Steherrennen 1958 auf der Radrennbahn in Berlin-Weißensee
Steherrennen sind Bahnrennen, bei denen der Radsportler (der Steher) hinter einem schweren Motorrad im Windschatten fährt. Der Fahrer des Motorrades, hier Schrittmacher genannt, steht auf den Fußrasten der Maschine. Dabei werden Geschwindigkeiten von teilweise über 100 km/h erzielt und auch über längere Abschnitte gehalten. Steherrennen gehen über Distanzen bis zu 100 Kilometern. Sie ziehen immer noch eine bedeutende Zahl von Zuschauern an. Zwar ist die Zuschauerresonanz nicht mehr so groß wie vor zwanzig oder dreißig Jahren, dennoch faszinieren sie immer noch viele Menschen.
Die Radfahrer sind in keiner Weise mit dem Schrittmacher verbunden. Ihre Fortbewegung erfolgt ausschließlich durch ihre Beinarbeit. Dadurch gehören Steherrennen zu einer der schwersten Leistungssportarten. Der Fahrer versucht dabei, möglichst nahe an der Rolle des vor ihm fahrenden Schrittmacher-Motorrades zu bleiben, um möglichst viel Windschatten zu erhalten. Verliert er den engen Kontakt zum Schrittmacher, so kommt der Fahrer „von der Rolle“.
Herkunft und Entwicklung
Der Begriff ‚Steher‘ leitet sich vom englischen ‚stayer‘ ab, d. h. jemand mit Ausdauer (‚to stay‘ – anhalten, bleiben). Die früher übliche deutsche Entsprechung ‚Dauerrennen‘ weist auf denselben Umstand hin. In der Frühzeit dieser Sportart, als die Kraftradtechnik noch nicht so ausgereift war, fuhren statt der Motorräder übrigens auch Fahrräder als Schrittmacher, und zwar spezielle Vierer- oder Sechserräder mit entsprechend viel Besatzung. Dabei ging es zunächst weniger um Rennen gegeneinander als um Rekorde: Geschwindigkeiten, Zeit pro Strecke und Strecke pro Zeit – oft über sehr lange Distanzen (100 Kilometer unterste Grenze) und Zeiten (24 Stunden und mehr), so dass ‚to stay‘ bzw. 'Dauerfahren' tatsächlich wörtlich genommen werden konnte.
Vor mehreren Jahren wurde die Trennung zwischen Profi- und Amateurstehern abgeschafft. Durch die neu geschaffene Elite-Klasse kam es zur Vermengung von Profis und Amateuren. Daher müssen die Amateure auf höchstem Profi-Level fahren, um international bestehen zu können.
Seit 1994 finden keine Steher-Weltmeisterschaften mehr statt. Die UCI begründete die damalige Entscheidung damit, dass es zu wenige Steher-Nationen für eine Weltmeisterschaft gäbe. Tatsächlich waren die Steherrennen meist eine Sache zwischen wenigen westeuropäischen Nationen. Der letzte Weltmeister war der Berliner Carsten Podlesch, welcher seitdem das Weltmeister-Trikot tragen darf.
Motorräder für Steherrennen
Zweizylinder-Motorrad für Steherrennen (Besonderheiten dieser Maschine: Flachriemenantrieb. Ohne Getriebe und Auspuffanlage.)
Die Motorräder für Steherrennen sind meistens älteren Baujahrs. Die Maschinen weisen etliche besondere Eigenschaften aus: Sie haben einen großvolumigen, meist einzylindrigen, niedertourigen Motor mit einem in der Halle tendenziell eher erträglichen, tiefen Klangbild. Die Drehmoment-Charakteristik des Motors erlaubt schnelles Beschleunigen aus niedrigen Drehzahlen. Die Lenker sind als Stangen weit nach hinten verlängert, um durch eine aufrechte Sitzposition einen bestmöglichen Windschatten zu ermöglichen. Am Heck der Maschine ist eine breite kugelgelagerte Rolle als Abstandshalter angebracht. Der Radrennfahrer sollte den Radkontakt mit der Rolle – auch den kurzzeitigen Kontakt – unbedingt meiden, da es wegen der doppelten Bremswirkung dabei leicht zu Stürzen kommen kann.