Alfred Philippson

deutscher Geograf
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Alfred Philippson (* 1. Januar 1864 in Bonn; † 28. März 1953 in Bonn) war ein deutsch-jüdischer Geograf.

Berufsleben

Alfred Philippson war der jüngste Sohn des Rabbiners und Publizisten Ludwig Philippson und dessen zweiter Frau Mathilde. Der Historiker Martin Philippson war sein Bruder.

Philippson studierte in Bonn und Leipzig Geographie, Geologie, Mineralogie und Nationalökonomie. 1886 wurde er durch Ferdinand Freiherr von Richthofen an der Universität Leipzig mit der Dissertation "Studien über Wasserscheiden" promoviert. Nach einem Ergänzungsstudium der Paläontologie in München begann Philippson 1887 seine erste Griechenlandreise. Mit seiner Schrift "Der Peloponnes – Versuch einer Landeskunde auf geologischer Grundlage" wurde Philippson 1891 habilitiert. Am 15. Dezember hielt er seine Antrittsvorlesung und wurde 1892 in Bonn als Privatdozent zugelassen. Den Titel "Professor“ erhielt er allerdings erst 1899.

Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts bereiste Philippson Nordgriechenland (1893), Konstantinopel, die Ägäischen Inseln (1896) und Russland (1897). Bis zu seiner Berufung auf die ordentliche Professur für Geographie an die Universität Bern im Jahr 1904 folgten weitere Forschungsreisen durch Kleinasien. Nach einer Zwischenstation an der Universität Halle-Wittenberg kehrte er 1911 nach Bonn zurück.

Philippsons Bemühungen gingen dahin, die Länderkunde als wissenschaftlich gleichwertigen Zweig der Geografie auszubauen und weiter zu entwickeln. Durch den systematischen Ausbau von Bibliothek, Kartensammlung und Seminarräumen bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1929 schuf Philippson in Bonn eines der modernsten geographischen Institute in Deutschland.

Familie

1892 heiratete Alfred Philippson Lina Anna Simoni. Aus dieser Ehe gingen vier Kinder hervor. Nach dem frühem Tod von Lina Anna Simoni im Jahr 1906 heiratete Philippson 1919 Margarete Kirchberger.

Verfolgung

1933 erhielt Philippson Lehrverbot, seine Veröffentlichungen konnte er daraufhin nur noch im Ausland publizieren. 1938 wurde ihm der Reisepass entzogen. Wegen seiner Freundschaft mit Sven Hedin blieb Philippson zunächst unbehelligt. Im Juli 1941 beschlagnahmte die Bonner Gestapo Philippsons Haus und wies ihm mit seiner Frau Margarete und seiner Tochter Dora eine kleine Wohnung im Haus des jüdischen Rechtsanwaltes Wollstein zu. Am 8. Juni 1942 wurde er mit seiner Frau Margarete und seiner Tochter Dora in das KZ Theresienstadt deportiert. Sven Hedin setzte sich (auch auf Bitten von Kollegen und Verwandten Philippsons hin) bei den Nazis für seinen Freund und früheren Studienkollegen ein. Seine Interventionen führten zu dessen Einstufung als "A-Prominent" und zu Hafterleichterungen der Familie, sodass diese letztlich das Konzentrationslager überleben konnte. Philippson schrieb vom Oktober 1942 an in Theresienstadt seine Lebenserinnerungen "Wie ich zum Geographen wurde". Die Tochter Dora entging der Einlieferung in ein Vernichtungslager nur, weil sie ihren kranken Vater pflegen musste. Am 20. April 1945 erhielten jedoch alle Familienmitglieder eine "Aufforderung" der SS-Lagerleitung, sich für die "Einreihung" in einen "Transport" bereitzuhalten. Glücklicherweise wurde Theresienstadt aber bereits am 3. Mai 1945 dem Roten Kreuz übergeben und dann von der Sowjetarmee befreit. Weil das Lager anschließend unter Quarantäne gestellt wurde, dauerte es Monate bis zu ihrer Entlassung.

Rückkehr

Dora, Margarete und Alfred Philippson kehrten am 10. Juli 1945 nach Bonn zurück. Ohne sein altes Haus wieder beziehen zu können, nahm Alfred Philippson als 81jähriger seine Publikationstätigkeit wieder auf, und im November 1945 erhielt er eine erneuerte Lehrbefugnis. Er starb am 28. März 1953 im Alter von 89 Jahren, seine Frau Margarete Philippson starb ebenfalls im Jahr 1953. Die Tochter Dora Philippson konnte aufgrund ihrer dauerhaft geschädigten Gesundheit nicht mehr als Lehrerin unterrichten. Bis kurz vor ihrem Lebensende 1980 setzte sie sich für die Aussöhnung der Juden und Christen in der Bonner Synagogengemeinde, im Jüdischen Frauenverein und in der Bonner Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit ein.

Funktionen

  • Vorsitzender des Fachausschusses Geographie in der 1920 gegründeten Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft (1920 – 1928)
  • Vorsitzender des Zentralausschusses des Deutschen Geographentages (1921 – 1925)
  • Gründung und Gestaltung des Verbandes Deutscher Hochschullehrer der Geographie (1925 – 1929)

Auszeichnungen

  • Geheimer Regierungsrat (1915)
  • Goldene Ferdinand-von-Richthofen-Medaille (1933) (zusammen mit Erich Dagobert von Drygalski und Sven Hedin)
  • Ehrendoktor der Bonner Universität (1946)
  • Eintragung in das "Goldene Buch" der Stadt Bonn (1947)
  • Gustav-Steinmann-Medaille (1948)
  • Großes Bundesverdienstkreuz (1952)

Alfred Philippson

Dora Philippson

Literatur

Primärliteratur

  • Studien über Wasserscheiden (Diss. 1886)
  • Das Mittelmeergebiet, seine geographische und kulturelle Eigenart (1904 , 4. Auflage 1922).
  • Europa. (1906 mit Prof. Dr. Ludwig Neumann)
  • Grundzüge der Allgemeinen Geographie (3 Bände 1920 - 1924)
  • Wie ich zum Geographen wurde (1942/1996), ISBN 3416026209
  • Land und See der Griechen (1946)
  • Das Klima Griechenlands (1948)
  • Handbuch der regionalen Geologie: Kleinasien In: Handbuch der regionalen Geologie, Band 22 (1968)

Sekundärliteratur

  • Mehmel, A.: „Wie ich zum Geographen wurde" - Aspekte zum Leben Alfred Philippsons. In: Geographische Zeitschrift 82, 1994, S. 116-132.
  • Mehmel, A. und C. Hermes: Alfred Philippson - Lebenserinnerungen eines Geographen - Hinwegsehen über sein Judentum, zusammen mit Claudia Hermes. In: Aufbau New York LX 16 vom 5.8.1994, S. 4/5.
  • Mehmel, A.: Deutsche Revisionspolitik in der Geographie nach dem Ersten Weltkrieg. In: Geographische Rundschau 9, September 1995, S. 498-505.
  • Böhm, H. und A. Mehmel: Alfred Philippson: Wie ich zum Geographen wurde. Aufgezeichnet im Konzentrationslager Theresienstadt zwischen 1942 und 1945. Herausgegeben und kommentiert von Hans Böhm und Astrid Mehmel. Bonn 1996.
  • B. Brandenburg und A. Mehmel: Margarete Kirchberger, verheiratete Philippson. In: 100 Jahre Frauenstudium: Frauen der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Herausgegeben von Annette Kuhn u.a. Dortmund 1996, S. 156 - 159.
  • Mehmel, A.: Dora Philippson. In: 100 Jahre Frauenstudium: Frauen der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Herausgegeben von Annette Kuhn u.a. Dortmund 1996, S. 200 - 204.
  • Böhm, H.: Alfred Philippsons Begegnungen mit Griechenland 1887-1934. In: Trapp, E. (Hg.): 3000 Jahre Griechische Kultur. St. Augustin, 145-171. (1997)
  • Mehmel, A.: Alfred Philippson (1.1.1864-28.3.1953) - ein deutscher Geograph. In: Aschkenas. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden. Bd. 8, Heft 2 1998, S. 353-379.
  • Mehmel, A.: Alfred Philippson (1.1.1864-28.3.1953) - ein deutsch jüdischer Geograph. In: Horizons in Geography (Ofakim beGeographia) Vol 51 Haifa 1999, S. 97-81 (in Iwrith).
  • Böhm, H. und A. Mehmel: Alfred Philippson: Wie ich zum Geographen wurde. Aufgezeichnet im Konzentrationslager Theresienstadt zwischen 1942 und 1945. Herausgegeben und erweiterte kommentierte Auflage von Hans Böhm und Astrid Mehmel. Bonn 2000.
  • Mehmel, A.: Philippson, Alfred. In: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hg.): Neue Deutsche Biographie, 20. Band Pagenstecher-Püterich, Berlin 2001, 399-400.
  • Richter, Sabine: Wissenschaftliche Nachlässe im Archiv des Geographischen Instituts der Universität Bonn : Findbücher zu den Nachlässen von Carl Troll und Alfred Philippson / von Sabine Richter. - Sankt Augustin : Asgard, 2004. - 450, 75 S. : Ill. - (Colloquium Geographicum ; 27) Enth.: Der Nachlass von Carl Troll im Archiv des Geographischen Instituts Bonn / von Sabine Richter. Der Teilnachlass von Alfred Philippson im Archiv des Geographischen Instituts Bonn / von Sabine Richter. ISBN 3-537-87427-8

Film aus dem KZ Theresienstadt