischen Abschluss der Universität von Valence aufzuweisen hatte und schließlich als Provost und Professor für Rhetorik am Collége d`Orange wirkte, war Jean Frédéric Bernard fest im Netz der Hugenottischen Eliten verknüpft. Darüber hinaus war Jean Frederic Guib mit dem persönlichen Sekretär des Niederländischen Statthalters, des Poeten Constantijn Huygens und dessen Sohn dem Astronom, Mathematiker und Physiker Christiaan Huygens, befreundet, was seinem Enkel ebenfalls die weitere Laufbahn erleichtern sollte.[2]

Doch die Netzwerke zahlten sich für die gesamte Familie aus: Barthélmy Bernard bekam schon bald eine Pastorenstelle an der reformierten Kirche in Amsterdam, was sich als besondere Leistung herausstellte, da insgesamt 360 hugnottische Pastoren auf rund ein dutzend freie Pfarrstellen der wallonischen Kirche gekommen waren. Bereits am 29. Mai 1686 erhielt Barthélmy Bernard das Bürgerrecht der Stadt Amsterdam, was im Normalfall mehr als ein Jahr gedauert und ihn beträchtliche finanzielle Mittel gekostet hätte. Doch aufgrund seiner schlechten Gesundheit verstarb Barthélmy Bernard bereit 1694, was Jean Frédéric Bernard im Alter von 14 Jahren und seine zwei überlebenden Geschwister, Elisabeth und Henri, nach dem bereits zuvor stattgefundenen Tod seiner Mutter, zu Vollwaisen machte. Um diese kümmerten sich nun seine beiden Onkel Jean Bernard und Henri Guib, der Bruder seiner Mutter. Der gesamt gesellschaftliche Hintergrund seiner Familie suggerierte eine universitäre oder geistliche Laufbahn - doch Jean Frédéric Bernard brach mit diesen Traditionen.

1704 zog Jean Frédéric dank seiner Schweizer Beziehungen zurück nach Genf - jedoch nicht als Student der Theologie, sondern um sein Glück im Handel zu machen. Bereits in Amsterdam hatte er die Bekanntschaft mit einer Hugenottischen Verleger-Dynastie gemacht, die familiäre Beziehungen zu seinem späteren Freund Pierre Humbert besaß. In Genf fasste er dank dieses Netzwerks Fuß im Maklergeschäft, wobei der Buchhandel ein wichtiger Teil seines Geschäfts blieb, das in beiden Bereich vom wechselseitigen Vertrauen und dem Aufbau einer gewissen Klientel lebte. Selbst Pierre Bayle gehörte zu seinen Kunden.[3]

1707 kehrte Bernard nach Amsterdam zurück. Als facteur de la société des libraires (also Mitglied der Buchhändlergesellschaft) von Genf firmierte Jean Frédéric Bernard in Amsterdam von 1705 bis 1711. Er trat danach als Autor von Übersetzungen, Herausgeber kritischer Editionen, sowie von verschiedenen historischen und literarischen Werken hervor. Die kurze Ehe mit der ebenfalls hugenottischen Jeanne Chartier 1715, die bereits zwei Monate nach der Heirat im Alter von 26 Jahren starb, markierte einen doppelten Wendepunkt in Bernards Leben. Denn Jeanne Chartier war äußerst vermögend und im Besitz eines größeren Hauses in der renommierten Kreizerskracht, sodass ihm als einziger Erbe ein bedeutendes Kapital zufloss, womit seine Verlegertätigkeit noch angeregt wurde.[4]

Gerade dieses Erbe ermöglichte überhaupt erst die gediegene Produktion der ersten Auflage von Recueil de voyages au nord : contenant divers mémoires très utiles au commerce & à la navigation, 1715, die seinen Ruhm begründen sollte.

1718 heiratete Bernard erneut eine reiche Braut: Marie Sophie Lacoste, ebenfalls Hugenottin, entstammte einer Familie von Samt-Manufakteuren aus Montauban. Denn Bernard konnte mit Sicherheit Kapital bei dem nicht risikoarmen Geschäft der Buchproduktion benötigten, die manchem aufstrebenden Verleger, wie z.B. dem konvertierten Jesuiten Henri de Sauzet (1687–1754), trotz wohlwollender Besprechungen und vermeintlicher Verkaufserfolge, in den Bankrott trieben. De Sauzet, der bei der Herausgabe der skandalträchtigen Erinnerungen des Jean-François Paul de Gondi, Kardinal von Retz, 1719 zusammengearbeitet hatte, stand stets der Insolvenz nahe und musste 1747 seinen Bankrott erklären, um ein paar Jahre später völlig verarmt zu sterben. Denn damals kam es häufig vor, dass gerade kostbare Bücher von ihren vermögenden Kunden nicht etwa bei Ablieferung bar bezahlt wurden, um stattdessen weitere, teure Bücher im Voraus zu bestellen. Dies nötigte die großen Buchhändler zu einem breiten Angebot, während die weniger vermögenden Verleger oft genötigt waren, ihre unverkauften Bestände in einer Auktion feilzubieten.

In den Cérémonies et coutumes religieuses de tous les peuples représésentés par des figures dessinées par Bernard Picart, 1723-1743, entwickelte Bernard in seiner Einleitung ein überraschendes religionstheoretisches Konzept: „Religion ist für ihn primär ein gesellschaftliches Phänomen. In ihrem wesentlichen Kern stimmten alle Religionen überein, lediglich in ihren Ausdrucksformen seien sie unterschiedlich. In den diversen Bräuchen und Formen fänden die je eigenen religiösen Vorstellungen der Menschen ihren Ausdruck; dahinter liege jedoch das im Wesen des Menschen ganz allgemein begründete Bedürfnis nach Zeremonien überhaupt. Ebenfalls anthropologisch konstant sei der Wunsch, bestimmte Zeiten und Aspekte des Menschseins wie Geburt und Tod durch religiöse Rituale zu deuten, aber auch der Versuch durch Gebete Zugang zum Göttlichen zu schaffen.“[5]

Die siebenbändige Folioausgabe über die Zeremonien und kultischen Ausdrucksformen sämtlicher bekannter Religionen war trotz des hohen Preises und des unhandlichen Formats ein Bestseller der Epoche der Aufklärung. Die 1.200 Exemplare der ersten Auflage waren bald verkauft, es erschienen Übersetzungen ins Deutsche, Englische und Niederländische, 1741 sogar eine Konkurrenzausgabe in Frankreich selbst. Die zeitgenössischen Rezensenten besprachen das Werk überaus wohlwollend und in den Beständen der prominenten Sammler jener Zeit ist das Werk weit verbreitet nachgewiesen worden. Besondere Bedeutung erlangte das Werk insbesondere durch die zahlreichen Illustrationen des Kupferstechers Bernard Picart,[6] die beim Publikum so sehr beliebt waren, dass man das Werk als Picart assoziierte.

Nach Bernards Tod 1742 wurden viele nachgedruckte Ausgaben der nächsten Jahrzehnte mit der Signaturfälschung „Jean Frédéric Bernard“ herausgegeben, um den Wert zu erhöhen.[7]

Werk (Auswahl)

  • Recueil de voyages au nord : contenant divers mémoires très utiles au commerce & à la navigation, 1. Auflag 1715, NA Amsterdam 1731[8]
  • Divers traitez sur l'éloquence et sur la poésie, Amsterdam, 1715-1738
  • Réflexions morales, satiriques & comiques sur les moeurs de nôtre siècle, 1711
  • Réponse au Traité du pouvoir des rois de la Grande-Bretagne : où l'on fait voir que ce traité autorise la révolte & la trahison, & rend odieux le pouvoir du souverain; trad. de l'anglois, Amsterdam, 1714
  • zusammen mit Henri de Sauzet: Mémoires du Cardinal de Retz, 1719
  • Cérémonies et coutumes religieuses de tous les peuples représésentés par des figures dessinées par Bernard Picart, 1723-1743
  • Maria Sibylla Merian: De Europische Insecten, Naauwkeurig onderzogt, na 't leven geschildert, en in print gebragt door Maria Sibilla Merian, Amsterdam 1730[9]
  • Superstitions anciennes et modernes, préjugés vulgaires qui ont induit les peuples à des usages et à des pratiques contraires à la religion, 1733-1736; das Werk wurde mit verschiedenen Modifikationen neu aufgelegt bei Bannier, Paris, 1741; als Neudruck durch Claude Prudhomme in 13 Bänden herausgegeben, 1807-1810.
  • Dialogues critiques et philosophiques : par M. l'Abbé de Charte-Livry, nouvelle edition augmentée de plusieurs dialogues, 1734

Literatur

  • Lynn Hunt/Margaret C. Jacob/Wijnand W. Mijnhardt: The book that changed Europe : Picart & Bernard's Religious ceremonies of the world. Belknap Press of Harvard University Press, Cambridge, Mass. 2010 (1. Auflage 2001), ISBN 9780674049284
  • Paola von Wyss-Giacosa: Et plus ultra: Gedanken des Amsterdamer Buchhändlers Jean Frédéric Bernard über das Reisen. In: W. Marschall/P. von Wyss-Giacosa/A. Isler: Genauigkeit: schöne Wissenschaft. Bern 2008, S. 111-119.
  • Paola von Wyss-Giacosa: Religionsbilder der frühen Aufklärung. Bernard Picarts Tafeln für die Cérémonies et Coutumes religieuses de tous les Peuples du Monde. Benteli, Zürich 2006,, ISBN 978-3-7165-1421-4

Einzelnachweise

  1. Lynn Hunt/Margaret C. Jacob/Wijnand W. Mijnhardt: The book that changed Europe : Picart & Bernard's Religious ceremonies of the world. Belknap Press of Harvard University Press, Cambridge, Mass. 2010, S. 89.
  2. Hunt/Jakob/Wijnand, 2010, S. 90.
  3. Hunt/Jakob/Wijnand, 2010, S. 93.
  4. Hunt/Jakob/Wijnand, 2010, S. 96.
  5. Paola von Wyss-Giacosa: Religionsbilder der frühen Aufklärung. In: Sehepunkte, 7/2007, Nr. 9
  6. Bildbeispiel, Abb. 6.10
  7. Beispiel für eine Signaturfälschung
  8. Recueil De Voyages Au Nord, im ChetRossRareBooks
  9. http://www.dhm.de/ausstellungen/bildzeug/qtvr/DHM/n/BuZKopie/raum_15.07.htm