Madrider Zuganschläge

Bombenanschlag in Madrid am 11. März 2004
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Die Zuganschläge in Madrid bezeichnen eine Serie von zehn durch bislang unbekannte Personen oder Gruppen ausgelöste Bombenexplosionen am 11. März 2004.

Ablauf der Anschläge

Die Explosionen ereigneten sich zwischen 7:35 Uhr und 7:55 Uhr Ortszeit (MEZ). Nach Angaben des spanischen Innenministeriums kamen 199 Menschen ums Leben, von den etwa 1.500 Verletzten schweben 44 noch in Lebensgefahr.

Zehn Sprengsätze explodierten in eng besetzten Vorortzügen. Drei weitere Bomben sollten verzögert detonieren, um die zu Hilfe kommende Einsatzkräfte zu verletzen. Die Sprengsätze wurden später kontrolliert gesprengt, darunter sei einer gewesen, der die Kraft gehabt haben soll, den Madrider Hauptbahnhof Atocha, der zu Rushhourzeiten stark frequentiert ist, zu zerstören. Ein verdächtiges Auto, das vor dem Bahnhof geparkt war, wurde ebenfalls kontrolliert gesprengt.

Zwei der vier Züge explodierten nicht im Bahnhof Atocha (siehe unten). Einer der Züge wäre fahrplanmäßig zum Zeitpunkt der Detonation im Bahnhof eingetroffen, er hatte jedoch Verspätung und explodierte auf dem Gleisfeld etwa 500 Meter vor den Bahnsteigen.

Nach Angaben des spanischen Innenministers Angel Acebes wurde in der Universitätsstadt Alcalá de Henares am östlichen Rand Madrids ein gestohlener Transporter entdeckt. Darin seien Zünder und ein Tonband mit Koranversen in arabischer Sprache gefunden worden. (siehe unten) Aus dieser Stadt waren die betroffenen Züge abgefahren.

Nach dem Anschlag auf die Pan-Am über dem schottischen Lockerbie stellt dieses Ereignis den schwersten Anschlag in der Geschichte der Europäischen Union (EU) dar.

Die Anschläge ereigneten sich drei Tage vor den spanischen Parlamentswahlen 2004. In Spanien waren daher die Sicherheitsmaßnahmen bereits erhöht gewesen.

Die Suche nach den Urhebern

Kurze Zeit nach den ersten Meldungen über die Explosionen wurden Spekulationen über die Urheber laut. Es ist unklar, ob der Anschlag der baskischen Gruppe ETA zugeschrieben werden kann. Die spanische Regierung benannte die ETA als erste Verdächtige. Es wurden daraufhin Zweifel geäußert. Die ETA arbeitete bislang mit einer anderen Handschrift: Die Anschläge werden kurzfristig angekündigt. Ein Sprecher der verbotenen ETA-nahen Partei Herri Batasuna beschuldigte islamistische Gruppen als Verursacher. Der Innenminister schloss einen Anschlag von islamischen Extremisten so gut wie sicher aus.

Die Londoner Zeitung Al-Quds al-arabi berichtete am Abend des 11. März, ihr liege ein mutmaßliches Bekennerschreiber der Abu-Hafs-El-Masri-Brigaden (Unterorgansiation der Al-Qaida) in Form einer E-Mail vor. In dem Schreiben wird Spanien als eines der wichtigsten Mitglieder der "Allianz im Krieg gegen den Islam" genannt. Aus diesem Grund habe Al-Qaida nun in Madrid zugeschlagen. Nach Angaben US-amerikanischer Geheimdienstexperten habe sich Abu Hafs El Masri in der Vergangenheit zu Taten bekannt, die nicht von ihr ausgeführt wurden, so etwa bei den großflächigen Stromausfällen in der Region New York.

Am gleichen Abend teilte der spanische Innenminister Angel Acebes auf einer Pressekonferenz mit, dass ein am 28. Februar gestohlener Lieferwagen mit 8 Sprengkapseln und einem arabischen Tonband mit Versen des Korans östlich von Madrid, in Alcalá de Henares, gefunden wurde. Es wird jedoch nicht augeschlossen, dass ETA-Anhänger gezielt arabischsprachiges Material zurückgelassen hätten, um die Ermittler zu täuschen.

Andererseits ähnelt der Anschlag dem Muster von ETA-Aktivitäten in der jüngeren Vergangenheit: Am Heiligabend 2003 wurde ein Anschlag auf den Bahnhof Chamartín in Madrid vereitelt, und am 29. Februar 2004 wurde ein ETA-Kommando, das eine halbe Tonne Sprengstoff in einem LKW mitführte, auf dem Weg nach Madrid verhaftet. Zudem berichten mehrere europäische Geheimdienste übereinstimmend, dass die ETA ihre Gangart ändern wolle. Dies erklärte die ETA-fremde Handschrift des Anschlages.

In der Vergangenheit hatte die ETA bereits mehrfach vor Wahlen in Spanien Attentate verübt.

Orte der Explosionen

Sieben der zehn Explosionen ereigneten sich im Estación de Atocha. Dieser ist der zentrale Bahnhof der spanischen Hauptstadt für die Fernzüge aus dem Süden des Landes sowie für Regionalzüge und der wichtigste Knoten im S-Bahn-Netz. Er wurde 1992 umgebaut.

Bei den Stationen Santa Eugenia (eine Explosion) und El Pozo del Tío Raimundo (zwei Explosionen) handelt es sich um zwei S-Bahn-Stationen in Arbeitervierteln im Südosten der Stadt.

Politische Reaktionen und Folgen

In Spanien rief die Regierung am Mittag des 11. März eine dreitägige Staatstrauer aus. Der Spitzenkandidat der konservativen Volkspartei Partido Popular, Mariano Rajoy, erklärte im Radiosender Onda Cero den Wahlkampf seiner Partei für beendet. Alle anderen Parteien haben mitlerweile ebenso den weiteren Wahlkampf abgesagt. Für den Freitag, den 12. März 2004, sind Demonstrationen angekündigt. Die UEFA widersprach dagegen der Bitte dreier spanischer Fußballvereine ihre Spiele um den UEFA-Cup am Abend des 11. März zu verschieben.

Nach dem Bekanntwerden der Anschläge unterbrach das Europäische Parlament seine Plenarsitzung zu einer Schweigeminute. Der Präsident und irische Europaabgeordnete Pat Cox rief die spanische Bevölkerung dazu auf, die Wahlen am Sonntag zu einer Antwort gegen den Terrorismus zu nutzen. Auch der britische Außenminister drückte seine Betroffenheit aus.

In Deutschland kondolierte Bundespräsident Johannes Rau. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse drückte im Namen des Bundestages sein Entsetzen über die Anschläge aus. Auch Bundesaußenminister Joschka Fischer drückte sein Entsetzen und seine Solidarität aus.

Bundeskanzler Gerhard Schröder bot in einem Telefonat mit dem spanischen Ministerpräsidenten deutsche Unterstützung bei der Suche nach den Urhebern an.

Auch die Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Edmund Stoiber (CSU), Angelika Beer und Reinhard Bütikofer (Bündnis 90/Die Grünen) Guido Westerwelle (FDP) und Lothar Bisky (PDS) reagierten mit Bestürzung auf das grausame Verbrechen.

Am Abend verurteilte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Anschläge und bezeichnete sie als "Bedrohung des Friedens und der Sicherheit". Die entsprechende Resolution 1530 wurde einstimmig angenommen.

Siehe auch: Geschichte Spaniens