Interreligiöser Dialog
Interreligiöser Dialog ist die Bezeichnung für den Dialog zwischen verschiedenen Religionen.
Manchmal wird dafür auch der Ausdruck interreligiöse Ökumene gebraucht, aber unter Ökumene versteht man im Allgemeinen die Beziehungen zwischen christlichen Kirchen und Konfessionen, daher wird der Ausdruck von anderen Religionen nicht immer geschätzt.
Interreligiöser Dialog kann mehrere Religionen gleichzeitig einbeziehen, häufiger sind jedoch Begegnungen zwischen zwei Religionen.
Voraussetzungen
Interreligiöser Realismus
Interreligiöser Realismus ist die Basis für gelungenen Dialog. Er soll falsche Feindbilder und illusionäre Freundbilder vermeiden.
Rechte Gesinnung
Man teilt jedoch mit dem anderen etwas für ihn sehr wichtiges, heiliges, das jeden Partner in einer Weise verletzlich macht. Die Dialogpartner gehen das Risiko ein dass das ihnen so Kosbare nicht die entsprechende Wertschätzung erhält. Eine freundschaftliche Grundhaltung der Agape, mit der man dem anderen mit der nötigen Achtung begegnet und die das notwendige Vertrauen ermöglicht, ist unabdingbar.
Dialogpartner
Grundlage für die Achtung des anderen und den Dialog ist auch die genaue Kenntnis der Dialogpartner bzw. das Bewusstsein über mögliche Unkenntnis in bestimmte Feldern. Zudem sollten die Dialogpartner in ihrer Position gefestigt und kompetent sein, um diese angemessen vertreten zu können, darüber hinaus aber auch die nötige Offenheit mitbringen, um sich auf das Andere einlassen zu können. Wichtig für interreligiösen Dialog ist, dass sich die einzelnen Religionen als gleichwertige Partner begegnen. Als vorteilhaft hat sich dafür auch erwiesen, wenn die Begegnungen auf beiden Seiten auf gleicher Ebene stattfinden (Religionsführer und Religionsführer, Theologen und Theologen, Laien und Laien). Weiters gibt es den Dialog auf akademischer Ebene, den intermonastischen Dialog (Mönche, Nonnen) und den Dialog von Gemeindegruppen, die jeweils sowohl Amts- und Funktionsträger, als auch aktive Gemeindemitglieder umfassen.
Begriffsklärung
Wichtig ist im interreligiösen Dialog, dass beide Seiten erklären, was sie unter einem verwendeten Begriff (Gott, Gebet, Erlösung, Opfer) verstehen und nicht von vornherein annehmen, dass der andere den Begriff ebenso verstehen muss wie man selbst.
Umgang mit Unterschieden
Wollen die Dialogpartner verantwortungsvoll und mit Achtung ihre Grundüberzeugung teilen, so müssen sie sich gerade auch mit den Unterschieden beschäftigen. Schließlich geht es im Dialog um die Auseinandersetzung mit dem Fremden und nicht um die Kreation einer Einheitsreligion.
Vertiefung durch Unterscheidung
Auch wenn viele in der Konfrontation mit Unterschieden eine Gefährdung ihrer Identität sehen, kann gerade diese als anregend und bereichernd erfahren werden und zu tieferer Erkenntnis führen. Die Unterscheidung von anderen hilft das eigene deutlicher und tiefer zu erkennen und besser zu verstehen. In Anbetracht der Auseinandersetzung und Prüfung des Anderen aus der eigenen Sicht kommt es zu einer Selbstprüfung, zu einer Reflexion und Vertiefung des eigenen vor dem Hintergrund des Fremden. In diesem Sinn werden fremde Religionen als Wirkungsbereich Gottes gesehen, der zur Vertiefung des Glaubens oder sogar erst zum Glauben führen kann.
Glaubensvermittlung durch Dialog
Neben dem Zuhören, der Auseinandersetzung mit der Überzeugung des anderen und deren Prüfung vor dem Hintergrund des eigenen Glaubens, hat der Dialog noch die Seite des Weitergebens und Vermittelns der eigenen Religion, insbesondere auch in Unterscheidung zu anderen. Konfrontation und Dialog mit anderen Überzeugungen bekommen in diesem Sinn einen apologetischen Charakter, denn der Dialog ist eine Möglichkeit den Glauben in der heutigen Welt zu vermitteln.
Spannung zwischen Wahrheitsanspruch und Toleranzideal
Dennoch bleibt in Bezug auf die Unterschiede eine Spannung zwischen dem eigenen religiösen Wahrheitsanspruch und dem Ideal der toleranten Begegnung. Hier steht einerseits die Überzeugung, dass die eigene Religion die wahre und heilbringende ist, sowie die Verantwortung die mit der Überzeugung verbundenen Aufgaben, auch den Missionsauftrag, ernst nehmen, und andererseits das Ideal alle anderen Überzeugungen tolerant mit voller Achtung als gleichwertige Partner anzuerkennen. Betrachtet man Gemeinsamkeiten, so ist Toleranz und sogar Integration nicht schwer, doch bei grundlegenden Unterschieden kommt man an einen schwierigen Punkt. Ein Versuch damit umzugehen ist, für sich subjektiv eine Religion als die wahre und richtige zu finden, objektiv aber andere Wege zu akzeptieren.
Umgang mit Gemeinsamkeiten
Es gibt nun viele verschiedene Ebenen auf denen Verbindendes gesucht und gefunden werden kann. Um einen Einblick zu geben, soll hier auf das mystische und das ethische Modell eingegangen werden.
Mystik
Zunächst zur Mystik, einem populären Modell der pluralistischen Religionstheologie. Hier wird von einer mystischen Transzendenzerfahrung ausgegangen, die im Schweigen durch die Meditationswege aller Religionen erreicht werden kann und die sich auf einer Ebene abspielt die über allem Trennenden liegt. Die Ausrichtung auf das Göttliche ist vorrangig, religiöse Lehren und Überzeugungen, v.a. diejenigen die die materielle Welt betreffen, treten an zweite Stelle. Die Ursache sämtlicher Unterschiede zwischen Religionen wird in der Verschiedenheit der Menschen, deren Lebenswelt, Sprache und Erfahrungen gesehen. Bei diesem Modell liegt die Gefahr nahe sämtliche Unterschiede zwischen den Überzeugungen unterzubewerten, alles verschmelzen zu lassen und einen mystischen Monoismus zu schaffen. Dies soll nicht das Ziel des Dialogs sein. Dennoch sollte die Gefahr der Vereinheitlichung hier nicht die Suche nach Gemeinsamkeiten auf einer mystischen Ebene verdammen, nur darf die Anerkennung der Gemeinsamkeit auf einer mystischen Ebene nicht die Unterschiede auf anderen Ebenen ignorieren. Wenn ähnliche Erfahrungen auf einer transzendenten Ebene bei Dialogpartner erlebt wurden, dann könnten gerade diese eine gute Basis für den Dialog und den realistisch-achtungsvollen Umgang mit Unterschieden sein.
Sinnvoller, v.a. für das friedvolle Zusammenleben der Religionen, ist die Suche nach interreligiösen Gemeinsamkeiten im ethischen Bereich. Aber auch dies ist nicht unproblematisch, denn Definition und Stellenwert des Sittlichen unterscheidet sich von Religion zu Religion. Gerade im Entscheidenden, in der Heilsfrage gehen die Ansichten der Religionen auseinander. Dennoch scheint interreligiöse Ökumene am ehesten im ethischen Bereich sinnvoll und notwendig. Der Dialog, der dem pluralitätsfähigen Umgang mit Religionsvielfalt dienen soll, hat hier die wichtige Aufgabe, eine Basis für das Zusammenleben und gemeinsames Handeln der Religionen zu suchen. Voraussetzung ist, dass in allen Religionen allgemeingültige, uneinschränkbare, ethische Grundgebote zu finden sind. Tatsächlich scheint es auch eine gemeinsame ethische Basis zu geben. Das Projekt „Weltethos“ von H. Küng ist ein Versuch eine Grundlage von gemeinsamen Werten und Maßstäben, dem alle Religionen zustimmen können, zu formulieren und zu verwirklichen. Die Teilnehmer des zweiten Weltparlaments der Religionen 1993 in Chicago haben dieses Projekt angenommen und die Möglichkeit einer formulierten ethischen Basis der Religionen realisiert. Darüber hinaus muss man bedenken, dass ethisches Handeln in Religionen zwar eine große Rolle spielt, aber Ethos nicht religiösen Ursprungs sein muss und v.a. nicht auf die Religionen beschränkt ist.
Praxis des interreligiösen Dialogs
Interreligiöser Dialog kann viele Formen annehmen: Konferenzen von Religionsführern oder Theologen, Führungen in der eigenen Kirche, gemeinsame Frauengruppen, Austausch von Lehrern (auch für einzelne Lektionen), gemeinsame soziale Projekte.
Gottesdienste unter Beteilung verschiedener Religionen werden oft auch von Befürwortern eines interreligiösen Dialogs abgelehnt, da sie darin ein Überspielen der tatsächlich vorhanden Unterschiede und eine vorgetäuschte Einigkeit sehen, die zu mehr Konflikten führen kann als ein realistisches Anerkennen der Unterschiede.
Am meisten fortgeschrittene Beziehungen bestehen heute zwischen Judentum und Christentum, die ja eine gemeinsame Anfangsgeschichte und im Alten Testament und dem Tanach ein identisches Heiliges Buch haben. Während gemeinsames Gebet und gemeinsame Gottesdienste oft abgelehnt werden, haben sich z. B. beim Unterricht Möglichkeiten aufgezeigt: ein jüdischer Lehrstuhl für Alttestamentliche Theologie an einer theologischen Fakultät, gemeinsamer Hebräisch-Unterricht oder gemeinsames Studium des Alten Testaments können zum gegenseitigen Verständnis beitragen.
Als einer der Hauptakteure des interreligiösen Dialoges galt der verstorbene Papst Johannes Paul II., der bereits 1986 gegen heftige innerkatholische Widerstände hinweg ein Weltgebetstreffen der Religionen nach Assisi einberief, das zahlreiche Nachfolgetreffen fand und zu wachsendem Vertrauen der Religionsführer untereinander geführt hat.
Ein weiterer Vertreter ist der Theologe Hans Küng mit dem von ihm propagierten Weltethos.
Der konkrete Dialog
Aufgrund der historischen Gegebenheiten findet der konkrete interreligiöse Dialog zumeist auf christliche Initiative hin statt. Dialogveranstaltungen mit Teilnehmern mehrerer Religionen sind häufig Veranstaltungen für die Dauer eines Abends oder für die Dauer von wenigen Tagen. Dialog zwischen 2 Partnern wird oft auch auf der Basis regelmäßiger Treffen über längere Zeiträume hinweg geführt und kann dadurch eher in die Tiefe gehen.
Die häufigsten Formen des Dialogs sind:
Christlich - jüdischer Dialog Christlich - moslemischer Dialog Christlich - buddhistischer Dialog
Literaturangaben
- Hummel, Reinhart: Religiöser Pluralismus oder Christliches Abendland? Herausforderung an Kirche und Gesellschaft. Wissenschftliche Buchgesellschaft Darmstadt. 1994
- Lalai Lama: Das Herz aller Religionen ist eins. Arkana Goldmann. 1999
- Antes, Peter/ Rück, Werner / Uhde Bernhard: Islam, Hinduismus, Buddhismus – Eine Herausforderung des Christentums. Matthias-Grünewald-Verlag Mainz. 1977
- Magonet, Jonathan: Abraham – Jesus – Mohammed, Interreligiöser Dialog aus jüdischer Perspektive, Gütersloher Verlagshaus, 2000, ISBN: 3-579-00735-1, € 9,90
Weblinks
- Koordinierungsrat der Vereinigungen des christlich-islamischen Dialoges in Deutschland (KCID)
- Christlich-Islamische Gesellschaft e.V. (CIG)
- Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Deutscher KoordinierungsRat (DKR)
- Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Österreich
- Christlich-jüdische Projekte in der Nordwest-Schweiz
- Kategorie Interreligiöser Dialog im Verzeichnis des Open Directory Projects
- Religionsboard - Eine interreligiöse Plattform zum Gedankenaustausch zwischen den Religionen