Staatshaftungsrecht (Deutschland)

öffentliches Recht, das Haftungsfolgen des Handelns von Hoheitsträgern regelt
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Das Staatshaftungsrecht ist in Deutschland der Bereich der Haftung für staatliches Unrecht. Staatshaftung soll vor allem die Verantwortlichkeit für hoheitliches Handeln sein, denn auch rechtmäßiges Handeln der Verwaltung kann Entschädigungen auslösen. Darüber hinaus fällt unter die Staatshaftung aber auch die Haftung des Staates bei privatrechtlichem (fiskalischem) Handeln.

Die Systematik des Staatshaftungsrechts ist bis heute verworren. Zwar hat der westdeutsche Gesetzgeber zu Beginn der 1980er Jahren ein Staatshaftungsgesetz aufgelegt, das am 1. Januar 1982 in Kraft trat; dieses wurde jedoch durch das Bundesverfassungsgericht bereits am 19. Oktober 1982 mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes für verfassungswidrig erklärt (BVerfGE 61, 149). Inzwischen ist das Grundgesetz dahingehend geändert worden, dass eine Kompetenzzuordnung keinen Verfassungskonflikt mehr aufwirft. Konkrete Bemühungen um eine Neuordnung des Staatshaftungsrechts hat es in den letzten Jahren jedoch nicht gegeben. Bis 1990 galt in der DDR das Staatshaftungsgesetz vom 12. Mai 1969, welches in Teilen von einigen nordostdeutschen Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg als Landesrecht übernommen wurde.

Eine Systematik ist daher kaum darzustellen, noch immer bestehen keine klaren Strukturen. Daher kann die Einteilung des Staatshaftungsrecht am ehesten durch Betrachtungen auf der Rechtsfolgenseite gelingen. Auch die Zuordnung zu einer bestimmten Gerichtsbarkeit ist nicht möglich. Der Großteil der Staatshaftungsansprüche werden vor den Zivilgerichten, nur wenige, wie der Folgenbeseitigungsanspruch, vor den Verwaltungsgerichten entschieden.

Ansprüche mit Schadensersatz

In Betracht kommen hierbei Ansprüche aus öffentlich-rechtlicher Gefährdungshaftung, also verschuldensunabhängige Haftungsansprüche; Pflichtverletzungen im Rahmen von verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen (öffentlich-rechtlicher Vertrag), die eine positive Forderungsverletzung oder eine c.i.c. aus § 280 Abs. 1 BGB analog beziehungsweise § 311 Abs. 2, 3 BGB analog begründen; Amtshaftungsansprüche, die das deliktische Verhalten eines Amtsträgers auf den Staat nach § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG überleiten und schließlich für die nordöstlichen Bundesländer die Ansprüche aus den dort erlassenen Staatshaftungsgesetzen.

Ansprüche mit Entschädigung

Der Anspruch auf Entschädigung ist vom Schadensersatzanspruch insoweit zu unterscheiden, als dass zwar auch eine finanzielle Kompensation eingetretener Schäden vorgenommen wird, jedoch lediglich ein Ausgleich vorgenommen wird, der hinter dem Schadensersatz regelmäßig zurückbleibt. In Betracht kommen hier die Enteignung, der Anspruch auf Entschädigung aus der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, der enteignungsgleiche Eingriff bei rechtswidrigen Beeinträchtigungen des Eigentums, parallel dazu der enteignende Eingriff als Entschädigung für rechtmäßiges hoheitliches Handeln und der allgemeine Aufopferungsanspruch. Seit der sog. Nassauskiesungsentscheidung des BVerfG werden letztere Ansprüche nicht mehr auf Art. 14 GG, sondern gewohnheitsrechtlich auf §§ 74, 75 der Einleitung zum Preußischen Allgemeinen Landrecht gestützt (sog. Aufopferungsgewohnheitsrecht).

Ansprüche auf Folgenbeseitigung, Unterlassung und Erstattung

Kommt es dem Geschädigten nicht auf die Kompensation seines Schadens an, so gibt es folgende Möglichkeiten: Der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch ist auf Naturalrestitution gestützt, die den status quo wiederherstellen soll. Der öffentlich-rechtliche Abwehranspruch soll drohende rechtswidrige, hoheitliche Maßnahmen abwehren. Hat der Staat rechtsgrundlos Vermögensvorteile erworben, so sind diese mit dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zurückzuerstatten. Die öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag, die besonders problematisch im Bereich des Polizeirechts ist, bietet ebenfalls einen Aufwendungserstattungsanspruch.

Ansprüche bei privatrechtlichem (fiskalischen) Handeln

Wird einem Dritten durch die Verwaltung bei privatrechtlichem Handeln ein Schaden zugefügt, ist zunächst zu unterscheiden, ob es sich um einen Schaden im Zusammenhang mit vertraglichen Beziehungen oder um eine unerlaubte Handlung eines Mitarbeiters der Verwaltung handelt. Zum anderen ist zu unterscheiden, ob ein Organ der Verwaltung gehandelt hat oder nur ein Gehilfe. Bei der Verletzung von vertraglichen Pflichten durch den Staat kommen als Anspruchsgrundlagen in Frage: §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 31, 89 BGB (Organhaftung) beziehungsweise §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 278 BGB (Gehilfenhaftung). Bei einer unerlaubten Handlung kommen als Anspruchsgrundlagen in Betracht: §§ 823, 31, 89 BGB (Organhaftung) beziehungsweise § 831 Abs. 1 BGB (Haftung für den Verrichtungsgehilfen - Gehilfenhaftung). Die Abgrenzung zwischen Organ und Gehilfe ist manchmal zweifelhaft. Der Organbegriff ist jedenfalls weit auszulegen, so dass nicht nur gesetzliche Vertreter darunter fallen, sondern auch alle, denen bestimmte Aufgaben zur eigenverantwortlichen Erledigung übertragen sind und die damit die juristische Person des öffentlichen Rechts auf diese Weise repräsentieren (sog. Repräsentantenhaftung). Als Beispiele können genannt werden: Chefarzt, Altenheimleiter, Sparkassendirektor, Abteilungsleiter, Referatsleiter. Grundsätzlich gilt: wer Organ ist, kann nicht gleichzeitig Gehilfe sein und umgekehrt.