Limnologie

Wissenschaft von den Binnengewässern als Ökosystemen
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Definition der Limnologie

Die Limnologie ist die Wissenschaft von den Binnengewässern als Ökosysteme, deren Struktur, Stoff- und Energiehaushalt und Leben sie erforscht (Schwoerbel, 1993). Binnengewässer bezeichnen stehende Gewässer, wie Weiher und Seen ohne Verbindung zu den Ozeanen, Fließgewässer und das Grundwasser. Im Gegensatz zum Wortsinn des gängigen englischen Begriffes der "fresh water ecology" beschäftigt sich die Limnologie mit dem Leben in Binnengewässern unabhängig vom Salzgehalt. Daher fällt auch das Tote Meer per Definition in die Zuständigkeit der Limnologie.

Die Stellung der Limnologie im Bereich der Naturwissenschaften

Die Limnologie versteht sich als Teilgebiet zur Ökologie, neben der Ozeanologie die sich mit marinen Ökosystemen, und der Epeirologie, die sich mit terrestrischen Lebensräumen befasst. Die Limnologie ist auch Teilgebiet der Hydrologie und gehört somit zu den Geowissenschaften (Schwoerbel, 1993)(Tab. 1).

Tab. 1: Die Limnologie in ihrer Stellung in den Naturwissenschaften nach De Haar (1974) modifiziert.

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Limnologie
 

Die Limnologie lässt sich in zwei Fachrichtungen einteilen:

  1. theoretische Limnologie und
  2. angewandte Limnologie

Die Theoretische und die Angewandte Limnologie sind eng miteinander verzahnt, so dass eine eindeutige Trennung beider Richtung nicht immer möglich ist. Allgemein lässt sich die Aufgabe der theoretischen Limnologie als jene beschreiben, welche die Systemeigenschaften der Gewässer erforscht und darstellt. Diese ist wiederum auch die Grundlage jeder angewandten Limnologie. Die theoretische Limnologie wird in Allgemeine und Spezielle Limnologie untergliedert. Die Allgemeine Limnologie beschäftigt sich mit der Gewässer-Ökologie. Es sind dies

  • die ökologisch relevante Eigenschaften des Wassers,
  • die physiologische Ökologie der Süßwasserorganismen,
  • die limnische Populationsökologie,
  • die Grundlagen des Stoffhaushaltes und der Produktionsbiologie,
  • der Stoffabbau und Stoffkreisläufe der Binnengewässer,
  • die Charakterisierung der Belastungszustände und
  • die Trophie und Saprobie (Schönborn, 2003).

Die Spezielle Limnologie erforscht die limnischen Lebensräume mit Hilfe der Erkenntnisse der Allgemeinen Limnologie. Hierzu gehören:

  • Grundwasser
  • Quellen
  • Fließgewässer
  • Stillgewässer

Zu den wuchtigsten Themen der angewandten Limnologie zählen Abwasserreinigung, Wasseraufbereitung, Gewässerverunreinigung, Gewässerschutz und Gewässerpflege. Weitere Anwendungsbereiche der Limnologie sind die Fischereibiologie und die Regulierung der organischen Produktion in natürlichen und künstlich angelegten Gewässern.

Zur Entstehungsgeschichte

Nach Elster (1974) und Steleanu (1989) reicht die Geschichte der Limnologie etwa 100 Jahre zurück. Obwohl schon im 17. und im 18. Jahrhundert zahlreiche Untersuchungen über Wasserorganismen durchgeführt worden sind, fehlte die Beziehung zum Gewässer vollständig. Aus diesem hydrobiologischen Vorfeld entwickelte sich die Limnologie nur zögerlich. Den entscheidenden Schritt von der Hydrobiologie zur Limnologie tat der Schweizer Mediziner und Wissenschafter François-Alphonse Forel in Lausanne. Forel untersuchte den Genfer See nicht nur biologisch, sondern auch physikalisch und chemisch. Er äußerte auch als erster Gedanken über Seentypen.

Sein Arbeitsgebiet nannte er Limnologie. Seine Untersuchungen erschienen als dreibändiges Werk "Le Léman. Monographie limnologique" zwischen 1892-1904. 1901 wurde sein "Handbuch der Seenkunde. Allgemeine Limnologie" herausgegeben.

Als einer der Mitbegründer der Limnologie gilt der Amerikaner Stephen Alfred Forbes, welcher 1887 eine Arbeit mit dem Titel "The lake as a microcosm" veröffentlichte. In dieser Arbeit sind schon Stoffkreisläufe und biologische Begründungen beschrieben.

Neben den offiziellen Begründern gibt es noch einen unbekannten Vorbegründer: Friedrich Junge, ein Dorfschullehrer aus Kiel veröffentlichte 1885 eine Schrift mit dem Titel "Der Dorfteich als Lebensgemeinschaft".

Angeregt durch Forels Arbeiten etablierte sich die Limnologie rasch und führte zur Bildung der ersten limnologischen Stationen. Zu den wichtigsten limnologischen Stationen zählten:

1911 publizierten Edward Asahel Birge und Chancey Juday ihre Ergebnisse, die sie an nordamerikanischen Seen gewonnen hatten. Anhand ihrer Untersuchungen zur Sauerstoffverteilung in der Tiefe der Seen konnten sie zwei Seentypen ausmachen:

  1. Seen deren Tiefenwasser stets sauerstoffreich sind
  2. Seen deren Tiefenwasser stets sauerstoffarm sind

In Deutschland war es August Thienemann, dem aufgefallen war, dass sich die Seen in den verschiedenen Regionen Deutschlands in der Fischfauna, der Zusammensetzung des Planktons und der Tiefenfauna unterschieden. 1915 fand er ebenfalls wie Birge und Juday heraus, dass die Unterschiede vor allem aus dem ökologisch wirksamsten Faktor Sauerstoffgehalt des Tiefenwassers resultierten.

In Schweden untersuchte Einar Naumann 1918 den pflanzlichen Anteil des Planktongehaltes (Phytoplankton) des Oberflächenwassers der Seen. Naumann folgerte aus seinen Beobachtungen, dass planktonreiche Seen viele Pflanzennährstoffe haben müssen, die phytoplanktonarmen dagegen wenige. Demnach gibt es nährstoffarme und nährstoffreiche Seen. Einen nährstoffarmen See bezeichnete er als oligotroph und einen nährstoffreichen See als eutroph.

Als weitere Klassiker gelten Franz Ruttner (Station Lunz) und W. Halbfass. Schwerpunkt der Untersuchungen Ruttners waren das Leitvermögen des Wassers der Seen, die Kohlenstoffassimilation der Wasserpflanzen, der Kohlensäurekreislauf sowie die Beschaffenheit tropischer Seen. Sein Hauptwerk "Grundriss der Limnologie" gilt heute noch als Standardwerk. Halbfass beschäftigte sich mit den geographischen, morphologischen und hydrographischen Eigenschaften sowie den chemischen Inhaltsstoffen der Seen. Halbfass veröffentlichte sein Hauptwerk "Grundzüge der vergleichende Seenkunde" 1923 (Schönborn, 2003).

Neben der Seen-Limnologie entwickelte sich eine Fließgewässerforschung, die besonders durch den Schweizer Friedrich Zschokke, Paul Steinmann, Robert Lauterborn und August Thienemann gefördert wurde. Im Fokus standen die Fragen nach der der Existenz eines Flussplanktons, die Suche nach Glazialrelikten in der Flora und Fauna der Gebirgsbäche und die Verschmutzung von Fließgewässern. Fließgewässer wurden seit langem als Vorfluter für Abwässer verwendet. Aufgrund zunehmender Verschmutzung wurde die Fließgewässerforschung intensiviert. 1908 entwickelten Richard Kolkwitz und M. Marsson das Saprobiensystem um abwasserbelastete Fließgewässer zu beurteilen. Zu Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich aus der Fließgewässerbiologie die Abwasserbiologie. Hans Liebmann revidierte das Saprobiensystem 1951 und 1962.

Zeittafel

Literatur

  • Baumgartner, A. & Liebscher, H.-J.: Lehrbuch der Hydrologie, Band 1: Allgemeine Hydrologie Quantitative Hydrologie. Borntraeger Verlag, Berlin 1990, ISBN 3-443-30001-4
  • Besch, W.-K., Hamm, A., Lenhard, B.: Angewandter Umweltschutz. Limnologie für die Praxis. Grundlagen des Gewässerschutzes. 2. Auflage. Ecomed Verlagsgesellschaft, Landsberg 1985, ISBN 3-609-65630-1
  • Elster, H. J.: History of Limnology. In: Mitteilung int. Ver. Limnol 20/1974, S.7-30.
  • Gunkel, G.: Renaturierung kleiner Fließgewässer. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1985, ISBN 3-334-61030-6
  • Kummert, R. & Stumm, W.: Gewässer als Ökosysteme. Grundlagen des Gewässerschutzes.. Vdf Hochschulverlag AG, ETH Zürich 1985, ISBN 3-7281-1886-9
  • Schönborn, W.: Lehrbuch der Limnologie. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2003, ISBN 3-510-65204-5
  • Schwoerbel, J.: Einführung in die Limnologie. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1993, ISBN 3-827-40804-0
  • Schwoerbel, J.: Methoden der Hydrobiologie. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1994, ISBN 3-800-12610-9
  • Steleanu, A.: Geschichte der Limnologie und ihre Grundlagen. Verlag Haag und Herchen, 1989, ISBN 3-892-28339-7
  • Wetzel, R.G.: Limnology - 3rd edition. Academic Press, 2001, ISBN 0-127-44760-1

Limnologische Zeitschriften und Periodika

  • Angelier, E. (Hrsg): Annales de Limnologie. Masson & Cie: Paris.
  • Bossard, P. & Kastanienbaum: Aquatic siences. Birkhäuser-Verlag: Basel.
  • Bundesanstalt für Gewässerkunde (Hrsg): Deutsche Gewässerkundliche Mitteilungen. Eigenverlag: Koblenz.
  • Bundesforschungsanstalt für Fischerei (Hrsg): Archiv für Fischereiwissenschaft, Hamburg. Gustav Fischer Verlag: Stuttgart.
  • Hartob, den C. & Brown, J.M.A (Eds.): Aqutic botany.Elsevier Sience Publ.: Amsterdam.
  • Lampert, W. & Kausch, H. (Hrsg): Archiv für Hydrobiologie. Verlag Schweizerbart: Stuttgart.
  • Pasternak, K. (Hrsg): Avta Hydrobiolgica. Panstwowe Wydawnictwo Naukowe Verlag: Warszawa-Krakow.
  • Poly, J. (Hrsg): Annales d'Hydrogiologie. I.N.R.A.: Versailles.
  • Townsend, C.R & Hildrew, A.G.: Freshwater Biology. Blackwell Scientific Publications: Oxford.
  • Wajnschtejn, B.A. (Hrsg): Biologija Wnutrennich Wod. Informazionnyj Bjulleten. Isdatelstwo <<Nauka>>: Leningrad.
  • Watson, Ed. J.: Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sience.Office of the editor: Ottawa.