Galenos von Pergamon (deutsch: Galēn, lateinisch: Clarissimus Galenus, in frühneuzeitlichen Drucken auch Galienus; * um 129 in Pergamon; † um 216 in Rom) war griechischer Arzt und Anatom.

Leben ♥
Galen (gr.: Γαληνός) wurde im damals griechischen Pergamon – dem heute in der Türkei liegenden Bergama – geboren, wo auch ein Tempel für den Heilgott Asklepios (Äskulap) stand. Sein Vater, der Architekt Nikon, unterrichtete ihn zunächst in der aristotelischen Philosophie, der Mathematik und Naturlehre. Seine Mutter wurde als ausgesprochen bissig charakterisiert, eine Eigenschaft, die auch Galen zugeschrieben werden kann.
Ab etwa 146 beschäftigte sich Galen vornehmlich mit der Medizin, studierte in der Nähe von Smyrna, dem heutigen İzmir, und reiste viel, unter anderem auch mit 19 Jahren nach Alexandria, dem Zentrum der Heilkunst zu jener Zeit und der einzige Ort der Antike, an dem Humansektionen durchgeführt wurden und an dem Leichen untersucht werden durften (dass Galenos selbst Menschen sezierte ist allerdings sehr unwahrscheinlich). Auch die Bücher der damaligen Bibliothek mit den alten Zeichnungen halfen ihm dabei. Kuren wurden geleitet von Ärzten, Heilung und Pflege erfolgten in einem Asklepieion. Dort waren Priester, Heilkundler und Ärzte tätig. 158 kehrte er nach Pergamon zurück, war als Sport- und Wundarzt der Gladiatoren tätig und unterhielt gleichzeitig eine Praxis, die aufgrund seines Rufs gut besucht war. Während der Olympischen Spiele untersuchte er die gut durchtrainierten Körper der Athleten und studierte die akuten Verletzungen der Sportler unmittelbar nach ihrem Auftreten.
Ab 161 war Galen in Rom tätig und nach der Heilung des geachteten Philosophen Eudemos von Pergamon Arzt der römischen Aristokratie. Um 166 verließ er wahrscheinlich aufgrund der dort ausgebrochenen Antoninischen Pest fluchtartig Rom und nahm seine Stelle als Gladiatorenarzt in Pergamon wieder an. 168 reiste er auf Bitte des römischen Kaisers Marcus Aurelius nach Aquileia, wo die „Pest“ unter den römischen Soldaten ausgebrochen war. Seine präzise Beschreibung der Krankheitssymptome lässt die Vermutung zu, dass es sich hierbei eher um eine Pockenepidemie gehandelt haben wird. Seinem Wunsch entsprechend wurde er in Rom ab 169 der Leibarzt des Kaisersohnes Commodus, später vermutlich auch des Kaisers P. Septimius Severus. Claudius Galenos starb vermutlich um das Jahr 216 n.Chr. in Rom. [1]
Werk
Galens Hauptwerk ist "Methodi medendi" – es besteht aus 16 Büchern. Der Leitgedanke ist, dass alle Erscheinungen in der Natur und im Menschen einen bestimmten Zweck erfüllen.
Er übernahm die antike Vier-Elemente-Lehre (Feuer, Erde, Luft und Wasser) sowie die Viersäftelehre (Blut, Schleim, gelbe Galle und schwarze Galle) und legte zudem vier Qualitäten fest: heiß, kalt, feucht und trocken.
Der Mensch war seiner Meinung nach eine Leib-Seele-Einheit, die von zwei Seiten beeinflusst werden konnte: von der Metaphysik und von der Materie. Seine Medizin wollte das Gleichgewicht der Säfte und Qualitäten erreichen (Idealzustand wird nie erreicht).
Die vier Geschmacksqualitäten waren: Blut: süß, Schleim: salzig, gelbe Galle: bitter, schwarze Galle: sauer u. scharf.
Seine Medikamente unterteilte er in Elementares (besitzt nur eine der vier Qualitäten), Kombiniertes (besitzt zwei Qualitäten – Kombinationspräparat mit Haupt- und Nebenwirkung) und spezifische Arzneimittel (für besondere Fälle: Abführ, Brech- und Entwässerungsmittel).
Die Wirkungsgrade seiner Stoffe waren:
- kaum merklich
- mit den Sinnen deutlich wahrnehmbar
- heftig, leicht schädigend
- heftig, zerstörend.
In seinem Werk synthetisierte Galen zwei über Jahrhunderte hinweg im Widerstreit stehende medizinische Herangehensweisen.
- Die „empirische“ Tradition wurde von Hippokrates (5. Jahrhundert v. Chr.) gegründet. Diese Herangehensweise war ausdrücklich nicht-anatomisch, prognostisch und bestand ausschließlich in der Analyse von Symptomen. Der Körper wurde vor dem Hintergrund der Viersäftelehre vor allem als aus vier Säften bestehend verstanden. Jeder Körper hat sein individuelles Gleichgewicht dieser Säfte. Geraten die Säfte ins Ungleichgewicht, kommt es zur Krankheit.
- Die „dogmatische“ Tradition geht auf die alexandrinische Medizin aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. zurück. Im Gegensatz zu der empirischen Tradition beschäftigt sich die dogmatische mit den festen Bestandteilen des Körpers. Deren Urheber Herophilos von Chalkedon und Erasistratos sind womöglich die ersten, die je einen Menschen seziert haben. Die Symptome des Patienten wurden als Folgen von anatomischen Veränderungen betrachtet.
Durch seine Synthese wurde Galenos bis in die Renaissance hinein zur unwidersprochenen Autorität. Galen führte umfangreiche Sektionen und Vivisektionen an Tieren durch. Er verfasste nahezu 400 Schriften, die bis ins 17. Jahrhundert und darüber hinaus als medizinische Lehrgrundlage dienten. Diese wurden nach seinem Tod durch Oribasius (326-403) in 70 Büchern gesammelt.
Viele von Galenos' Ansichten über die menschliche Anatomie waren jedoch falsch, da er die Sektionen an Schweinen, Affen und Hunden durchführte und die so gewonnenen Erkenntnisse auf den Menschen übertrug. Galens Werke bildeten das Standardwerk für anatomische Vorlesungen. Galens Errungenschaften wurden als vollständig betrachtet, so dass man keinen Anlass zum selbstständigen Forschen sah. Vesalius war der erste, der erkannte, dass Galenos wohl nie einen Menschen seziert hatte. Vesalius' Arbeiten aus den 1540ern wiederbelebten die anatomische Forschung.
Galenos legte bei der Diagnose von Krankheiten besonderen Wert auf die Untersuchung von Puls und Harn. Weiter lehrte er, Krankheiten mit entgegengesetzten (allopathischen) Arzneimitteln zu therapieren, den sogenannten und nach ihm benannten Galenika. Grundlegender Bestandteil seiner Lehre war unter anderem die Humoralpathologie, die auch als Viersäftelehre bezeichnet wird.
Bis heute gültig sind die von Celsus beschriebenen und später von Galenos ergänzten Kardinalzeichen der Entzündung:
- Rubor (Rötung)
- Calor (Überwärmung)
- Tumor (Schwellung)
- Dolor (Schmerz)
- Functio laesa (Funktionseinschränkung)
Nachwirkung
Galens systematisch ausgebautes Werk, das im Mittelalter ins Arabische übersetzt wurde, war derart umfangreich und philosophisch abgesichert, dass es 1400 Jahre brauchte, es kritisch zu hinterfragen. Seine Auffassungen vom Fluss des Blutes wurden erst im 17. Jahrhundert durch William Harvey und Marcello Malpighi und teils gegen erhebliche Widerstände revidiert.
Seine Fassung der Humoralpathologie hatte als Krankheitskonzept Bestand bis ins 19. Jahrhundert.
Die Vena cerebri magna wird manchmal noch als „Galens Vene“ und der Ventriculus laryngis als „Galens Ventrikel“ bezeichnet.
Nach Galenus ist auch die Lehre von der Zubereitung der Arzneimittel, die Galenik, benannt.
Ehrentaxon
Carl von Linné benannte ihm zu Ehren die Gattung Galenia der Pflanzenfamilie der Mittagsblumengewächse (Aizoaceae).[2][3]
Siehe auch
Literatur
- Gerhard Fichtner: Corpus Galenicum (Verzeichnis der galenischen und pseudogalenischen Schriften). Tübingen 1987
- Cajus Fabricius: Galens Exzerpte aus älteren Pharmakologien, Berlin und New York 1972 (= Ars medica. Texte und Untersuchungen zur Quellenkunde der Alten Medizin, II. Abteilung, 2)
- Galenus: [Opera omnia] Claudii Galeni opera omnia Klaudiu Galenu hapanta. Hrsg. von Karl Gottlob Kühn. Leipzig 1821-1833. Nachdruck: Hildesheim: Olms, 1965 (Medicorum Graecorum opera quae exstant 1 - 20)
- Vivian Nutton: Karl Gottlob Kühn and his edition of the works of Galen. A bibliography. Oxford: Microform Publ., 1976.
Übersetzungen
- Jutta Kollesch und Diethard Nickel: Antike Heilkunst - Ausgewählte Texte, 1994 Philipp Reclam jun., Stuttgart, ISBN 978-3-15-009305-4
Einzelnachweise
- ↑ The 11th century Suda lexicon states that Galen died at the age of 70, therefore about 199. However, there is a reference in Galen's treatise "On Theriac to Piso" (which may however be spurious) to events of 204. There are also statements in Arabic sources that he died at 87, after 17 years studying medicine and 70 practicing it, therefore about 217. Nutton (Nutton V. Ancient Medicine. Routledge, 2004 226-7) believes that "On Theriac to Piso" is genuine, the Arabic sources are correct and that the Suda has erroneously interpreted the 70 years of Galen's career in the Arabic tradition as referring to his whole lifespan. Boudon-Millot (Boudon-Millot V. Galien: Introduction générale; Sur l'ordre de ses propres livres; Sur ses propres livres; Que l'excellent médecin est aussi philosophe Paris: Les Belles Lettres. 2007, LXXVII-LXXX) more or less concurs and favours a date of 216.
- ↑ Carl von Linné: Critica Botanica Leiden 1737, S. 92
- ↑ Carl von Linné: Genera Plantarum. Leiden 1742, S. 168
Weblinks
- Literatur von und über Galenos im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Michael Boylan: Galen. In: James Fieser, Bradley Dowden (Hrsg.): Internet Encyclopedia of Philosophy.
- Digitale Edition an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften Galen - Kommentar zu Hippokrates, Über die Gelenke - Die Einleitung und die ersten sechs Kommentarabschnitte von Buch I
- Faksimiles bei der Bibliothèque Interuniversitaire de Médecine (verschiedene alte Ausgaben, darunter diejenige Kühns)
- Opera Omnia ed. Kühn (bei archive.org)
- Werke von Galenos im Gesamtkatalog der Wiegendrucke
Personendaten | |
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NAME | Galenos |
ALTERNATIVNAMEN | Galēn; Galienus; Galenos von Pergamon |
KURZBESCHREIBUNG | griechischer Arzt und Anatom |
GEBURTSDATUM | um 129 |
GEBURTSORT | Pergamon |
STERBEDATUM | um 216 |
STERBEORT | Rom |