Für Elise

Komposition von Ludwig van Beethoven
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Für Elise ist eine Komposition von Ludwig van Beethoven aus dem Jahre 1810. Es handelt sich um das Klavierstück in a-Moll, WoO 59 (Werk ohne Opuszahl). Das Autograph trug laut Ludwig Nohl die Aufschrift: „Für Elise am 27 April zur Erinnerung von L. v. Bthvn,“[1], es ist seit 1867 verschollen. Die fehlende Jahreszahl lässt sich durch ein erhaltenes Skizzenblatt erschließen, auf dem Beethoven außer zu WoO 59 noch Skizzen zur 1810 entstandenen Egmont-Musik op. 84 notiert hat.[2]

Der Beginn von Für Elise in der Erstausgabe von Ludwig Nohl, 1867 [Anm. 1]
Einspielung von 2006, mit e im ersten A-Teil, d in den weiteren.

Das kurze, rondoartige Stück gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Werken Beethovens. Es hat die Form A–B–A–C–A.[3]

Theorien zu Entstehung, Widmung und Titel

Max Unger vermutete 1923, dass Nohl die Widmung auf dem Autograph der Komposition falsch transkribierte und das Stück in Wahrheit Therese Malfatti von Rohrenbach zu Dezza gewidmet war und die Widmung Für Therese trug.[4] Beethoven beabsichtigte 1810, Therese von Malfatti zu heiraten.[5] Die Heirat kam jedoch nicht zustande. Therese Malfatti war tatsächlich längere Zeit im Besitz des Autographs. Ludwig Nohl entdeckte es 1865 bei Babette Bredl in München. Vermutlich war es über den Pianisten und Komponisten Rudolf Schachner (1816–1896), den Hausfreund und Erben der Musikalien Therese von Malfattis, dorthin gekommen.[6][7] Nohl fertigte eine Abschrift des Autographs, das zunächst bei Babette Bredl verblieben und schon bald nach Nohls Entdeckung verschollen ist.[8][9]

Nach einer 2010 veröffentlichten Studie des Beethoven-Forschers Klaus Martin Kopitz spricht vieles dafür, dass das Albumblatt für Elisabeth Röckel entstand, die spätere Frau von Johann Nepomuk Hummel. Mit Elisabeth, die sich in Wien nachweislich „Elise“ nannte, war Beethoven seit 1808 eng befreundet. Wie durch seinen Sekretär Anton Schindler überliefert ist, wollte der Komponist Elisabeth sogar heiraten, was sie selbst jedoch dementierte.[10] Nach einem Hinweis von Johannes Quack, den Kopitz aufgreift, scheint es im Übrigen, dass Beethoven die drei Tonbuchstaben des Namens E-L-I-S-E für das Anfangsmotiv verwendete, wobei das S (Es) enharmonisch vertauscht als Dis erscheint.[11] Dies würde bedeuten, dass Nohl den Namen seinerzeit durchaus korrekt entzifferte. Auf welche Weise das Blatt in den Besitz Therese Malfattis gelangte, kann Kopitz lediglich vermuten.

Eine entsprechende Meldung erschien bereits im Juli 2009 im Nachrichtenmagazin Der Spiegel.[12] Sie wurde anschließend durch die französische Presseagentur AFP weltweit verbreitet.

Skizzen

 
Ineinander geschriebene Skizzen zu WoO 59, BH 116 (Ausschnitt). Tinte: 1810, Bleistift: 1822
 
Derselbe Ausschnitt transkribiert und dabei entflochten [13]

Die früheste, 1973 bekannt gewordene Fassung der „Kernmelodie“ [14] notierte Beethoven 1808 in ein Skizzenbuch zur Pastorale. Einige aus dem Skizzenbuch herausgelöste Seiten bilden heute das Autograph Mus. ms. autograph. Beethoven Landsberg 10 der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin. Die Melodie, die eindeutig als Kern des Klavierstückes WoO 59 zu erkennen ist,[2] befindet sich in den Zeilen 6 und 7 der Seite 149. Es handelt sich um eine einstimmige, sechzehntaktige Melodie, die sich besonders bei den Auftakten des Mittelteiles und bei den Schlusswendungen der Takte 7 und 15 sowie durch das Fehlen des zweitaktigen Orgelpunktes auf E von späteren Fassungen unterscheidet.[2]

Diese Melodie nahm Beethoven 1810 wieder auf, modifizierte sie und fügte ihr weitere Teile hinzu. Das geschah in Beethovens Handschrift BH 116[15] und vermutlich auch in dem Autograph, das zu Babette Bredl gelangte und von Ludwig Nohl abgeschrieben und 1867 erstmals veröffentlicht wurde.[16][17]

In BH 116 lassen sich drei Arbeitsphasen erkennen: eine erste Niederschrift im Jahre 1810, Korrekturen daran von 1810 und eine Bearbeitung aus dem Jahre 1822. Die Bearbeitung von 1822 hatte das Ziel, das Klavierstück in eine für eine Veröffentlichung taugliche Fassung zu bringen. Es sollte als „No 12“ den Schluss eines Zyklus von Bagatellen bilden. Dieser Plan wurde allerdings nicht ausgeführt.[18]

1822 überschrieb Beethoven das Klavierstück mit „molto grazioso“. Er verschob die Begleitfiguren des A-Teils in der linken Hand um ein Sechzehntel nach rechts und entlastete dabei den Taktanfang. Außerdem führte er die Begleitfigur teilweise in eine tiefere Lage und weitete damit den Klang aus.[19] Im Teil B kehrte Beethoven zu einer melodisch und rhythmisch komplizierteren, 1810 verworfenen Fassung zurück. Den vermutlichen Gesamtaufbau des Klavierstückes ließ er nicht völlig unangetastet und fügte vier bisher ungenutzte Takte als Überleitung zum Teil B ein. Vier 1822 notierte Einleitungstakte, die zum A-Teil passen, strich er dagegen wieder.[20] Bei der Anweisung für die Reprise des letztmals wiederkehrenden Teiles A schrieb er „una corda“ vor, was sich auf diesen Teil selbst beziehen kann oder nur auf den neu entworfenen, dreitaktigen, wahrscheinlich akkordisch gedachten, aber nur einstimmig notierten Schluss.[21] Eine vollständige Fassung als Resultat der Bearbeitung von 1822 stellte Beethoven nicht her.[22][23]

Ausgaben (Auswahl)

  • Ludwig Nohl gab das „recht anmuthige Klavierstückchen“ 1867 erstmals heraus, nachdem der Verlag Breitkopf & Härtel 1865 abgelehnt hatte, es in die Gesamtausgabe der Werke Beethovens zu übernehmen.[9] Nohl gab an, er habe Beethovens Autograph als Vorlage gehabt und dessen Abschrift sei die Grundlage der Erstausgabe.[24] Unterschiede gegenüber BH 116 könnten Übertragungsfehler Nohls sein, könnten aber auch im verschollenen Autograph Beethovens gestanden haben. Dazu gehört beispielsweise im Takt 7, in der rechten Hand, die zweite Note e'; dagegen findet sich d' an den Parallelstellen in den Takten 21, 44, 58, 88 und 102. Dass Nohl eng an der Vorlage blieb, lässt sich an der Behalsung, der Balkung, der Akzidentiensetzung und der Uneinheitlichkeit von Artiklulation und Pedalisierung sowie an den lückenhaften dynamischen Bezeichnungen erkennen.[3]
  • 1870 wurde das Stück erstmals separat unter dem Titel „Für Elise“ durch den Leipziger Verlag C. F. Kahnt veröffentlicht. Die Ausgabe enthält eine Art Vollmacht von Babette Bredl.[25]
  • 1888 gelangte der Nohl’sche Notentext, kritisch hinterfragt und in Kleinigkeiten verändert, als Clavierstück in a-Moll in den Supplementband der Gesamtausgabe der Werke Beethovens.[9][26]
  • Etwa ab 1890 folgten Ausgaben verschiedener Verlage und Herausgeber, die großteils praktisch ausgerichtet waren. Nohls Notentext beziehungsweise der Notentext der Gesamtausgabe wurde mit Anweisungen zur Metronomisierung, Dynamik, Artikulation, Phrasierung, einem Fingersatz sowie mit einer Angleichung von Parallelstellen aufbereitet.[3] Als Für Elise oder manchmal auch Albumblatt für Elise wurde das Klavierstück durch diese Ausgaben allgemein bekannt.
  • Otto von Irmer gab 1976 eine Urtext-Ausgabe heraus, in der er sich nach BH 116 richtete und daher beispielsweise zahlreiche Pedalangaben früherer Ausgaben nicht übernahm. Im Takt 7 und in allen ihm entsprechenden Takten wählte er für die Melodie der rechten Hand aus BH 116 den Ton d′ statt dem bei Nohl stehenden e′. Irmers Ausgabe wird durch hinzugefügte Fingersätze auch praktischen Anforderungen gerecht[27]
  • Barry Cooper erstellte 1991 eine Fassung auf der Grundlage von BH 116.[28] Er verwendete die von Beethoven 1822 vorgesehene Überleitung zu Teil B (Ü1) und trennte den Teil C in zwei selbstständige Teile, indem er Teil A dazwischenschob und die von Beethoven auf BH 116, Seite 1, rechts unten verworfenen Takte als weitere Überleitung (Ü2) verwendete. Cooper selbst bezeichnete das dreiteilige A als ABA und kam auf folgenden Formverlauf: ABA–Ü1–C–ABA–D–Ü2–ABA–E–ABA–Schlusstakte.[23]
  • Sieghard Brandenburg versah seine kritische Ausgabe von 2002 mit dem Faksimile der Handschrift BH 116, Skizzentranskription und Kommentar. Sie entspricht im Formverlauf der Nohlschen Erstausgabe.[29]

Einspielungen

Bearbeitungen

Quellen

  • Ludwig Nohl: Neue Briefe Beethovens, Stuttgart 1867, S. 28–33 (Erstdruck, zugleich einzige Quelle der vollständigen Fassung)
  • Ludwig van Beethoven: Handschrift BH 116, vermutlich von 1810, Beethoven-Haus Bonn, veröffentlicht als Faksimile in Ludwig van Beethoven: Klavierstück a-Moll WoO 59. Für Elise. Kritische Ausgabe mit Faksimile der Handschrift BH 116, Skizzentranskription und Kommentar von Sieghard Brandenburg, Verlag Beethoven-Haus Bonn 2002, ISBN 3-88188-074-7

Literatur

Einzelnachweise

  1. Ludwig Nohl, Stuttgart 1867, S. 28 (Fußnote)
  2. a b c Sieghard Brandenburg, Bonn 2002, S. 12
  3. a b c Sieghard Brandenburg, Bonn 2002, S. 13
  4. Max Unger: Beethoven and Therese von Malfatti, in: The Musical Quarterly, Vol. 11 (1925), S. 70
  5. Alexander Wheelock Thayer, Ludwig van Beethovens Leben, deutsch bearbeitet von Hermann Deiters, neu bearbeitet von Hugo Riemann, Band 2, Leipzig 1922, S. 322
  6. Michael Lorenz: Baronin Droßdik und die »verschneyten Nachtigallen«. In: Schubert durch die Brille 26. Schneider, Tutzing 2001, S. 80.
  7. Das Testament in Transkription bei Michael Lorenz: Studien zum Schubert-Kreis. Ph. Diss., Universität Wien, 2001, Anhang
  8. Peter Clive: Beethoven and his world: a biographical dictionary. Oxford Univ. Press, Oxford 2001, S. 223f
  9. a b c Sieghard Brandenburg, Bonn 2002, S. 11
  10. Zit. nach Klaus Martin Kopitz, Köln 2010, S. 9 und 12
  11. Klaus Martin Kopitz, Köln 2010, S. 50
  12. http://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=65794401&aref=image040/2009/06/20/ROSP200902601380138.PDF&thumb=false
  13. Sieghard Brandenburg, Bonn 2002, S. 8
  14. Alan Tyson: A Reconstruction of the Pastoral Symphony Sketchbook. In: Beethoven Studies. (1), New York 1973, S. 95
  15. Digitales Archiv im Beethovenhaus Bonn, BH 116 Aufgerufen am 1. November 2009
  16. Ludwig Nohl, Stuttgart 1867, S. 28–33
  17. Max Unger: Beethoven and Therese Malfatti. In The Musical quarterly. Band XI, 1925, S.
  18. Sieghard Brandenburg, Bonn 2002, S. 14f
  19. Sieghard Brandenburg, Bonn 2002, S. 8 und 15
  20. Sieghard Brandenburg, Bonn 2002, S. 9f und 15f, auch Fußnote 15; siehe auch BH 116, Seite 1, rechts unten
  21. Sieghard Brandenburg, Bonn 2002, S. 10 und 15
  22. Sieghard Brandenburg, Bonn 2002, S. 15f
  23. a b Barry Cooper: Beethoven’s Revisions to ‘Für Elise’. In: The Musical Times. October 1984, S. 561–563
  24. Ludwig Nohl: Neue Briefe Beethovens, Stuttgart 1867, S. 28–33
  25. Vollständig faksimiliert in dem Buch von Klaus Martin Kopitz, Beethoven, Elisabeth Röckel und das Albumblatt „Für Elise“, Köln 2010, S. 65–71.
  26. Ludwig van Beethoven’s Werke. Serie 25, Supplement, Breitkopf & Härtel, Leipzig 1888
  27. Ludwig van Beethoven: Klavierstück „Für Elise“. Nach dem Erstdruck und Skizzen zur Eigenschrift hrsg. Otto von Irmer, G. Henle, München 1976
  28. Ludwig van Beethoven: Three Bagatelles. Novello London 1991
  29. Ludwig van Beethoven: Klavierstück a-Moll WoO 59. Für Elise. Kritische Ausgabe mit Faksimile der Handschrift BH 116, Skizzentranskription und Kommentar von Sieghard Brandenburg, Bonn 2002 ISBN 3-88188-074-7

Anmerkungen

  1. Zur Einschätzung des Prosatexts, siehe Absätze Theorie zu Entstehung, ... und Ausgaben.
  2. Stand 2010
Commons: Für Elise – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien