Rote Hilfe (Verein)

deutsche Hilfsorganisationen der politischen Linken
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Die Rote Hilfe e. V. (abgekürzt RH) ist eine Organisation zur Unterstützung von Aktivisten, die auf Grund von politisch als links geltender Tätigkeit mit deutschen staatlichen Organen in Konflikt geraten sind. Die Organisation hat bundesweit etwa 5000 Mitglieder in 40 Orts- und Regionalgruppen sowie eine Bundesgeschäftsstelle in Göttingen und versteht sich als Nachfolger der historischen Roten Hilfe Deutschlands. In verschiedenen Berichten der Verfassungsschutzbehörden, so des Bundesamts für Verfassungsschutz heißt es, die Rote Hilfe e.V werde von „Linksextremisten unterschiedlicher ideologisch-politischer Ausrichtung“ getragen und unterstützt. Zudem werde fallweise mit militanten ausländischen Gruppierungen in Deutschland zusammengearbeitet.[1]

Vorgeschichte

Ausgehend von den seit 1968 entstandenen Rechtshilfe- und Gefangenenhilfe-Gruppen der außerparlamentarischen Opposition (wie die Republikanische Hilfe in Frankfurt am Main) gründeten sich ab 1970 in verschiedenen westdeutschen Städten autonome Rote-Hilfe-Gruppen, die erste 1970 im Westteil Berlins. Neben einer Abspaltung der Schwarze-Hilfe-Gruppen, die als Schwerpunkt ihrer Arbeit nicht die Betreuung der politischen Gefangenen, sondern aller Gefangenen ansahen, wurde 1970 von der KPD/AO eine Rote Hilfe e.V gegründet, die zentral organisiert und in Landesverbände gegliedert war (sie ist nicht zu verwechseln mit der RH e. V. heute). Diese Rote Hilfe e. V. löste sich 1979 auf.

Rote Hilfe e. V. seit 1975

Ab 1973 entstanden hauptsächlich auf Initiative der Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML) weitere RH-Gruppen, die dieser Partei nahestanden. Ostern 1974 kam es bei einem gemeinsamen Treffen aller Rote- und Schwarze-Hilfe-Gruppen in Bochum zu einem Bruch aus politischen Gründen, der am 26. Januar 1975 zur Gründung der KPD/ML-nahen Rote Hilfe Deutschlands (RHD) führte. Sie wurde, nachdem sie sich Anfang der 1980er Jahre politisch geöffnet hatte, 1986 in Rote Hilfe e. V. umbenannt.

Seit Mitte der 1980er Jahre ist die Rote Hilfe sehr dezentral organisiert. Das Spektrum reicht von „Pazifisten bis zu gewaltbereiten Radikalen“.[2] 1986 beschloss die Bundesdelegiertenkonferenz die Umbenennung von „Rote Hilfe Deutschlands (RHD)“ in „Rote Hilfe e. V.“[3] Hauptaufgabe ist weiterhin die Unterstützung von Linken, die einer Repression des Staates ausgesetzt sind.

1989 wurde das Thema Abschiebung vermehrt in den Vordergrund gerückt. Seit der Wiedervereinigung setzt sich die „Rote Hilfe“ auch für angeklagte ehemalige SED-Funktionäre und ehemalige Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit ein. Anfang der 1990er Jahre wurde von Rote Hilfe e. V. die Kampagne „Anna und Arthur halten's Maul“ aufgegriffen und im Jahr 2000 unter dem Slogan „Bitte sagen Sie jetzt nichts!“ weitergeführt. Darin werden Beschuldigte in jeglichen Verfahren zur totalen Aussageverweigerung aufgefordert, solange die Folgen der Aussage nicht überschaubar sind.

Der Verein publiziert die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift Die Rote Hilfe und Broschüren, die Empfehlungen für das Verhalten der Betroffenen bei der Festnahme auf Demonstrationen und bei Hausdurchsuchungen geben.

Die Rote Hilfe ist an dem nach Hans Litten benannten Hans-Litten-Archiv beteiligt, einem Archiv der Geschichte der Arbeiterbewegung und der sozialen Bewegungen.

Verfassungsschutzbericht

Im Verfassungsschutzbericht 2007 des Bundesinnenministeriums wird die Rote Hilfe wie folgt charakterisiert: „Ihrem Selbstverständnis als ‚parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutz- und Solidaritätsorganisation‘ entsprechend, unterstützt die – von Linksextremisten unterschiedlicher Ausrichtung getragene – RH von Strafverfolgung oder ‚staatlicher Repression‘ Betroffene aus dem gesamten ‚linken‘ und linksextremistischen Spektrum politisch und finanziell.“[4] Vom Bundesamt für Verfassungsschutz wird sie als „von Linksextremisten unterschiedlicher ideologisch-politischer Ausrichtung getragene“ Organisation eingestuft[5], ohne in seiner Einschätzung darauf genauer einzugehen oder Personen zu nennen.

Wirkungsfeld

Die Rote Hilfe unterstützt Beschuldigte und Straftäter aus dem linken Spektrum, darunter auch inhaftierte ehemalige Mitglieder der Rote Armee Fraktion.[6] Dies geschieht primär durch juristische Unterstützung derjenigen, die bei politischen Aktivitäten verhaftet wurden, unter „Repression leiden“, oder gegen die Ermittlungsverfahren anhängig sind. Die Rote Hilfe leistet Unterstützung durch Medienarbeit, Beratung und gemeinsame Vorbereitung von Prozessen, Organisieren von Demonstrationen und bezuschusst vor allem Rechtsanwaltskosten.[7] Daneben setzt sich die Rote Hilfe auch gegen das Verbot der als verfassungsfeindlich eingestuften und von der Türkei, der EU und den USA als terroristische Vereinigung eingestuften kurdischen PKK und ihrer Nachfolgeorganisationen ein und unterstützt deren Rechtshilfefonds „Azadi“ finanziell.[8][9] Ferner unterstützt sie Asylbewerber, denen die Abschiebung droht.

Bekannte Mitglieder

Die im November 2007 gewählte Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel gehörte der Roten Hilfe an. Aufgrund der Diskussion um ihre Mitgliedschaft trat sie im Dezember 2007 aus dem Verein aus.[10] Einige Abgeordnete der Linkspartei bekannten sich im Dezember 2007 öffentlich zu ihrer Unterstützung der Roten Hilfe. Die Erstunterzeichner des Aufrufs „Für Solidarität eintreten! Wider Repression und Duckmäusertum!“[11] sind die stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei Die Linke Katja Kipping, Michael Leutert MdB, Sevim Dagdelen, MdB, Nele Hirsch, MdB, Julia Bonk, MdL (Sachsen) und Freya-Maria Klinger MdL (Sachsen).

Verlust von Mitgliederdaten

Im Mai 2010 verschwand eine Festplatte auf der Mitglieder- und Kontodaten gespeichert waren. Der Datenträger befand sich in einem Stahlschrank im "Roten Zentrum" in Göttingen, in dem neben der Roten Hilfe auch weitere Gruppen wie Die Linke und die DKP ein Büro haben. Laut einer Erklärung des Vorstandes könne von einem „gezielten Einbruch“ "„jedenfalls nicht ausgegangen werden“. Der Diebstahl sei wahrscheinlich durch einen „fahrlässigen Umgang einer anderen Gruppe mit Schlüsseln begünstigt worden“.[12]

Literatur

  • Rote Hilfe e. V. (Hrsg.): Vorwärts und nicht vergessen! 70/20 Jahre Rote Hilfe. Die Geschichte der Roten Hilfe von der Weimarer Republik bis zur Wiedergründung in den Siebziger Jahren. Kiel 1996 (1998) Volltext online
  • Broschüre der Rote Hilfe e. V. 20 Jahre Rote Hilfe - Solange es Unterdrückte gab…. Göttingen 2005
  • Albrecht Götz von Olenhusen u. Jens David Runge Die Rote Hilfe. Die Geschichte der internationalen kommunistischen Bewegung. Frankfurt 1998
  • Brauns, Nikolaus Schafft Rote Hilfe! Geschichte und Aktivitäten der proletarischen Hilfsorganisation für politische Gefangene, Pahl-Rugenstein, Berlin 2003

Einzelnachweise

  1. Vorabfassung des Verfassunsgsschutzberichts 2008, S. 163.
  2. Korrekte Referenz fehlt, vermutlich: Verfassungsschutzbericht 2005
  3. Bundesvorstand 2006, Arbeitspapier, S. 1
  4. Verfassungsschutzbericht 2007
  5. Verfassungsschutzbericht 2008; Seite 163ff
  6. Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen: Rote Hilfe e. V.
  7. Verfassungsschutzbericht 2004, Seite 167: Unter dem Motto „Gegen die Wiedereinführung der Berufsverbotspraxis! Alle Formen staatlicher Repression bekämpfen!“ rief die RH zu einer Großdemonstration am 23. Oktober in Heidelberg auf
  8. Landesamt für Verfassungsschutz: Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen der kurdischen Arbeiterpartei PKK und ihrer Nachfolgeorganisation
  9. Verfassungsschutzbericht 2004, Seite 166: „Die regelmäßige finanzielle Unterstützung an die Gruppe der ‚Angehörigen und Freunde der politischen Gefangenen‘ sowie von ‚Azadi‘, dem separaten Rechtshilfefonds zu Gunsten von Kurden, die in Deutschland wegen Betätigung für die ‚Arbeiterpartei Kurdistans‘ (PKK) bzw. den ‚Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans‘ (KADEK) oder den „Volkskongress Kurdistans“ (KONGRA GEL) vermeintlich politisch verfolgt werden, wurde aufgestockt.“
  10. welt.de: „Neue Juso-Chefin verlässt 'Rote Hilfe'“, 1. Dezember 2007 und spiegel.de: „Juso-Chefin verlässt 'Rote Hilfe'“, 1. Dezember 2007
  11. Für Solidarität eintreten! Wider Repression und Duckmäusertum! vom 18. Dezember 2007
  12. Rote Hilfe hilflos Die Tageszeitung vom 19. Mai 2010