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Moby-Dick

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Moby-Dick oder der Wal (englisch Moby-Dick; or, The Whale) ist ein 1851 in London und New York erschienener Roman von Herman Melville. Der Autor widmete das Buch dem Schriftsteller Nathaniel Hawthorne.

Moby-Dick handelt von der schicksalhaften Fahrt des Walfangschiffes Pequod, dessen Kapitän, der einbeinige Ahab, mit blindem Hass einen weißen Wal verfolgt, der ihn zum Krüppel gemacht hat. In detailierten Schilderungen und zahlreichen Exkursen wird in dem Roman die Welt des Walfangs im 18. und 19. Jahrhundert dargestellt.

Moby-Dick ist jedoch viel mehr als der durch Verfilmungen, Kurzfassungen und Comicversionen weitgehend bekannte Handlungsrahmen. Entlang des erzählerischen Fadens (der weniger als die Hälfte des Romans ausmacht) reiht Melville zahlreiche philosophische, wissenschaftliche, kunst- und mythologiegeschichtliche Exkurse, zu denen noch viele subjektive, mal lyrische, mal auch ironische Betrachtungen des Autors kommen.

Handlung und Hauptpersonen

Moby-Dick beginnt mit einem der berühmtesten ersten Sätze der Weltliteratur: "Call me Ishmael" (auf Deutsch u. a. übersetzt als "Nennt mich Ismael"). Es folgt die Ich-Erzählung des Matrosen Ismael (sein richtiger Name wird nie genannt), der ursprünglich aus einer guten Familie stammt, sich aber aus Gründen, die nie ganz klar werden, dazu entschlossen hat, als einfacher Matrose zur See zu fahren. Ismael hat bereits einige Fahrten auf Handelsschiffen hinter sich, will nun aber auf einem Walfänger anheuern.

Auf dem Weg auf die Walfängerinsel Nantucket an der amerikanischen Ostküste lernt er in New Bedford den Harpunier Queequeg kennen. Queequeg ist ein über und über tätowierter Südseeinsulaner, trotz seines furchteinflößenden Äußeren jedoch das Idealbild eines "edlen Wilden" oder, in Melvilles Worten: "ein George Washington im Gewand eines Kannibalen". Ismael und Queequeg werden quasi zu Blutsbrüdern.

In Nantucket heuern beide auf dem bizarr dekorierten Walfänger Pequod (benannt nach den Pequod-Indianern) an - und das obwohl ein möglicherweise Verrückter, der sich nach dem Propheten Elija nennt, sie wiederholt davor warnt. Die Fahrt beginnt zu Weihnachten. Der Kapitän Ahab lässt sich anfangs nicht an Bord blicken. Erst nach einiger Zeit auf See kommt er aus seiner Kabine und erklärt der Mannschaft das Ziel der Fahrt. Er will Moby Dick jagen und erlegen, den weißen Wal, der ihm das Bein abriss. Als Anreiz für die Mannschaft nagelt er eine Golddublone an den Hauptmast, die derjenige erhalten soll, der den Wal als erster sichtet.

Ahabs Gegenpart ist der erste Maat, Starbuck, ein kühner und erfahrener Seemann, der jedoch nüchtern und rational denkt. In der Folge kommt es zu mehreren Konfrontationen zwischen Ahab und Starbuck. Einmal erwägt Starbuck sogar, Ahab zu töten, lässt aber im letzten Moment davon ab. Die Mannschaft der Pequod stammt aus allen Teilen (und Schichten) der USA und der Welt. Neben einem Indianer und zwei schwarzhäutigen Afrikanern sind Seeleute aus Holland, Frankreich, Island, Malta, Sizilien, den Azoren, China, der Isle of Man, aus dem Nahen Osten, aus Tahiti, Portugal, Dänemark, England, Spanien und den Philippinen an Bord. Das Schiff bildet die Vielfalt der Welt als Mikrokosmos ab.

Nachdem das Schiff das Kap der Guten Hoffnung umrundet hat, erfolgen mehrfache Sichtungen von Walen, die auch von der Mannschaft gejagt und erlegt werden. In dem Zusammenhang werden Fang und Verarbeitung der Wale detailliert beschrieben. Unterbrochen wird die Fahrt regelmäßig durch Begegnungen mit anderen Schiffen, deren Kapitäne Ahab jedesmal nach dem Weißen Wal befragt. Nach einer Fahrt durch den Indischen Ozean und durch die indonesischen Inseln bekommt die Pequod östlich von Japan endlich Kunde von einer Sichtung des Weißen Wals. Die Jagd auf ihn dauert drei Tage. Dabei wird Ahab von Moby Dick unter Wasser gezogen und der Wal rammt und versenkt die Pequod. Als einziger überlebt Ismael die Katastrophe.

Hauptpersonen:

Stil und Form

Erzählform

Der Roman ist eine Ich-Erzählung, der Erzähler der Matrose Ismael. Die Erzählform wird jedoch nicht konsequent durchgehalten. Gerade im handlungsarmen, umfangreichen Mittelteil des Romans gewinnt man immer wieder den Eindruck, der Erzähler Ismael habe sich aus dem Buch verabschiedet.

Aufbau

Moby-Dick besteht aus 135 Kapiteln mit Überschriften und einem Epilog (der in der britischen Originalausgabe fehlte). Dem Roman vorgeschaltet ist ein Abschnitt über die Etymologie des Worts "Wal", sowie ein Abschnitt mit 81 Zitaten über den Wal aus literarischen, religiösen, fachwissenschaftlichen und anderen Werken.

Stil

Von einem durchgehenden Stil des Romans kann man nicht sprechen. Im wesentlichen lassen sich drei Textarten unterscheiden, nämlich die oft naturalistisch geschilderte Handlung; wissenschaftliche und andere Exkurse, die immer wieder wie eingeschobene Essays oder Traktate wirken; und dramatische Szenen, die wie bei einem Theaterstück Regieanweisungen enthalten und die durchgehend dialogisch gestaltet sind. In den erzählerischen und essayistischen Abschnitten gibt es oft lange, komplex gebaute Satzperioden, die von zahlreichen literarischen und biblischen Anspielungen durchzogen sind und die häufig in komplexen Metaphern enden. Melville zieht dabei oft alle Register und versucht, mehrere Fachsprachen - die des Walfangs, der Seefahrt, der religiösen, wissenschaftlichen und lyrischen Sprache zu kombinieren mit einer Reihe von Dialekten und Soziolekten. Der Sprachstil des Romans lässt sich vergleichen mit der bunt zusammengewürfelten Mannschaft der Pequod: Er ist ähnlich disparat und facettenreich, wird aber - wie die Mannschaft - zusammen gehalten durch das Ziel der Reise, die Jagd auf den Weißen Wal.

Rezeption

Der Roman erschien 1851 zuerst in London und kurz danach in New York. Während die britischen Rezensionen im Ganzen eher freundlich bis neutral ausfielen, waren fast alle Besprechungen in den USA sehr negativ (wobei, ein Zeichen der noch wenig entwickelten US-amerikanischen Literaturkritik, als Beleg häufig die zwei negativsten britischen Rezensionen als autoritative Quellen zitiert wurden). Das vernichtende Urteil der US-amerikanischen Kritiker hatte vor allem zwei Gründe. Zum einen war der Literaturbetrieb in den USA seinerzeit stark religiös geprägt. Melville aber spottet in Moby-Dick immer wieder über traditionelle Religion und erklärt den Götzendienst Queequegs dem Christentum gleichwertig. Viele negative Kritiken bezogen sich hierauf. Zum anderen war Melville durch stark autobiografische Romane aus der Südsee bekannt geworden (die großen Erfolg hatten). Moby-Dick jedoch war ein ganz anderes und auch ganz neuartiges Buch, was wenn nicht auf Ablehnung, so doch auf Verständnislosigkeit stieß.

Wirkungsgeschichte

Die negative Rezeption führte dazu, dass Melville und Moby-Dick rasch in Vergessenheit gerieten. Noch in einer Geschichte der US-amerikanischen Literatur von 1909 findet sich auf 500 Seiten gerade einmal gut eine Seite über Melville; dort ist zu lesen, dass Moby-Dick (das zwar als sein "Meisterwerk" bezeichnet wird) ein "unausgeglichenes Werk von übertriebener Länge" sei, geschrieben in einem "teils bemühten Stil" (Theodore Stanton: A Manual of American Literature, S. 189).

Melville, der 1891 starb, erlebte die Wiederentdeckung seines größten Buchs nicht mehr. Sie begann allmählich ab den 1890er Jahren (als die erste Neuausgabe erschien). Bis 1919, dem 100. Geburtstag Melvilles, hatte sie bereits an Fahrt gewonnen. Ab den 1920er Jahren wurde das Buch als Klassiker der US-amerikanischen und der Weltliteratur allgemein anerkannt.

Zu diesem verspäteten Durchbruch dürfte beigetragen haben, dass Stil und Form des Moby-Dick nicht unähnlich dem mehrerer großer Romane der klassischen Modernen ist. Wie John Dos Passos, Alfred Döblin und James Joyce hat Melville in Moby-Dick versucht, die ganze komplexe moderne Welt in ihrer Vielfalt und Zersplitterung abzubilden und dieses Durcheinander gleichzeitig durch literarische Verweise auf Mythologie, Religion und alte Literatur wieder zu einem Ganzen zu formen. Ein anderer Vertreter der klassischen Moderne, William Faulkner, erklärte 1927 Moby-Dick zu dem Buch, das er am liebsten selbst geschrieben hätte.

Aus heutiger Sicht bleibt anzumerken, dass Melvilles Moby-Dick - neben Defoes Robinson Crusoe und Cervantes' Don Quijote - als Paradebeispiel für einen literarischen Stoff angesehen werden kann, dessen grobes Handlungsgerüst beinahe jedem bekannt ist, ohne jedoch für sich in Anspruch nehmen zu können, diese Bekanntheit durch das Original, sprich den Roman, erlangt zu haben. Vielmehr waren es zahlreiche Bearbeitungen für Film, TV und Hörspiel, die den Stoff dem Publikum des 20./21. Jahrhunderts nahegebracht haben.

Ausgaben

Die erste Ausgabe von Moby-Dick erschien am 18. Oktober 1851 in drei Bänden unter dem Titel The Whale bei Richard Bentley in London. In dieser Ausgabe fehlte (aus ungeklärten Gründen) der Epilog. Außerdem hatten der britische Zensor eine Reihe von kritischen Äußerungen über Monarchien entfernen lassen. Die erste amerikanische Ausgabe erschien, ohne diese Streichungen, unter dem Titel Moby-Dick; or, The Whale am 14. November 1851 in New York bei Harper & Brothers.

Heute sind zahlreiche unterschiedliche (englische und deutsche) Ausgaben erhältlich, als Taschenbuch oder gebunden, als Lese- oder als kritische Ausgabe. Die beste verfügbare kritische Ausgabe in englischer Sprache ist derzeit Moby-Dick. An Authoritative Text, hg. von Hershel Parker und Harrisson Hayford, W.W. Norton, New York, London, 2002.

Übersetzungen

Bis heute liegen acht Übersetzungen des Moby-Dick in deutscher Sprache vor.

  • Wilhelm Strüver, 1927. Etwa Zweidrittel des Textes wurden gekürzt, der Rest erheblich umgeschrieben.
  • Margarete Möckli von Seggern, 1942. Dies ist die erste, fast vollständige, jedoch recht fehlerhafte Übersetzung.
  • Fritz Güttinger, 1944. Die Ausgabe ist vollständig aber recht frei übersetzt.
  • Thesi Mutzenbecher unter Mitwirkung von Ernst Schnabel, 1946. Die Ausgabe ist gekürzt und recht frei übersetzt, in den Dialogen jedoch oft treffender als die folgenden.
  • Alice und Hans Seiffert, 1956. Eine gute Übersetzung.
  • Richard Mummendey, 1964. Eine gute Übersetzung.
  • Matthias Jendis, 2001. Eine gute Übersetzung mit zahlreichen erläuternden Anmerkungen und lehrreichem Glossar.
  • Friedhelm Rathjen, 2004. Eine übergenaue Übersetzung, die teils in philologischen Feinsinn ausartet, teils schwer lesbar ist, da das Englische allzu wörtlich übertragen wurde.

Ein guter Überblick über die Übersetzungen (mit Übersetzungsbeispielen) findet sich in einem Artikel von Dieter E. Zimmer

Verfilmungen

Des Weiteren gibt es mehrere freie Bearbeitungen des Stoffes für Film, Fernsehen und Zeichentrickfilm.

Vertonung

2004 wurde die von Raoul Gehringer komponierte Kinderoper "Moby Dick" im Wiener Musikverein durch die Wiener Sängerknaben uraufgeführt.

Literatur

  • Nathaniel Philbrick: Im Herzen der See, München 2000, ISBN 389667093X
  • Richard Brodhead (Hrsg.): New Essays on "Moby-Dick", Cambridge, 1986
  • Hershel Parker und Harrison Hayford (Hrsg.): Moby-Dick as Doubloon: Essays and Extracts (1851-1970), New York, 1970
  • Hershel Parker: Herman Melville: A Biography: 1819-1851, 1996
  • Hershel Parker: Herman Melville: A Biography: 1851-1891, 2002
  • siehe auch: Liste seemännischer Fachwörter unter Mocha Dick