Stadt
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Orenburg (russisch Оренбург, kasachisch Орынбор/Orynbor) ist die Hauptstadt der Oblast Orenburg im Föderationskreis Wolga, europäisches Russland, mit 524.413 Einwohnern (Stand: 2009). Orenburg liegt 1.230 km südöstlich von Moskau, unweit der Grenze zu Kasachstan. Bis 1925 war der gesamte Oblast Teil Kasachstans (Kasachische ASSR) mit Orenburg als dessen erster Hauptstadt. Von 1938 bis 1957 führten Stadt und Oblast den Namen Tschkalow, zu Ehren des gleichnamigen sowjetischen Piloten Waleri Pawlowitsch Tschkalow.
Geographie
Orenburg befindet sich südwestlich der Südausläufer des Uralgebirges. Die Stadt liegt auf etwa 150 Metern über dem Meeresspiegel an der Einmündung der Sakmara in den Ural, der Orenburg durchfließt und einen Teil der Grenze zwischen Europa und Asien bildet.
Geschichte
Die Stadt Orenburg wurde 1743 als Außenposten Russlands an der Grenze zum damals unerschlossenen Asien gegründet. Zuvor gab es zwei vergebliche Versuche, eine Festung am Ural zu gründen – unter anderem in Orsk. Ursprünglich war Orsk bei seiner Gründung im Jahr 1735 Orenburg genannt worden, da es am Zusammenfluss der Flüsse Or und Ural lag. Später wurde beschlossen, eine Festung an der Stelle des heutigen Orenburgs zu erbauen.
Der Name wurde auf diesen neuen Standort übertragen, obwohl die heutige Stadt Orenburg nichts mit dem Fluss Or zu tun hat. Eine weitere Erklärung des Stadtnamens hat möglicherweise mit dem deutschen Wort Ohren zu tun, da die Festung dazu bestimmt war, die naheliegende Steppe zu überwachen. Diese Erklärung ist bei vielen Einwohnern der Stadt Orenburg beliebt, muss jedoch als Legende betrachtet werden. In jedem Fall stammt aber der zweite Namensbestandteil (-burg) aus dem Deutschen.
Orenburg war Stadt und Festung in einem. Die angesiedelten Orenburger Kosaken sollten einen russischen Siedlungsgürtel zwischen den Tataren und Kasachen schaffen und den seit 1731 vorherrschenden Einfluss des Zarenreiches auf die Kleine Horde sichern. 1774 widerstand Orenburg der Belagerung während des Pugatschow-Aufstands.
Durch einen Krieg und einen Großbrand Ende des 18. Jahrhunderts brannte die Stadt zur Hälfte ab, bildete jedoch bis 1750 die absolute Ostgrenze des bekannten Gebiets. Im Barockstil wurden mehrere damals berühmte Kirchen in der Stadt gebaut, die von mehreren Zaren besucht wurden. Die Stadt erlangte große Bedeutung als Viehhandelsplatz, vorwiegend für Schafe.
Im 19. Jahrhundert versuchten verschiedene Militärgouverneure, Kultur und Leben in die Stadt zu bringen, die ihren Außenposten-Charakter durch das weitere Vordringen der Kosaken nach Osten mittlerweile verloren hatte. 1838 wurde eine heute noch bestehende Moschee gebaut, 1895 eine weitere große Kirche im typisch russischen neu-byzantinischen Stil (siehe: Islam in Russland).
Es folgten die Oktoberrevolution 1917 und der Bürgerkrieg, in dem Kommunisten und Tataren die Macht über die Stadt errangen und ein Bündnis aus Orenburg-Kosaken, Kasachen und Baschkiren besiegten. Orenburg wurde von 1917 bis 1920 die Hauptstadt des Alasch-Orda-Staates und die umliegende Region wurde zu einer Verwaltungseinheit der kasachischen Autonomie. In den 1930er Jahren wurden 20 von 21 Kirchen von den Sowjets eingerissen, die Stadt verlor einen Großteil ihrer historischen Bausubstanz. Wieder an Bedeutung gewann sie in den Kriegsjahren 1941 bis 1945, als wegen der Besetzung durch die Deutschen zahlreiche Unternehmen aus dem Westen der damaligen Sowjetunion nach Orenburg evakuiert wurden. Dies löste in der Stadt einen großen Industrialisierungsschub aus, der in der Folgezeit anhielt und heute noch zu bemerken ist. Zwischen den 1930er und 1960er Jahren verdoppelte sich die Einwohnerzahl. In Orenburg bestand das Kriegsgefangenenlager 369, Čkalow, für deutsche Kriegsgefangene des Zweiten Weltkriegs.[1]
Am 14. September 1954 führte die Rote Armee auf dem 215 km von Orenburg entfernt gelegenen Truppenübungsplatz von Tock ein Manöver mit einem Einsatz einer Atombombe durch. Um 09:53 Uhr warf ein Tu-4-Bomber eine Atombombe mit der Stärke von 40 Kilotonnen auf dem Areal des Truppenübungsplatzes ab. Ziel des „Experiments“ war die Untersuchung der Standfestigkeit von Material und Mensch in einer Schlacht unter Bedingungen eines Atomkrieges.
Die Zahl der Todesopfer dieses Manövers ist nach wie vor unbekannt. Noch heute ist die Zahl der Erkrankungen von einigen Krebs-Arten in Orenburg zweimal höher, als unter den Opfern der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl.[2]
Erst seit 1990 wird wieder versucht, die verbliebenen historischen Bauten zu restaurieren, einige schöne Straßenzüge legen bereits Zeugnis darüber ab. Erstmals wurden wieder einige Bauten im traditionellen Stil des ehemaligen alten Stadtkerns errichtet.
Sehenswürdigkeiten
Die meisten sehenswerten Bauwerke sind im historischen Stadtzentrum zu finden. Einige Attraktionen dort sind neben der klassizistischen Kathedrale Sankt Nikolai die nur für Fußgänger freigegebene alte Uralbrücke mit einem Gebäudeensemble aus dem 18. und 19. Jahrhundert im Hintergrund und das nahe gelegene Monument an der Grenze zwischen Europa und Asien, das Rathaus, die Oper, das Kunstmuseum und viele andere Museen, Kirchen und Akademien. Vom Uralfluss weg führt die wichtigste Geschäftsstraße der Stadt, die mehrere Kilometer lange boulevardähnliche Sowjetskaja-Straße, an deren einem Ende das Stadtmuseum steht. Anfang des Jahres 2007 wurde das Theater der Stadt nach Rekonstruktion neu eröffnet . Für einen Westeuropäer ist der Gang über den wöchentlichen Markt der Stadt sehenswert.
Sonstige bemerkenswerte Bauwerke
- Sendemast Orenburg: 200 m hoher abgespannter Stahlrohrmast, der in zwei Ebenen mit Querträgern, die vom Mastkörper zu den Abspannseilen führen, ausgestattet ist [3].
Wirtschaft und Verkehr
Außerhalb des Stadtkerns ist Orenburg geprägt von der Industrie (vor allem Maschinenbau, Nahrungsmittel, Textil und Gasförderung), aber auch vom Charakter als regionales Zentrum mit Universität, mehreren Theatern und Vergnügungsstätten.
Orenburg liegt an der Kreuzung zweier im Südural bedeutender Hauptstraßen, die von Samara nach Orsk und von Ufa nach Oral im benachbarten Kasachstan führen. Die durch Orenburg laufende Haupteisenbahntrasse führt von Moskau direkt in die Metropolen Nowosibirsk und Barnaul in Sibirien. Orenburg verfügt über einen kleineren Flughafen mit regelmäßigen Verbindungen in verschiedene andere russische Metropolen sowie vereinzelten internationalen Flügen, unter anderem nach Deutschland, die vor allem von aus der Region stammenden Russlanddeutschen und Russlandmennoniten genutzt werden. Der öffentliche Personennahverkehr stützt sich ausschließlich auf ein System aus Trolleybussen und weiteren Stadtbuslinien.
Orenburg ist zudem Ursprung der 2.750 km langen Erdgasleitung „Sojus“ nach Uschhorod, deren Bau über mehrere Jahrzehnte hinweg durch die RGW-Staaten realisiert wurde. Planung und Bau des rund 550 km langen Bauabschnitts der DDR, der Druschba-Trasse wurden, wie die Abschnitte der anderen Staaten, von der damaligen UdSSR lediglich an die „Sozialistischen Bruderländer“ delegiert und durch spätere kostenlose Abgabe von Erdgas bezahlt.
Weltweit wird Helium nur an 3 Stellen aus heliumreichem Erdgas gewonnen. Cryor in Orenburg liefert tiefkaltes Flüssighelium an Messer Group, die 3 Abfülllager in Europa betreibt.
Weiterführende Bildungseinrichtungen
- Fakultät der Staatsakademie für Erdöl und Gas
- Filiale der Militäruniversität für Luftabwehr der Streitkräfte der Russischen Föderation
- Filiale der Staatlichen Handelsuniversität Moskau
- Filiale der Staatlichen Juristischen Akademie Moskau
- Filiale des Ersten Juristischen Instituts Moskau
- Filiale des Instituts für Unternehmertum und Recht in Moskau
- Filiale des Instituts für Ingenieure des Eisenbahnverkehrs in Samara
- Institut für Ökonomie und Kultur
- Kunstinstitut
- Staatliche Agraruniversität Orenburg
- Staatliche Medizinakademie Orenburg
- Staatliche Pädagogische Universität Orenburg
- Staatliche Universität Orenburg
- Städtisches Höheres Kolleg Orenburg für Natur-und Geisteswissenschaften
- Regionsübergreifendes Institut für Management
- Zollkolleg
Söhne und Töchter der Stadt
- Aksel Iwanowitsch Berg, russischer Wissenschaftler und Offizier
- Konstantin Efetov, russischer Physiker
- Jewgraf Stepanowitsch Fjodorow, russischer Kristallograph und Mineraloge
- Nikolai Wladimirowitsch Jefimow, russischer Mathematiker
- Wladimir Wassiljewitsch Karpow, russischer Schriftsteller
- Ljudmila Wsewolodowna Keldysch, russische Mathematikerin
- Georgi Maximilianowitsch Malenkow, sowjetischer Politiker
- Alexander Schmorell, Mitbegründer der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“
- Lew Semjonowitsch Sosnowski, russischer Journalist und Revolutionär
- Juri Pawlowitsch Sjomin, Fußballtrainer
Literatur
Quellen
- ↑ Maschke, Erich (Hrsg.): Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des zweiten Weltkrieges. Verlag Ernst und Werner Gieseking, Bielefeld 1962-1977.
- ↑ The Sunday Times (UK), 24. Juni 2001, zitiert bei nuclearfiles.org
- ↑ Website Orenburg (russisch)