Freier Deutscher Gewerkschaftsbund

ehemaliger gewerkschaftlicher Dachverband in der SBZ/DDR (1945–1990)
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Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (abgekürzt FDGB) war die Einheitsgewerkschaft der DDR.

Rein formell war der FDGB, Mitglied des Weltgewerkschaftsbundes, der Dachverband für ca. 15 Einzelgewerkschaften (z.B. IG Metall, IG Transport usw.), de facto wussten das die meisten Mitglieder nicht einmal - lediglich ein handgeschriebener Vermerk auf der letzten Seite des einheitlichen roten Mitgliedsbuches wies darauf hin, welcher "Einzelgewerkschaft" man angehörte. 1986 waren die größten Einzelgewerkschaften die IG Metall (1,8 Mio. Mitglieder), die Gewerkschaft Handel, Nahrung und Genuss (1,1 Mio.), die IG Bau-Holz (950.000) und die Gewerkschaft der Mitarbeiter der Staatsorgane und Kommunalwirtschaft (840.000). Organ des FDGB war die Tageszeitung "Tribüne".

Der bürokratische Gewerkschaftsapparat war Bestandteil und Instrument des politisch-ideologischen Machtgefüges der SED und wie alle anderen Massenorganisationen der DDR nach dem gleichen streng zentralistischen Hierarchiemuster aufgebaut. Die kleinste Einheit war das "Kollektiv", dem praktisch alle Mitarbeiter eines Arbeitsbereichs angehörten, selbstverständlich auch alle staatlichen Leiter und Parteifunktionäre. Auf deren "Vorschlag" wurden gewöhnlich auch die Vertrauensleute - ideologisch verlässliche Kollegen - als unterste FDGB-Funktionäre nominiert und in offener Abstimmung "gewählt". Die höheren Chargen, vom "Abteilungsgewerkschaftsleiter" (AGL) bis zum Leiter der "Zentralen BGL" (Betriebsgewerkschaftsleitung in Kombinaten) waren in der Regel schon linientreue Mitglieder der SED, in Einzelfällen auch von Blockparteien und hauptamtlich tätig. Wie die Chefs der FDGB-Kreis- und Bezirksleitungen war ihr Posten bis zum Rentenalter gesichert, wenn sie sich keine Abweichung von der Linie der "Partei" zuschulden kommen ließen. Vorsitzende des FDGB-Präsidiums war nach dem Tod von Herbert Warnke 1975 bis zur politischen Wende 1989 Harry Tisch, zugleich Mitglied des SED-Politbüros. Danach wurde die Berliner FDGB-Bezirkschefin Annelies Kimmel Vorsitzende. Am 1. Februar1990 wurde Helga Mausch (NDPD) als Vorsitzenden des Geschäftsführenden Vorstandes des FDGB gewählt, aber bereits im Mai 1990 wurde sie durch die Einsetzung eines Sprecherrates entmachtet.

Oberstes Organ war der FDGB-Kongress, der letzte reguläre war der XI. Kongress im April 1987. Letzter Sitz des Bundesvorstandes war ein in den 1980er Jahren errichteter komfortabler Neubau an der Jannowitzbrücke in Berlin (jetzt als Chinesische Botschaft genutzt).

Der FDGB hatte auch eine eigene Hochschule "Fritz Heckert" in Bernau bei Berlin. Deren Rektor war von 1949 bis zu seinem Tod 1960 Hermann Duncker.

Offiziell war die Mitgliedschaft im FDGB freiwillig, inoffiziell war eine berufliche Karriere als Nichtmitglied aber nur schwer möglich. Die Mitgliedschaft war jedoch mit Kosten verbunden. So waren 1 DM Beitrittsgebühr (später 1 M) bei der Aufnahme fällig. Anfänglich wurde wöchentliche Mitgliedsbeiträge gezahlt. Später richtete sich der monatliche Beitrag nach dem Bruttolohn oder Bruttogehalt. Dazu zählten auch Grundstipendien bei Studenten, Renten, Zusatzrenten und Pensionen und Lohnausgleich im Krankheitsfall. Unterschieden wurde in mehreren Beitragsklassen. Festgesetzt war das alles in der sich alle Jahre ändernden Beitragsordnung. 1986 waren 98% aller Arbeiter und Angestellten im FDGB organisiert und er hatte insgesamt 9,6 Mio. Mitglieder. Der FDGB war damit die größte "gesellschaftliche Organisation" der DDR und hatte nach der SED mit 61 Abgeordneten die zweitstärkste Fraktion im DDR-Parlament Volkskammer. Er war damit nominell einer der größten Gewerkschaftverbände der Welt. Neben den Karrieremöglichkeiten bot der FDGB auch zahlreiche "Vergünstigungen", die in der Praxis eher Nicht-Diskriminierungen und Nicht-Schikanen waren, wie sie z.B. erklärten Regimegegnern zugedacht wurden. Jedoch gab es auch echte Vergünstigungen, wie z.B. Fahrpreisermäßigungen bei der Deutschen Reichsbahn, anlässlich von Fahrten zu FDGB-Urlaubszielen, auch wurde noch in den 50er Jahren Sterbegeld gezahlt, deren Höhe von den gezahlten Beiträgen abhing. Unabhängig von der Dauer einer Mitgliedschaft wurde ein Unfallsterbegeld gezahlt. Zugeordnet war auch eine Kasse der gegenseitige Hilfe. Hier wurden von Fall zu Fall einmalige finanzielle Beihilfen oder zinslose Darlehen gezahlt, wenn Härtefälle auftraten.

Datei:Fdgb urlauberschiff.jpg
Aufkleber FDGB Urlauberschiff, 60er Jahre

Im staatlichen System der DDR fielen dem FDGB neben der ideologischen Kontrolle und Gleichschaltung in den Betrieben vor allem soziale Aufgaben zu (Dauerthema Kantinenversorgung), die von Krankenbesuchen, Verleihung von Auszeichnungen und Prämien, Geschenken zu besonderen Jubiläen usw. bis zur Vergabe von Kuren und insbesondere den knappen Urlaubsplätzen reichten. Für letzteres zeichnete offiziell der FDGB-eigene Feriendienst mit eigenen FDGB-Heimen verantwortlich. Dazu kamen sogar Urlauberschiffe wie die "Fritz Heckert", "Völkerfreundschaft" und später die moderne "Arkona" (Ex-Astor). "Hauptkampfziel" war die Planerfüllung im sozialistischen Wettbewerb; der Gegensatz zwischen Betriebsleitung und Belegschaft war offiziell nicht existent.

Eine große Bedeutung hatte die Einheitsgewerkschaft auch als "Kampfreserve" im wörtlichen Sinn. Mit kleinen Vergünstigungen, notfalls auch mit sanftem Druck wurden viele Arbeiter und Angestellte als Mitglieder der so genannten "Kampfgruppe der Arbeiterklasse" rekrutiert, obwohl diese der SED wesentlich näher standen.

Im Mai 1990 wurde der FDGB kurz vor der Wiedervereinigung aufgelöst. Viele ehemalige Mitglieder traten nicht den freien westdeutschen (dann gesamtdeutschen) Gewerkschaften bei, da sie diese unter den vergangenen Eindrücken mit staatlicher Gängelung assoziierten, zumal alte DDR-Funktionäre dort erneut Funktionen innehatten oder weil sie im Zuge der im Schnellverfahren privatisierten DDR-Wirtschaft einfach ihren Arbeitsplatz verloren und deshalb für die Fachgewerkschaften uninteressant waren.


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