Industrial Rock

Musik-Genre
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Industrial Rock und Industrial Metal (zeitweilig auch Industrial Hardcore[1] genannt) bezeichnen Spielarten der Rock-Musik, die in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre durch die Überlagerung von Punk, Hardcore Punk und Thrash Metal mit Stilelementen der Post-Industrial-Musik entstanden sind. Die Grenzen zwischen Industrial Rock und Industrial Metal sind fließend, eine genaue Trennung ist nicht möglich.

Industrial Rock/-Metal

Entstehungsphase: späte 1980er Jahre
Herkunftsort: USA · Kanada · England
Stilistische Vorläufer
Punk · Hardcore Punk · Thrash Metal · EBM · Post-Punk · Post-Industrial · Electro-Industrial
Genretypische Instrumente
E-Gitarre · E-Bass · Sequenzer · Sampler · Synthesizer · Drumcomputer

Stilistische Merkmale

Industrial Rock zeichnet sich durch die Verwendung von Rhythmusgitarren und repetitiven elektronischen Arrangements (Sequenzerlinien) aus, was der Musik einen technikbetonten Touch verleiht. Oft werden die Kompositionen mit Samples (speziell Film- und Rundfunkaufnahmen sowie Loops wie Maschinengeräusche, U-Boot-Alarm und Polizeisirenen) angereichert – ähnlich dem frühen Industrial, bei dem allerdings Tape-Loops zum Einsatz kamen. Der Gesang wird elektronisch stark verfremdet, häufig kommen ein mit Hall unterlegter Ruf- oder Schreigesang („Shouts“), manchmal aber auch Death-Growls zum Einsatz. Schlagzeuger werden für gewöhnlich durch Drumcomputer ersetzt, im Gesamtbild bleibt das Genre jedoch im klassischen Rock-Stil erhalten.[2]

Obgleich viele Industrial-Rock/-Metal-Bands von klassischen Industrial-Vertretern wie Throbbing Gristle, SPK oder Cabaret Voltaire beeinflusst wurden, war der Einsatz von Sequenzern und Samplern erst im Rahmen der Post-Industrial/Electro-Industrial-Bewegung der Mitt-1980er Jahre einer breiteren Masse möglich. Sowohl klanglich als auch produktionstechnisch ist der Industrial-Rock/-Metal daher mit Stilen dieser Ära, wie Electronic Body Music (in den USA auch Industrial Dance genannt) und dem nordamerikanischen Electro-Industrial (wie bspw. Skinny Puppy), verwandt und somit kein direkter Ableger der Industrial Music. Dieses Verwandtschaftsverhältnis zwischen amerikanischem Electro-Industrial und der Industrial-Rock-/-Metal-Musik wird durch die Nähe zur Rivethead-Kultur untermauert: die Anhänger beider Musikrichtungen gehörten in Nordamerika nicht selten derselben Szene an.

Industrial Rock/-Metal ist durch seine Rohheit gekennzeichnet. Im Gegensatz zum Nu Metal, Groove Metal oder zur Neuen Deutschen Härte wirken die Songs und Musikstücke ungeschliffen, minimalistischer und rhythmisch geradliniger („straight“). Dance-, Techno,- Breakbeat- oder Hip-Hop-Elemente, Gitarren-Soli sowie klare, melodiöse Gesangslinien sind dem Genre bis auf wenige Ausnahmen fremd.

Auf der einen Seite ist da ein nicht unerheblicher [Post-]Industrial-Einfluss, der sich in diversen Soundeffekten und einem hämmernden, gesampelten Schlagzeug äußert, womit echte Metal-Fans ziemliche Schwierigkeiten haben dürften. Auf der anderen Seite dominieren brachiale Hardcore-/Metal-Gitarren und ein äußerst rauher Gesang. Normalerweise bin ich ein Feind jeglicher Monotonie – bei Ministry, die sich oft nur auf zwei Riffs pro Song beschränken und auf Gitarrensoli, aufwendige Breaks etc. verzichten, kommt's geil rüber, weil die Kompaktheit und Härte damit nur noch unterstrichen wird.[3]

Holger Stratmann, Gründer und Herausgeber des „Rock Hard“-Musikmagazins, 1990

Geschichte

Vordenker

Die Entwicklung des Industrial Rock/-Metal wurde hauptsächlich durch Künstler aus dem Post-Industrial-Umfeld, speziell durch europäische Gruppen wie Cabaret Voltaire und Einstürzende Neubauten, vorangetrieben. Cabaret Voltaire widmeten sich nach ihrer Industrial-Phase Ende der 1970er/Anfang der 1980er verstärkt rockorientierten Klangmustern und konnten mit dem Rock-Song Nag Nag Nag einen Hit verbuchen. Die Einstürzenden Neubauten experimentierten auf ihrem 1985er Werk „Halber Mensch“ mit Gitarren-Elementen, so beispielsweise bei dem Stück Der Tod ist ein Dandy. Die Schweizer Formation The Young Gods arbeitete fast ausschließlich mit Samplern und gesampleten Gitarren-Loops und nahm bereits 1987 das charakteristische Klangbild des Industrial Rock vorweg.[4][5]

Entwicklung

Als Hauptinitiator des Industrial Rock/-Metal gelten Ministry.[6][7] Nachdem die Band in der ersten Hälfte der 1980er Jahre im Elektronik-Umfeld erste Gehversuche unternahm, veröffentlichte sie 1988 das Album „The Land of Rape and Honey“, das aufgrund der Vermischung von harten Gitarren, Stakkato-Rhythmen und Einflüssen aus EBM und Electro-Industrial für das Industrial-Rock-Umfeld stilprägend war.[8] Gemeinsam mit Skinny Puppy tourten Ministry im selben Jahr durch die Vereinigten Staaten und Kanada. Zu einer Kooperation beider Bands kam es 1989 beim Skinny-Puppy-Album „Rabies“, auf dem Ministry-Kopf Al Jourgensen die Gitarren-Parts beisteuerte und das als weiterer Wegbereiter des Genres betrachtet werden kann. Ähnlich gestaltete Projekte aus dem Umkreis von Ministry waren Pailhead (Trait, 1988), eine Kooperation zwischen Ministry und Fugazi, die 1000 Homo DJs (Apathy, 1988), ein Gemeinschaftsprojekt von Ministry, Jello Biafra (Dead Kennedys) und Trent Reznor (Nine Inch Nails), die Band Lard (Power of Lard, 1989), eine Kooperation zwischen Ministry und Jello Biafra, sowie die Revolting Cocks (Beers, Steers + Queers, 1990), bei denen Phil Owen als Sänger beteiligt war. Owen gründete im Folgejahr die Skatenigs, die eine Mischung aus Industrial Rock, Punk und Rap-Einlagen spielten, und produzierte das Debüt der Industrial-Rock-Formation Skrew (Burning in Water, Drowning in Flame, 1992). Nine Inch Nails debütierten 1989 mit „Pretty Hate Machine“. Der Opener Head Like a Hole schaffte es sogar in die Billboard-Charts; ein entsprechender Videoclip wurde in Heavy Rotation auf MTV ausgestrahlt. Parallel zu Nine Inch Nails’ „Pretty Hate Machine“ erschien das Album „Christmeister“ der kanadischen Band Numb, das eine deutlich punk-beeinflusste Form des Industrial Rock bot. KMFDM wandten sich mit den Werken „UAIOE“ (1989) und „Naïve“ (1990) dem Genre zu. Mitglieder der amerikanischen Post-Industrial-Band Controlled Bleeding starteten die Nebenprojekte Joined at the Head (Joined at the Head, 1990) und Skin Chamber (Wound, 1991), und Diatribe aus Kalifornien veröffentlichten 1991 mit „Therapy“ ihr erstes Mini-Album, dessen Titelsong im Science-Fiction-Film Strange Days Verwendung fand. Mit Pigface (Gub, 1991) formierte sich nun erstmals auch eine „Industrial-Rock-Supergroup“ mit Mitgliedern von Ministry, Skinny Puppy, Nine Inch Nails, KMFDM und den Revolting Cocks. Größere Beachtung fand das Genre jedoch erst mit Ministrys 1992er Werk „Psalm 69“. Dieses Album war wegweisend für viele nachfolgende Projekte aus dem Metal-, Electro-Industrial- und EBM-Umfeld.

Industrial Metal ist in den USA das kommende Ding, soviel scheint festzustehen. Ministry stehen kurz vor dem Superstar-Status, und Bands wie Skrew könnten ihnen bald folgen. Die Zutaten sind nämlich die gleichen: harte und fette Gitarren, monotone und kalte Synthie-Rhythmen, röchelnder und verzerrter Gesang.[9]

Frank Albrecht, „Rock Hard“-Musikmagazin, 1992

Die Öffnung erfolgte allerdings nicht nur seitens des Elektronik-Umfeldes. So spielte die Gruppe Dessau (Exercise in Tension, 1989) in der Mitte der 1980er noch Post-Punk im Stil von Joy Division. Malhavoc (The Release, 1990), die neben Dogpile (Blag Flag, 1992) zu den frühesten Vertretern des Industrial Metal in Kanada zählten, entstammten ursprünglich der Thrash-Metal-Szene und ließen sich bereits auf ihrem 1986er Demotape „Age of the Dark Renaissance“ von Industrial-Klängen inspirieren. Etwa gleichzeitig entwickelten Godflesh (Streetcleaner, 1989), Sonic Violence (Jagd, 1990) und Pitchshifter (Industrial, 1991) in Großbritannien eine experimentelle und schleppende Variante des Industrial Rock/-Metal und boten damit ein Pendant zur US-amerikanischen Sludge-Bewegung. Gruppen wie Drill (Skin Down, 1991), Bomb Everything (The All Powerful Fluid, 1992) und Optimum Wound Profile (Lowest Common Dominator, 1992) aus dem Extreme-Noise-Terror-Umfeld gingen unterdessen den umgekehrten Weg ihrer Landsleute und orientierten sich an schnellem Punk und Industrial Rock im Stil von Ministry. Mitch Harris von Napalm Death gründete die Industrial-Metal-Formation Meathook Seed (Embedded, 1993), an der auch Mitglieder von Obituary (Trevor Peres, Donald Tardy) mitwirkten, während die US-amerikanische Band O.L.D. bereits auf dem zwei Jahre zuvor veröffentlichten Album „Lo Flux Tube“ die Kombination aus harten Gitarren und Computersounds durch die Verbindung mit einem thrash- und black-metal-ähnlichen Kreisch-Gesang letztlich auf die Spitze trieb. Ebenfalls aus dem Thrash-Metal- und Hardcore-Umfeld kamen die New Yorker Bands Brainchild (Mindwarp, 1992) und Circle of Dust (Circle of Dust, 1992) sowie die Kalifornier Chatterbox (Despite, 1994) und Drown (Hold On to the Hollow, 1994).

Zu den Zentren der Bewegung in den USA entwickelten sich Chicago (vor allem das Wax-Trax!-Umfeld[10]), Kalifornien und die Boswash Area.

Blütezeit

In den Jahren 1993–1996 kam es zu einem Industrial-Rock-Boom. Zahlreiche Newcomer, wie Schnitt Acht (Slash and Burn, 1993), Soulstorm (Darkness Visible, 1993), S.T.G. (No Longer Human, 1993), Virus-23 (Virus-23, 1993), Blow (Fleshmachine, 1994), Puncture (Puncture, 1994), Penal Colony (Put Your Hands Down, 1994), Insight 23 (Obsess, 1995), Killing Floor (/dev/null, 1995), Revolter (Datamerica, 1996), Slave Unit (Slave Unit, 1996), Purge (You Know You Want To, 1996), Iron Lung Corp. (Big Shiny Spears, 1996) und Solar Junkies (Silent War with Quiet Weapons, 1997), aber auch etablierte Bands, wie The Cassandra Complex (Sex & Death, 1993), Shotgun Messiah (Violent New Breed, 1993), Killing Joke (Pandemonium, 1994) und White Zombie (Astro-Creep: 2000, 1995), wandten sich kurzzeitig dem Trend zu und verschwanden anschließend in der Versenkung.

Pouppée Fabrikk aus Schweden ließen 1993 mit dem Album „We Have Come to Drop Bombs“ ihre EBM-Phase hinter sich und fanden in den Stockholmer Sunlight Studios produktionstechnische Unterstützung bei Tomas Skogsberg, der sich unter anderem für die Alben der Death-Metal-Acts Dismember und Entombed verantwortlich zeichnet. Chemlab beschritten einen ähnlichen Weg und arbeiteten auf dem Album „Burn Out at the Hydrogen Bar“ erstmals mit Rhythmusgitarren. Mit Coptic Rain (Dies Irae, 1993) und den Genitorturers (120 Years of Genitorture, 1993) kam nun auch weiblicher Gesang in der von Männern dominierten Industrial-Rock-Szene zum Einsatz. Front Line Assembly schlossen einen Vertrag mit Roadrunner und folgten 1994 mit „Millennium“, das bis dato härteste Werk des Zweimannprojektes, an dem neben dem Einsatz von Samples auch Strapping-Young-Lad-Frontmann Devin Townsend als Gitarrist mitwirkte.

Ich mag den Sound von Metal-Gitarren. Die Gitarren klingen wie sehr kompakte Sequenzen. Es passt so gut in unsere Musik, wenn du sie samplest oder einspielst. Ein anderer Teil der Maschinerie, der sich nahtlos einfügt.[11]

Bill Leeb, Front Line Assembly, 1994

Der Einfluss Front Line Assemblys machte sich auch bei Fear Factory bemerkbar, deren 1993er Maxi-EP „Fear is the Mindkiller“ sie komplett remixten. Inspiriert durch diese Arbeit versuchten Fear Factory mit dem 1995 veröffentlichten Album „Demanufacture“ auf die bereits abflauende Industrial-Metal-Welle aufzuspringen.[12] Obwohl Skinny Puppy schon Ende der 1980er Rock-Elemente in ihre Musik einbauten und damit zu den wegweisenden Gruppen des Genres gehörten, wagten sie erst 1995 den Schritt in diese Richtung und brachten mit „Process“ ein Industrial-Rock-Album heraus.

Weitere bedeutende Vertreter des Genres waren 16 Volt (Wisdom, 1993), Testify (Testify, 1993), Treponem Pal (Excess & Overdrive, 1993), The Electric Hellfire Club (Burn, Baby, Burn, 1993), Peace, Love and Pitbulls (Red Sonic Underwear, 1994), Stabbing Westward (Ungod, 1994), Hate Dept. (Meat.Your.Maker, 1994), Monster Voodoo Machine (Suffersystem, 1994), Acumen (Transmissions from Eville, 1994), Red Harvest (There's Beauty in the Purity of Sadness, 1994), Bile (Suckpump, 1994), 13 mg. (Trust and Obey, 1995), Misery Loves Co. (Misery Loves Co., 1995), Idiot Stare (Blinded, 1995), Nihil (Drown, 1996), Under the Noise (Of Generation and Corruption, 1996), Unit:187 (Unit:187, 1996), Skold (Skold, 1996), Fracture (Killernet, 1996) und Rorschach Test (Unclean, 1996).

Neben Pouppée Fabrikk, Front Line Assembly oder Klute (Excluded, 1992) begannen bald auch andere Bands aus dem Elektro-/EBM-Umfeld damit, Elemente des Industrial Rock/-Metal für ihre Zwecke zu nutzen, darunter Yeht Mae (Anatomy, 1992), Psychopomps (Pro-Death Ravers, 1993), Sielwolf (Nachtstrom, 1993), Spahn Ranch (Collateral Damage, 1993), 29 Died (Sworn, 1995), Luxt (Jezabel Thirteen Three, 1996), Waiting for God (Quarter Inch Thick, 1996) und Terminal Sect (Bread and Wine for the Dirt, 1997). Diese Bands ließen die Gitarren entweder nur für einzelne Songs einspielen oder griffen auf Gitarrensamples im Stile der Young Gods und Swamp Terrorists zurück, um eine dem Genre entsprechende Grundstimmung zu erzeugen.

Niedergang

In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre verlor das Genre zunehmend an Bedeutung. Leitfiguren wie Ministry und Nine Inch Nails veröffentlichten nur in großen Abständen neue Alben oder veränderten ihren charakteristischen Stil.[13] Auch ein Großteil derer, die abseits des Mainstreams agierten, hatten sich nach nur zwei Alben getrennt oder auf die Verschmelzung von Rock und Electronica-/Dance-Komponenten (hauptsächlich Breakbeat-, Drum-&-Bass- und Techno-Rhythmen) spezialisiert und damit den genreprägenden Electro-Industrial-/EBM-Elementen kaum noch Platz eingeräumt.

Bereits 1995 wurde in den Musikmedien prognostiziert, dass die große Zeit des Industrial Rock vorüber sei.[14] 1996 bemängelte der Soziologe David A. Locher das Ausbleiben geeigneter Nachwuchsgruppen und die fehlende Etablierung einer eigenständigen Industrial-Rock-Subkultur.[15] Nur wenige Bands, wie Division Alpha (Fazium One, 1999), Dope (Felons and Revolutionaries, 1999), Chainsaws.and.Children (.Daca., 2000), Sulpher (Spray, 2002), Panic DHH (Panic Drives Human Herds, 2004) und Betty X (Memoirs of a Pain Junkie, 2006), versuchten den Stil in den nachfolgenden Jahren aufrecht zu erhalten – jedoch ohne nennenswerten Erfolg.

Industrial Metal ist ein Genre, das Anfang bis Mitte der Neunziger blühte und etliche Wunderwerke ausspuckte. Es ist auch ein Genre, das seit einiger Zeit in Todeskrämpfen vor sich hin zuckt und nur durch ein oder zwei gelungene Releases pro Jahr am endgültigen Abkratzen gehindert wird.[16]

Wolf-Rüdiger Mühlmann, „Rock Hard“-Musikmagazin, 1999

Die meisten Plattenfirmen, wie Fifth Colvmn Records, 21st Circuitry und Re-constriction, die sich in den 1990ern dem Genre widmeten, hatten ihre Label-Arbeit zwischen 1997 und 2000 eingestellt. Die Musikzeitschrift Rock Hard stellte im Jahr 2001 fest: „Was einst wie die Zukunft der Rockmusik aussah, ist bedauerlicherweise nur noch ein dünner Ast im Rock'n'Roll-Stammbaum.“[17]

Rezeption

Eine weitreichende Popularität erreichte das Genre nicht. Zwar konnten sich vereinzelt Gruppen wie Nine Inch Nails und Ministry in den Charts behaupten, ein Großteil der Bands sowie die Wahrnehmung des Industrial Rock/-Metal als eigenständiger Crossover-Stil blieb einem größeren Publikum allerdings verborgen.[18] Für die Metalszene war die Musik zu elektronisch gestaltet und traf somit nur auf wenig Gegenliebe. Für die Punkszene war sie zu elektronisch und zu metal-lastig, während sich die Elektro-Szene in Europa nicht mit harten Gitarren anfreunden konnte und diese als rückschrittlich betrachtete.[19][1]

Industrial Rock/-Metal fand daher überwiegend in der nordamerikanischen Rivethead-Kultur Anklang. Viele Bands waren in den USA auf Labels zu finden, die sich US-amerikanischer Electro-Industrial-Musik widmeten, darunter Wax Trax!, Fifth Colvmn, 21st Circuitry, Re-constriction und COP International. In der Mitte der 1990er nahmen sich in Deutschland relativ erfolglos Plattenfirmen wie Dynamica, Off Beat oder Out of Line dem Genre an, deutsche Bands wie Testify veröffentlichten ihre Alben aufgrund mangelnder Anerkennung fast ausschließlich in den USA.

Einfluss

Trotz seiner geringen Popularität prägte der Industrial Rock/-Metal die Musikkultur nachhaltig. Gruppen wie W.A.S.P., Fear Factory, Satyricon, Mysticum, Pain, Samael, Ulver, Danzig, Diabolicum, Aborym, Thorns, Gorgoroth und The Project Hate MCMXCIX griffen Elemente des Genres auf, um ihr Klangbild progressiv erscheinen zu lassen, und erreichten damit eine weitaus größere Akzeptanz in der Rock- und Metal-Szene als reine Industrial-Rock-Gruppen.[13]

Overall, popular heavy rock music has changed to become more „industrialized“. This robbed the industrial hardcore movement of any hopes of establishing a new identity of its own. The style is dead (or at least dying); the elements of the style continue on in new musical settings.[20]

David A. Locher, Professor für Soziologie, Missouri State University, 1998

Namensherkunft

Die Bezeichnung Industrial Rock ist seit Mitte der 1980er belegt und findet beispielsweise in dem 1985 veröffentlichten Buch „Recombinant do re mi: Frontiers of the Rock Era“ für die Musik der Gruppen Swans und Einstürzende Neubauten Erwähnung.[21] Zwei Jahre später wurde sie in der Publikation „Chambers Pocket Guide to Music Forms & Styles“ von Wendy Munro verwendet.[22] 1988 fällt sie erneut in Zusammenhang mit den Einstürzenden Neubauten in der New Jerseyer Zeitschrift „Fanfare“.

Last year, a German ‚industrial rock‘ group called Einstürzende Neubauten hit my town for a few summer gigs to the bewilderment of most who attended.[23]

Fanfare, 1988

Eine Etablierung erfuhr die Bezeichnung jedoch erst in den Jahren 1989-1991 durch die Medienpräsenz der Gruppen Ministry, Nine Inch Nails und KMFDM.[24]

Einzelnachweise

  1. a b Jonathan S. Epstein / David A. Locher: Youth Culture: Identity in a Postmodern World, S. 102, Wiley-Blackwell Publishers 1998, ISBN 1-55786-851-4
  2. Jonathan S. Epstein / David A. Locher: Youth Culture: Identity in a Postmodern World, S. 103, Wiley-Blackwell Publishers 1998, ISBN 1-55786-851-4
  3. Holger Stratmann: Rezension zu Ministrys Live-Album „In Case You Didn’t Feel Like Showing Up“, Rock Hard, Heft-Nr. 46/90
  4. Armin Johnert: Interview mit The Young Gods, New Life Soundmagazine, Ausgabe 3/92, S. 29, August 1992
  5. Maik Euscher: Die Zukunft des Rocks – Interview mit The Young Gods, New Life Soundmagazine, Ausgabe 6/95, S. 30, Juni 1995
  6. Steven Blush: Cult of Personality – Interview mit Ministry, SPIN Music Magazine, Ausgabe 10/91, S. 78, Oktober 1991
  7. Gary Graff: MusicHound Rock. The Essential Album Guide, Visible Ink Press, Oktober 1996, ISBN 0-78761-037-2
  8. Armin Johnert: Interview mit Ministry, New Life Soundmagazine, Ausgabe 3/92, S. 6, August 1992
  9. Frank Albrecht: Rezension zu Skrews Album „Burning in Water, Drowning in Flame“, Rock Hard, Heft-Nr. 64/92
  10. John Shepherd / Dave Laing / David Horn: Continuum Encyclopedia of Popular Music of the World. Pt. 2, S. 195, Continuum, April 2005, ISBN 0-82647-436-5
  11. Christian Petke: We are as hardcore as possible – Interview mit Bill Leeb, Front Line Assembly, New Life Soundmagazine, Ausgabe 3/94, S. 7, März 1994
  12. Reiner Rasche: Interview mit Fear Factory, Entry Musikmagazin, Heft-Nr. 4/98, S. 25, August/September 1998
  13. a b Jonathan S. Epstein / David A. Locher: Youth Culture: Identity in a Postmodern World, S. 114, Wiley-Blackwell Publishers 1998, ISBN 1-55786-851-4
  14. Maik Euscher: Rezension zum Album „Only Heaven“ der Band The Young Gods, New Life Soundmagazine, Ausgabe 5/95, S. 34, Mai 1995
  15. Jonathan S. Epstein / David A. Locher: Youth Culture: Identity in a Postmodern World, S. 101, Wiley-Blackwell Publishers 1998, ISBN 1-55786-851-4
  16. Wolf-Rüdiger Mühlmann: Rezension zu Division Alphas Album „Fazium One“, Rock Hard, Heft-Nr. 155/99
  17. Peter Matzke & Tobias Seeliger: Das Gothic- und Dark-Wave-Lexikon, S. 228, 2002, ISBN 3-89602-277-6
  18. Jonathan S. Epstein / David A. Locher: Youth Culture: Identity in a Postmodern World, S. 112, Wiley-Blackwell Publishers 1998, ISBN 1-55786-851-4
  19. Christian Petke: We are as Hardcore as Possible – Interview mit Bill Leeb, Front Line Assembly, New Life Soundmagazine, Ausgabe 3/94, S. 6, März 1994
  20. Jonathan S. Epstein / David A. Locher: Youth Culture: Identity in a Postmodern World, S. 115, Wiley-Blackwell Publishers 1998, ISBN 1-55786-851-4
  21. Billy Bergman, Richard Horn: Recombinant do re mi: Frontiers of the Rock Era, S. 37, Quill 1985, ISBN 0-68802-395-9
  22. Wendy Munro: Chambers Pocket Guide to Music Forms & Styles, S. 58, Larousse Kingfisher Chambers 1987, ISBN 0-55018-033-8
  23. Joel Flegler, Fanfare, Ausgabe 5/6/88
  24. Electronic Musician, Band 5, Ausgaben 7–12, S. 35, 1989