Flavonoide

Gruppe von Naturstoffen
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Die Flavonoide sind eine Gruppe von Naturstoffen; die wasserlöslichen Pflanzenfarbstoffen spielen eine wichtige Rolle im Stoffwechsel vieler Pflanzen. Laut DGE gibt es über 6500 unterschiedliche Flavonoide. Zusammen mit den Phenolsäuren gehören sie zu den Polyphenolen.

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Die Grundstruktur der Flavonoide, Flavan

Flavonoide leiten sich strukturell von 2-Phenylchromen-4-on (Flavon), 3-Phenylchromen-4-on und 4-Phenylcumarin ab. Wird die C=C-Doppelbindung reduziert entstehen Flavanone, wird die Keto-Gruppe reduziert entstehen Flavanole, etwa die Catechine.[1] Die meisten Flavonoide sind an Glukose oder Rhamnose gebunden – daher zählen sie zu den Glycosiden; nur Flavanole und Proanthocyanidine sind keine Glycoside.

Die Flavonoide wurden in den 1930er Jahren durch den Nobelpreisträger Albert von Szent-Györgyi Nagyrapolt entdeckt und zunächst als Vitamin P bezeichnet. Das "P" im Vitamin P steht für "Permeabilitätsfaktor". Die Flavonoide zählen zu den sekundären Pflanzenstoffen.

Name

Einige Pflanzen wie die Färber-Eiche (Quercus tinctoria), der Färberwau (Reseda lutea) oder der Färbermaulbeerbaum (Maclura tinctoria) wurden in der Vergangenheit zum Gelbfärben verwendet. Nachdem man ihre Inhaltsstoffe identifiziert hatte, nannte man diese Gruppe von Farbstoffen Flavone, nach dem lateinischen Wort flavus für gelb. Als man erkannte, dass sehr viele Inhaltsstoffe gleichartig aufgebaut waren, von denen viele anders gefärbt oder farblos sind, nannte man die Stoffgruppe Flavonoide.[2]

Vorkommen

Flavonoide sind im Pflanzenreich universell verbreitet und kommen sowohl in Samenpflanzen wie auch in Moosen und Farnen vor. Nur von wenigen Mikroorganismen ist die Bildung von Flavonoiden bekannt, so etwa vom Gießkannenschimmel Aspergillus candidus. Tiere können keine Flavonoide bilden. Das Vorkommen in manchen Tierarten, etwa in den Flügeln mancher Schmetterlinge, ist auf die Aufnahme pflanzlicher Flavonoide mit der Nahrung und ihre Einlagerung in den Körper zurückzuführen. [3]

Untergruppen der Flavonoide

Die Flavonoide werden nach nach dem Oxidationsgrad der C3-Brücke in verschieden Gruppen unterteilt. Sechs große Untergruppen kommen in den meisten höheren Pflanzen vor: Chalkone, Flavone, Favonole, Flavandiole, Anthocyanidine und Kondensierte Tannine. Die Aurone sind sehr weit verbreitet, aber nicht ubiquitär. Auf wenige Gruppen beschränkt sind etwa die Isoflavone (v.a. in Fabaceae), und 3-Deoxy-Anthocyanidine, die als Vorstufe der Phlobaphene bspw. von Vitis vinifera, Arachis hypogaea und Pinus sylvestris gebildet werden. [4]


Untergruppe Grundstruktur Beispiele
Flavone   Luteolin, Apigenin
Flavonole   Morin, Quercetin, Rutin, Kaempferol, Myricetin, Isorhamnetin, Fisetin
Flavanole   Catechin, Gallocatechin, Epicatechin, Epigallocatechingallat, Theaflavin, Thearubigin
Flavanone   Hesperetin, Naringenin, Eriodictyol
Flavanonole   Taxifolin
Isoflavone   Genistein, Daidzein, Licoricidin
Anthocyanidine (Anthocyane)   Cyanidin, Delphinidin, Malvidin, Pelargonidin, Peonidin, Petunidin
Aurone   Aureusidin

Biosynthese

Datei:Flavonoidbiosynthese.png
Biosynthese der Flavonoide

Ausgangspunkt für die Biosynthese der Flavonoide ist die aromatische Aminosäure Phenylalanin, die über den Shikimisäureweg gebildet wird. Phenylalanin wird durch die Phenylalanin-Ammoniak-Lyase (PAL) in trans-Zimtsäure umgewandelt. Diese wird wiederum durch die Zimtsäure-4-Hydroxylase zu p-Cumarsäure hydroxyliert. Dieser Weg ist allen Phenylpropanoiden gemeinsam. Die p-Cumarsäure wird zu Cinnamoyl-Coenzym A aktiviert. [5]

Im nächsten Schritt wird der zweite aromatische Ring gebildet: das Enzym Chalcon-Synthase (CHS) bildet aus dem Cinnamoyl-CoA und drei Molekülen Malonyl-Coenzym A, die aus dem Fettsäuresyntheseweg stammen, das Chalcon. Chalcon steht durch die Wirkung der Chalcon-Isomerase (CHI) mit dem Flavanon im Gleichgewicht. Damit erfolgt der Ringschluss des dritten Ringes. [5]

Die drei Schlüsselenzyme (PAL, CHS und CHI) sowie teilweise die Enzyme der weiteren Syntheseschritte liegen als Enzymkomplexe vor. Wahrscheinlich befindet sich der Komplex an der cytosolischen Seite des Endoplasmatischen Reticulums. [4]

Vom Flavanon führen die verschiedenen Wege zu den Flavonen, Flavonolen, Isoflavonen und Anthocyanidinen. [5]

Der Großteil der Enzyme für die Flavonoid-Biosynthese stammt aus drei Enzymklassen, die in allen Organismen vorkommen: Oxoglutarat-abhängige Dioxygenasen, NADPH-abhängige Reduktasen und Cytochrom-P450-Hydroxylasen. Die beiden Schlüsselenzyme CHS und CHI gehören zu anderen Familien. CHI dürfte sowohl bezüglich Sequenz wie dreidimensionaler Struktur einzigartig für die Pflanzen sein. CHS wiederum gehört zur Superfamilie der pflanzlichen Polyketid-Synthasen. [4]

Bedeutung

Die verschiedenen Flavonoide erfüllen in den Pflanzen eine Vielzahl von Funktionen.

Verschiedene Gruppen fungieren als Schutz gegen UV-Strahlung und kurzwelliges Licht.[3]

Bestimmte Pflanzenflavonoide spielen ein Rolle in der Regulation der Genexpression des Knöllchenbakteriums Rhizobium.[3]

Stark methoxylierte Flavonoide finden sich häufig in Knospen-Exsudaten und anderen lipophilen Sekreten. Sie wirken fungitoxisch, ebenso das Nobiletin in Citrus-Blättern. [3]

Flavonoide bilden die wichtigste Gruppe unter den Blütenfarbstoffen und dienen hier der Anlockung von Bestäubern. Die Anthocyanidine liefern eine Vielfalt von Farben, die von orange über rot bis blau reicht. In allen Anthocyanidinhaltigen Blüten sidn auch Flavone und/oder Flavonole enthalten, die der Stabilisierung der Anthocyanidine dienen, in höheren Konzentrationen aber auch eine Verschiebung der Blütenfarbe in den Blaubereich bewirken. Gelbe Blütenfarbe wird seltener durch Flavonoide verursacht. Flavonole wie Gossypetin und Quercetagetin sind für die gelbe Blütenfarbe in Gossypium hirsutum, Primula vulgaris und einigen Korbblütlern wie Chrysanthemum segetum verantwortlich. Chalcone und Aurone bedingen die gelbe Blütenfarbe in einigen anderen Korbblütlern wie Coreopsis und Dahlia und in neun weiteren Pflanzenfamilien. Häufig kommen in Korbblütlern gelbe Flavonoide zusammen mit den ebenfalls gelben Carotenoiden vor. Weiße Blütenfarbe wird zu 95 % durch Flavonoide bedingt: Flavone wie Luteolin und Apigenin, und Flavonole wie Kaempferol und Quercetin, wobei Flavonole etwas weiter im langwelligen Bereich absorbieren. [6]

Andere Flavonoide fungieren als Fraßschutz gegen Herbivoren (Repellent). So reduziert Rutin das Wachstum von Schmetterlingsraupen. Für spezialisierte Insekten sind solche Flavonoide wiederum Fraß-Stimulantien. [3]

Die kondensierten Tannine interagieren mit den Glykoproteinen im Speichel von Herbivoren und wirken adstringierend. Sie vermindern die Verdaubarkeit der Pflanzen und schrecken so viele potentielle Herbivoren ab. [3]

Medizinische Nutzung

Etliche flavonoidhaltige Arzneidrogen werden therapeutisch genutzt, daneben auch einige Reinstoffe. Sie werden als Venenmittel eingesetzt aufgrund ihrer gefäßschützenden, ödemprotektiven Wirkung, als Herz-Kreislaufmittel wegen ihrer positiv inotropen, antihypertensiven Wirkung, als Diuretika, als Spasmolytika bei Magen-Darm-Beschwerden sowie als Lebertherapeutika. Ihre Wirkung wird hauptsächlich auf ihre antioxidativen Eigenschaften sowie die Hemmung von Enzymen zurückgeführt. [2]

Unter den zahlreichen Wirkungen von Flavonoiden, die in in vitro- und in vivo-Versuchen nachgewiesen wurden, sind die wichtigsten: [2]

Flavonoide wirken über mehrere Wirkungsmechanismen. Im Vordergrund stehen dabei die Interaktion mit DNA und Enzymen, die Aktivierung von Zellen, ihre Eigenschaft als Radikalfänger, sowie die Beeinflussung von verschiedenen Signaltransduktionswegen in den Zellen (NF-κB, MAPK). Flavonoide hemmen über dreißig Enzyme im menschlichen Körper. Sie aktivieren verschiedenste Zelltypen des Immunsystems. Die beiden letzten Eigenschaften sind etwa für die entzündungshemmende Wirkung von Flavonoiden verantwortlich. [2]

Folgende Flavonoide werden als Reinstoffe als Venenmittel genutzt: [2]

Unter den Arzneidrogen überwiegen solche, die Favonolglykoside und Glykosylflavone enthalten. Wichtige Arzneidrogen, die größere Mengen an Flavonoiden enthalten, sind:[2]

Literatur

  • Graf B.A., Milbury P.E., Blumberg, J.B.: Flovols, Flavanones, and Human Health: Epidemiological Evidence. J Med Food 8, 281–290 (2005) PMID 16176136
  • Watzl B., Leitzmann C.: Bioaktive Substanzen in Lebensmitteln, 3. unveränderte Auflage, Hippokrates, Stuttgart 2005, ISBN 3-8304-5308-6
  • Bernhard Watzl, Gerhard Rechkemmer. Basiswissen aktualisiert: Flavonoide. Ernährungs-Umschau 48 (2001) Heft 12 (PDF)

Einzelnachweise

  1. Eintrag zu flavonoids. In: IUPAC (Hrsg.): Compendium of Chemical Terminology. The “Gold Book”. doi:10.1351/goldbook.F02424 – Version: 2.1.5.
  2. a b c d e f Rudolf Hänsel, Otto Sticher (Hrsg.): Pharmakognosie. Phytopharmazie. 9. Auflage, Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2009, ISBN 978-3-642-00962-4, S. 1098-1152.
  3. a b c d e f Martin Luckner: Secundary Metabolism in Microorganisms, Plants and Animals. 3. Auflage, VEB Gustav Fischer Verlag, Jena 1990,ISBN 3-334-00322-1, S. 406-415.
  4. a b c Brenda Winkel-Shirley: Flavonoid Biosynthesis. A Colorful Model for Genetics, Biochemistry, Cell Biology, and Biotechnology. Plant Physiology, Band 126, 2001, S. 485-493.
  5. a b c Hans-Walter Heldt: Pflanzenbiochemie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1996, ISBN 3-8274-0103-8, S. 423-437.
  6. J. B. Harborne: Introduction to Ecological Biochemistry. Dritte Auflage, Academic Press, London 1988, ISBN 0-12-324684-9, S. 47-53.