Die Katholische Österreichische Hochschulverbindung (K.Ö.H.V.) Carolina ist eine christliche Verbindung des ÖCV, die in Graz ansässig ist und am 18. August 1888 gegründet wurde.
Die Gründungsphase
Carolina wurde gegründet um das katholische Lager im freisinnigen Graz zu stärken. Die Verbindung lehnte von Anfang an das Schlagen von Mensuren ab (einer der Verbindungsgründer war sogar wegen Duellverweigerung degradiert worden) und bekannte, bzw. bekennt sich immer noch zu den Prinzipien religio (Katholizismus), patria (Vaterland), scientia (Wissenschaft) und amicitia (Lebensfreundschaft). Als Farben wählte sich Carolina schwarz-gold-weiß, eine Verbindung der ehemals österreichischen Farben (schwarz-gold) mit den Kirchenfarben (gold-weiß).
Der Nichtuntersagungsbescheid der Vereinsbehörde wurde zufälligerweise am 18.8.1888 ausgestellt, dem 58. Geburtstag von Kaiser Franz Joseph I., was die junge Verbindung sofort für ihre pro-österreichische Haltung nutzte und zum offiziellen Gründungsdatum erklärte.
Carolina wurde von Anfang an von den in Graz bestehenden national-freiheitlichen Korporationen stark angefeindet. Man sprach Carolina die akademische Gleichberechtigung ab, da keine Mensuren geschlagen wurden, dennoch aber der Korbschläger zur Vollwichs getragen wurde. In Folge kam es immer wieder zu gröberen Auseinandersetzungen bis hin zu schweren Straßenkämpfen. 1895 wurde Carolina nicht zur Eröffnung der neu erbauten Universität geladen , daraufhin telegrafierten die enttäuschten Carolinen dem Kaiser. Das Telegramm wurde in Zeitungen veröffentlicht, was einiges Aufsehen hervorrief. Ab 1901 wurden die Auseinandersetzungen schlimmer: In der Harrachgasse vor der Grazer Universität kam es am 21.11. zu einem Überfall auf Carolinen von national-freiheitlichen Studenten. Im Februar 1906 verstarb ein Caroline nach einem Überfall an seinen schweren Kopfverletzungen. Die Tat, vermutlich von Carolinen-Gegnern verübt, wurde nie geklärt.
Wahrmund-Jahr und Grazer Bauernsturm (1907/08)
Nachdem es zu vermehrten lokalen Übergriffen auf Katholiken an den Universitäten gekommen war, radikalisierte sich der Konflikt zunehmend. Als dem Carolinen Johannes Ude am 24.10.1907 die Couleurpromotion verweigert wurde, wählte der Wiener Bürgermeister Karl Lueger am Begrüßungsabend des 6. Katholikentages in Wien die unglückliche Formulierung, dass man die Universitäten wieder erobern müsse. Daraufhin kam es zu hitzigen Debatten im Wiener Reichsrat, während in Innsbruck der liberale Kirchenrechtler Ludwig Wahrmund der Kirche jede Wissenschaftlichkeit absprach und katholische Studenten als „Parasiten“ beschimpfte.
Es folgte ein einjähriger Kulturkampf auf den österreichischen Universitäten: Nach der Ude-Promotion trat der Grazer Rektor zurück, sein Nachfolger ebenso, das Unterrichtsministerium zitierte sämtliche Dekane und Rektoren nach Wien, um über die Lage zu beraten. Letztendlich wurde den Carolinen in Graz die Couleurpromotion gestattet. Der nächste Kandidat hieß Michael Aldrian und war Sekretär des Katholisch-Konservativen Bauernvereins. Er engagierte zweihundert Bauern, die ihn bei seiner Promotion flankieren und vor Übergriffen der National-Freiheitlichen Studenten schützen sollten. Am 16.5.1908 versuchten Aldrian und seine Gästen mit Unterstützung der Bauern ins Hauptgebäude der Grazer Universität einzudringen, was hunderte feindlich Studenten zu verhindern suchten. In Folge kam es zu einer wilden Schlägerei und fast zur Erstürmung des Foyers, die Promotion musste abgeblasen werden, die Polizei die Kämpfe beenden. Die katholischen Bauern und Studenten zogen nun zur Grazer Burg, wo sie eine Kundgebung abhielten und dem Statthalter eine Petition überreichten. Dieser sogenannte Grazer Bauernsturm rief ein gewaltiges mediales Echo hervor und war für die katholischen Studenten ein erster Schritt zur Emanzipation und Selbstbehauptung. Zum ersten Mal hatten sie sich gewehrt und ihrerseits Aktionen gesetzt. Die Reaktion kam prompt. Nach einem Generalstreik der national-freiheitlichen Studenten mussten reichsweit die Unis vorübergehend gesperrt werden, das 20. Stiftungsfest der Carolina fand unter Polizeischutz statt, da die Publikation ihrer Tochter-Verbindung, der K.Ö.St.V. Traungau, als Provokation angesehen wurde. Am 24.6. wurden die Carolinen, Traungauer und ihre Gäste im Admonter Hof in der Sackstraße von 2000 national-freiheitlichen Studenten und Bürgern eingekesselt, woraufhin Militär in die Grazer Altstadt einrückte und den Frieden in der Stadt wieder herstellte. Das Uni-Semester musste jedoch wegen der anhaltenden Studentenunruhen beendet werden.
1913 anlässlich des 25. Stiftungsfestes kam es erneut zu einem Militäreinsatz in der Grazer Innenstadt, nachdem national-freiheitlichen Studenten Straßenbarrikaden errichtet hatten, um den Festzug der Carolina stoppen. Da bei den Auseinandersetzungen auch deutsche Staatsbürger (CVer) verletzt wurden, hatte der Einsatz 1913 sogar ein diplomatisches Nachspiel.
Austrofaschismus
Während des Austrofaschismus engagierten sich viele Mitglieder auf Seiten des Regimes und halfen aktiv mit, gegen die oppositionellen Sozialdemokraten und andere Regimekritiker militärisch vorzugehen. Dem Historiker und Politologen Stephan Neuhäuser zu Folge unterstützten während des österreichischen Bürgerkriegs mindestens 40 Mitglieder der Carolina Graz in verschiedenen Wehrformationen Heimwehr und Bundesheer. „In Graz beteiligten sich 70 % der aktiven ÖCVer auf Seiten der Regierungstruppen und Heimwehren", so Neuhauser.
Die Zeit im Untergrund (1938–45)
Carolina stand, wie alle Verbindungen des neu gegründeten ÖCV, dem Nationalsozialismus sehr ablehnend gegenüber. Das Verbindungshaus am Glockenspielplatz 7 wurde von der SA am Tag des Einmarsches erstürmt, das Inventar im Hof verbrannt, das Haus als „staatsfeindliches Vermögen“ beschlagnahmt. Viele Mitglieder wanderten in KZ, darunter Alfred Maleta (nachmaliger Nationalratspräsident), Friedrich Funder (Gründer „Die Furche“), und Karl-Maria Stepan (ehemaliger steirischer Landeshauptmann). Daneben hatte Carolina auch zwei hingerichtete Widerstandskämpfer: Wilhelm Kapistran Pieller und Ludwig Mooslechner.
1945 wurde Carolina wieder reaktiviert, 1948 bekam die Verbindung ihr Haus wieder zurück. Heute besteht Carolina aus rund 380 Mitglieder.
Berühmte Mitglieder
- Josef Dobretsberger: 1903-1970; Politiker; 1934 Sozialminister; 1938-46 Emigration. 1947 von der KPÖ als überparteilicher Bundeskanzler vorgeschlagen, gründete die Demokratische Union, die sich als links-bürgerliche Partei an die KPÖ anlehnte (1949: 0,3%). In Folge noch stärkere Annäherung an die KPÖ (Kandidatur 1953 im Rahmen der „Volksopposition“). Daraufhin Dimissio bei Norica Wien (man hatte Angst, einzelne Christlich-Soziale würden auf hinteren Listenplätzen der KPÖ kandidieren, wie es in der DDR mit der Ost-CDU üblich war) und letztendlich Aufnahme bei Carolina.
- Erich Edegger: 1940-1992; Bäckermeister (Hofbäckerei Edegger) und ÖVP-Vizebürgermeister von Graz. Musste das Studium abbrechen und trat als Aktiver aus, später Verleihung des Ehrenbandes. Starb frühzeitig an einer Hirnblutung. Nach ihm sind in Graz zwei Verkehrsflächen benannt.
- Franz S. Engelhofer: Bekannter Zuckerl-Fabrikant („Firn") in Graz.
- Friedrich Funder: 1872-1959; Publizist, Gründer der Zeitschrift „Die Furche“, im 2. Weltkrieg im KZ Dachau inhaftiert.
- Alfons Gorbach: 1898-1972; ÖVP-Politiker; KZ-Häftling in Dachau; Bundeskanzler der Republik Österreich 1961-64; Niederlage bei der Präsidentenwahl 1965.
- Maximilian Liebmann: geb. 1934; Professor; Theologe; bekannter österr. Kirchenhistoriker; 1991-99 Dekan an der Theologischen Fakultät der Universität Graz
- Alois Mock: geb. 1934; ÖVP-Politiker; Vizekanzler 1987-1989; Außenminister; „Mr. Europa“ der ÖVP; Seit dem 100. Stiftungsfestes 1988 Ehrenmitglied.
- Ludwig Mooslechner: 1910-1945; Arzt; versorgte die Partisanen auf der Hebalm mit Medikamenten und Ausrüstung; dort am 10.4.1945 als Widerstandskämpfer erschossen.
- Alfred Maleta: 1906-1990; ÖVP-Politiker; KZ-Häftling in Dachau; 1962-1970 Erster Nationalratspräsident, danach 2. Nationalratspräsident.
- Siegfried Nagl: geb. 1963; ÖVP-Politiker, seit 2003 Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz, davor Finanzreferent.
- (Wilhelm) Kapistran Pieller: gest. 1945; Franziskaner-Pater; Sammelte regime-kritische Schriften, suchte den Kontakt zu Gleichgesinnten und wurde von einem ausgetretenen Mönch an die Gestapo verraten. Am 15.4.1945 als Widerständler hingerichtet.
- Karl Maria Stepan: 1894-1972; Publizist; christlich-sozialer Politiker. Landeshauptmann von Steiermark 1934-38, danach KZ-Häftling in Dachau. Nach dem Krieg Aufbau des „Styria-Verlags“ (heute Styria Medien AG, u. a. „Die Presse“, „Kleine Zeitung“, „Die Furche“)
- Johannes Ude: 1874-1965; Theologe u. Geisteswissenschaftler. Anfangs Sympathien für die Nazis (Ablehnung der Zinsknechtschaft), entsetzte Kehrtwendung nach der Reichskristallnacht (u.a. antimilitaristische Schriften); nach Bad Aussee zwangsversetzt, entging er in den letzten Kriegstagen dem Erschießungskommando durch den Einmarsch der Aliierten.
Literatur
- Gerhard Hartmann: Im Gestern bewährt, im Heute bereit: 100 Jahre Carolina, herausgegeben von Maximilian Liebmann im Auftrag der Altherrenschaft der K.Ö.H.V. Carolina, Styria Verlag 1988
- Gerhard Hartmann: Der CV in Österreich, Lahn-Verlag, 3. Auflage 2001
- O alte Burschenherrlichkeit, Styria Verlag, 1979 (Buch über das Korporationswesen, in dem einige Abbildungen und Informationen bzgl. Carolina zu finden sind)