Der erste deutsche polizeiliche „Nachrichtendienst für die Sicherheitspolizei in Bezug auf Zigeuner“ Kurzform: "Zigeunerzentrale" wurde 1899 in der Polizeidirektion München gegründet.[1] Ihr Ziel war es der herbeifantasierten "Zigeunerpalage"[2] mit Hilfe polizeilicher Mittel, vor allem dem Aufbau einer Kartei mit Personendaten Herr zu werden. Die Erfassung führte im polizeilichen Alltag zu einer Gleichstellung von „Zigeunern“ und „nach Zigeunerart umherziehenden Personen“ mit Serienstraftätern.[3]
Im Dritten Reich wurde sie als "Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens" ab 1936 durch den Runderlass zur Neuordnung der Reichskriminalpolizei in das neu gegründete Reichskriminalpolizeiamt (RKPA) in Berlin, das wiederum das Amt V des Reichssicherheitshauptamtes bildete, eingegliedert[4] und war zusammen mit der Rassenhygienische Forschungsstelle (RHF) eine der zentralen Organisationen des Porajmos (Völkermord an Sinti und Roma).
In personeller[5] und aktenmäßiger[6] Kontinuität wurde die "Zigeunerstelle" unter der ebenfalls dem NS-Sprachgebrauch stammenden Bezeichnung "Landfahrerstelle" seit 1946[7][8] wiederum in München weitergeführt, bis sie 1970 als verfassungswiedriger Teil des bayrischen Landeskriminalamt aufgelöst wurde.[9][10][11] Ihre Personenakten wurden nach der Auflösung illegal an Tsiganologen weitergereicht, die in der Tradition der RHF standen.[12]
Gründung
1899 entstand unter Leitung von Alfred Dillmann in München der „Nachrichtendienst für die Sicherheitspolizei in Bezug auf Zigeuner“ der kurz „Zigeunerzentrale“ genannt wurde.[13]
, der mit der Anlage einer Kartei aller „Zigeuner“ in Deutschland begann, die älter als sechs Jahre waren. Neben erkennungsdienstlichen Daten wurden auch genealogische Daten und vor allem Informationen zur Delinquenz gesammelt. 1905 wurde aus dieser Sammlung Dillmanns Zigeuner-Buch kompiliert, das Einzelangaben zu 3.350 Personen enthielt und das den Polizeidienststellen zur Verfügung gestellt wurde.[14]
. Im Jahre 1899 nahm dann das Ideal einer totalen Überwachung aller „Zigeuner“ und „nach Zigeunerart umherziehenden“ Personen konkrete Gestalt an. Die „Zigeunerzentrale“ der Polizeidirektion München systematisierte und zentralisierte die Ermittlungs- und Erfassungsarbeit ganz Bayerns sowie der süddeutschen Staaten. Albrecht beschreibt sehr anschaulich die allmähliche Ausweitung der sicherheitspolizeilichen Kompetenzen um einen staatsanwaltschaftlichen und schließlich auch standesamtlichen Nachrichtendienst. Bayern verstand sich selbst schließlich als Motor einer reichsweiten Koordinierung, wenn auch das Ziel, eine „Reichszigeunerzentrale“ mit Sitz in München zu gründen, auf der „Zigeunerkonferenz“ von 1911 am preußischen Widerstand scheiterte (S.179-182). Doch auch die erwünschte Kontrolle über Bayern stieß in der Praxis auf deutliche Grenzen, wie aus wiederholten Klagen des Innenministeriums hervorgeht. Eine Schlüsselrolle kam hierbei den Bezirksämtern zu, da deren Vertreter „im Laufe ihrer Amtstätigkeit mit Reisenden direkt in Kontakt kamen“ (S. 9). Diesen wurde immer wieder vorgeworfen, zu großzügig Wandergewerbescheine und ähnliche Legitimationen an „inländische Zigeuner“ auszustellen. Und auch von der anempfohlenen Möglichkeit, „Zigeuner“ wegen Landstreicherei oder Bettelei in Arbeitshäuser einzuweisen, wurde aus ministerieller Sicht zu wenig Gebrauch gemacht. Den Grund für die lasche Amtspraxis in den Gemeinden sieht Albrecht mit gutem Recht im unüberwindbaren Dissens zwischen zentraler und lokaler Ebene (S.233). Letztere empfand die Ministerialverordnungen als kostenaufwändige Belastung und war daher tunlichst bemüht, „Zigeuner“ möglichst von ihrem Amtssprengel fernzuhalten oder zumindest deren Aufenthaltsdauer zu begrenzen. Aus dieser Motivation erklären sich auch die regelmäßigen Rügen an die örtliche Gendarmerie, die Meldepflicht zu umgehen, um eine langwierige Identitätsrecherche zu vermeiden. http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-1-081
Nebenbei gelingt es Albrecht immer wieder, gängige Vorurteile durch nüchterne Fakten und Zahlen zu widerlegen. Allen voran ist hier das politische Schlagwort „Zigeunerplage“ zu nennen. Die damit suggerierte Überflutung der Länder hält keiner statistischen Erhebung stand, was den polizeilichen Aufwand als vollkommen unverhältnismäßig entlarvt (S. 287). Ähnlich verhält es sich mit dem häufig wiederkehrenden Vorwurf der Brandstiftung durch bettelnde „Zigeuner“, den Albrecht durch kriminalistische Statistiken entwaffnet: für den gesamten Untersuchungszeitraum ist ein einzelner Prozess gegen wandernde „Zigeuner“ überliefert (S. 261-263). In mentalitätsgeschichtlicher Interpretation verweist Albrecht hierbei auf den traditionellen Aberglauben der ländlichen Bevölkerung, wonach „Zigeuner“ über magische Kräfte über das Feuer verfügten. Auch hier haben wir es unterdessen mit einem ethnisch orientierten „Zigeuner-Mythos“ zu tun.
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-1-081
Räterepublik: Die Akten werden verbrannt
Wien
aus Wikipedia Porajmos Das seit 1899 bestehende bayerische Amt für Zigeunerangelegenheiten in München wurde in der Weimarer Republik 1929 zur Zentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens umgeformt und kooperierte fortan eng mit einer entsprechenden Behörde in Wien. Dieses Amt ermächtigte die Polizei, Roma und Sinti ohne feste Arbeitsstelle zu Zwangsarbeit zu verpflichten.
1936
Der Runderlass zur Neuordnung der Reichskriminalpolizei war ein Erlass des Reichsministers des Innern vom 20. September 1936 (RMBliV. 1936 S. 1339), der die organisatorische Selbständigkeit der Kriminalpolizei der deutschen Länder beseitigte und sie einem zentralen und einheitlichem Vollzugsdienst der Reichskriminalpolizei unterstellte. ... i) Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens ... Für die Zigeunerpolizeistelle bei der Polizeidirektion in München bezüglich der Angliederung an das RKPA wurde ein Sondererlass angekündigt (dieser Sondererlass stammte vom 16. Mai 1938 (RMBliV 1938 S. 883, Mitteilungsblatt A S. 72) und kam vom Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei[2]). Runderlass zur Neuordnung der Reichskriminalpolizei
1938
8. Dezember 1938: Runderlass Himmlers zur systematischen Erfassung und erkennungsdienstlichen Behandlung aller "Zigeuner" im Reichsgebiet. Die Zigeunerpolizeistelle in München wird bereits am 16. Mai dem Reichskriminalpolizeiamt eingegliedert. http://kz-gedenk-mdf.business.t-online.de/Information/chronik.htm
Am 22. Februar 1950 legten die bundesdeutschen Finanzministerien den „Runderlass E 19 an die Wiedergutmachungsbehörden“ vor: „Die Prüfung der Wiedergutmachungsberechtigung der Zigeuner und Zigeuner-Mischlinge nach den Vorschriften des Entschädigungsgesetzes hat zu dem Ergebnis geführt, dass der genannte Personenkreis überwiegend nicht aus rassischen Gründen ... verfolgt und inhaftiert wurden." Als Prüfinstanz für "Wiedergutmachungsanträge von Zigeunern und Zigeuner-Mischlingen" wurde das Landesamt für Kriminal-Erkennungsdienst in Stuttgart in Zusammenarbeit mit dem Zentralamt für Kriminal-Identifizierung und Polizeistatistik in München und die Landfahrerpolizeistelle der Landespolizei in Karlsruhe" bestimmt. Damit waren die Deportationsorganisatoren Paul Werner (Stuttgart), Wilhelm Supp und Josef Eichberger (München) sowie Leo Karsten (Karsruhe) beauftragt, in Entschädigungsverfahren richtungweisende Vorentscheidungen zu treffen.[15]
Am 22. Februar 1950 legten die bundesdeutschen Finanzministerien den „Runderlass E 19 an die Wiedergutmachungsbehörden“ vor: „Die Prüfung der Wiedergutmachungsberechtigung der Zigeuner und Zigeuner-Mischlinge nach den Vorschriften des Entschädigungsgesetzes hat zu dem Ergebnis geführt, dass der genannte Personenkreis überwiegend nicht aus rassischen Gründen ... verfolgt und inhaftiert wurden." Als Prüfinstanz für "Wiedergutmachungsanträge von Zigeunern und Zigeuner-Mischlingen" wurde das Landesamt für Kriminal-Erkennungsdienst in Stuttgart in Zusammenarbeit mit dem Zentralamt für Kriminal-Identifizierung und Polizeistatistik in München und die Landfahrerpolizeistelle der Landespolizei in Karlsruhe" bestimmt. Damit waren die Deportationsorganisatoren Paul Werner (Stuttgart),
1939 Teil des RSHA?
Während der Herrschaft der Nationalsozialisten war auch die deutsche Polizei gleichgeschaltet. Dafür wurde 1939 das Reichssicherheitshauptamt unter der Führung von Reinhard Heydrich gegründet und Kriminalpolizei, Gestapo sowie Sicherheitsdienst des Reichsführers SS zusammengeführt. Chef des Reichskriminalpolizeiamtes (RKPA) wurde Arthur Nebe, der nebenbei als Chef der SS-Einsatzgruppe B mindestens die in den entsprechenden Einsatzberichten gezählten 45.467 Mordopfer zu verantworten hatte.[16]
Mit Erlass Himmlers vom 27. September 1939 setzte sich das RSHA ab dem 1. Oktober 1939 wie folgt aus den bisherigen Hauptämtern Sipo und SD zusammen: ...
- Amt V (Kriminalpolizei): Arthur Nebe Reichskriminalpolizeiamt
übernahme
Als vorletzter Schritt erfolgte durch Erlass des preußischen Innenministers vom 20. September 1936 die Trennung des preußischen LKPA vom Berliner Polizeipräsidium und dessen Beauftragung mit der „fachlichen Leitung der Kriminalpolizei aller deutschen Länder“. Am 16. Juli 1937 wurde dann endgültig das preußische LKPA in das Reichskriminalpolizeiamt umgewandelt. Die personelle Ausstattung umfasste 1939 302 Kriminalbeamte, 24 Verwaltungsbeamte, 62 Angestellte und 24 sonstige Mitarbeiter.
Im Zug der Verschmelzung von Partei- und Staatsaufgaben und der Transformation staatlicher in „führerunmittelbare“ Organisationen, wurde schließlich das RKPA zusammen mit der Geheimen Staatspolizei zunächst im Hauptamt Sicherheitspolizei zusammengefasst und am 27. September 1939 als Amt V in das neugeschaffene Reichssicherheitshauptamt (RSHA) integriert. Chef des RSHA wurde Reinhard Heydrich. Leiter des preußischen LKPA, des RKPA und schließlich des Amtes V des RSHA war seit 1935 bzw. 1937 Arthur Nebe. Quelle: Reichskriminalpolizeiamt
Hinweis Interpol
Auch nach der Machtübernahme Dollfuß' und der Errichtung des österreichischen Ständestaates blieb die Organisation bestehen. Nach dem Anschluss und der Eingliederung Österreichs in das Dritte Reich wurde der bisherige Interpol-Präsident Michael Skubl abgesetzt und unter Hausarrest gestellt. Sein Nachfolger wurde der österreichische Nationalsozialist Otto Steinhäusl. Nach dessen baldigem Tod wurde der Sitz der IKPK von Wien nach Berlin-Wannsee verlegt. In einem der zwei von der IKPK genutzten Häuser fand die Wannseekonferenz betreffend die Endlösung der Judenfrage statt. In Berlin wurde die IKPK durch den SS-General Reinhard Heydrich präsidiert, nach dessen Tod durch ein Attentat des tschechischen Widerstands in Prag durch den SS-General Ernst Kaltenbrunner, der nach dem Krieg in Nürnberg gehängt wurde. Die Akten der IKPK, die nach Berlin überführt wurden, etwa die so genannte internationale Zigeunerregistratur, aber auch die Akten betreffend Falschmünzerei und Passfälschung waren für die Nazis hilfreich bei der Verfolgung bestimmter Personengruppen, sowie bei ihrer massenweisen Herstellung von Falschgeld und von falschen Pässen im KZ Sachsenhausen bei Berlin.
Restauration die Zigeunerstelle
"Mit der Errichtung des dem In- nenministerium unterstellten Landeserkennungsamtes Bayern im Mai 1946 wurde hier auch die Nachrichtenstelle iiber Zigeuner untergebracht50. Diese Stelle arbeitete im Rahmen der Polizeidirektion Miinchen seit 1899."[17]
Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 entfielen die allierten Beschränkungen die rassistische NS-Gesetze aufgehoben hatten. Die deutschen Innenministerien nahmen sogleich die Gründung einer "Bundeszentrale zur Bekämpfung der kriminellen Landfahrerei" sowie eines "Nachrichtendienstes und einer zentralen Registrierungsstelle" in Angriff.[18]
Polizei und die Abteilungen fiir 6ffentliche Sicherheit bei den Innenbeh6rden wollten praktisch die Zigeunerpolitik aus den Tagen der Weimarer Republik mit politischen Einschrin- kungen, die sich aus der allgemeinen Politik der Alliierten ergaben, wieder in Kraft setzen.
Brief ab Uschhold Zentralamt für Krim. Identifizierung u. Polizeistatistik, Abt. Zigeunerpolizei,
[19]
Einzelnachweise
- ↑ Till Bastian: Sinti und Roma im Dritten Reich S. 21
- ↑ xxxxx
- ↑ Rezension von Martin Holler zu: Marion Bonillo: "Zigeunerpolitik" im Deutschen Kaiserreich 1871-1918.[1]
- ↑ Runderlass vom 20. September 1936 (RMBliV. 1936 S. 1339) bzw. Sondererlass zur "Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens" vom 16. Mai 1938 (RMBliV 1938 S. 883)
- ↑ Beispielsweise: Wilhelm Supp und Josef Eichberger die von der Reichzentrale in Berlin in die "Landfahrerzentrale" in München wechselten. Belegt in [http://www.bka.de/kriminalwissenschaften/veroeff/inh/sonstiges_pdf/12_22_das_bundeskriminalamt_stellt_sich_seiner_geschichte.pdf Bundeskriminalamt (Hrsg.): Das Bundeskriminalamt stellt sich seiner Geschichte. Dokumentation einer Kolloquienreihe, Köln 2008, S. 140.
- ↑ Henke 1993, S. 67
- ↑ Henke 1993, S. 67
- ↑ Bei Hitler waren wir wenigstens Deutsche. Zigeuner in der Bundesrepublik - noch immer verfolgt? In: Der Spiegel vom 22.10.1979
- ↑ Hohmann 1988, S.203
- ↑ Romani Rose: Bürgerrechte für Sinti und Roma. 1987, S. 123
- ↑ Arnold 1978, S. 4 nach Arnold Spitta S. 188 und 323, in Tillman Zülch: In Auschwitz vergast, bis heute verfolgt. Reinbeck 1979
- ↑ Institut für Zeitgeschichte München: Gilad Margalit: Die deutsche Zigeunerpolitik nach 1945, Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Heft 4/1997 (PDF 7,2MB)
- ↑ Till Bastian: Sinti und Roma im Dritten Reich S. 21
- ↑ www.romahistory.com Hans Hesse, Jens Schreiber: Vom Schlachthof nach Auschwitz: die NS-Verfolgung der Sinti und Roma aus Bremen, Bremerhaven und Nordwestdeutschland.
- ↑ [http://www.bka.de/kriminalwissenschaften/veroeff/inh/sonstiges_pdf/12_22_das_bundeskriminalamt_stellt_sich_seiner_geschichte.pdf Bundeskriminalamt (Hrsg.): Das Bundeskriminalamt stellt sich seiner Geschichte. Dokumentation einer Kolloquienreihe, Köln 2008, S. 140.
- ↑ Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer Verlag. Frankfurt am Main 2003, S. 430 u. 660.
- ↑ GILAD MARGALIT: DIE DEUTSCHE ZIGEUNERPOLITIK NACH 1945 S. 568 http://www.jstor.org/stable/pdfplus/30197480.pdf?acceptTC=true
- ↑ GILAD MARGALIT: DIE DEUTSCHE ZIGEUNERPOLITIK NACH 1945 S. 572-573 http://www.jstor.org/stable/pdfplus/30197480.pdf?acceptTC=true
- ↑ GILAD MARGALIT DIE DEUTSCHE ZIGEUNERPOLITIK NACH 1945 S. http://www.jstor.org/stable/pdfplus/30197480.pdf?acceptTC=true
Quellenkruscht
Ausführungsanweisung des Reichskriminalpolizeiamts (RKPA), 1.3.1939, gedruckt bei Döring: Zigeuner, 201ff. Zu den Kriminalpolizeileitstellen vgl. Patrick Wagner: Volksgemeinschaft ohne Verbrecher. Konzeptionen und Praxis der Kriminalpolizei in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus, Hamburg 1996, 235ff.