Hünengrab ist die volkstümliche Bezeichnung für Megalithanlagen (Großsteingräber oder Megalithgräber), in Norddeutschland zumeist bestehend aus Findlingen. „Hüne“ lässt sich auf das mittelhochdeutsche „hiune“ und das niederdeutsche „hûne“ mit der Bedeutung „Riese“ zurückführen – es sollen also „Gräber für Riesen“ sein.
- Mit vorhandener rechteckiger Einfassung wird in Deutschland von einem Hünenbett gesprochen.
- Im niederdeutschen Sprachraum und in den Niederlanden heißen sie Hunebedden („Hünenbetten“).
- Der internationale Fachbegriff „Dolmen“ (bretonisch für „Steintisch“) wird auch in Deutschland verwendet (Großdolmen, Polygonaldolmen, Urdolmen). Zu den Hünengräbern gehören auch die Ganggräber.
- Im Dänischen wird der zu „Riese“ analoge Begriff „Jætte“ verwendet: „Jættestue“ („Riese, Riesenstube“); die in Dänemark als „kæmpehøje“ (bei Hügeln) bzw. „kæmpegraven“ geläufigen Namen bezeichnen Hügelgräber und meinen die unlithischen Varianten der vorzeitlichen Grabarchitekur.
- Im Schwedischen heißen sie "dösen" oder „ganggrifter“ („Ganggraber“).






Oft werden die „Hünengräber“ mit den in Mittel- und Nordeuropa vorkommenden Hügelgräbern verwechselt, die ausschließlich aus Erdmaterial bestehen und meist aus der Bronze- oder Eisenzeit stammen. Selbst amtliche Karten bezeichnen diese manchmal fälschlicherweise als Hünengräber. Dabei ist die Unterscheidung schon alt: Schon Johann Friedrich Danneil grenzte bei seinen Grabungen in der Altmark um 1820 klar die Hügelgräber, die damals Kegelgräber genannt wurden, von den Hünengräbern ab. Georg Christian Friedrich Lisch unterschied, ebenfalls in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, aufgrund der Grabfunde die „Zeit der Hünengräber“ von der nachfolgenden „Zeit der Kegelgräber“ mit Grabbeigaben aus Bronze. Da man von dem Begriff Kegelgrab heute jedoch weitgehend abgekommen ist, stiftet der sprachlich ähnliche Klang von Hünengrab und Hügelgrab bei Laien oft Verwirrung.
Verbreitung
- Siehe auch: Hauptartikel Megalith
Die klassischen Hünengräber finden sich in Südskandinavien und der norddeutschen Tiefebene von der Weichsel bis in die östlichen Niederlande. Diese heute oftmals nur noch als nackte Steinhaufen erhaltenen Kammern (siehe Bilder) lagen ursprünglich unter runden oder länglichen Erdhügeln. Vom baulichen Typ her werden sie unterschieden in verschiedene Typen von Dolmen, Ganggräber, Steinkisten, Galeriegräber oder kammerlose Hünenbetten.
Datierung
In Deutschland wurde die Zahl der Hünengräber im Jahre 1939 (in den damaligen Grenzen) mit 900 angegeben. Die Archäologen datieren die Entstehung der nordischen Variante der ansonsten über weite Teile Europas und der Welt verbreiteten Anlagen mehrheitlich in die mittlere Jungsteinzeit etwa zwischen 3500 und 2800 v. Chr., wobei sich eine Tendenz herausbildet eher noch früher[1] zu datieren.
Zerstörung von Hünengräbern
Ideologische und religiöse Gründe haben eine geringe Rolle gespielt, obwohl die Steine auch für Kirchenbauten zerschlagen wurden. In der Folge der im 17. Jahrhundert einsetzenden Aufklärung, aber insbesondere durch die Industrialisierung im 19. Jahrhundert wurden viele der alten Denkmäler zerstört. Zerstört wurden die Gräber auch dort, wo sie den Bauern beim Beackern ihrer Felder im Wege waren, aber die meisten Steine wurden für den Hafen- und Straßenbau entfernt. Heute existieren in Deutschland noch etwa 900 mehr oder minder beschädigte Anlagen. Schätzungen zufolge sind das allenfalls 15% der einstigen Megalithanlagen. Die wirtschaftlichen Zwänge sorgten zusammen mit dem Denken dieser Zeit für die Zerstörung sowohl der Gräber als auch von Findlingen. Ein eindrucksvolles Beispiel der Zerstörung ist das Ulanendenkmal in Demmin, welches mit bearbeiteten Findlingen der umliegenden Megalithgräber errichtet wurde.
Bedeutung
Zunehmend wird die Frage diskutiert, ob es sich bei den Anlagen tatsächlich um Gräber handelt[2]. In vielen wurden gar keine menschlichen Überreste gefunden. In den meisten übrigen waren die Knochen der Trichterbecherleute unvollständig und nie im anatomischen Verband befindlich. Da der Grabcharakter der Hünengräber inzwischen umstritten ist, bezeichnet man sie als Megalithanlagen.
Bauleistung
Der Bau mit Muskelkraft, schiefen Ebenen und Hebeln ist eine technische Meisterleistung der jungsteinzeitlichen Menschen und war nur als durchorganisierte Leistung von Fachleuten möglich. Die Leistung ist durch eine experimentelle Modellrechnung am Beispiel eines Großsteingrabes von Großenkneten in der Nähe von Oldenburg kalkuliert worden. Arbeitsstunden:
- 1400 für die Steingewinnung, Ausgraben von Findlingen.
- 74.490 für den Transport der Findlinge aus einem geschätzten Radius von einem Kilometer um die Baustelle.
- 33.160 für den Kammer- und Gangbau mit Findlingen bis zu 4,2 Tonnen Gewicht und für die Einfassung (Setzen von ca. 70 bis zu 2 Tonnen schweren Blöcken, Aushub von Standgruben im Gesamtumfang von 60 m2, Einbringen von 700 m2 Erdschüttung in das Innere des Hünenbettes.
- Gesamtleistung: 109.050 Arbeitsstunden
Damit könnten 100 Personen bei einem 10-Stunden-Tag ein Großsteingrab in weniger als 3 Monaten (ohne Pausen) errichten. Wobei die meisten Anlagen wesentlich kleiner waren.
Sonstiges
Die Comic-Figur Obelix hantiert mit „Hinkelsteinen“, jenen Steinen, aus denen Hünengräber erbaut oder als „Steinreihen“ aufgerichtet wurden. Im hessischen Volksmund wurden spaßeshalber daraus „Hühnergräber“ (Hinkel = Hühnchen).
Siehe auch
- Steinsetzung
- Menhir
- Megalithkultur
- Nordische Megalitharchitektur
- Hünengrab (Heraldik) mit Verteilungskarte in Deutschland
- Straße der Megalithkultur
Einzelnachweise
Literatur
- Mamoun Fansa: Großsteingräber zwischen Weser und Ems. Verlag Isensee, Oldenburg 1994, ISBN 3-89442-118-5.
- Evert van Ginkel u.a.: Hunebedden. Monumenten van een Steentijdcultuur. Uitgeverij Uniepers, Abcoude 1999 (die Megalithgräber den Niederlanden)
- Johannes Groht: Tempel der Ahnen. Megalithbauten in Norddeutschland. AT Verlag, München 2005, ISBN 3-03800-226-7 (Bildband)
- Günther Kehnscherper: Hünengrab und Bannkreis. Von der Eiszeit an; Spuren früher Besiedlung im Ostseegebiet. Urania-Verlag, Leipzig 1990, ISBN 3-332-00162-0.
- Heinz Schirnig (Hrsg.): Großsteingräber in Niedersachsen. (Veröffentlichungen der urgeschichtlichen Sammlungen des Landesmuseums zu Hannover, Bd 24, Begleitschriften zu Ausstellungen), Hildesheim 1979.
- Ingrid Schmidt: Hünengrab und Opferstein. Bodendenkmale auf der Insel Rügen. Hinstorff Verlag, Rostock 2001, ISBN 3-356-00917-6.
- Ernst Sprockhoff: Atlas der Megalithgräber Deutschlands. Teil 1: Schleswig-Holstein. Habelt, Bonn 1965
- Ernst Sprockhoff: Atlas der Megalithgräber Deutschlands. Teil 2: Mecklenburg - Brandenburg - Pommern. Habelt, Bonn 1967
- Ernst Sprockhoff: Atlas der Megalithgräber Deutschlands. Teil 3: Niedersachsen - Westfalen. Hrsg. Gerhard Körner. Habelt, Bonn 1975
(Kurzbeschreibungen, Karten und Skizzen - in Extrabänden - zu den von Sprockhoff zusammengetragenen Nachweisen zu gut 985 Megalithgräbern)
- div. Archäologische Führer des RGZM Mainz, aus dem Verlag Phillip von Zabern (regional)
Weblinks
- www.stonepages.de: Umfangreiches Verzeichnis der Hünengräber des nordwestlichen Deutschlands mit Karten, Fotos, GPS und Hintergründen
- Private Seite mit ausführlicher Dokumentation einer großen Zahl deutscher Großsteingräber
- Bornholminfo.dk (dt.)
- Fortidsminder Århus Amt (dän.)
- Dólmenes y megalitos del mundo Dolmenes y megalitos de todo el mundo.
- Seite des Museums/Informationszentrums beim größten niederländischen Hünengrab in Borger.
- www.grosssteingraeber.de Seite mit Fotos, Beschreibungen, GPS-Daten über Großsteingräber, Menhire u.Ä. in Deutschland, Frankreich und Skandinavien
- The Megalithic Portal Fotos und Beschreibungen von Megalithanlagen in Europa und Deutschland (engl.)