Staatsverschuldung

zusammengefasste Schulden eines Staates
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Die Staatsverschuldung bezeichnet die zusammengefassten Schulden von Bund, Ländern, Kommunen, gesetzlicher Sozialversicherung und Sondervermögen des Bundes; also die vom Staat geschuldeten Gesamtforderungen der kreditgebenden Gläubiger an den Staat. Die Staatsverschuldung wird dabei in der Regel brutto betrachtet, das heißt, die Verbindlichkeiten gegenüber Dritten werden nicht um die Forderungen des Staates gegenüber Dritten vermindert. Ende März 2010 betrugen die Verbindlichkeiten des Sektors Staat in der Bundesrepublik Deutschland 1.711,7 Mrd. Euro oder rund 71 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP), das Geldvermögen betrug 508,2 Mrd. Euro oder 21 % des BIP und die Nettoverbindlichkeiten somit 1.080,3 Mrd. Euro oder 45 % des BIP.[1]

Begriffe

  • Bei den Schulden eines Staates unterscheidet man interne Schulden, das heißt Staatsschulden in eigener Währung, und externe Schulden, das ist die Verschuldung in ausländischer Währung.
  • Die Schulden werden nach unterschiedlichen Messkonzepten erfasst. Zu unterscheiden ist die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Kreditmarktschulden der öffentlichen Haushalte in finanzstatistischer Abgrenzung, der Maastricht-Schuldenstand und der umgangssprachliche Schuldenstand.
  • Die Höhe und die Bedeutung öffentlicher Verschuldung kann anhand einer ganzen Reihe von Kennzahlen gemessen werden: Schuldenstand und Nettokreditaufnahme (ersteres ist eine Bestandsgröße, letzteres die dazugehörige Stromgröße): Laut Angaben des Bundes der Steuerzahler beträgt der aktuelle Schuldenstand der Bundesrepublik Deutschland ca. 1707 Mrd. Euro (17. Mai 2010), davon entfallen ca. 61 % auf den Bund und knapp 33 % auf die Länder – der Rest auf die Kommunen und Sozialversicherungs-Träger und damit ca. 20.890 Euro pro Kopf. Dem steht eine kontinuierliche Nettokreditaufnahme bzw. Nettoneuverschuldung gegenüber (das ist die Bruttoneuverschuldung abzüglich der im selben Zeitraum getilgten (alten) Verbindlichkeiten): 2001 lag sie im Bund bei 154 Mrd. Euro. Seit 1962 kam es mit Ausnahme von 1989 in jedem Jahr zu einer Nettoneuverschuldung des Bundes; nur im Zeitraum von 1950 bis 1961 war in acht Jahren eine Nettotilgung der Bundesschuld möglich. Der Bund der Steuerzahler hat errechnet, dass die Gesamtneuverschuldung pro Sekunde des Staates der Bundesrepublik derzeit (Pressemitteilung 15. Januar 2009) sich von 474 Euro auf 4.439 Euro im Jahr 2009 gegenüber dem Vorjahr nahezu verzehnfacht.[2]

Das bedeutet, dass die Forderungen der Privaten, soweit sie das Gegenstück der Staatsverschuldung sind, ebenfalls pro Sekunde um diesen Betrag zunehmen. Die Privaten können dabei Inländer oder Ausländer sein.

  • Zinslastquote: Entsprechend dem zunehmenden Schuldenstand sind die Zinslasten gewachsen. Die Zinslastquote (Zinsausgaben in % der Gesamtausgaben) lag für den Bund im Jahr 2001 bei 16,2 %; in einigen Bundesländern noch deutlich darüber.
  • Explizite Verschuldung und implizite Verschuldung: Neben dieser heute schon explizit vorliegenden Verschuldung, die sich aus den in aller Regel verbrieften Staatsverbindlichkeiten (Bundesanleihen, -schatzbriefe, Kommunalanleihen etc.) ergibt, spricht man auch von der impliziten Verschuldung (engl. implicit debt; in der Politik und den Medien auch „versteckte“ Schulden) die sich aus der Höhe der zukünftigen staatlichen Verpflichtungen, wie z. B. Renten- und Pensionszahlungen, ergibt. Die Berechnung der impliziten Verschuldung wird kontrovers diskutiert, da sie unter anderem von Annahmen über die Höhe der zu veranschlagenden Zahlungsströme (Cash-Flow) sowie Annahmen über die (künftige) Zinsstruktur abhängt. Eine Änderung der Sozialversicherungssysteme oder der Bevölkerungsverteilung hätte beispielsweise direkte Auswirkungen auf die zukünftigen Zahlungsströme und damit auf den Kapitalwert (den heutigen Wert) der künftigen Zahlungsströme. Aus diesem Grund beziehen sich die veröffentlichten Zahlen auf die einheitlich ermittelbare explizite Verschuldung. Im Rahmen der Diskussion über eine größere Nachhaltigkeit in den öffentlichen Finanzen existieren Vorschläge, die implizite Verschuldung in eine Generationenbilanz zu integrieren.

Arten der Staatsverschuldung

Von grundlegender Bedeutung ist die Differenzierung nach konjunkturellen und strukturellen Ursachen.

  • Ein konjunkturelles Defizit ist auf die geringeren Steuereinnahmen und höheren Sozialausgaben in Phasen der Rezession zurückzuführen.
  • Ein strukturelles Defizit ist die dauerhafte Überlastung des Haushalts durch nicht finanzierte Ausgaben. Auch bei guter Konjunktur, typischerweise angesetzt mit mindestens 1,5% Wachstum pro Jahr, wird es langfristig nicht abgebaut.

Volkswirtschaftliche Bedeutung

Die Bewertung der Staatsverschuldung ist in den Wirtschaftswissenschaften kontrovers: Während David Ricardo sie als „eine der schrecklichsten Geißeln, die jemals zur Plage einer Nation erfunden wurden“ bezeichnete, lässt sich aus keynesianischer Sicht eine verstärkte Verschuldung temporär zur „Ankurbelung“ des Wirtschaftswachstums rechtfertigen.

Wirtschaftliche Grenzen

Staatsschulden in eigener Währung können theoretisch in unbegrenzter Höhe aufgenommen werden. Allerdings gestaltet sich die Emission von Staatsschuldtiteln für einen bereits hochverschuldeten Staat in der Regel äußerst schwierig, da die Finanzmärkte eine Rückzahlung der aufgenommenen Schulden für sehr fragwürdig erachten (Bonität) und dem Staat somit liquide Mittel entweder gar nicht mehr oder nur noch zu sehr hohen Zinsen anbieten werden. Der verschuldete Staat rutscht so in den Teufelskreis einer Haushaltsnotlage aus immer höheren finanziellen Verpflichtungen (Zinsen und Tilgung bereits bestehender Schulden) und einem immer begrenzteren Zugang zum Finanzmarkt. Diese Spirale kann mit dem Verlust der Kreditwürdigkeit oder gar mit der Zahlungsunfähigkeit des Staates (Staatsbankrott) enden.

 
Zinslastquote verschiedener Staaten bezüglich des Bruttoinlandsprodukts

Inwieweit Staatsschulden wirtschaftlich verkraftbar sind, hängt davon ab, in welcher Höhe der Staat Zinsen auf seine Schulden bezahlen muss. Ein Maß dafür ist die Zinslastquote, also die staatlichen Zinsausgaben gemessen an den Staatsausgaben insgesamt oder am Bruttoinlandsprodukt (BIP). Sind die Zinssätze niedriger als die Wachstumsrate des BIP (in laufenden Preisen), ist als fester Prozentsatz am BIP eine dauerhafte Nettoneuverschuldung des Staates möglich. Der Schuldenstand im Verhältnis zum BIP steigt dann nicht grenzenlos, sondern strebt gegen einen Grenzwert.[3]

Verteilung der Schulden auf die Generationen

Hauptartikel: Ricardianische Äquivalenz

Kritiker einer Verschuldungspolitik argumentieren, dass durch die Staatsverschuldung die jetzige Generation auf Kosten zukünftiger Generationen lebe (Generationenbilanz). Danach seien Staatsschulden auf die Zukunft verschobene Steuererhöhungen, die dann von den „nachfolgenden Generationen zu tragen sind“.

Dieser Zusammenhang ist in der makroökonomischen Theorie als Barro-Ricardo-Äquivalenzproposition bekannt und beinhaltet als Kernaussage, dass sich das permanente Einkommen der Haushalte durch die Neuverschuldung (=Steuersenkung) nicht verändert und damit keine Auswirkung auf die Ausgaben (=Nachfrage) der Haushalte hat, da die Haushalte die zukünftigen Steuerzahlungen, die durch die gegenwärtige Verschuldung bedingt sind, schon in der Gegenwart durch Sparen antizipieren. In diesem Zusammenhang wird die Frage diskutiert, ob die vom Staat ausgegebenen Wertpapiere Vermögen darstellen oder einer laufenden Besteuerung entsprechen, da die Wirtschaftssubjekte erkennen, dass die Wertpapiere mit den zukünftigen Steuererhöhungen zurückgezahlt werden müssen. Aus diesem Grund sollte ein nicht von Ausgabenkürzungen des Staates begleiteter Anstieg des Budgetdefizits zu einem Anstieg der Sparquote in gleicher Höhe folgen.

Die keynesianischen Kritiker dieser neoklassischen Theorie argumentieren hingegen, dass eine Steuersenkung durchaus nachfragewirksam sein kann, da sie die Liquiditätsbeschränkung (Unfähigkeit zur Aufnahme von Krediten) vieler Haushalte entschärft, weil ihnen mehr liquide Mittel zur Verfügung stehen. Empirische Untersuchungen zeigen, dass die Barro-Ricardo-Äquivalenz nicht uneingeschränkt gültig sein kann, da die Anfang der 1980er Jahre in den USA durchgeführte Steuersenkung nicht zu einem Anstieg der Sparquote führte (die Sparquote sank von ca. neun Prozent im Jahr 1981 auf unter fünf Prozent 1990).

Sparmaßnahmen und Rationalitätenfalle

Die Beurteilung der Bekämpfung der Staatsverschuldung durch Sparmaßnahmen unterliegt häufig einer sogenannten Rationalitätenfalle. Was auf den ersten Blick plausibel klingt und jedem Privathaushalt einleuchtet („Ich habe zu hohe Schulden, also muss ich sparen.“), kann für die Volkswirtschaft unerwartete Folgen haben: Wenn der Staat seine Ausgaben kürzt, indem er beispielsweise Transferzahlungen an die Industrie und Haushalte in Form von Förderungen und Subventionen kürzt, hat dies zwar zwangsläufig Auswirkungen auf die Ausgabenseite des Staatshaushaltes: Auf die tatsächliche und/oder wahrgenommene Einkommensminderung der Haushalte können diese mit einer Verminderung des Konsums und einer Erhöhung der Sparneigung reagieren. Dies hat zur Folge, dass die aggregierte oder gesamtwirtschaftliche Nachfrage sinkt und zu einem sinkenden oder negativen Wirtschaftswachstum führt, wodurch sich gleichzeitig die Steuereinnahmen des Staates vermindern, was effektiv zu einem negativen Spareffekt führen kann. Die Individualrationalität (Sparen vermindert Schulden) steht somit im Konflikt zur Kollektivrationalität (Wenn alle sparen kann dies keine oder negative Auswirkungen auf den Staatshaushalt haben).

Gläubiger

Die Verschuldung des Staates verteilt sich auf inländische und ausländische Gläubiger. Die Verschuldung gegenüber diesen beiden Gläubigergruppen ist unterschiedlich zu beurteilen. Während Inlandsschulden zu einer Vermögensumverteilung innerhalb der Volkswirtschaft führen (siehe Umverteilungs- und Generationenproblematik in diesem Artikel), fließt bei Zins- und Tilgungszahlungen bei Auslandsschulden Liquidität in eine andere Volkswirtschaft ab. Der deutsche Staat ist zu ca. 60 % bei inländischen Gläubigern verschuldet, der Rest (also ungefähr 40 %) der deutschen Verschuldung sind Auslandsschulden. Ihre Rückzahlung wird der Volkswirtschaft in der Zukunft liquide Mittel zwar entziehen, jedoch lässt sich hier argumentieren, dass Deutschland (der deutsche Staat und die deutschen Haushalte zusammen) in globaler Sicht Netto-Gläubiger ist, weswegen ein weltweiter Schuldenabbau zu einem Zufluss an liquiden Mitteln beitragen dürfte. Die nachvollziehbaren Argumente der Steuererhöhung/Verteilungsproblematik und die wirtschaftstheoretisch abgestützte Warnung vor einer zu hohen Auslandsverschuldung von Netto-Schuldnerländern ist somit sachlich von dem Argument der Belastung von Generationen zu trennen. Die 60 % der inländischen Schulden werden zu ca. zwei Dritteln von inländischen Kreditinstituten und zu einem Drittel von Nichtbanken (Versicherungen, Unternehmen, aber auch Privatpersonen) bereitgestellt.[4][5] Wenn die Kreditinstitute ihrerseits das Geld bei einer Zentralbank aufnehmen, leiht mittelbar die Zentralbank dem Staat Geld.[6]

Verdrängung privater Investitionen

Ein weiterer volkswirtschaftlich bedeutender Effekt steigender Staatsverschuldung ist der Crowding-out-Effekt auf dem Kapitalmarkt. Einfach formuliert: Durch die hohe Nachfrage des Staates nach Geld steigen die Zinsen und damit die Finanzierungskosten der Unternehmen. Für sie werden Kredite teurer, Investitionen unterbleiben. Dadurch sinkt ihre Wettbewerbsfähigkeit, das Wirtschaftswachstum leidet.

Das Ausmaß der Verdrängung wird in der Theorie der drei großen Schulen (Keynesianer, Monetaristen, Neoklassiker) stark unterschiedlich beurteilt. Weiterhin kann die Zentralbank diesen Effekt einer expansiven Fiskalpolitik durch eine expansive Geldpolitik neutralisieren (Monetisierung des Budgetdefizits).

Inflationswirkungen

Bei einer hohen Staatsverschuldung besteht für die Regierungen in Ländern mit nicht unabhängigen Zentralbanken häufig ein starker Anreiz, das Zinsniveau künstlich niedrig zu halten und Zusatzeinnahmen durch die Ausweitung der Bargeldmenge zu schaffen. Beide Maßnahmen führen zu Inflation. Vielfach enden Situationen, in denen Staaten überschuldet sind, in Hyperinflation und Währungsreform.

Neokeynesianische Begründung

Neokeynesianisch wird staatliche Verschuldung als wirtschaftspolitisches Mittel sowohl gegen Deflationen als auch zur Überwindung von Nachfragelücken gesehen. Ersteres wurde von Ökonomen wie Wolfgang Stützel vor allem damit begründet, dass Geld letzten Endes lediglich Schuldschein-Charakter habe. Eine umfassende Schuldentilgung führt nach dieser Sichtweise direkt zu Deflation. Daher wird von verschiedenen neokeynesianischen Ökonomen der Staat dazu aufgefordert, sich zur Vermeidung von Deflation langfristig zu verschulden.

Grundsätzlich soll sich der Staat nach Meinung neokeynesianischer Theoretiker antizyklisch verhalten, d. h. zur Überwindung einer Nachfragelücke soll der Staat einen Konjunkturaufschwung vor allem über eine Anschubfinanzierung (durch höhere Staatsausgaben oder Steuersenkungen, das sogenannte deficit spending) ermöglichen. In der Theorie erhöht die vermehrte staatliche Nachfrage den privaten Konsum und die Investitionstätigkeit der Industrie. In der Folge sollen dadurch die Einkommen und somit auch die Steuereinnahmen wieder steigen. Im Extremfall entstünde das Schuldenparadoxon: Die Kosten der Schuldentilgung könnten geringer sein, als die zusätzlichen Steuereinnahmen. Nach ursprünglicher keynesianischer Deutung soll eine antizyklische Finanzpolitik jedoch aus Rücklagen finanziert sein.

Ob eine hohe Staatsverschuldung zu mehr Wachstum führt, ist im Hinblick auf den anhaltenden Anstieg der Staatsverschuldung und die gleichzeitig niedrigen Wachstumsraten, insbesondere in Deutschland, umstritten, zumal die Zinsforderungen der Gläubiger bereits höher sind als die jährliche Neuverschuldung. Auf die von den Gläubigerforderungen verursachte Liquiditätslücke des Staates kann der Staat reagieren indem er wiederum mehr Schulden aufnimmt, staatliche Vermögenspositionen auflöst oder staatliche Ausgaben reduziert. Somit werden die ursprünglichen Ziele der Schuldenpolitik (entweder a) keynesianische Ankurbelung oder b) Finanzierung aktueller Staatstätigkeit, ohne dafür Steuern erheben zu müssen) ad absurdum geführt, wenn die gesteigerte staatliche Nachfrage nicht zum erwünschten Wirtschaftswachstum und damit höheren Steuereinnahmen führt oder der Staat seine Ausgabenpolitik im Aufschwung nicht korrigiert. Allerdings bestand das strukturelle Defizit im deutschen Staatshaushalt bereits seit Mitte der 1990er-Jahre und in der Stagnationsphase von 2001 bis 2003 wurde das strukturelle Defizit im Gegensatz zu den USA nicht ausgeweitet, sondern zum Teil abgebaut (wenn auch auf hohem Niveau).

Siehe auch: Keynesianismus

Verteilungspolitische Wirkungen der Staatsverschuldung

Kontrovers diskutiert wird die verteilungspolitische Wirkung der Staatsverschuldung. Hierbei sind mehrere Aspekte zu unterscheiden:

Die Zinslast, die vom Staat durch Steuern oder Ausgabenkürzungen aufgebracht werden muss und an die Gläubiger bezahlt wird, mindert den Spielraum des Staates und verlangt somit politische Entscheidungen. Sollen die Steuern nicht erhöht werden, sinken damit die Anteile des Haushaltes, die zur Umverteilung beitragen, sofern nicht andere Ausgaben noch stärker zu deren Gunsten gekürzt werden.

Sind jedoch schuldenfinanzierte Investitionen des Staates zum Beispiel in Infrastruktur oder die zeitweise Stützung von Unternehmen sinnvoll, um nachhaltige Steuereinnahmen zu begünstigen oder zu sichern und so den oben genannten Effekt mehr als ausgleichen, steigert diese Maßnahme den Verteilungsspielraum des Staates. Diese Idee findet sich auch in den Begründungen für Konjunkturpakete in Krisenzeiten. Die Bewertung der Erfolgsaussichten der jeweiligen Maßnahmen oder deren Unterlassung ist in vielen Fällen offensichtlich schwierig und wird in Politik und Wissenschaft ausgiebig diskutiert.

Zwillingsdefizit

Wenn in einem Land sowohl ein Haushaltsdefizit des Staates als auch ein Leistungsbilanzdefizit besteht, spricht man von einem Zwillingsdefizit. Die zunehmende Staatsverschuldung wird in dieser Situation teilweise über Auslandskredite finanziert. Dies ist nur möglich, solange die ausländischen Investoren Vertrauen darin haben, dass der Wechselkurs der Währung des Staates stabil ist. Fällt das Vertrauen weg so ist es notwendig, entweder die Zinsen zu erhöhen oder den Inlandskonsum einzuschränken, was wiederum Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum hat. Im Extremfall trägt die Staatsverschuldung damit zum Entstehen von Finanzkrisen bei.

Rechtliche Begrenzungen der Staatsverschuldung

Deutschland

Der deutsche Staat darf nicht unbegrenzt Schulden machen. Nach Art. 115 GG besteht ein Parlamentsvorbehalt und eine inhaltliche Begrenzung (die Kredite dürfen nicht die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen überschreiten). Dabei schränken allerdings Desinvestitionen (Verkauf von Vermögen, Abschreibungen) die Verschuldungsmöglichkeiten nicht ein. Um eine antizyklische Finanzpolitik zu gewährleisten, besteht eine Ausnahmeregelung, dass bei einer „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ auch höhere Verschuldungen zulässig sind. Da diese „Störung“ von der deutschen Bundesregierung selbst festgestellt wird, ist die Wirkung des Artikels 115 gering.

Außerdem mussten vor der Einführung des Euro u. a. die folgenden, im Maastricht-Vertrag von 1992 festgelegten EU-Konvergenzkriterien erfüllt sein:

  • Das Haushaltsdefizit darf maximal 3 Prozent des BIP betragen.
  • Die Gesamtverschuldung darf 60 Prozent des BIP nicht überschreiten. Dabei zählen als Schulden z. B. nicht Schulden aus Lieferungen und Leistungen.

Die am Euro teilnehmenden Länder haben sich verpflichtet, dieselben Kriterien im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts auch nach der Euro-Einführung einzuhalten. Hierbei werden die Schulden des Bundes, der Länder und der Gebietskörperschaften zusammengezählt.

Diese als Maastricht-Kriterien bezeichneten Grenzen sind willkürlich gesetzt worden und wurden seitens Deutschlands und auch anderer Länder seit 2002 mehrfach nicht mehr eingehalten. Deutschland hat beim Staatsdefizit 2006 erstmals seit fünf Jahren wieder die Vorgaben des Euro-Stabilitätspaktes erfüllt. Der Wirtschaftsaufschwung und höhere Einnahmen ließen das deutsche Haushaltsloch auf 1,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts schrumpfen nach 3,2 Prozent im Jahr 2005. Die 60-Prozent-Grenze stellte den zum Zeitpunkt der Maastricht-Verhandlungen (1991) durchschnittlichen Verschuldungsgrad der damaligen Beitrittskandidaten dar. Man unterstellte dabei ein durchschnittliches nominales Wachstum der Sozialprodukte von etwa fünf Prozent, das heißt drei Prozent reales Wachstum und zwei Prozent Inflation. Danach dürfte die Nettokreditaufnahme nur bei 60 Prozent der Sozialproduktzunahme (also drei Prozent) liegen, wenn der Schuldenstand gleich bleiben sollte. Nach Mitteilung der Bundesregierung wurde erstmals seit 1969 für das Haushaltsjahr 2007 ein ausgeglichener Haushaltsplan für Deutschland erreicht und die Staatsverschuldung nicht weiter erhöht.[7]

2009 beschlossen Bundestag und Bundesrat die Einführung einer Schuldenbremse, die ab 2016 dem Bund und ab 2020 den Ländern außer in besonders schweren Rezessionen oder Katastrophen die Aufnahme neuer Schulden verbietet.

Schweiz

Für den Bund gilt die Schuldenbremse, die über einen Wirtschaftszyklus grundsätzlich ausgeglichene Haushalte fordert.

Staatsverschuldung in Europa und anderen entwickelten Ländern

Internationaler Vergleich

 
Eig. Berechn. nach ameco-Datenbank der EU-Dienststellen, Länder der Triade
 
Öffentliche Bruttoverschuldung in Prozent des Bruttosozialprodukts (2009). Forderungen gegenüber Dritten, z. B. aus Staatsfonds, sind nicht gegen die Staatsschulden aufgerechnet.

Die Tabelle gibt den staatlichen Schuldenstand (brutto, ohne Gegenrechnung von staatlichen Forderungen an Dritte) relativ zum jeweiligen BIP aus den Jahren 2009 und 2008 (in Klammern) wieder.

 
Defizit / Überschuss Europäischer Staaten in % des BIP


Staat BIP zu Marktpreisen in Mrd. Euro Defizit(-)/ Überschuss(+) in Mrd. Euro Defizit(-)/ Überschuss(+) im Verhältnis zum BIP Staatlicher Schuldenstand in Mrd. Euro Staatlicher Schuldenstand im Verhältnis zum BIP Staatlicher Schuldenstand pro Einwohner in Euro
Europäische Union (EU-27) 11.804,7 (12.500,1) -801,9 (-285,7) -6,8% (-2,3%) 8.690,3 (7.697,0) 74% (61,6%) 17.390,2 (15.466,8)
Eurozone (Euro-16) 8.977,9 (9.258,9) -565,1 (-181,2) -6,3% (-2%) 7.062,6 (6.424,6) 79% (69,4%) 21.491,1 (19.639,8)
Italien 1.520,9 (1.567,9) -80,8 (-42,6) -5,3% (-2,7%) 1.760,8 (1.663,5) 116% (106,1%) 29.324,1 (27.901,2)
Griechenland 237,5 (239,1) -32,3 (-18,3) -13,6% (-7,7%) 273,4 (237,3) 115% (99,2%) 24.280,4 (21.157,2)
Belgien 337,8 (344,7) -20,2 (-4,1) -6% (-1,2%) 326,6 (309,5) 97% (89,8%) 30.382 (29.017,1)
Frankreich 1.919,3 (1.948,5) -144,8 (-64,7) -7,5% (-3,3%) 1.489 (1.315,1) 78% (67,5%) 23.139,2 (20.554,7)
Portugal 163,9 (166,5) -15,4 (-4,7) -9,4% (-2,8%) 125,9 (110,4) 77% (66,3%) 11.847,8 (10.395,7)
Deutschland 2.407,2 (2.495,8) -79,4 (1) -3,0% (0%) 1.762,2 (1.646,2) 73% (66%) 21.489,8 (20.022)
Malta 5,7 (5,7) -0,2 (-0,3) -3,8% (-4,5%) 3,9 (3,6) 69% (63,7%) 9.545,2 (8.840,1)
Österreich 276,9 (281,9) -9,5 (-1,2) -3,4% (-0,4%) 184,1 (176,5) 66% (62,6%) 22.034,6 (21.222,8)
Irland 163,5 (181,8) -23,4 (-13,2) -14,3% (-7,3%) 104,7 (79,9) 64% (43,9%) 23.520,6 (18.144,3)
Niederlande 570,2 (595,9) -30,2 (4,2) -5,3% (0,7%) 347 (346,7) 61% (58,2%) 21.049,7 (21.132,5)
Zypern 16,9 (17,2) -1 (0,2) -6,1% (0,9%) 9,5 (8,3) 56% (48,4%) 11.955,5 (10.575,6)
Spanien 1.051,2 (1.088,5) -117,6 (-44,3) -11,2% (-4,1%) 559,7 (432,2) 53% (39,7%) 12.211,9 (9.545,1)
Finnland 171 (184,2) -3,7 (7,7) -2,2% (4,2%) 75,2 (63) 44% (34,2%) 14.121,8 (11.890)
Slowenien 34,9 (37,1) -1,9 (-0,6) -5,5% (-1,7%) 12,5 (8,4) 36% (22,6%) 6.159,8 (4.173,1)
Slowakei 63,3 (67,2) -4,3 (-1,5) -6,8% (-2,3%) 22,6 (18,6) 36% (27,7%) 4.172,9 (3.446,2)
Luxemburg 37,8 (39,3) -0,3 (1,1) -0,7% (2,9%) 5,5 (5,4) 14% (13,7%) 11.071,9 (11.122,4)
Nichtmitglieder der Währungsunion
Ungarn 26094,8 HUF (26.543,3 HUF) -1.055,7 HUF (-1.014,8 HUF) -4% (-3,8%) 20.421,3 HUF (19.348 HUF) 78% (72,9%) 2.035.820,1 HUF (1.926.058 HUF)
Vereinigtes Königreich 1.395,9 GBP (1.448,4 GBP) -160,3 GBP (-71,4 GBP) -11,5% (-4,9%) 950,4 GBP (753,6 GBP) 68% (52%) 15.419,2 GBP (12.318,3 GBP)
Polen 1.342,6 PLN (1.272,8 PLN) -95,7 PLN (-46,9 PLN) -7,1% (-3,7%) 684,4 PLN (600,8 PLN) 51% (47,2%) 17.945,4 PLN (15.763,3 PLN)
Schweden 3.057,1 SEK (3.154,6 SEK) -16,7 SEK (77,7 SEK) -0,5% (2,5%) 1.293,8 SEK (1.207,5 SEK) 42% (38,3%) 139.769,3 SEK (131.497,8 SEK)
Dänemark 1.657,9 DKK (1.737,4 DKK) -45,1 DKK (59 DKK) -2,7% (3,4%) 689 DKK (593,8 DKK) 42% (34,2%) 125.019 DKK (108.440,6 DKK)
Lettland 13,2 LVL (16,3 LVL) -1,2 LVL (-0,7 LVL) -9% (-4,1%) 4,8 LVL (3,2 LVL) 36% (19,5%) 2115,2 LVL (1.400,8 LVL)
Tschechische Republik 3.627,2 CZK (3689 CZK) -215 CZK (-100,3 CZK) -5,9% (-2,7%) 1.282,3 CZK (1104,9 CZK) 35% (30%) 122.501,6 CZK (106.434,9 CZK)
Litauen 92,4 LTL (111,2 LTL) -8,2 LTL (-3,6 LTL) -8,9% (-3,3%) 27,1 LTL (17,4 LTL) 29% (15,6%) 8.091,4 LTL (5.161,4 LTL)
Rumänien 491,3 RON (514,7 RON) -40,8 RON (-27,9 RON) -8,3% (-5,4%) 116,5 RON (68,5 RON) 24% (13,3%) 5.420,2 RON (3.183,3 RON)
Bulgarien 66,3 BGN (66,7 BGN) -2,6 BGN (1,2 BGN) -3,9% (1,8%) 9,8 BGN (9,4 BGN) 15% (14,1%) 1.287,7 BGN (1.228,9 BGN)
Estland 214,8 EEK (251,5 EEK) -3,7 EEK (-6,9 EEK) -1,7% (-2,7%) 15,5 EEK (11,6 EEK) 7% (4,6%) 11.564,3 EEK (8.650,7 EEK)
Sonstige ausgewählte Länder
Japan (Währung JPY) 189,8 % (173,1 %)
USA (Währung USD) 82,9 % (70,7 %)
Schweiz (Währung CHF) 538.4 CHF (541.5 CHF) Hochrechnung 13,6 CHF (4,4 CHF) Hochrechnung 2.5% (0.8%) Hochrechnung 208.9 CHF (222.5 CHF) 38.8% (41.1%) Die Daten für das Jahr 2009 sind die Erwartungen des SECO[8]
Rot markierte Zahlen liegen über der festgelegten Defizitgrenze von 3% bzw. der Verschuldungsgrenze von 60%("Maastricht-Kriterien").

Quellen: Bundesministerium der Finanzen (Monatsbericht April 2010)[9]
Eurozone und EU: Eurostat Pressemitteilung 55/2010 vom 22. April 2010[10] Gesamtbevölkerung nach Eurostat Datenbank [11]

Nach den Maastricht-Kriterien für die EURO-Währungsunion soll in den einzelnen Mitgliedsländern unter anderem die Gesamtverschuldung 60% und das jährliche öffentliche Defizit (Nettoneuverschuldung) 3% des BIP nicht übersteigen.

Wer die Staatsverschuldung verschiedener Länder vergleichen will, muss natürlich berücksichtigen, dass die Volkswirtschaften verschieden groß sind. Deshalb setzt man die Gesamtverschuldung in Beziehung zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Beispiel (s.o.): Japans Staatsverschuldung beträgt 185 % des BIP. Das heißt: die gesamte Volkswirtschaft müsste 1,85 Jahre arbeiten und das Erarbeitete vollständig ins Ausland verkaufen, um die Staatsschuld zu tilgen.

In der Historie waren Kriege und Wirtschaftskrisen die wesentlichen Antriebskräfte für steigende Verschuldung. Die Phase des Wirtschaftswachstums vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis Anfang der 1970er-Jahre ermöglichte den meisten Industrieländern einen Schuldenabbau. Danach stieg die Verschuldung in fast allen OECD-Ländern bis 1996 rasant an; danach sank sie wieder leicht. Wichtigster Grund für den starken Anstieg deutscher Staatsschulden in den 1990er Jahren war die Wiedervereinigung. Der Durchschnitt der OECD-Staaten lag 2001 bei 64,6 % (bei starken Unterschieden: Australien 20,9 %, Japan 132,6 %, Deutschland 60,2 % nach OECD-Kriterien). Die jüngste Wirtschaftskrise (2008/2009) hat die Verschuldung in den Euro-Ländern im Schnitt auf knapp 85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die Höhe getrieben (vor der Krise: 70 Prozent).[12]

Laut CIA World Factbook hatte die Staatsverschuldung der USA Ende September 2008 die Zehn-Billionen-Dollar-Marke überschritten. Im Haushaltsjahr von Okt. 2008 bis Sep. 2009 betrug die Neuverschuldung 1.417 Milliarden US-Dollar;[13] der aktuelle Schuldenstand hat Mitte November 2009 die Marke von 12.000 Milliarden US-Dollar überschritten.[14]

Die USA haben damit weltweit die höchste Staatsverschuldung. Darauf folgen Japan mit 6 Billionen Dollar an zweiter Stelle, gefolgt von Deutschland mit 1,502 Billionen Euro. In der Schweiz liegt sie bei 184 Milliarden Dollar. Österreich hat eine Verschuldung von 165 Milliarden Dollar. Während Liechtenstein keine Verschuldung kennt, hatte Luxemburg 2006 erstmals eine Staatsverschuldung.

Verschuldung ist nicht nur ein Problem der Industrienationen, sondern noch extremer eines der Entwicklungsländer und ganzer Wirtschaftsräume (→ Verschuldungskrise).

Die Ratings der Staatsverschuldung

Die Bonität oder Kreditwürdigkeit der umlaufenden Staatsanleihen der entwickelten Länder wird von den privaten internationalen Rating-Agenturen sehr hoch eingestuft. Die meisten Industrieländer erhalten für ihre Staatsanleihen von den Rating-Agenturen den höchstmögliche Ratingcode Aaa (Moody's), AAA (Standard & Poor's) und AAA (Fitch Ratings), Stand Dezember 2005, so die Länder Österreich, Finnland, Frankreich, Deutschland, Irland, Niederlande und Spanien. Schlechtere Ratings erhielten Belgien (Aa1 nach Moody's), Griechenland (A1 nach Moody's), Italien (Aa2 nach Moody's) und Portugal (Aa2 nach Moody's). Griechenland lag bis 2009 mit A1 (Moody's) oder A (Standard & Poor's) eine Ratingstufe über der Stufe A-, bis zu welcher hinunter die Europäische Zentralbank Staatsanleihen als Sicherheiten bei Rückkaufvereinbarungen anzunehmen bereit ist.

Im Dezember 2009 stufte die Ratingagentur Fitch Griechenland von A- auf BBB+ herab.[15] Bereits im Februar 2010 drohten Moody's und Standard & Poor's Griechenland damit, die Bonitätsnote BBB+ um mehrere Stufen herabzusetzen, sofern die Regierung in Athen ihre Sparpläne nicht wie angekündigt umsetzt.[16] Nun hat Standard & Poor's am 27.04. seine Warnung wahrgemacht und Griechenland auf den Ramschstatus BB+/B heruntergestuft.[17] Allerdings akzeptiert die Europäische Zentralbank - vor dem Hintergrund der inzwischen vom Staat eingeleiteten Sparmaßnahmen und internationalen Hilfsprogramme - weiterhin griechische Staatspapiere als Sicherheiten, um dem griechischen Staat die Schuldenaufnahme zu ermöglichen.[18]

Staatsverschuldung in Deutschland

Bund und Länder verschulden sich in erster Linie, indem sie als Schuldverschreibungen Staatsanleihen an Bürger oder Unternehmen verkaufen. Diese erhalten im Gegenzug Zinsen durch ihre Anleihe. Die Transaktion erfolgt meistens über Banken.[19] Die Schulden der öffentlichen Haushalte in Deutschland insgesamt, d. h. von Bund, Ländern und Gemeinden zusammen, haben sich seit 1960 wie folgt entwickelt:[20]

Entwicklung der Staatsverschuldung Deutschlands von 1960 bis 2009[21]

Der Verlauf zeigt folgendes: Die Staatsverschuldung in Deutschland erhöhte sich in den meisten Jahren. Das Schuldenwachstum (d. h. die Änderungsrate des Schuldenstandes) schwankte dabei deutlich. So erhöhte sich das Schuldenwachstum nach der Deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1990 stark, verringerte sich dann aber ab 1995 derart, dass es nach der Versteigerung der UMTS-Lizenzen in Deutschland im Jahr 2000 fast zum Erliegen kam und so der Schuldenstand für etwa ein Jahr stagnierte. Seit dem Jahr 2001 wuchsen die Schulden jedoch wieder etwa so stark wie kurz nach der Wiedervereinigung. Die folgende Tabelle zeigt, dass seit Jahren in Deutschland die Ausgaben systematisch über den Einnahmen liegen. Es ist hierbei zu beachten, dass die öffentlich sehr breit diskutierte "Neuverschuldung" oft nur die Neuverschuldung des Bundes darstellt. Die Gesamtneuverschuldung (also inkl. Ländern und Gemeinden) liegt meist deutlich höher. Auch das zeigt folgende Tabelle:

Jahr Finanzsaldo der
öffentlichen Haushalte
in Mrd. Euro
in Relation zum
Bruttoinlandsprodukt (BIP)
in %
Nettokreditaufnahme
des Bundes[22]
in Mrd. Euro
Staatsverschuldung
(Bund, Länder und Gemeinden)
in Mrd. Euro
1998 -28,8 -2,1 28,9 1153
1999 -26,9 -1,5 31,7 1183
2000 0 [23] -1,3 23,8 1210
2001 -46,6 -2,8 22,8 1224
2002 -57,0 -3,7 31,9 1277
2003 -67,9 -4,0 38,7 1358
2004 -65,5 -3,7 39,5 1429
2005 -52,5 -3,2 31,2 1489
2006 -40,5 -1,7 27,9 1545
2007 -0,7 -0,2 14,3 1553
2008 -0,5 0,0 11,5 1580
2009 -49 -3,0 ?
2010 -85 -3,8 ?
Quelle: Monatsbericht des BMF März 2010

Im Zeitraum 1979 - 2010 liegt der jährliche Finanzsaldo in Relation zum BIP bei -2,7%. Insofern ist sogar der derzeitige drastische Ansteig "im normalen Bereich", liegt doch der mittlere Finanzsaldo der Jahre 2007 - 2010 bei -2,3% und somit deutlich unter dem langjährigen Mittel. Zuletzt im Zuge der mit der Finanzkrise ab 2007 einhergehenden Bankenrettung stieg der Schuldenstand (brutto) bis 2009 um knapp 100 Mrd. Euro.[24] Problematisch ist nicht der derzeitige drastische Anstieg sondern der langjährige Trend. Letztlich basiert diese Art des Wirtschaftens darauf, dass man glaubt sich jederzeit am Kapitalmarkt refinanzieren zu können - wie nahezu jeder Staat nimmt Deutschland ständig neue Kredite auf.

 
Die Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler zeigt dessen Prognose über die Staatsverschuldung der Bundesrepublik Deutschland

Staatsschulden von 2007 in Bund, Länder und Gemeinden

Die Staatsverschuldung der Haushalte aller Gebietskörperschaften in Deutschland hat von 2006 auf 2007 nur noch geringfügig um 0,3 % zugenommen. In fünf Ländern konnte sogar eine Abnahme der Verschuldung verzeichnet werden; besonders hoch war die Abnahme in Mecklenburg-Vorpommern. Auch die Gemeinden konnten im Durchschnitt die Verschuldung um 3,6 % reduzieren.

Bei der Staatsverschuldung pro Kopf der Einwohner sind die Stadtstaaten am höchsten verschuldet und Bremen als Haushaltsnotstandsgebiet Spitzenreiter. Bei den Flächenstaaten liegen die Zahlen bei Saarland und Sachsen-Anhalt sehr ungünstig, während die wirtschaftsstarken Südstaaten Bayern und Baden-Württemberg sowie auch Sachsen mit geringen Schulden aufwarten können.

Ländergruppe Gebietskörperschaft
Bundesland
Änderungen
in % zu 2006
Schulden je
Einwohner in Euro
Alle Länder +0,4 5.867
Stadtstaaten Bremen +6,8 21.568
Berlin −4,0 16.634
Hamburg +0,1 12.282
Flächenstaaten Saarland +4,7 8.795
Sachsen-Anhalt +4,0 8.269
Schleswig-Holstein +1,2 7.772
Thüringen −0,6 6.826
Brandenburg +0,8 6.798
Rheinland-Pfalz +1,8 6.598
Nordrhein-Westfalen +1,1 6.335
Niedersachsen +1,4 6.191
Mecklenburg-Vorpom. −6,2 5.971
Hessen +2,1 4.937
Baden-Württemberg +1,6 3.881
Sachsen −4,6 2.613
Bayern −1,3 1.821
Staatshaushalt Gebietskörperschaft in % zu 2006 Summe in Mrd. Euro
Der Bund +0,5 937,9
Die Länder +0,4 482,6
Die Gemeinden −3,6 81,4
Insgesamt Deutschland +0,3 1.502
Quelle: Statistisches Bundesamt Deutschland

Schulden der Privaten und der Wirtschaft

Viel seltener als die Staatsschulden sind die Schulden der privaten Haushalte und der Unternehmen im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Diese nehmen aber auch einen großen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum eines Staates.

Im Jahr 2002 betrugen in Deutschland die Schulden 5.930 Mrd. Euro, davon entfielen auf die privaten Haushalte 1.535 Mrd. Euro (rd. 25 %), auf die Unternehmen 3.142 Mrd. Euro (rd. 52 %) und auf den Staat 1.253 Mrd. Euro (rd. 23 %).

Das Nettogeldvermögen aller Unternehmen lag im negativen Bereich bei 1.241 Mrd. Euro, das des Staates bei 1.061 Mrd. Euro.

Spiegelbildlich dazu lag das Nettogeldvermögen privater Haushalte und der Versicherungen und Banken bei 2380 Mrd. Euro. (Quelle: Bundesbank).

Staatsverschuldung in Entwicklungsländern

Siehe auch

Liste der Länder nach Staatsschuldenquote (The World Factbook)

Informative Seite über Staatsverschuldung

Literatur

Einzelnachweise

  1. Deutsche Bundesbank: Ergebnisse der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung für Deutschland 1991 bis 2007, Statistische Sonderveröffentlichung 4, Frankfurt am Main, Mai 2008.
  2. Umstellung der Schuldenuhr (Bund der Steuerzahler).
  3. Fritz Helmedag: Staatsschulden als permanente Einnahmequelle. In: Wirtschaftsdienst 2010/9.
  4. Monatsbericht April 2006 der Deutschen Bundesbank (906 kB)
  5. bundesbank.de. Abgerufen am 16. April 2010 (Einteilung der Gläubiger).
  6. „Renditen im Sinkflug“, Handelsblatt 5. August 2010
  7. Deutschland: Erster ausgeglichener Haushalt seit 1969
  8. Das Magazin für Wirtschaftspolitik - Die Volkswirtschaft 4-2010 - Öffentliche Finanzen Seite 80 (Publiziert vom Staatssekretariat für Wirtschaft SECO)
  9. Monatsbericht April 2010, bundesfinanzministerium.de.
  10. Eurostat Pressemitteilung 55/2010 22. April 2010, epp.eurostat.ec.europa.eu
  11. http://epp.eurostat.ec.europa.eu/portal/page/portal/statistics/search_database#
  12. Vorlage:Tagesschau tagesschau, 11. März 2010.
  13. http://www.welt.de/wirtschaft/article4875561/USA-melden-Rekorddefizit-von-1-42-Billionen-Dollar.html
  14. Defizit der USA erstmals über 12 Billionen Dollar, cash.ch.
  15. spiegel.de [1]
  16. ftd.de [2]
  17. spiegel.de [3]
  18. Presseerklärung der EZB vom 3. Mai 2010, „3 May 2010 - ECB announces change in eligibility of debt instruments issued or guaranteed by the Greek government“
  19. http://www.daserste.de/plusminus/beitrag_dyn~uid,jimm9cbc0kfqw67z~cm.asp Staatsgeheimnis Staatsschulden?], Plusminus, 2009
  20. Statistisches Bundesamt Deutschland (Destatis)
  21. Quelle: Statistisches Bundesamt Deutschland (bis 2007), Bund der Steuerzahler (ab 2008).
  22. Delta zum Finanzsaldo besteht in der Nettokreditaufnahme der Länder und Gemeinden
  23. Einschließlich der Erlöse aus der UMTS-Versteigerung in der Höhe von 34 Mrd. EUR.
  24. Bundestagsdrucksache 17/1522 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der LINKEN, 26. April 2010.
  25. Vgl. Marc Buggeln: Rezension zu: Ullmann, Hans-Peter: Staat und Schulden. Öffentliche Finanzen in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert. Göttingen 2009. In: H-Soz-u-Kult, 16. März 2010.