Stuppacher Madonna

Marienbild von Matthias Grünewald
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Die Stuppacher Madonna ist ein Gemälde von Matthias Grünewald und ist zwischen 15171519 entstanden. Das Werk befindet sich heute in der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt in Stuppach nahe Bad Mergentheim. Bilduntergrund ist Tannenholz, das mit einer Leinwand überzogen ist. Die Maße sind 185 auf 150 Zentimeter. Der heutige Rahmen ist neugotisch. Sägespuren am unteren Rand weisen daraufhin, dass ein etwa fünf Zentimeter breiter Streifen an diesem Bild entfernt wurde.

Die Stuppacher Madonna von Matthias Grünewald

Entstehungs- und Besitzgeschichte

Die Entstehung des Gemäldes ist umstritten. Lange war man davon überzeugt, dass es in Aschaffenburg für die dortige Stiftskirche als ursprünglicher Mittelteil des Altartriptychons "Maria-Schnee-Altar" geschaffen wurde.

Grünewald schuf dieses Gemälde ursprünglich im Auftrag des Großmeisters des Deutschen Ritterordens Walter von Cronberg für die Spitalskriche zu Sachsenhausen bei Frankfurt.

1530 ging das Gemälde als Geschenk des Mainzer Kurfürstbischofs Albrecht von Brandenburg in den Besitz des Deutschen Ordens über. 1809 kam es in den Besitz des ehemaligen Deutschordens-Priesters Balthasar Blumhofer, der es für seine Pfarrkirche "Maria Krönung" erwarb, wo es seit 1812 als Altarbild dient.

Bildaufbau

Das Gemälde ist durch eine Diagonale von links unten nach rechts oben in zwei Hälften geteilt. Die rechte Bildseite, auf der sich unter anderem die Kathedrale befindet, wirkt dunkler und schwerer. Sie scheint sich in größerer Nähe zum Betrachter zu befinden. Die linke Seite erscheint durch ihre Farbgebung heller und ätherischer. Eine zweite Sichtdiagonale, die weniger auffällig ist, verläuft von rechts unten nach oben ebenfalls entlang des Mantels .

Optischer Mittelpunkt des Bildes ist Maria mit dem Kinde, die mit ihrem ausgebreiteten Mantel ein Dreieck bildet. Der Baum zu ihrer rechten Seite folgt in leichter Schwingung ihrer Körperkontur. Ihr Kopf befindet sich im Schnittpunkt der beiden Diagonalen. Exakt in der physischen Bildmitte befinden sich die Hände. Vor dem Hintergrund des Mantels bilden sie in diesem Bild den stärksten Hell-Dunkel-Kontrast. Die Haltung der Finger dieser Hand wie auch der Hand, die das Jesuskind stützen, wirken in ihrer Spreizung unnatürlich.

Bildobjekte

 
Detail der Stuppacher Madonna: Die als Bildhintergrund gemalte Kathedrale

Das akribisch naturalistisch gemalte Bild zeigt Maria, die auf einem Brunnenrand sitzt. Sie trägt ihr langes, blondes Haar offen und keine Krone krönt ihr Haupt. Der Kopf ist dem Kind zugewandt, dass uf ihrem Schoß steht und dem sie mit der linken Hand einen Granatapfel reicht. Mit der rechten Hand hält sie das Jesuskind, wobei die Finger in unnatürlicher Haltung gespreizt sind. Mit ebenso unnatürlicher Fingergestik greift das Kind in Richtung Granatapfel und weist gleichzeitig mit seinen Fingern auf den dargestellten Baum. Über dem Kopf Marias wölbt sich ein Regenbogen, darunter ein angedeuteter Heiligenschein. Am linken oberen Bildrand öffnet sich der Himmel; Gottvater und Engel sind erkennbar.

Rechts von Maria befindet sich ein Baum, dessen Krone durch den oberen Bildrand abgeschnitten ist. Er trägt gleichzeitig Laub, Blüten und Früchte. An der Wurzel des Baumes steht ein Gefäß mit Blumen. Eindeutig zu identifizieren sind Rosen und Madonnenlilien. Im Hintergrund des Baumes ist eine Kathedrale mit weit vorspringenden Strebebögen erkennbar, die vom rechten Bildrand teilweise abgeschnitten ist. Kunsthistoriker haben in der dargestellten Kathedrale sowohl Details des Straßburger Münster als auch des Mainzer Doms entdeckt.

Links sieht man eine Porzellanschale, in der ein Rosenkranz liegt, sowie einen Krug. Darüber ist ein Garten mit einem geschlossenen Tor erkennbar, Bienenstöcke und darüber eine Landschaft mit Dorf, Gebirge, einem in der Ferne angedeutetem Meer.

Bildsymbolik

Bildaussage: Maria als Mutter der Kirche

Wie für Gemälde dieser Zeit typisch, besitzen die meisten der auf diesem sorgfältig durchkomponierten Bild dargestellten Objekte eine tiefere Symbolik. Die Allegorese ist hier allerdings sehr vielschichtig und hebt sich damit von zeitgenösischen Madonnendarstellungen ab. Die Symbolik einzelner Gegenstände erschließt sich teilweise nur in Zusammenhang mit der Symbolik anderer auf dem Bild dargestellter Objekte und läßt Spielraum für eine Reihe unterschiedlicher Leseweisen. Die verwendete Bildsprache war zumindest einem Teil der theologisch gebildeten Zeitgenossen Grünewalds geläufig. Neben der reinen Betrachtung diente das Bild daher zur Meditation über Glaubensinhalte.

Kunsthistorisch besteht heute weitgehend Konsens, dass die zahlreichen Details des Bildes darauf hinweisen, dass Grünwalds Gemälde als eine Darstellung Mariens als Mutter der Kirche zu interpretieren ist.

Das Lächeln Marias und das Spiel des Kindes

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Leonardo da Vinci, Felsgrottenmadonna, etwa 1483- 1486, Paris, Louvre

Auf den unvoreingenommenen Betrachter wirkt das leichte Lächeln Marias, das auf zahlreichen mittelalterlichen Madonnendarstellungen zu sehen ist, als das Festhalten des subjektiven Gefühlsausdruckes einer selbstvergessenen Mutter, die mit ihrem Kind spielt. Es erscheint in ähnlicher Weise beispielsweise bei Raffaels "Madonna im Grünen" oder bei Leonardo da Vincis "Felsgrottenmadonna". Dieses malerisch so häufig festgehaltene Lächeln, das auf viele heutige Betrachter gelegentlich kitschig wirkt, ist der malerische Ausdruck einer langwährenden theologischen Überlegung. Schon die Kirchenväter und die Mystiker hatten sich mit dem Verhältnis Marias zu ihrem Kind auseinandergesetzt und sich mit der Frage beschäftigt, welche Rolle dabei Spielen und Lächeln spielte.

Sieh, unter dem lieben
Weinstock, o Christus,
spielt voller Frieden,
behütet im Garten
die heilige Kirche

heißt es schon bei dem Mönch Notker.

Konsens war, dass sich im Lächeln die göttliche Weisheit und Gelassenheit manifestierte und dass der leidende Gott auch ein spielender Gott, ein "Deus ludens" war. So spielt bei Raffael das Jesuskind mit dem Kreuz, während bei Grünewald das spielende Kind mit seinen gespreizten Fingern nicht nur nach dem Granatapfel greift, sondern mit dieser Geste gleichzeitig auf den Baum verweist. Das spielende Kind auf dem Schoß der Mutter steht dabei auf schwerem, kostbar verbrämten Brokat und über ihm öffnen sich die Wolken, um den Blick auf den Gottvater freizugeben. Im Alten Testament ist die Wolke Symbol der Gegenwart Gottes, während sie im Neuem Testament auf seine Vergegenwärtigung hinweist. Gleichzeitig sind Wolken jedoch auch ein Symbol der Jungfräulichkeit.

Der Granatapfel

Das Jesuskind der "Stuppacher Madonna" spielt mit einem Granatapfel. Grünewald weicht damit von der gängigen Bildsymbolik ab. Auf der überwiegenden Mehrzahl der "Madonna mit Kind"-Darstellungen spielt das Jesuskind entweder mit einem Apfel - Symbol der Überwindung des Sündenfalls durch den Tod Christi - oder mit einer Weltkugel, dem Symbol seiner Weltherrschaft. Das Maria ihrem Kinde einen Granatapfel zum Spiele hinhält, ist der Schlüssel zur eigentlichen Bildaussage, dass Maria die Mutter der Kirche sei. Der Granatapfel, der unter einer harten Schale zahlreiche Kerne trägt, besitzt eine vielschichtige Symbolik - mit seiner harten Schale verweist er auf die Askese des Priesterstandes, die reiche Frucht trägt und in seiner Gesamtheit symbolisiert die Frucht die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen. Auf die zentrale Bedeutung der Frucht für die Bildaussage weist zum einen die Darstellung in der Bildmitte hin sowie die exaltierte Fingerhaltung von Mutter und Kind. Die drei Finger, mit denen Marie ihn hält, weisen auf die Befruchtung, die Empfängnis und die Geburt. Die Haltung der Finger der rechten Hand des Kindes ist mehr als ein spielerisches Zugreifen. Es erinnert an die Segnungsgeste in der kirchlichen Liturgie und mit dieser Geste segnet das Kind nicht nur den Granatapfel als Symbol der Kirche sondern auch Maria, die Mutter der Kirche. Daumen, Zeige- und Mittelfinger, mit denen die Geste ausgeführt werden, deuten auf die Dreifaltigkeit. Berta Reichenauer sieht in ihrer Interpretation des Bildes noch eine weitere Bedeutung in dieser Geste: Allein die Liebe (= Daumen) führt vom Geist (= Bedeutung des Zeigefingers) inspiriert zum wahren, durch das Leiden (= Granatapfel) gekrönten Leben (= Bedeutung des Mittelfingers).

Der Baum

Mit dem Zeigefinger der linken Hand weist das Kind auf den Baum hin. Auffällig an diesem ist, dass er gleichzeitig Früchte und Blüten trägt. Wenn dies auch bei manchen tropischen Bäumen vorkommt, ist dies jedoch keine Eigenschaft mitteleuropäischer Baumarten. Das gleichzeitige Fruchten und Blühen ist ebenso wie die an seinen Wurzeln stehenden Madonnenlilien vor allem Symbol der Jungfräulichkeit Mariens. Auch hier hat Grünewald ein nicht sehr häufig verwendetes Symbol benutzt - auf vielen mittelalterlichen Tafelgemälden sind es die tatsächlich gleichzeitig blühenden und fruchtenden Walderdbeeren, die auf diese Eigenschaft Mariens hinweisen.

Noch entscheidender ist jedoch, dass der Baum auf den Kreuztod Christi hinweist und damit das Symbol der Erlösung ist.

Die Kathedrale

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Die kronenlose Maria und das geschlossene Gartentor

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Vorlage:Commons2

Literatur

Zur Stuppacher Madonna

  • Barz, Brigitte: Die Stuppacher Madonna. - Stuttgart : Verl. Urachhaus, 1998. - ISBN 3-8251-7193-0
  • Daiber, Tilman: Die "Stuppacher Madonna" von Matthias Grünewald : Untersuchung zur Maltechnik. - Stuttgart : Akad. der Bildenden Künste, 1999
  • Groß, Werner (Hrsg.): Die Stuppacher Madonna zu Gast im Diözesanmuseum Rottenburg. - Ulm : Süddt. VG, 1999. - ISBN 3-88294-280-0
  • Wiemann Elsbeth (Text): Die Stuppacher Madonna : (Ausstellungskatalog). - Stuttgart : Staatsgalerie, 1998

Über den Maler Matthias Grünewald

  • Horst Ziermann, Erika Beissel; Matthias Grünewald, Prestel Verlag München, 2001, ISBN 15584-X
  • Berta Reichenauer; Grünewald, Kulturverlag Thaur, 1992, ISBN 3-85395-159-7