Johann Ghogreff

deutscher Humanist und Kanzler von Jülich-Kleve-Berg
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Johann (von) Ghogreff (andere Schreibweisen: Ghogravius, Gogreve, Goichgreff; * um 1499, vermutlich in Düsseldorf; † 17. Februar 1554 im Haus Hellenbroich bei Mettmann) war ein deutscher Humanist und Kanzler von Jülich-Kleve-Berg.

Leben

Johann Ghogreff entstammt vermutlich dem westfälisch-waldeckschen Adelgeschlecht der Gaugreben und war der Sohn des Düsseldorfer Amtmanns Giesbert (Gisgen, Gischgen) Ghogreff (Goegreff; von Gogreve) († 1497) und dessen dritter Frau (∞ vor 1487), Margaretha von der Recke († nach 1515). Gisge Gogreve wurde 1485 in Soest gefangen gehalten[1] und kam offenbar erst um 1489/90 nach Intervention der neuen Herzogin Mechthild (1473–1505), Tochter des Landgrafen Heinrich III. von Hessen (1440–1483) bei ihrer Hochzeit in Soest am 3. November 1489 mit Herzog Johann von Kleve-Mark (1458–1521), wieder frei.[2]

Humanistische Bildung

Johann Ghogreff war humanistisch gebildet und ein Verehrer von Erasmus von Rotterdam (1465 oder 1469–1536). 1514 immatrikulierte er sich als „Johannes Gogreef de Dusseldorp“ an der Artistenfakultät der Universität Köln und erwarb dort 1515 das Baccalauréat. Seine humanistisch gesinnten späteren Mitstreiter, Johann von Vlatten (um 1498–1562) und Konrad Heresbach (1496–1576), waren Kölner Kommilitonen. 1515 studierte Ghogreff an der juristischen Fakultät in Orléans, wo er bei Adolf Eichholz (vor 1490–1563), dem späteren Rektor der Kölner Universität, wohnte. 1519 erhielt er eine Präbende (Pfründe) am Kollegiatstift St. Martini in Minden. 1520 studierte er in Bologna. Ghogreff schloss das Studium als Dr. iur. utr. ab.

Von 1524 bis 1530 war Ghogreff Probst des Stiftes St. Gereon in Köln.

Kanzler von Jülich-Berg-Ravensburg und Kleve-Mark

Herzog Johann III.

Um 1524 trat Ghogreff in den Dienst des Herzogs Johann III. von Jülich-Kleve-Berg (1490–1539). 1528 wurde er Amtmann von Angermund und war bis zu seinem Tod 1554 Nachfolger von Wilhelm Lüninck († 1528) als jülich-bergisch-ravensbergischer Kanzler. 1530 verzichtete er auf die Kölner Probstei, verließ den geistlichen Stand und übernahm auch die klevisch-märkische Kanzlei. Seit dieser Zeit war Vlatten Ghogreffs Vizekanzler. In der Funktion als klevisch-märkischer Kanzler wurde Ghogreff um 1546 von Heinrich Bars genannt Olisleger (vor 1500–1575) abgelöst.

Ghogreff bereitete 1532 mit Heresbach die Einführung der erasmisch-melanchthonischen[3] Kirchenordnung für die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg vor.

1532 beauftragte Johann seine Räte, 1533 eine Kichenvisitation durchzuführen: Erbhofmeister Wilhelm von Harff und Probst Vlatten im Herzogtum Jülich, Haushofmeister Wessel van Loë und Rat Olisleger im Herzogtum Kleve, Kanzler Ghogreff im Herzogtum Berg, Johann von Loë, Drost von Bochum, in der Grafschaft Mark und Matthias von Altenbockum († nach 1563), Drost zu Hörde, in der Grafschaft Ravensberg. Der Bitte Ghogreffes und Vlattens, sie von dieser Aufgabe zu entbinden, entsprach der Herzog nicht.

1536/37 war Ghogreff an den Neusser Verhandlungen über kirchliche Organisationsfragen zwischen Jülich-Berg und Kurköln beteiligt.

Im Dezember 1537 wurden Kanzler Ghogreff, Probst Johann von Vlatten, Haushofmeister Wessel von Loë, Landmarschall Hermann von Wachtendonk († wohl zwischen 1546/49 und 1554), Drost zu Kranenburg, Landmarschall Rabod (Ruprecht) von Plettenberg zu Landskron († zwischen 1543 und 1549) und Otto von Wylich (Wylack, Willich) († 1542), Drost zu Gennep, von Herzog Johann zur Versammlung der geldernschen Landstände in Nimwegen entsandt und erreichten, dass die Landstände und Herzog Karl von Geldern (1467–1538), der keine männlichen Nachkommen hatte, im Januar 1538 einer Vereinigung Gelderns und Zutphens mit Kleve zustimmten. 1543 musste Wilhelm V. das Herzogtum Geldern und die Grafschaft Zutphen allerdings im Vertrag von Venlo wieder abtreten.

Herzog Wilhelm V.

1539 übernahm Herzog Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg (1516–1592) die Regierung von Jülich-Kleve-Berg, Mark und Ravensberg. Ghogreff begleitete den Herzog im Januar 1540 zusammen mit Vlatten und Harff zur Hochzeit seiner Schwester Anna von Kleve (1515–1557) mit Heinrich VIII., König von England (1491–1547), nach London. Im Februar 1540 nahm Ghogreff mit Heresbach und Karl Harst (1492–1563) in Paderborn an der Zusammenkunft von Wilhelm V. mit seinem Schwager Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen (1503–1554) und anderen Vertretern des Schmalkaldischen Bundes teil.

Im Juli 1540 schlossen Kanzler Ghogreff, Landmarschall Hermann von Wachtendonk und der Gesandte am französischen Hof Hermann Crüser (1510–1575) im Auftrag von Herzog Wilhelm ein gegen Kaiser Karl V. (1500–1588) gerichtetes Bündnis mit den Bevollmächtigten König Franz I. von Frankreich (1494–1547), Kardinal François de Tournon (1489–1562) und Kanzler Guillaume Poyet (1473–1548). Hierbei wurde auch eine Verabredung zur – später nicht vollzogenen – Ehe Wihelms mit der 12-jährigen Prinzessin Jeanne d'Albret (1528–1572), Tochter von König Heinrich II. von Navarra (1503–1555), der Nichte des Königs, geschlossen.

Nachdem der Abschied des Speyerer Reichstages von 1544 die Stände zur Abfassung einer „Reformation“ aufgerufen hatte, legten Ghogreve, Heresbach und der herzogliche Hofprediger Arnold Bongard († um 1568) in Abstimmung mit Wilhelm V. 1545 einen systematischen Reformentwurf „Articuli aliquot seu Capita earum rerum, quarum ratio habenda videtur tam in reformanda Religione quam visitandis Ecclesiis“ vor.[4]

Ghogreff hatte 1545 entscheidenden Einfluss auf die Errichtung des Düsseldorfer Lyceums und unterstützte es aus der jülich-bergischen Kasse.

1546 gehörten Ghogreff, Vlatten und Olisleger einer Gesandtschaft zum Reichstag in Regensburg an, die mit Kaiser Karl V. und König Ferdinand I. (1503–1564) die Vermählung Wilhelms mit Erzherzogin Maria von Habsburg (1531–1581), einer Tochter des späteren Kaisers Ferdinands, aushandelte.

Johannes Ghogreff starb 1554 in seinem Haus Hellenbroich bei Mettmann und wurde in der Stiftskirche St. Lambertus in Düsseldorf beigesetzt.

Familie

Johann Ghogreff hatte wohl schon in seiner Zeit als Kanoniker[5] einen „illegitimen“ Sohn:

Seit 1531 war Johann Ghogreff verheiratet mit Agnes von Binsfeld († um 1598/1602), Tochter von Werner von Binsfeld († 1557), Landdrost des Herzogtums Jülich und Amtmann zu Nideggen und Schönforst, und Agnes von Nesselrode, Erbin von Weiler. Ihre Kinder:

Johanns Bruder Wilhelm Ghogreff († zwischen 1528 und 1532) war seit 1528 verheiratet mit Anna Ketteler († nach 1609), Tochter von Konrad Ketteler († nach 1558), Drost zu Dülmen. Anna heiratete 1532 in zweiter Ehe Hermann von und zu Winkelhausen († vor 1558), 1558 war sie Witwe, 1559 war sie in dritter Ehe verheiratet mit Johann von Winkelhausen auf Schloss Kalkum († 1596).[9]

Johanns und Wilhelms Schwester Margaretha († nach 1556 bzw. 1573) war seit 1515 verheiratet mit Gerhard von Dobbe zu Lydern[10] († um 1524)[11], Sohn von Wilhelm von Dobbe zu Lier († nach 1489) und Bate († nach 1489).

Besitztümer

Ghogreff erbte nach dem Tod seines Bruders Wilhelm Haus Hellenbroich bei Mettmann. 1532 kaufte er den Rittersitz Gräfgenstein (Ratingen-Eggerscheidt) von Eberhard von der Recke.[12] 1541 kaufte er Schloss Goldberg und pachtete die dazugehörige Goldberger Bannmühle bei Mettmann. 1544 besaß er den Fronhof Kircherhof an der Kirche zu Itter.

Wappen

Das Wappen der von Ghogreff[13] enthält drei Hufeisen.

Würdigung

In Düsseldorf-Friedrichstadt ist die Gogrevestraße nach Ghogreff benannt.

Literatur

  • Peter G. Bietenholz / Thomas B. Deutscher: Contemporaries of Erasmus: A biographical register of the Renaissance and Reformation, Bd. II, Toronto u. a. 1986, S. 112
  • Karl Wilhelm Bouterwek: Anna von Cleve, Gemahlin Heinrichs VIII. In: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 6 (1869), S. 97–180, 97ff
  • Theodor Joseph Lacomblet: Düsseldorf. Mit stetem Blick auf die Landesgeschichte aus urkundlichen Quellen dargestellt. In: Archiv für die Geschichte des Niederrheins Bd. 5 (1866) S. 1–243, S. 225
  • Max Lossen: Briefe von Andreas Masius und seinen Freunden 1538–1573, Leipzig: Dürr 1886, S. 31 und 43
  • Cornelia M. Ridderikhoff / Detlef Illmer: Les livres des procurateurs de la nation germanique de l'ancienne Université d'Orléans: 1444 - 1602, Bd. I/1, Leiden: Brill 1971, S. 336f.
  • Eckehard Stöve: Via media. Humanistischer Traum oder kirchenpolitische Chance? Zur Religionspolitik der vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg im 16. Jahrhundert. In: Monatshefte für Evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes 39 (1990), S. 115–133
  • Albrecht Wolters: Konrad Heresbach und der Clevische Hof zu seiner Zeit nach neuen Quellen geschildert. Ein Beitrag zur Geschichte des Reformationszeitalters und seines Humanismus, Elberfeld: Samuel Lucas 1867, S. 144
  • Wappen des Giesbert von Gogreve 1483. In: Rolf Zobel: Wappen an Mittelrhein und Mosel, Norderstedt: Books on Demand GmbH, Tafel 117

Einzelnachweise

  1. Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (Jülich-Berg I, Bestand 144) „Gefangennahme des Düsseldorfer Amtmanns Gisge Gogreve … 1485“. Bereits 1470 war ein Johann Gogreve in Soest gefangen gesetzt und 1479 gegen Bürgschaften auf Zeit, 1484 nochmals (endgültig?) freigelassen worden (Stadtarchiv Soest, A 2840).
  2. Vgl. K. Lamprecht / Joseph Hansen / Johannes Franck (Hrsg.): Die Chroniken der Westfälischen und Niederrheinischen Städte III. Soest und Duisburg, Leipzig, S Hirzel, 1895, S. 63.72.78.
  3. Insbesondere Heresbach stand seit 1527 in engem Kontakt mit Philipp Melanchthon (1497–1560) und hat sich mit ihm über die Ordnung beraten; vgl. Dietrich Meyer: Art. Rheinland. In: Theologische Realenzyklopädie Bd. XXIX, Berlin / New York: Walter de Gruyter, 1998, S. 157–177, 162.
  4. Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (Jülich-Berg II, Bestand 200); vgl. Heribert Smolinsky: Docendus est populus. Der Zusammenhang zwischen Bildung und Kirchenreform in Reformordnungen des 16. Jahrhunderts. In: Walter Brandmüller (Hrsg.): Ecclesia militans. Studien zur Konzilien- und Reformationsgeschichte, Bd. II, Paderborn: Schöningh 1998, S. 539–559, 545ff.
  5. Aus der Beneficienverleihung 1566 von Pius V.: „...non obstante defectu natalium, quem pateris de presbytero genitus et soluta...“ (= „ungeachtet des Geburtsmakels, der du bekanntlich geboren bist von einem Priester und einer Unverheirateten“); vgl. Wilhelm Eberhard Schwarz: Die Nuntiatur-Korrespondenz Kaspar Groppers. Nebst Verwandten Aktenstücken 1573-1576, Paderborn 1898, S. 182f.
  6. Nach anderen † 1593, jedoch geht aus den Prozessakten das frühere Sterbedatum hervor.
  7. Tochter von Johann II. von Kleve-Mark (1458–1521)
  8. Vgl. Streitsachen betr. die Hinterlassenschaft der Agnes von Gogreve, Witwe von Fürstenberg, Frau zu Hellenbroich und Höllinghofen, Tochter der Agnes von Binsfeld, Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (Harff-Dreiborn, Bestand 248).
  9. Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (Reichskammergericht, 5926, Az. W 155/377; 6206, Az. W 1407/3886).
  10. Haus Lydern bei Angermund?
  11. Vgl. Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (Werden, Abtei, Akten, Nr. 8b 220; Reichskammergericht, Teil II C-D, Bestand 1360); Lehnsbrief der Essener Äbtissin Margaretha von Bichlingen vom 26. Juli 1524 für Wilhelm von Dobbe d. J.(Archiv von Dobbe zu Lyren).
  12. Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (Harff-Dreiborn, Bestand 248).
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