Olsztyn

Stadt in Ermland-Masuren, Polen
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Olsztyn [ˈɔlʃtɨn] anhören/? (deutsch Allenstein) ist die Hauptstadt der im Nordosten Polens gelegenen Woiwodschaft Ermland-Masuren und Sitz des Erzbistums Ermland. Mit rund 175.000 Einwohnern und ca. 270.000 in der Agglomeration ist Olsztyn auch die größte Stadt der Woiwodschaft.

Olsztyn
Wappen von Olsztyn
Olsztyn (Polen)
Olsztyn (Polen)
Einwohner Zahlenformat
Olsztyn
Basisdaten
Staat: Polen

Woiwodschaft: Ermland-Masuren
Powiat: Kreisfreie Stadt
Fläche: 87,9 km²
Geographische Lage: 53° 47′ N, 20° 29′ O keine Zahl: 176.387Koordinaten: 53° 47′ 0″ N, 20° 29′ 0″ O

Höhe: 90 m n.p.m.
Einwohner: 176,387 (30. Juni 2009[1])
Postleitzahl: 10-001 bis 11-041
Telefonvorwahl: (+48) 89
Kfz-Kennzeichen: NO
Wirtschaft und Verkehr
Straße: DK 16: Dolna Grupa–GrudziądzEłk–Ogrodniki/Litauen
DK 51: Olsztynek–Bezledy/Russland
DK 53: Olsztyn–Szczytno–Ostrołęka
Eisenbahn: Olsztyn–Pisz
Olsztyn–Bogaczewo
Nächster int. Flughafen: Danzig
Verwaltung (Stand: 2009)
Stadtpräsident: Piotr Grzymowicz
Adresse: ul. Jana Pawła II 1
10-101 Olsztyn
Webpräsenz: www.olsztyn.eu

Geographie

Geographische Lage

Olsztyn liegt im Zentrum der Woiwodschaft Ermland-Masuren am Fluss Alle (polnisch Łyna nach prußisch "linis": zool. Schlei), 125 Meter über dem Meeresspiegel am Übergang vom Ermland zum Oberland. Die umgebende hügelige Landschaft ist von der Allensteiner Seenplatte und ausgedehnten Wäldern geprägt. Die Stadt liegt rund 100 Kilometer südlich von Kaliningrad (Königsberg), 120 Kilometer östlich von Danzig und etwa 170 Kilometer nördlich der Landeshauptstadt Warschau.

Stadtgliederung

Die Stadt Olsztyn gliedert sich in 23 Stadtteile (osiedle):

Geschichte

bis 1945

 
Ehemaliges Wappen von Allenstein bis 1945

Allenstein wurde am Fluss Alne/Alle (prussisch alna: fließen) im preußischen Ermland am 31. Oktober 1353 von Johannes von Leysen im Schutz einer bereits im Aufbau (erste Bauetappe 1346 bis 1353) befindlichen Burg des Domkapitels von Ermland gegründet (Verleihung der Stadtrechte 1353).[2]

Die Allensteiner Burg war Sitz eines Verwalters des ermländischen Domkapitels und Hauptort eines der drei Kammerämter, die dem Kapitel unterstanden und zusammen mit den bischöflichen Kammerämtern das Hochstift Ermland bildeten, das als weltliches Herrschaftsgebiet dem Bischof und dem Kapitel bei der Gründung der vier preußischen Bistümer 1245 zugestanden wurde.

In den Jahren 1516–1519 bekleidete das Amt des Administrators der Neffe und Pflegesohn des ermländischen Bischofs Lucas Watzenrode, der als Astronom bekanntgewordene ermländische Domherr Nikolaus Kopernikus. Kopernikus wohnte während dieser Zeit auf der Burg Allenstein. Als Zeugnis erhielt sich dort bis heute eine auf dem Putz des Kreuzgangs der Burg gemalte astronomische Tafel zur Berechnung des Aequinoctiums. Zur Zeit des Krieges zwischen Polen und dem letzten Deutschordenshochmeister in Preußen Albrecht von Hohenzollern ging er nach Frauenburg zurück, wurde aber im Herbst des Jahres 1520 wieder nach Allenstein berufen. Der Archdiakon Bernhard Sculteti unterstützte Kopernikus mit Geschützen und Proviant, damit Schloss Allenstein in voller Unabhängigkeit von Polen selbständig behauptet werden konnte.[3] Es wurde auch nicht angegriffen und ein Waffenstillstand wurde am 7. April 1521 geschlossen. Aufgrund seiner erfolgreichen Verteidigung wurde Kopernikus zum Kommissar des Ermlands ernannt und mit dem Wiederaufbau beauftragt. Tiedemann Giese, der spätere Bischof von Ermland, war sein Assistent.

Mit der ersten Teilung Polens kam die Stadt als Teil des Ermlandes 1772 zum Königreich Preußen. Neben Königsberg und Gumbinnen wurde Allenstein 1905 Sitz des dritten ostpreußischen Regierungsbezirks. Von 1818 bis 1910 gehörte sie dem Landkreis Allenstein an und wurde dann kreisfreie Stadt.

Der Friedensvertrag von Versailles bestimmte nach dem Ersten Weltkrieg die Durchführung einer Volksabstimmung im Abstimmungsgebiet Allenstein über den Verbleib bei Deutschland oder einen Anschluss an Polen. Eine überwältigende Mehrheit stimmte für den Verbleib, in der Stadt Allenstein mit einer Zustimmung von 98 %.

 
Allenstein Altstadt um ca. 1926

1945 und danach

Anfang 1945 wurde die Stadt Kriegsschauplatz. Die Zivilbevölkerung wurde bis kurz vor Einmarsch der Roten Armee zum Durchhalten aufgefordert.[4] Durch eigenverantwortliches Handeln hatte der Landrat Horst-Günter Benkmann aber rechtzeitig zur Flucht aufgerufen und tausenden Ostpreußen das Leben gerettet.[5] Am 22. Januar 1945 wurde die Stadt von sowjetischen Truppen eingenommen. Dabei kam es zu Misshandlungen der Zivilbevölkerung durch Soldaten der Roten Armee. Zu besonders grausamen Übergriffen kam es nach Augenzeugenberichten in der zum Feldlazarett umfunktionierten Heilanstalt Kortau, wo alle Lazarett-Patienten und das Personal den Tod fanden. Dort wurden bei Bauarbeiten in den 50er Jahren mehrere kleinere und größere Massengräber entdeckt; das größte von ihnen barg 227 Leichen [6].

Bis März 1945 wurden in Allenstein durch Brandstiftung 1040 Häuser zerstört, bevor die Rote Armee die Kontrolle über die Stadt der polnischen Verwaltung übergab. Das Vorgehen der sowjetischen Armee in Ostpreußen am Ende des Krieges und die dabei geduldeten Ausschreitungen werden u. a. auch in Werken der russischen Schriftsteller Alexander Solschenizyn (Nobelpreisträger für Literatur) (vgl. sein Buch „Ostpreußische Nächte“) und Lew Kopelew (vgl. sein Buch „Aufbewahren für alle Zeit“) thematisiert, die damals selbst Soldaten und Zeitzeugen waren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden das Ermland und somit Allenstein in Folge des Potsdamer Abkommens im Jahre 1945 unter polnische Verwaltung gestellt. Es begann die Zuwanderung von Polen und Ukrainern, die anfangs aus Gebieten östlich der Curzon-Linie kamen, wo sie an ihren Heimatorten von der zuständigen Sowjetkommandantur vor die Wahl gestellt worden waren, entweder eine andere Staatsangehörigkeit anzunehmen oder auswandern zu müssen. Die deutschen Einwohner, die noch nicht während des letzten Kriegsjahres geflohen waren, wurden danach aufgrund der Bierut-Dekrete vertrieben. Die Stadt wurde offiziell in Olsztyn umbenannt, wie sie in polnischen Kreisen bereits seit dem 18. Jahrhundert bezeichnet wurde, und Hauptstadt der Wojewodschaft Olsztyn. Die letzten Einheiten der Sowjetarmee verließen die Stadt im Jahre 1956. Mit der Regionalisierung Polens entstand 1999 die Wojewodschaft Ermland-Masuren mit Regierungssitz in Allenstein/Olsztyn. Im gleichen Jahr wurde hier die Universität Ermland-Masuren gegründet. Im Zuge der Demokratisierung wurde die Allensteiner Gesellschaft der deutschen Minderheit als Vertretung der in der Stadt ansässigen Deutschen gegründet. Dieser gehörten im Juni 2007 3280 Personen an, jedoch bezeichneten sich in der letzten polnischen Volkszählung 2002 in der Stadt Olsztyn nur 431 Personen als Deutsche.[7]

Entwicklung der Einwohnerzahl

 
Einwohnerentwicklung von Olsztyn
 
Rathaus Olsztyn


Bürgermeister bis 1945

  • Andreas Petrus Grunenberg, 1809–1818
  • Karl Anton Ehlert, 1818–1835
  • Jakob Rarkowski, 1836–1865
  • Sakrzewski, 1866–1875
  • von Roebel 1875–1877
  • Oskar Belian, 1877–1908
  • Georg Zülch, 1908–1932
  • Dr. Gilka, 1932–1933
  • Friedrich Schiedat, 1933–1945

Wirtschaft und Infrastruktur

Wirtschaftlich bedeutend waren lange Zeit die an Michelin beteiligte ReifenfabrikStomil“ sowie die holzverarbeitende Industrie. Zunehmend profitiert die Stadt aber auch vom Fremdenverkehr, der sich zu einem neuen Wirtschaftszweig entwickelte. Eine gute Anbindung besteht über den Flughafen Danzig (Gdańsk), aber auch durch die Express-Busverbindungen zwischen vielen großen Städten wie Warschau, Danzig oder Kaliningrad. Olsztyn ist Sitz verschiedener kultureller und wissenschaftlicher Einrichtungen, wie des deutsch-polnischen Verbandes Borussia. In Olsztyn gibt es auch eine Lebensmittelproduktion wie von Honig oder gefrorenen Produkten von Chłodnia Olsztyńska.

Verkehr

In der Stadt kreuzen sich die Fernstraßen DK16, DK51 und DK53.

Von der elektrifizierten, zweigleisigen Hauptstrecke Toruń/Thorn – Sowetsk/Tilsit, einer 1873 errichteten Zweigstrecke der ehemaligen Preußischen Ostbahn mit den Abschnitten Bahnstrecke Toruń–Olsztyn und Bahnstrecke Olsztyn–Korsze zweigen hier nach Südosten die Bahnstrecke Olsztyn–Pisz sowie nach Nordwesten die Bahnstrecke Bogaczewo–Olsztyn, die Teile der Querverbindung Danzig-Marienburg-Allenstein-Lyck bilden.

Sehenswürdigkeiten

 
Schloss Olsztyn
 
St.-Jakobus-Kirche
 
Herz-Jesu Kirche
  • In der ehemaligen Ordensburg des ermländischen Domkapitels mit zwei mittelalterlichen Backsteinflügeln und einem barock-klassizistischen Flügel aus dem 18. Jahrhundert ist das Museum für Ermland und Masuren untergebracht.
  • Die St.-Jakobus-Kirche wurde Anfang des 15. Jahrhunderts errichtet und ist heute neben dem Frauenburger Dom erzbischöfliche Konkathedrale. In dem gotischen Backsteinbau sind beachtliche Zellengewölbe erhalten.
  • Das Hohe Tor sowie erhaltene Abschnitte der mittelalterlichen Stadtmauer
  • Altes Rathaus, spätgotisch, restauriert zum 750. Jubiläum der Stadtgründung 2003
  • Barocke Jerusalem-Kapelle
  • Neugotische evangelische Kirche, 1876/1877 errichtet, 1899 ausgebaut
  • Neugotische Herz-Jesu-Kirche vom Königsberger Architekt Heitmann 1902–1905
  • Neuromanische Josephskirche von Heitmann 1912
  • Neubarockes Neues Rathaus 1912–1916 mit dem so genannten Russenerker (Originalreliefs mit den die Kriegsereignisse 1914 darstellenden Szenen nicht mehr erhalten)
  • Theater, errichtet als "Treudank"-Theater 1925
  • Der Sendemast für UKW und TV in Olsztyn-Pieczewo ist mit einer Höhe von 360 Metern seit dem Einsturz des Sendemasts von Radio Warschau in Konstantynów das höchste Bauwerk in Polen.

Städtepartnerschaften

Persönlichkeiten

Ehrenbürger

  • Karl Roensch (1858–1921), lebte ab 1885 in Allenstein, dort Fabrikbesitzer, Stadtverordnetenvorsteher, Handelskammerpräsident, Ehrenbürger

Söhne und Töchter der Stadt

Sonstige mit der Stadt in Verbindung stehende Persönlichkeiten

  • Johannes von Leysen (1310–1388), Stadtgründer
  • Nikolaus Kopernikus (1473–1543), residierte 1520 als Kanzler des Ermländer Domkapitels in Allenstein
  • August Trunz (1875–1963), Landwirtschaftsrat und Gründer der Prussica-Sammlung Trunz
  • Hubert Hönnekes (1880–1947), Oberlehrer an der Kopernikus-Schule, Mitglied des Ostpreußischen Provinziallandtages, Mitglied des Deutschen Reichstages 1930–1933
  • Maximilian Kaller (1880–1947), von 1930–1947 Bischof von Ermland
  • Günter Wand (1912–2002), dirigierte hier in seinen frühen Jahren
  • Józef Glemp (* 1929), zwischen 1979 und 1981 Bischof von Ermland mit Sitz in Olsztyn
  • Rudolf Bażanowski (* 1953), seit 1992 Bischof der Diözese Masuren der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, ist seit 1997 in Olsztyn tätig.

Sport

 
Hala Urania

In Olsztyn sind mehrere Sportvereine ansässig. Der bekannteste dürfte wohl der OKS 1945 Olsztyn (ehemals Stomil Olsztyn) sein. Der Klub spielte insgesamt acht Saisons in der Ekstraklasa der höchsten polnischen Fußballliga und sieben Saisons in der zweiten Liga. Momentan spielt der Klub in der dritten Liga. Daneben spielt in Olsztyn der fünffache polnische Volleyball-Meister und siebenfache Pokalsieger PZU AZS Olsztyn, der auch acht Vize-Meisterschaften und acht dritte Plätze vorweisen kann. Der Klub spielt regelmäßig um die polnische Volleyball-Meisterschaft und nimmt an internationalen Wettbewerben teil. Der Klub stellt mehrere polnische und internationale Volleyball-Nationalspieler und spielt wie der Handball-Erstligist OKPR Traveland-Spolem Olsztyn in der Hala Urania. Dies ist eine Mehrzweckhalle, die ca. 2.500 Zuschauern Platz bietet. In Olsztyn findet jährlich das Hubert Wagner Memorial statt, ein internationales Volleyball-Turnier. Außerdem ist Olsztyn eine Etappe der Tour de Pologne.

Verweise

Siehe auch

Literatur

  • Anton Funk: Geschichte der Stadt Allenstein 1348–1943. Scientia-Verlag, 1979, ISBN 3-511-09071-7
  • Stanislaw Piechocki: Czysciec zwany Kortau [Eine Hölle, genannt Kortau]. Olsztyn: Ksiaznica Polska 1993, ISBN 83-85702-02-4, 154 Seiten. (Das Buch – nur in polnischer Sprache erhältlich – wird durch 59 Abbildungen und eine Zusammenfassung in deutscher Sprache ergänzt.)
  • Stanislaw Piechocki: Magisches Allenstein. Olsztyn 2008, ISBN 978-83-87031-27-5
Commons: Olsztyn – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten

  1. „LUDNOŚĆ - STAN I STRUKTURA W PRZEKROJU TERYTORIALNYM“, Stand vom 30. Juni 2009 (WebCite)
  2. Heinrich Gottfried Philipp Gengler: Regesten und Urkunden zur Verwaltungs- und Rechtsgeschichte der deutschen Städte im Mittelalter, Erlangen 1863, S. 20.
  3. Stimmen aus Maria Laach, Verteidigung Schloß Allenstein unabhängig von Polen
  4. http://images.zeit.de/text/2005/03/A-Flucht_45 "Schickt Schiffe" ZEIT-Online 3/2005
  5. R. Albinus: Königsberg Lexikon. Würzburg 2002
  6. (Quelle: S. Piechocki, s. Literaturangaben)
  7. Vgl. Polnisches Hauptstatistikamt (GUS)
  8. Supplemente zum Universal-Lexikon oder Enzyklopädischen Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe. Herausgegeben von H. A. Pierer, bearbeitet von Franz Dornberger. Altenburg 1841, 1. Band, S. 180.
  9. Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage, , Band 1. Leipzig und Wien 1906, S. 345.
  10. Der Große Brockhaus. 15. Auflage, 1. Band. Leipzig 1928, S. 302.
  11. Der Große Knauer. Droemer, München 1966, Band 1, S. 68.