Die Sozialhilfe ist die Unterstützung, welche es mittellosen Menschen ermöglicht, ein menschenwürdiges Dasein zu führen. Dieser Artikel befasst sich mit der Sozialhilfe in der Schweiz.
Gesetzgebung
Bundesebene
Auf Bundesebene existiert ein einziges Gesetz (Zuständigkeitsgesetz, ZUG [1]), welches sich mit dem Sozialhilferecht befasst, und es regelt nur, welcher Kanton in einem Sozialhilfefall zuständig ist, und klärt die Entschädigung unter verschiedenen Kantonen, falls etwa ein Sozialhilfebezüger seinen Wohnort in einen anderen Kanton verlegt. Ebenso ist darin definiert, wie sich die Lage bei Ausländern - vor allem Flüchtlinge und Staatenlose - in der Schweiz verhält. Auch Schweizer mit permanentem Wohnsitz im Ausland sind davon betroffen.
Kantonale Ebene
Auf kantonaler Ebene gibt es jeweils ein Sozialhilfegesetz, welches vom jeweiligen Parlament verabschiedet wurde; und auch eine Sozialhilfeverordnung der Regierung, welche die Details regelt - zum Beispiel, auf wieviel Unterstützungsgelder jemand Anspruch hat. Die Verordnung wird von der kantonalen Regierung erlassen.
Alle Kantone haben eine andere Gesetzgebung in der Sozialhilfe. Doch vielfach ähneln sich die Regeln, da die meisten Kantone die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) in den jeweiligen Sozialhilfeverordnungen gesetzlich vorschreiben.
Organisation
Die Sozialhilfe wird stets von der Wohngemeinde des Empfängers ausgerichtet. Manche Gemeinden besitzen spezialisierte Sozialberatungen, welche als Anlaufstelle für Sozialhilfegesuche dienen und auch regelmässig in Gesprächen die Situation des Empfängers beobachten.
Kommunale Sozialhilfebehörden, welche in Dörfern vom Volk und in Städten von oft einem Parlament gewählt werden, und in die die Exekutive oft einen Vertreter entsendet, entscheiden über Sozialhilfegesuche. Einsprachen gegen Entscheide erledigt auch die Sozialhilfebehörde. In zweiter Instanz befasst sich oft eine kantonale Aufsichtsbehörde damit. Als letzter Schritt kann ein unzufriedener Notleidender auch an die kantonale Regierung gelangen.
Aktuell sind wegen finanzieller Knappheit die Sozialhilfebehörden kurz angebunden. Die zuständigen Behörden haben die Tendenz, Sozialhilfegesuche abzulehnen, auch wenn keine Fehler seitens des Bedürftigen vorliegen. Sie verschleppen die Behandlung der Gesuche, und da sie sozusagen Laienbeamte sind, mangelt es an einer gewissen Professionalität bzw. Kenntnis der gesetzlichen Situation. Dies kann insbesondere für mittellose, fremdsprachige Ausländer fatal sein, welche selber auf einen kompetenten Sozialberater angewiesen sind, um den Behörden nicht ausgeliefert zu sein.
Siehe dazu: Beobachter, Nr. 4, 2005: "Almosen in kleinen Dosen".
Zahlen
Von der schweizerischen Sozialhilfe abhängig sind vor allem Alleinstehende, Jugendliche, kinderreiche Familien, Bauern und Langzeitarbeitslose. 2004 waren rund 300'000 Personen von der Sozialhilfe abhängig, was 4 % der Gesamtbevölkerung entspricht. Gründe für die Zunahme in den letzten Jahren sind die anhaltende Arbeitslosigkeit sowie das grössere Angebot an Arbeitsplätzen mit niedrigen Löhnen, welche das Existenzminimum nicht mehr decken können.[2]
Im Kanton Basel-Stadt ist jeder fünfzehnte Einwohner und sogar jeder Siebte unter 18 Jahren von der Sozialhilfe abhängig.
Subsidiarität
Die Sozialhilfe ist immer subsidiär. Sie unterstützt nur, wenn der Lohn, die Arbeitslosenversicherung, die AHV, die IV, Alimente oder andere Institutionen das Existenzminimum nicht abdecken können. Sie zahlt auch Unterstützungen, falls Dritte nicht rechtzeitig ihre Leistungen erbringen können. Dies ist zum Beispiel der Fall bei den 125 Arbeitstagen Sperrfrist bei Arbeitslosen, welche vorher noch nie zwölf Monate am Stück gearbeitet haben.
Das Vermögen ist bis auf einen Freibetrag aufzubrauchen, der bei etwa 2000 Franken (1280 €) liegt. Wertsachen, Immobilien und anderes ist zu veräussern, um möglichst lange vom eigenen Kapital leben zu können. Bei Guthaben bei Dritten müssen sich Sozialhilfeempfänger so verhalten, dass diese Ansprüche nicht verwirken.
Die Sozialhilfe bezahlt auch Vorschüsse, falls die Verwandtenunterstützung nicht rechtzeitig aktiv wird. Hat jemand Anspruch auf Sozialhilfe, müssen die Verwandten in auf- und absteigenden Verwandtschaftsbeziehungen für ihn aufkommen. Geschwister sind nicht unterstützungspflichtig, wohl aber Ehepartner. Verwandte bezahlen höchstens die Hälfte jenes Betrages an die Verwandtenunterstützung, welcher dem Einkommen minus das doppelte seines eigenen Grundbedarfs minus feste Auslagen (Wohnkosten, Schuldzinsen, Steuern...) entspricht.
Leistungen
Jeder Mensch hat Anspruch auf den Grundbedarf plus Mietkosten einer angemessenen Wohnung. Dazu kommen die monatlichen Kosten für die Krankenkasse sowie eine sogenannte Erwerbsquote von bis zu 250 Franken (160 €), wenn er voll arbeitstätig ist. Wer pro Monat weniger als diese Summe - das sogenannte Existenzminimum - an Geld zur Verfügung hat, hat Anspruch auf Sozialhilfe. Wenn bedürftige Menschen mit nicht bedürftigen Personen sich eine gemeinsame Wohnung teilen, gilt eine Mischrechnung.
Gemäss SKOS-Richtlinien beträgt der Grundbedarf:
Anzahl Personen im Haushalt | Grundbedarf, CHF | Grundbedarf, € |
---|---|---|
1 | 1133.- | 725.- |
2 | 1734.- | 1010.- |
3 | 2108.- | 1350.- |
4 | 2425.- | 1550.- |
5 | 2713.- | 1735.- |
6 | 3001.- | 1920.- |
7 | 3290.- | 2105.- |
pro weitere Person | 285.- | 180.- |
Die Sozialhilfe entrichtet nur Unterstützungen für laufende Ausgaben, wie den Grundbedarf, angemessene Wohnung, obligatorische Versicherungen, medizinische Behandlungen und Pflege, Fremdbetreuung und andere Aufwendungen, die notwendig erscheinen. Die Sozialhilfe finanziert nicht den Besitz, Unterhalt und Gebrauch von Personenwagen, sofern sie nicht dem Erhalt der Arbeitstätigkeit dienen oder vom gesundheitlichen Aspekt her notwendig sind, etwa bei Gehbehinderungen. Die Sozialhilfe saniert auch keine Schulden.
Etwa im Kanton Basel-Landschaft, welcher die SKOS-Richtlinien anwendet, umfassen die Leistungen mit einem pauschalen Betrag folgende Auslagen:
- "Nahrung, auswärtige Verpflegung, Kleidung und Berufsbekleidung, persönliche Auslagen, Haushaltsverbrauchsmaterial, Post, Telefon, Radio- und TV-Gebühren, Elektrizität, Gas, Kehrichtgebühren, Prämien (Kosten) für Hausrats- und Haftpflichtversicherung sowie deren Selbstbehalte, Abonnement für Öffentlichen Verkehr, Unterhalt von Fahrrad oder Mofa, Haustiere, Hobbies, Spielsachen, Geschenke, Vereinsbeiträge und Ähnliches". (Sozialhilfeverordnung, § 8 [3])
Bei medizinischen Behandlungen übernimmt die Sozialhilfe die Jahresfranchise sowie den Selbstbehalt der Krankenkasse. Ungedeckte, aber unerlässliche Behandlungskosten werden ebenfalls bezahlt. Zahnbehandlungen müssen einfach, wirtschaftlich und zweckmässig sein; und in jedem Fall ist vor Zahnbehandlungen ein Kostenvorschlag zuhanden der Sozialhilfebehörde einzuholen. Ein Vertrauensarzt kann ihn auf Plausibilität überprüfen.
Ferien werden von der Sozialhilfe eigentlich nicht bezahlt. Sozialhilfeempfänger können sich jedoch einen gewissen Luxus besitzen - kauft sich ein Sozialhilfeempfänger von der monatlichen Unterstützung eine teure Lederjacke oder hält er Haustiere, muss er mit dem restlichen Geld leben können, mehr erhält er nicht. Ausführliche Informationen darüber, was die Sozialhilfe übernimmt und was nicht - sofern der Kanton überhaupt deren Richtlinien übernimmt - finden sich auf der Website der SKOS.
Pflichten des Bezügers
In jedem Falle hat der Sozialhilfeempfänger in seinem Gesuch um Sozialhilfe wahrheitsgemäss über seine Lage - insbesondere, was Vermögen und Einkommen betrifft - Auskunft zu geben. In einigen Kantonen beginnen seine Verpflichtungen, die er als Sozialhilfeempfänger eingeht, schon vor dem Bezug der Unterstützungen. So kann er verpflichtet sein, sich zum Beispiel in zumutbarer Weise um Arbeit zu bemühen, noch bevor er das Gesuch um Sozialhilfe stellt. Andere Kantonen sprechen klar davon, dass die Verpflichtungen erst mit dem Bezug der Sozialhilfeleistungen beginnen. Werden diese Pflichten schuldhaft verletzt, können Leistungen teilweise oder sogar ganz gestrichen werden.
Der Pflichtenkatalog umfasst etwa im Kanton Basel-Landschaft:
- alle Unterlagen und Auskünfte betreffend seiner Lage wahrheitsgemäss und vollständig der zuständigen Behörde übermitteln
- Alle seiner Person zustehenden Ansprüche (etwa aus Verträgen etc.) geltend machen oder sich so verhalten, dass sie nicht verwirken
- Vermögenswerte und Löhne, die Drittpersonen dem Unterstützten schulden, müssen eingefordert und der unterstützenden Gemeinde abgetreten werden bis zum Betrag der Unterstützungsleistungen
- sich um den Erhalt der Arbeitsstelle bemühen
- eine Arbeitsstelle suchen und anzunehmen, falls nicht seriöse Gründe dagegen sprechen (zum Beispiel sind mehr als 4 Stunden Arbeitsweg pro Tag unzumutbar)
- allfälliges Einkommen und die Unterstützungen müssen korrekt verwendet werden
- den Weisungen der Behörden ist zu folgen, dies betrifft etwa Vorladungen zu Kontrollgesprächen [Sozialhilfegesetz § 11, [4]]
Der Sozialhilfeempfänger erleidet abgesehen von diesen Pflichten keinerlei Einbussen bezüglich seiner Handlungsfähigkeit. Er kann zum Beispiel nach wie vor die Wohnung oder den Wohnort wechseln, Heiraten oder Verträge abschliessen.
Rückerstattung der Leistungen
Hat sich die Lage des Sozialhilfeempfängers massiv verbessert, muss er die bezogenen Unterstützungsleistungen vollständig zurückerstatten. Sämtliche Leistungen der Sozialhilfe sind als ein zinsloses Darlehen zu betrachten, welche nach zehn Jahren verjähren. Nach SKOS-Richtlinien haben die Rückzahlungen nur zu erfolgen, wenn der ehemals Notleidende als Einzelperson nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge mehr als 75'000 Franken (48'000 €) Jahreseinkommen erzielt oder ein grösseres Vermögen als 40'000 Franken (25'600 €) besitzt. Bei Ehepaaren sind gelten Limiten von 120'000 Franken (76'800 €) Einkommen und 60'000 Franken (34'400 €) Vermögen.
Unterstützungen, die Verwandte leisten mussten, verjähren innert 5 Jahren.
Hat jemand unrechtmässig Sozialhilfeleistungen bezogen oder sie nicht korrekt verwendet, muss er diese ebenfalls zurückerstatten, falls kein Härtefall vorliegt. Vorbehalten bleibt eine Strafanzeige wegen Betrugs.