Calicheamicine sind eine Gruppe von strukturell sehr eng verwandten Zellgiften und hochgradig toxisch. Sie wirken 1000 mal stärker als Adriamycin. Die Bakterientoxine werden durch das Bakterium Micromonospora echinospora erzeugt.[1] Es gibt keine bekannten Gegenmittel, nach der Einnahme einer tödlichen Menge von wenigen Gramm führt die Vergiftung unweigerlich zum Tod. In entsprechend verdünnter Form wird die Substanz auch in der gezielten Krebstherapie eingesetzt.[2]
Eigenschaften
Zur Familie der Calicheamicine gehören verschiedene strukturell eng verwandte chemische Verbindungen. Sie sind strukturell, in ihrer biologischen Wirkung und auch ihrem Wirkmechanismus den Esperamicinen sehr ähnlich und enthalten ebenfalls neben dem Endiin eine Allyltrisulfideinheit und die am Brückenkopf sitzende Enonfunktion. Ihre Strukturen wurden von LEE et al. 1987 veröffentlicht und 1989 korrigiert.[3] Der bekannteste Vertreter ist das Calicheamicin γ1I, das inzwischen auch synthetisch hergestellt werden kann.[4]
Beispiele für Calichemicine | |||||||||
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Name | Andere Namen | Strukturformel | CAS-Nummer | PubChem | Summenformel | Molare Masse | Gefahrstoff- kennzeichnung |
R-/S-Sätze | |
Calicheamicin α2 | Calicheamicin alpha 2 | 103716-12-7 | 6450514 | C48H62IN3O17S4 | 1208,18 g·mol−1 | keine Einstufung verfügbar |
siehe links | ||
Calicheamicin α3 | Calicheamicin alpha 3 | 103716-13-8 | 6450515 | C47H59IN2O19S4 | 1211,14 g·mol−1 | ||||
Calicheamicin γ1 | Calicheamicin gamma 1 | 108212-75-5 | 6438329 | C56H78IN3O21S4 | 1384,39 g·mol−1 | ||||
Calicheamicin γ1(I) | Calicheamicin gamma 1(I) | 10486648 | C55H74IN3O21S4 | 1368,35 g·mol−1 | |||||
Calicheamicin θ1 | Calicheamicin theta 1 | 44403705 | C57H78IN3O22S2 | 1348,27 g·mol−1 | |||||
Calicheamicin ε | Calicheamicin epsilon | 128050-91-9 | 5488030 | C54H74IN3O21S2 | 1292,21 g·mol−1 | ||||
Calicheamicin T | 142518-72-7 | 6449957 | C32H43N3O11S3 | 741,89 g·mol−1 |
Wirkung
Calicheamicine tragen eine Endiin-Struktureinheit, von der bekannt ist, dass sie Bergman-Cyclisierungen eingeht und die dabei entstehenden Diradikale zu einem Doppelstrangbruch der DNA führen. Auch für die Calicheamicine wird ein solcher Wirkmechanismus diskutiert.[5]
Mythologie
Der griechische Dichter Hesiod beschreibt: Der Sage nach mussten die Götter, die gegen die Gesetze des Olymp verstießen, aus einem goldenen Kelch das Wasser des Styx trinken. Es wird angenommen, dass das Gestein unter diesem Fluss dicht mit Micromonospora echinospora besiedelt war, so dass die Menge des gelösten Calicheamicin aus einem Kelch ausreichte, tödlich zu sein.[6]
Geschichte
Angeblich wurde Alexander der Große durch einen Kelch Styx-Wasser getötet.[7] Die Geschichtsschreiber sagen, dass er unter starken Schmerzen und unstillbarem Durst litt, bevor er nach einer Woche starb. Das stimmt mit den Symptomen einer Calicheamicin-Vergiftung überein. Der griechische Geschichtsschreiber Pausanias schreibt, dass Ziegen, die versehentlich vom Wasser des Styx tranken, kurze Zeit später ohne erkennbaren Grund tot umfielen.
Einzelnachweise
- ↑ Dingermann T., e.a.: Pharmazeutische Biologie: molekulare Grundlagen und klinische Anwendung, Springer, 2002, S.231, ISBN 3540428445, hier online
- ↑ Nicolaou KC, Chen JS, Dalby SM: From nature to the laboratory and into the clinic. In: Bioorganic & Medicinal Chemistry. 17. Jahrgang, Nr. 6, März 2009, S. 2290–2303, PMID 19028103, PMC 2665039 (freier Volltext).
- ↑ M. D. Lee, J. K. Manning, D.R. Williams, N. A. Kuck, R. T. Testa, D. B. Borders, J. Antibiotics 1989, 42, 1070-1086.
- ↑ Folkert Boße: Untersuchungen zur Synthese neuer Dynemicin-Analoga
- ↑ S. Walker; R. Landovitz; W.D. Ding; G.A. Ellestad; D. Kahne: Cleavage behavior of calicheamicin γ1 and calicheamicin T. In: Proc Natl Acad Sci U.S.A. 89. Jahrgang, Nr. 10, 1992, S. 4608–12, doi:10.1073/pnas.89.10.4608, PMID 1584797, PMC 49132 (freier Volltext).
- ↑ Woche der Qualen (Spiegel-Online)
- ↑ Alexander the Great poisoned by the River Styx. 4. August 2010, abgerufen am 8. August 2010.