Der Begriff Schienenbonus im Verkehrswesen hat unterschiedliche Bedeutungen:
Akzeptanzvorteil schienengebundener Verkehrsmittel
Im Zusammenhang mit Straßenbahn-, Stadtbahn- und Bussystemen im ÖPNV wird der Begriff verwandt, um die größere Akzeptanz von schienengebundenen Verkehrsmitteln gegenüber straßengebundenen Verkehrsmitteln bei den Fahrgästen zu beschreiben. Der Schienenbonus ist in der Fachwelt umstritten. Befürworter machen geltend, das in der Regel beobachtete Sinken der Fahrgastzahlen bei Umstellungen von Eisen- und Straßenbahnstrecken auf Busbetrieb sowie ein Steigen derselben im umgekehrten Fall seien ein Indiz für einen solchen Bonus. Kritiker dieser Auffassung verweisen als Erklärung für solche Veränderungen des Passagieraufkommens auf ein verändertes Angebot an Sitzplätzen.
Lärmschutz
Im Kontext des Verkehrslärmschutzes bezeichnet der Schienenbonus einen bei der Bildung des Beurteilungspegels zu berücksichtigenden Korrekturfaktor. Dieser wird begründet mit der geringeren psychologischen Störwirkung, die der gleichmäßigere Schienenverkehrslärm bei gleichem Schalldruckpegel im Vergleich zum Straßenverkehrslärm mit seinen weit stärkeren und zahlreicheren Amplitudenschwankungen aufweist. Die häufigeren und längeren Stilleperioden werden dabei ebenfalls berücksichtigt. Entsprechend wird nach der deutschen 16. Bundesimmissionsschutzverordnung (16. BImSchV) der für die festgelegten Geräuschpegelgrenzwerte relevante Beurteilungspegel beim Schienenverkehr um 5 dB (vgl. Anhang 2, 16. BImSchV) geringer angesetzt als beim Straßenverkehr.
Dem Korrekturwert liegt unter anderem eine Feldstudie von Ende 1970er/Anfang der 1980er Jahre zu Grunde. Rangierbahnhöfe und vergleichbare Anlagen sind vom Schienenbonus ausgeschlossen.[1]
In der Schweiz ist nach der Lärmschutzverordnung (LSV) der Schienenbonus gesetzlich mit einer Pegelkorrektur zwischen 5 bis 15 dB (Anhang 4, Ziff. 33 LSV) zugunsten des Schienenverkehrs festgelegt. In Österreich beträgt der Schienenbonus wie in Deutschland 5 dB (Schienenverkehrslärm-Immissionsschutzverordnung).
Bei der Planung der ersten Neubaustrecken des Hochgeschwindigkeitsverkehrs wurde Ende der 1970er Jahre von der damaligen Deutschen Bundesbahn ein Schienenbonus in pauschaler Höhe von 10 dB zur Anwendung gebracht.[2]
Da zur Beurteilung der Geräuscheinwirkung nur Mittelungspegel herangezogen werden, werden die Dauer und Höhe der Vorbeifahrpegel sowie der Länge der Pausen nicht berücksichtigt. Damit werden sehr laute einzelne Vorbeifahrten unterbewertet; insbesondere wird ein Überschreiten derjenigen Schwelle, die zum Aufwachen von Anwohnern führt, nicht berücksichtigt.
Im Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode der Bundesrepublik Deutschland ist die Absicht vereinbart, "den Schienenbonus schrittweise [zu] reduzieren mit dem Ziel, ihn ganz abzuschaffen"[3]. Ein Zeitplan liegt momentan (Stand: Juli 2010) noch nicht vor.[1]
Einzelnachweise
- ↑ a b Deutscher Bundestag (Hrsg.): Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gustav Herzog, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD – Drucksache 17/2056 –: Maßnahmen zur Verbesserung des Lärmschutzes im Landverkehr. Drucksache 17/2638 vom 26. Juli 2010.
- ↑ Heinz Bubel: Die technische Gestaltung der Neubaustrecken der Deutschen Bundesbahn. In: Der Eisenbahningenieur, 28 (1977), Heft 1, S. 11–18
- ↑ Entwurf des Koalitionsvertrags, Zeilen 1597/8
Literatur
- Reinhold Kasch, Gesine Vogts: Schienenbonus: Es bleiben Fragen - Führen nur die geänderten Rahmenbedingungen zu steigenden Fahrgastzahlen?, in Der Nahverkehr, Nr. 3/2002, S. 39 ff.
- Mareike Schulz, Chajim Meinhold: Quantifizierung des Schienenbonus - Messung des Kundennutzens mittels Choice-Based-Conjoint-Analyse, in Der Nahverkehr, Nr. 6/2003, S. 26ff.
- G. Hauck: Lästigkeitsunterschied zwischen den Geräuschen des Straßenverkehrs und des Schienenverkehrs, in Zeitschrift für Lärmbekämpfung 38, Nr. 6; S. 162-166, 1991.
- R. Schümer; A. Schümer-Kohrs: Lästigkeit von Schienenverkehrslärm im Vergleich zu anderen Lärmquellen - Überblick über Forschungsergebnisse, in Zeitschrift für Lärmbekämpfung 38, Nr. 6; S. 1-9, 1991.
- K. Jäger: Neue Erkenntnisse bei der Bewertung von Schienenlärm. ETR 52 (2003), Heft 7/8, S. 469 - 475.
- Rudolf Schümer; Dirk Schreckenberg; Ute Felscher-Suhr: Wirkungen von Schienen- und Straßenverkehrslärm. Bochum: Zeus GmbH, 2003.
- D. Windelberg: Aufweck-Pegel und Lärmpausen bei Schienen- und Fluglärm. Immissionsschutz 9 (2004) S. 114-124, 2004.
- Manfred Liepert; Ulrich Moehler; Dirk Schreckenberg; Rudolf Schümer; Hugo Fastl: Lästigkeit von Schienen- und Staßenverkehrslärm bei hohen Vorbeifahrhäufigkeiten Ergebnisse einer Feld- und Laborstudie. DAGA ´05, München, S. 369-370, 2005.
- Matthias Rombach, Schienenverkehrslärm als Rechtsproblem,Verlag Dr. Kovac,Hamburg, 2009|ISBN 978-3-8300-4679-0.
- D. Windelberg: Mathematische Verfahren zur Bewertung und zum Vergleich von Befragungen zur Verkehrslärm-Lästigkeit. DAGA ´10, Berlin, 2010.