Kernfusionsreaktor
Als Kernfusionsreaktor bezeichnet man technische Reaktoren, die mit Kernfusion Wärme und damit letztlich Energie in Form von Strom erzeugen. Bisher ist es noch nicht gelungen, Kernfusionsreaktoren zu bauen, die dauerhaft mehr elektrische Energie produzieren als sie verbrauchen.
An Kernfusionsreaktoren wird seit etwa 1960 intensiv geforscht Die meisten Experten schätzen, dass die ersten kommerziellen Kernfusionsreaktoren erst ungefähr ab dem Jahr 2050 zu erwarten sind. Hauptproblem ist die Beherrschung der für die Kernfusion notwendigen hohen Drücke und Temperaturen. Der erste Versuchsreaktor, der mehr Energie erzeugen soll als zum Aufbau des Fusionsplasmas benötigt wird, ist der ITER, der sich zur Zeit in dessen Planungsphase abgeschlossen ist. Zur Zeit laufen Verhandlungen, ob in Frankreich oder Japan gebaut wird.
Die Kernfusion wird von ihren Befürwortern als Energiequelle der Zukunft angesehen, die nach Überwindung der technischen Schwierigkeiten auf lange Sicht zur Verfügung stehen werde. Die genannten Vorteile sind
- ein quasi unbegrenzt vorhandener Brennstoff (Schwerer Wasserstoff und Lithium), der noch dazu leicht zu gewinnen und preiswert ist;
- eine freie weltweite Verfügbarkeit, so dass keine politischen Abhängigkeiten aufteten;
- keine Abgase, insbesondere keine Treibhausabgase wie CO2;
- keine Kernreaktion, die ausser Kontrolle laufen kann, da die Zündbedingungen aufwendig aufrechterhalten werden können und das Brennstoffinventar im Reaktor sehr gering ist (<500g Superschwerer Wasserstoff).
- keine Verwendung von Kernwaffenmaterial, daher keine Verbreitungsgefahr von Kernwaffen;
- weniger radioaktive Abfallprodukte mit geringerer Halbwertzeit im Vergleich zur Kernspaltung.
Die ersten Fusionsreaktoren sollen die Deuterium-Tritium-Reaktion (D+T) nutzen. Diese Reaktoren erbrüten das Tritium aus dem Metall Lithium, und stellen daher nur eine bedingte langzeitige Sicherung des Energiebedarfs (einige 1000 Jahre) dar. Erst mit der Deuterium-Helium-3 () oder der Deuterium-Deuterium-Reaktion (D+D), die allerdings nur bei höheren Temperaturen stattfinden, wäre eine dauerhafte Energieversorgung gegeben.
Im Vergleich mit der Kernspaltung wird vergleichsweise wenig radioaktives Material erzeugt. Es entsteht aufgrund der Aktivierung der Reaktorwände durch die bei der Fusionsreaktion freigesetzten Neutronen. Durch wahl geeigneter Baumaterialen kann die Art der entstehenden Isotope, und somit deren Halbwertzeiten, kontrolliert werden. Es gilt als sicher, dass die Halbwertszeiten der entstehenden Isotope generell nur Hunderte, nicht aber Zehntausende von Jahren betragen. Daher entfällt eine Endlagerung zum größten Teil.
Kritiker weisen auf die in weiter Zukunft liegende Verfügbarkeit hin und geben zu bedenken, dass Fragen der Sicherheit und Umweltverträglichkeit erst bei einem weiter entwickelten Konzept beantwortbar seien. Das im Reaktor erbrütete Tritium ist radioaktiv, das Brutmaterial Lithium ist höchst reaktionsfreudig. Ausserdem sei noch nicht klar, inwiefern die Kernfusion mit herkömmlichen Energiequellen konkurrieren könne, da man die geringen Kosten für den Brennstoff und die sehr hohen des Reaktors berücksichtigen muss. Kalkulationen ergeben etwa das 1-2fache des heutigen Strompreises. Da Fusionskraftwerke aus physikalischen Gründen Großkraftwerke im GW-Bereich sein werden, lassen sie sich leicht in die bestehende Strom-Infrastruktur einfügen.
Bislang stehen noch bedeutende technische Probleme zwischen den theoretischen Kenntnissen und einem laufenden Prototypen. Es ist nicht endgültig geklärt, ob ein Fusionsreaktor kommerziell nutzbar Energie liefern kann. Mit ITER soll gezeigt werden, ob die Vergrößerung des Reaktors das erhoffte bessere Verhältnis von aufgewendeter zu gewonnener Energie liefert. Der Nachfolger von ITER, DEMO, soll um das Jahr 2040 schließlich kommerziell nutzbare Energiegewinnung demonstrieren.
Das Kernproblem ist der Einschluss des heissen Wasserstoffplasmas bei einer Dichte und einer Temperatur (100 Mio Grad), bei der die Kernfusion stattfinden kann.
Reaktortypen
Ein Reaktor muss zwei Zwecke erfüllen:
- Einschluss des Plasmas, derart, dass eine dauerhafte Reaktion aufrechterhalten wird;
- Abfuhr von Energie zur technischen Nutzung.
Es werden mehrere Möglichkeiten verfolgt, den Einschluss zu bewerkstelligen: Magnetfeldeinschluss: In Tokamaks und Stellaratoren schließt ein torusförmiges verdrilltes Magnetfeld das Plasma ein. Tokamaks erzeugen die Verdrillung durch Induzieren eines elektrischen Stroms in das Plasma, Stellaratoren haben dazu spezielle, komplizierte Formen der Magnetfeldspulen.
Inertieller oder Trägheitseinschluss: Hierbei wird der Brennstoff in Form kleiner Kügelchen (Pellets) durch Laserpulse oder Schwerionenstrahlen in kurzer Zeit zur Zündung gebracht. Die Reaktion läuft so lange ab, wie der Brennstoff durch seine Masseträgheit zusammenhält.
Farnsworth-Hirsch Fusor-Reaktoren erzeugen mittels eine elektrischen Stromes durch das Plasma dort das Magnetfeld, und schließen das Brennmaterial ein.
Einige Forscher haben behauptet, Kernfusion im Reagenzglas bei tiefen Temperaturen beobachtet zu haben. Diese kontroversen Experimente gelten heute als Pseudowissenschaftlich.
Der Begriff "Kalte Fusion" geht auf einen Vorschlag von Andrej Saccharov von 1948 zurück, die (funktionierende aber ineffiziente) Myonen-katalysierte Kernfusion: Ein Myon verdrängt das Elektron eines Tritiumatoms. Auf Grund der hohen Masse des Myons ist sein Orbital um den Tritiumkern nun wesentlich kleiner. Dieses myonische Tritiumatom lagert sich dem Deuteriummolekül an. Deuterium- und Tritiumatom kommen sich dabei nahe genug, um zu fusionieren. In 99.4% der Fälle wird das Myon wieder freigesetzt und kann so weitere Kernreaktionen katalysieren. Mit einer Lebensdauer von 2.2 Mikrosekunden überlebt ein Myon mehr als 100 Reaktionen, dabei werden etwa 2 GeV (GigaElektronenvolt) an Energie frei. Leider gibt es keinen effizienten Weg, um Myonen (Ruhemasse = 106 keV) herzustellen. Für die Produktion in Teilchenbeschleunigern muss pro Myon ca eine Energie von 3 GeV aufgewendet werden.
Heizen des Plasmas
Während einer laufenden Kernfusion können die gebildeten Heliumkerne die Energie zur Aufrechterhaltung der für die Fusionsreaktion notwendigen Temperatur liefern. Um die Fusion in Gang zu bringen, muss das Wasserstoffplasma allerdings auf etwa 100 Millionen Grad aufgeheizt werden. Zu diesem Zweck sind verschiedene Konzepte entworfen worden.
Elektrisches Heizen
Das Plasma ist ein elektrischer Leiter, und kann mittels eines induzierten elektrischen Stroms erwärmt werden. Allerdings steigt die Leitfähigkeit des Plasmas mit steigender Temperatur, so dass der dem Strom entgegengesetzte Widerstand ab etwa 20-30 Millionen Grad nicht mehr ausreicht, das Plasma stärker aufzuheizen.
Neutralteilchen-Einschuss
Das Einschießen von neutralen Atomen in das Plasma ist eine weitere Methode. Die kinetische Energie der Atome (die im Plasma sofort ionisiert werden) dient zum Aufheizen des Plasmas.
Magnetische Kompression
Ein Gas kann durch schnelles ("adiabatisches") Zusammenpressen erwärmt werden. Dasselbe geschient mit einem Plasma, und ein Magnetfeld ist geeignet, das Plasma zusammenzupressen. Ein zusätzlicher Vorteil dieser Methode ist, dass das Plasma gleichzeitig dichter wird und somit eine höhere Reaktionsrate erhält.
Elektromagnetische Wellen
Mikrowellen können die Ionen und Elektronen im Plasma auf ihren Resonanzfrequenzen anregen, und somit Energie in das Plasma übertragen.
Selbstheizung der Reaktion
20% der freigesetzten Energie ist kinetische Energie der erzeugten Helium-Atomkerne. Durch Stöße wird diese Energie auf die im Plasma befindlichen Deuterium- und Tritium-Atome übertragen und erhöht somit die Temperatur des Plasmas.
Brennmaterial
Deuterium-Tritium-Reaktoren
Die einfachst erreichbare Kernfusion ist die zwischen Deuterium und Tritium. Daher wird sie auch zuerst eingesetzt werden.
Diese Reaktion besitzt allerdigs folgende Nachteile:
- Das erforderliche Tritium ist radioaktiv.
- Bei der Reaktion entstehen viele Neutronen, die das Reaktormaterial radioaktiv aktivieren.
Die "Erbrütung von Tritium findet meistens im Blanket des betreffenden Fusionsreaktors statt.
Insbesondere der Neutronenfluss, der den eines typischen Kernspaltungsreaktors um den Faktor 100 übertrifft, stellt ein Problem dar. Zum Einen altern die Materialien, aus denen der Reaktor besteht, dadurch verstärkt. Zum Anderen können durch Kernreaktionen zwischen den Neutronen und Wandatomen radioaktive Isotope gebildet werden. Bei der Wahl der verwendeten Materialien muss dies berücksichtigt werden, um die Lebensdauern der erzeugten Isotope kurz zu halten.
Die Neutronen sind die Teilchen, deren Energie letztlich zur Stromerzeugung verwendet wird, da sie als neutrale Teilchen das einschließende Magnetfeld verlassen und ihre Energie an einen Kühlkreislauf abgeben können. Weiterhin soll mit ihrer Hilfe das in der Natur nicht vorkommende Tritium aus Lithium erbrütet werden:
(7.6% Vorkommen)
(92.4% Vorkommen)
Deuterium-Deuterium-Reaktoren
Bei der D-D-Reaktion ist kein Erbrüten des Brennstoffs nötig. Zwei Reaktionen sind möglich:
Folgereaktionen:
Schwerere Materialien
Es ist vorgeschlagen worden, Materialien wie Lithium, Beryllium oder Bor zu fusionieren. Derartige Reaktionen würden wenige Neutronen freisetzen, und die Energie in geladenen Teilchen abgeben, also leicht zu nutzen sein.
Trotz dieser attraktiven Eigenschaften wird der Einsatz solcher Materialien aufgrund einer im Vergleich zur D-T-Reaktion 5-fach höheren Reaktionstemperatur nicht erwartet.
Kernfusionexperimente
- Wendelstein-7X - Greifswald, Deutschland
Trägheitseinschluss
Weblinks
- http://www.iter.org - ITER
- http://fire.pppl.gov - FIRE
- http://fusedweb.pppl.gov/FAQ/fusion-faq.html - FUSION FAQ
- http://www.efda.org - European Fusion Development Agreement
- http://fusedweb.pppl.gov/Glossary/glossary.html - Plasma/Fusion Glossary