Verkehrsunfall auf der Bundesautobahn 5 im Juli 2003
Rolf Fischer alias Turbo Rolf war Testfahrer bei Daimler-Chrysler (Mercedes-Benz) und dort bekam er auch von Kollegen seinen Spitznamen. Er erregte großes Medieninteresse, nachdem er angeblich am 14. Juli 2003 in einen tödlichen Verkehrsunfall auf der Autobahn A5, Richtung Norden, nahe Karlsruhe verwickelt gewesen sein sollte. Dieser Unfall löste erneut eine allgemeine Diskussion über Raser, den von ihnen verursachten Gefahren auch für andere Verkehrsteilnehmer, und die Notwendigkeit eines generellen Tempolimits auf deutschen Autobahnen aus.
Lebensweg
Rolf F.kommt aus einfachen Verhältnissen und diente nach seinem Schulabschluss zunächst acht Jahre bei der Bundeswehr, zuletzt in der Funktion eines Panzerkommandanten auf dem Truppenübungsplatz Münsingen. Anschließend studierte er Fahrzeugtechnik an der Fachhochschule Ulm und wurde danach Testfahrer bei Daimler-Chrysler (Mercedes-Benz). Auf Grund seiner Vorliebe für Fahrzeuge mit starken Motoren und seiner schnellen Fahrweise gaben einige Kollegen ihm den Spitznamen "Turbo-Rolf". Von anderen Kollegen wurde er jedoch auch als ruhiger und besonnener Fahrer beschrieben.
Der Unfall
Nach mehreren Zeugenaussagen war an dem Morgen ein dunkler Mercedes mit einem nicht näher erkannten Böblinger Kennzeichen mit sehr hoher Geschwindigkeit auf der besagten Autobahn unterwegs. Das Fahrzeug mit dem von keinem Zeugen direkt erkannten Fahrer oder Fahrerin soll dabei eine vor ihm fahrende Autofahrerin durch seine rasante Annäherung erschreckt und bedrängt haben, worauf diese wohl durch eine heftige Lenkradbewegung ins Schleudern kam, über den rechten Fahrbahnrand hinaus in die Böschung fuhr und dort nahezu ungebremst gegen einen Baum prallte. Bei diesem Aufprall starb die Fahrerin zusammen mit ihrer zweijährigen Tochter. Der Unfallverursacher setzte seine Fahrt ohne anzuhalten fort.
Ermittlungen
Auf Grund des großen öffentlichen Interesses und Drucks reagierte die Polizei wie bei einem Kapitalverbrechen. Es wurde sofort die Sonderkommission "SOKO-Raser" gegründet, welche zeitweilig mit 40 Beamten ausgestattet war. Allein im Bereich Böblingen waren 13 Ermittlungsteams im Einsatz, um eine mögliche Unfallbeteiligung von insgesamt 707 in Frage kommenden Fahrzeugen abzuklären. Vier Tage nach dem Unfall und dem Beginn ihrer Ermittlungen sah sich die Polizei genötigt, öffentlich die Presse insgesamt und die Boulevardpresse im Besonderen zu einer fairen Berichterstattung aufzurufen.
direktes Unfallgeschehen Der Fahrer eines Kleinlasters war direkter Augenzeuge des Unfalls, da sich das tragische Geschehen unmittelbar vor ihm auf der Autobahn ereignete. Er konnte sich jedoch weder an den Fahrer bzw. die Fahrerin, den exakten Fahrzeugtyp noch an das vollständige Nummernschild erinnern. Das unfallverursachende Fahrzeug konnte er lediglich als einen mit hoher Geschwindigkeit heranrasenden und auf das anschließend verunglückte Fahrzeug dicht auffahrenden, dunklen Mercedes beschreiben, der seine Fahrt ungebremst und unvermittelt fortsetzte.
Unfallzeitpunkt Schon der exakte Unfallzeitpunkt ist bis heute letztlich nicht eindeutig geklärt worden. Nach Aussagen eines Zeugen (der Scheinwerferzeuge), der kurz nach dem Unfall vor Ort eintraf, kommt dafür nur der Zeitraum des besagten Tages gegen 5 Uhr 55 plus/minus 2 Minuten in Betracht. Die von ihm gehörten, gerade begonnenen Nachrichten eines Senders, der diese regelmäßig ca. 5 Minuten vor jeder vollen Stunde aussrahlt, ließen nur eine ungefähre Schätzung des Unfallzeitpunktes zu.
erste Verdachtsmomente Hinsichtlich des in Frage kommenden Autotyps waren in dieser Zeit mindestens Rolf F. mit einem schwarzen Mercedes CL 600 Coupé und auch sein unmittelbarer Vorgesetzter und Leiter des Testfahrerteams mit einer schwarzen Mercedes-Limousine S 600 in dem betreffenden Autobahnbereich in der selben Richtung unterwegs. Dieser Teamleiter wird übrigens auch von Mitarbeitern als zu der "Linksblinkerfraktion" gehörig beschrieben. Beide Wagen waren am frühen Morgen aus dem Raum Stuttgart gestartet und fuhren zum Testgelände in Papenburg, wo sie später auch ankamen. Beide Fahrer haben sich nach ihrer Ankunft in einem Büro gemeinsam eingeschlossen und sich nach eigenen späteren Angaben mit einem Rechtsanwalt in Verbindung gesetz, der ihnen aber von einer Kontaktaufnahme mit der Polizei abriet. Allerdings unterrichteten Mitarbeiter, die schon von dem tragischen Unfall und einem schnellfahrenden, dunklen Mercedes als Unfallverursacher erfahren hatten und denen das Verhalten von Rolf F. und seines Vorgesetzten merkwürdig vorkam, ihrerseits die Polizei.
Teamleiter Die Unfallermittler fand bei einer späteren Untersuchung des Teamleiterwagens im Kofferraum auf Briefpapier des Papenburger Teamhotels unterschiedliche Wegezeitberechnungen für den 14. Juli 2003. Der Vorgesetzte Fischers hatte offensichtlich seine eigene Fahrt rekonstruiert. Bei einer Hausdurchsuchung beim Teamleiter fanden Ermittler eine sorgfältig abgestimmte Berechnung der Fahrt nach Papenburg, so dass der Vorgesetzte etwa eine halbe Stunde vor dem Unfall am Unfallort vorbeigekommen sein musste. Nach Aussage der Ehefrau des Teamleiters hatte ihr Mann an diesem Morgen das Haus um 4 Uhr 30 verlassen und sich direkt auf den Weg nach Papenburg gemacht. Er selbst hatte sich ebenso geäußert. Eine bewiesene Tatsache ist, dass der Teamleiter dann um 7 Uhr 50 an der Tankstelle Siegerland ankam. Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Reisegeschwindigkeit für den Teamleiter von 67 Km/h inclusive aller durchfahrenen Baustellen. Er selbst hatte seine Reisegeschwindigkeit ebenfalls mit ca. 60 Km/h angegeben. Die Merkwürdigkeit, dass ein für seinen rasanten Fahrstil bei seinen Mitarbeitern bekannter Teamleiter diese Strecke mit einer solchen verhältnismäßig langsamen Durchschnittsgeschwindigkeit gefahren sein will, konnte jedoch nicht weiter aufgeklärt werden. Es bestand und besteht nach wie vor die Vermutung, dass beide Fahrer, Rolf F. und sein Teamleiter, etwa zur selben Zeit an der Unfallstelle vorbeigekommen sein könnten, da Rolf F. etwa sieben Minuten später als der Teamleiter die Tankstelle Siegerland erreicht hatte.
Rolf F. Dieser Tatverdächtige hatte angegeben, auf der gesamten Strecke mit einer Geschwindigkeit von maximal 20 Km/h über dem jeweils gültigen Tempolimit gefahren zu sein, da er schon einmal mit überhöhter Geschwindigkeit (27km/h zuviel) geblitzt worden war und nunmehr seinen Führerschein und damit auch seine berufliche Tätigkeit nicht riskieren wollte. Von seinem Wohnort fuhr er an diesem Morgen zunächst zum Firmengelände in Sindelfingen wo er seinen Wagen nachweislich um 5 Uhr 22 betankte. Nach übereinstimmender Aussage von Rolf F. und dem zu der Zeit tätigen Pförtner verließ er um 5 Uhr 28 plus minus 2 Minuten dann das Firmengelände, also kurz bevor der Pförtner wie üblich um 5 Uhr 30 auch die zweite Torhälfte stets öffnete. Bei einer von der Polizei nachgestellten Fahrt mit dieser Durchschnittsgeschwindigkeit brauchte man zur selben Tageszeit unter vergleichbaren Umständen mit dem selben Fahrzeug etwas über 40 Minuten vom Firmengelände bis zum Unfallort. Dabei konnte noch nicht einmal eine Baustelle bei Karlsruhe mit berücksichtigt werden, die am Unfalltag noch bestand. Mit der von Rolf F. angegebenen Geschwindigkeit war also die Strecke in der tatsächlichen Zeitspanne von ca. 28 Minuten eindeutig nicht zu schaffen. Möglich gewesen wäre es allein, wenn Rolf F. außerhalb der Baustellen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von mindestens 160 Km/h auf der Reiseroute unterwegs gewesen wäre. Einem Zeugen fiel innerhalb der damaligen Baustellenstrecke nahe Karlsruhe kurz vor dem Unfallort ein dunkler Mercedes auf, der dort deutlich langsamer als die maximal zulässigen 80 Km/h fuhr und den der Zeuge daraufhin innerhalb der Baustelle auch überholte. Den Fahrer bzw. die Fahrerin und das Kennzeichen konnte er nicht erkennen und/oder sich merken. Der Zeuge glaubt jedoch an diesem Fahrzeug eine spezielle Auspuffanlage gesehen zu haben, die weder bei einem CL 600 noch bei einem S 600 serienmäßig vorhanden ist und auch bei den bisher in Frage kommenden Wagen von Rolf F. oder des Teamleiters nicht montiert war.
weitere Verdächtige Für einen direkten Kontakt des Wagens von Rolf F. oder des seines Teamleiters mit dem verunglückten Auto gab es keine Anzeichen. Ob es sich bei dem unfallverursachenden Fahrzeug um einen Mercedes CL 600, einen S 600 oder gar einen SL 500 Roadster handelte, den der Zeuge aus dem Baustellenbereich, der selbst einen Limousinenservice betreibt, auf Grund einer speziellen Auspuffanlage erkannt haben will und welche letzterer Fahrzeugtyp serienmäßig besitzt, d.h. ob sogar noch ein drittes Auto als Unfallverursacher in Frage kommt, konnte im Grunde nicht zweifelsfrei geklärt werden. Es gab und gibt für alle diese Möglichkeiten unterschiedliche, nicht miteinander übereinstimmende Zeugenaussagen und eben auch andere Merkwürdigkeiten.
Die Prozesse und Urteile
In einem von den Medien mit großer Aufmerksamkeit und deutlich ausgesprochener bzw. veröffentlichter Vorverurteilung verfolgten Gerichtsprozeß wurde Turbo Rolf am 18.Februar 2004 in der ersten Instanz vom Amtsgericht Karlsruhe wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen zu eineinhalb Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Die Verurteilung galt als umstritten, weil sie nur auf Indizien beruhte und ein Medieneinfluss nicht in Abrede gestellt werden kann. Urteilsentscheident war offensichtlich die Aussage des Zeugen kurz vor dem Unfallort (Scheinwerferzeuge), der in einer Zeitspanne von ca. 2 Sekunden in seinem Rückspiegel bei eigenem hohen Tempo die Scheinwerfer eines ihn rasant überholenden, dunklen Mercedes bei erwiesenermaßen ungünstigen Lichtverhältnissen als die eines CL 600, also des Wagens von Rolf F., erkannt haben will. Im Berufungsverfahren am Landgericht Karlsruhe wurde am 29. Juli 2004 das Strafmaß auf ein Jahr Haft mit Bewährung zusätzlich 12 000,- € Geldbuße und Führerscheinentzug für ein Jahr reduziert. Obwohl Rolf Fischer der Ansicht ist, dass er der drängelnde und damit auch unfallverursachende Fahrer nicht gewesen ist, und seiner Meinung nach auch im Berufungsverfahren nach wie vor Entlastungszeugen zu seinen Gunsten nicht angehört worden sind, verzichtete er auf eine Revision, da ihm ein Freispruch als nicht mehr erreichbar erscheint.
Sein Arbeitsverhältnis bei Daimler-Chrysler wurde Rolf F. nach diesem letzten Urteil von seinem Arbeitgeber aufgekündigt. Er ist seitdem erwerbslos (Stand:07/2005).
Nachbetrachtungen
Am 25. Juli 2005 strahlte die ARD eine Dokumentation zu den Vorgängen um den Unfall unter dem Titel Der Tag, als ich zum „Todes-Raser“ wurde aus. Darin wird das gesamte Geschehen noch einmal von den heutigen Erkenntnisstandpunkten aus beleuchtet, und vor allem auf die vielen strittigen und wiedersprüchlichen Punkte in den Ermittlungen und Gerichtsverhandlungen eingegangen. Die Autoren kommen in ihrer Reportage zu dem Schluß, daß eine Täterschaft des letztendlichen verurteilten Rolf Fischer zumindestens fragwürdig, wenn nicht gar auszuschließen ist.
Fazit
Auch bei einer besonderen Tragik eines strafwürdigen Geschehens sollte daran erinnert werden, dass in einer demokratischen Gesellschaft eine durch Medien aus Gewinnsucht forcierte öffentliche Vorverurteilung einer Person einerseits und eines der wesentlichen, ethischen Fundamente der Stafprozessordnung welches da lautet: "in dubio pro reo" bzw. "Im Zweifel für den Angeklagten" andererseits sich immer miteinander unvereinbar gegenüberstehen.
Weblinks
[1] - Programmvorschau für Der Tag, als ich zum „Todes-Raser“ wurde