Das Wambolt’sche Schloss ist ein stilprägender Renaissancebau der Stadt Groß-Umstadt. Es baut auf auf eine mittelalterliche Burg aus etwa dem 13. Jahrhundert auf, sein heutiges Aussehen entstand durch Umbauten in der Zeit zwischen dem 16. und dem 17. Jahrhundert. Ab ca. 1850 hat das Schloss seine heutige Form.
Wambolt’sches Schloss | ||
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![]() Wambolt’sches Schloss, Blickrichtung vom Park aus Osten Richtung Curti-Gasse in nordwestlicher Richtung | ||
Alternativname(n) | Stadtschloss der Wambolt von Umstadt | |
Staat | Deutschland | |
Ort | Groß-Umstadt | |
Entstehungszeit | ab 1600 Nordflügel, nach 1670 Südflügel, um 1850 Dachumbau | |
Burgentyp | Dreiflüglige Schlossanlage der Spätrenaissance | |
Erhaltungszustand | volsständig erhalten, sanierungsbedürftig (in Sanierung Stand 2010) | |
Ständische Stellung | adliger Verwaltungshof (Stammburg) | |
Bauweise | Sandstein, Schlossbauweise | |
Geographische Lage | 49° 52′ N, 8° 56′ O | |
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Geschichte
Die Freiherrn Wambolt von Umstadt bewohnten ihre an der Stelle des heutigen Schlosses stehende Stammburg schon seit dem Mittelalter. Die Freiherren standen in Diensten des Kurfürsten von der Pfalz.
Ende des 16. Jahrhunderts erwarben die Freiherren angrenzende Gebäude und Anwesen, um ihre Stammburg zu erweitern. Zwischen 1600 und 1602 wurde der Nordflügel im Renaissancestil erbaut, etwa 1671 der Südflügel errichtet. Zusammen mit den vorhandenen Gebäuden ergab sich eine große geschlossene Hofanlage. Von dieser umfriedeten Hofanlage mit Wirtschafts- und Nebengebäuden sind nur noch wenige Reste erhalten.
Das Schloss beeindruckt vor allem durch die kunstvollen Schmuckformen: Fenster mit profilierten Sandsteingewänden, getriebene schmiedeeiserne Korbgitter und vor allem die Sandstein-Ornamente der Giebel, die dem Gebäude einen herrschaftlichen Charakter verleihen.
Das Wambolt'sche Schloss als Baudenkmal und seine Bedeutung aus kunsthistorischer Sicht
Das Wambolt'sche Schloss ist ein eher untypischer, innerstädtischer adeliger Verwaltungshof aus der Zeit der Spätrenaissance. Zusammen mit dem gleichartigen, nur 100 Meter entfernten Groß-Umstädter Rathaus bildet es eine einmalige städtebauliche und stilistische Korrespondenz. Auffällig an dem Schloss ist der Widerspruch zwischen der auf weite Ansicht konzipierten repräsentativen Dreiflügelanlage mit ihren hohen Schaugiebeln und der typischen Umgebung in Form einer in sich geschlossenen Hofanlage mit einer ursprünglich recht primitiven Hofmauer. Die ebenfalls prächtige Westfront war durch die etwa 20 m entfernt verlaufende hohe Stadtmauer ebenfalls kaum einsehbar. An der Südseite stand die mächtige massive Zehntscheuer des Pfälzer Schlosses. Dieser Widerspruch ist heute noch in der Anlage des Schlosses innerhalb des Stadtraums spürbar.
Die wertvollsten Bauglieder und Bestandteile des Wambolt´schen Schlosses sind:
- die für ihre Zeit einzigartige und großzügige Dreiflügelanlage innerhalb einer kleinstädtischen Fachwerkbebauung
- die vier prächtigen, aus örtlichem roten Sandstein gearbeiteten, sehr plastischen Schaugiebel mit ihren Volutenhörnern,Pilaster,Obelisken und Lisenen.
- Die in Situ erhalten gebliebenen, drei schmiedeeisernen Korbgitter an den Fenstern des Nordflügels, mit ihren aufwändigen Spiralen, Blüten, Blättern und anderen Zierformen
- Die fünf erhalten gebliebenen, streng geometrischen und plastischen Stuckdecken mit den typischen Beschlagwerkverzierungen und einer Wappentafel ( diese wurden vermutlich von Eberhard Fischer aus Babenhausen geschaffen)
- Die kuriose Sandsteinsäule im Erdgeschoss des Westflügels mit dem Motiv eines „säulenfressenden“Drachenkopfes.
Von allen ehemals sieben Adelshöfen in Groß-Umstadt ist das Wambolt´sche Schloss das kunstgeschichtlich wertvollste und am besten in seiner Substanz erhaltene.
Es gehört regional und stilistisch gesehen zur sogenannten Lichtenberger Schule. Diese bekam ihren Namen vom Schloss Lichtenberg im nordwestlichen Odenwald, dem ersten großen Schlossbau der Renaissance in der damaligen Landgrafschaft Hessen-Darmstadt. . Zeitlich, gestalterisch und herrschaftlich befand sich das Wambolt´sche Schloss im Einflussbereich der prächtigen Schlossresidenzen von Darmstadt Heidelberg.und dem Aschaffenburger Schloss. Da die Epoche vor dem Dreißigjährigen Krieg eine wirtschaftliche Blütezeit nicht nur in den deutschen Landen war, entwickelte sich von 1550 bis 1570 eine rege Bautätigkeit. Es gibt kaum eine Burg, ein Schloss oder Rathaus, das nicht in dieser Zeit einen Umbau, Anbau oder Neubau mit Renaissancegiebeln, Erkern, Portalen erfuhr. Jene schmuckreiche „welsche Manier“, wie man den Stil zu jener Zeit nannte, verbreitete sich durch zahlreiche Vorlagenbücher z. B. eines Wedelin Ditterlin oder eines Vredeman de Vries in ganz Nordeuropa aus. Zudem wanderten die die oft aus Oberitalien oder Flandern stammenden Baumeister und Steinmetze von Baustelle zu Baustelle oder wurden von ihren Bauherren weiterempfohlen. Dadurch überschneiden sich die Bauten und Stile überall und ergeben eine unendliche Fülle an formalen Einzelheiten, die zusammengenommen ein meisterliches, stolzes, aber oft auch verschrobenes Konzert ergeben, das wir heute die Baukunst der Renaissance nennen.
Die größte Ähnlichkeit haben die Umstädter Giebel mit denen der Schließerei und der Mühle am Schloss Fürstenau in Michelstadt-Steinbach. Verwandt sind auch das Jagdschloss Kranichstein, das Darmstädter Rathaus, sowie die Schlösser in Kelsterbach und Höchst, um nur einige Beispiele zu nennen. Gegenüber dem Lichtenberger Vorbild sind die Umstädter Giebel wesentlich aufwändiger und „manieristischer“ gestaltet. Auch findet man in der deutschen Renaissancebaukunst nur selten Fassaden, die so gut proportioniert sind wie die Umstädter. Oft sind die deutschen Renaissancegiebel nur als kleine Zwerchgiebel ausgebildet oder wirken wie aufgesetzt, oder enden in einem unruhigen, überladenem Stilgemisch, wie es häufig in der Weser-Renaissance auftaucht. In Groß-Umstadt dagegen sind es wohlausgewogene, räumlich gefasste, klar durchgeführte Entwürfe, die einen eindeutigen Kulminationspunkt besitzen und dadurch einen starken vertikalen Höhendrang entwickeln. Das sieht man schon an dem ungewöhnlichen Verhältnis zwischen Unterbau und Giebelaufbau. Der Giebel nimmt über die Hälfte der Gebäudehöhe ein.
Insgesamt gehört das Wambolt'sche Schloss zu den wichtigsten Baudenkmälern des Kreises Darmstadt-Dieburg und ist ein wertvolles Zeugnis der Renaissancearchitektur in Südhessen.
Baugeschichte
Der Südflügel wurde über einer kleinen mittelalterlichen Burganlage gebaut, während der ältere Nordflügel in den Jahren 1600 bis 1602 zum Teil auf den Kellerfundamenten abgebrochener bürgerlicher Fachwerkhäuser errichtet wurde. Da man sich an Grundriss des Vorgängerbaus hielt, besitzt der Nordflügel im Innern keinen rechten Winkel. Der Abschnitt des Kellers mit dem Kreuzgratgewölbe wurde wohl zugleich mit dem Nordflügel errichtet. Den Südflügel errichtete man ca. 70 bis 80 Jahre später als den Nordflügel. Dafür wurde wohl der alte Treppenturm und der restliche Teil der kleinen Burganlage abgerissen. Die tonnengewölbten Keller aus dem 14.oder 15. Jahrhundert blieben allerdings dabei erhalten. Neuere Erkenntnisse lassen vermuten, dass der westliche Verbindungsbaus schon gleichzeitig mit dem Nordflügel gebaut worden ist und sogar bis an den alten Treppenturm reichte, der demnach ungefähr an der Stelle stand, wo sich heute das große Treppenhaus befindet. Ein wenig unerklärlich bleibt das ursprüngliche, gänzliche Fehlen einer Treppe im Nord-und Westflügel.
Über den Baumeister des Schlosses und des Rathauses lässt sich bis heute nichts Definitives sagen. Der zuletzt in Darmstadt lebende Architekt, Denkmalpfleger und Kunsthistoriker Dr. Johannes Sommer hatte in einer umfassende Baudokumentation des Umstädter Rathauses den Baumeister Johannes Schoch ausfindig gemacht. Dieser war um 1600 am kurpfälzischen Hof unter Friedrich IV. als Baumeister im Dienst und hatte u. a. den berühmten Friedrichsbau vom Heidelberger Schlosses entworfen. Dahingegen ist der Groß-Umstädter Stadtarchivar a.D. Georg Brenner nach jahrelanger Archivarbeit auf einen gewissen Jacob Stoppani (oder auch Stuppanus) gestoßen, der im Zusammenhang mit dem bekannteren flämischen Baumeister Georg Robin steht. Stoppani war u.a. an der Planung und dem Bau der Renaissanceschlösser in Kelsterbach und Höchst a. Main beteiligt, auch die Schlosskirche in Meerholz wurde von ihm umgebaut, wobei der dortige Kirchturm eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Umstädter Stadtturm aufweist. Z. B. tauchen an der Meerholzer Turmbrüstung genau die gleichen, noch gotischen, dreiteiligen Fischblasen wie in den Giebeln des Wambolt'schen Schlosses auf. Um 1680 hatte das Schloss äußerlich im Wesentlichen die heutige Form erreicht. Einzig der Dachstuhl des Verbindungsbau wurde wohl um 1850 von einem vorher spitzen Pyramidendach in die heutige einfache Sattelform umgebaut.
Das Schloss ist zur Zeit in einem sehr schlechten Zustand und bedarf einer dringenden Sanierung.
Literatur
- Siegfried R.C.T. Enders: Kulturdenkmäler in Hessen. Landkreis Darmstadt-Dieburg. Herausgegeben vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Vieweg, Braunschweig/ Wiesbaden 1988, ISBN 3-528-06235-5, S. 220–222 (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland).
- Rudolf Knappe: Mittelalterliche Burgen in Hessen. 800 Burgen, Burgruinen und Burgstätten. 3. Auflage. Wartberg-Verlag. Gudensberg-Gleichen 2000. S. 535f. ISBN 3-86134-228-6
- Johannes Sommer: Das Renaissance-Rathaus in Groß-Umstadt. Verlag Langewiesche 1993, ISBN 3-7845-5800-3
- Schlösser, Burgen, alte Mauern. Herausgegeben vom Hessendienst der Staatskanzlei, Wiesbaden 1990, S. 152f., ISBN 3-89214-017-0
Weblinks
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