Die Neue Rechte ist eine geistig-politische Strömung, die in den 1960er Jahren entstand. Sie verstand sich als "Gegenmodell" zur "Neuen Linken", die sich im Zuge der Ereignisse von 1968 formierte. Inhaltlich und im Namen lehnt sie sich eng an die französische "Nouvelle Droite" an. Als ihr theoretischer Gründungsvater kann der französische Rechtsextremist Alain de Benoist gelten. Wichtiger Bezugspunkt für die neue Rechte ist die "Konservative Revolution" der Weimarer Republik, eine Selbstbezeichnung elitärer und autoritärer Denker wie Carl Schmitt, Ernst von Salomon, Ernst Jünger, Oswald Spengler und anderer. Dadurch versucht sie sich von den als rückwärtsgewandt und theoriefeindlich empfundenen Vertretern der "Alten Rechten" abzugrenzen, was jedoch nicht immer gelingt. Gleichzeitig bildet sie eine Art "Scharnier" oder "Brücke" zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus.
Ausrichtung
Die Ideologie der Neuen Rechten ist primär gegen das Projekt und die Errungenschaften der Aufklärung gerichtet. Sie richtet sich gegen Individualismus, Liberalismus, Universalismus, Parlamentarismus und Pluralismus. Die Idee der Gleichheit aller Menschen lehnt die Neue Rechte ab, wobei der "klassische" Rassismus von ihr durch das Konzept des "Ethnopluralismus" ersetzt wird. Andere "Völker" werden darin formell "respektiert", ein Staat habe aber nach dieser Auffassung ethnisch homogen zu sein. Ergänzt wird dies durch die Vorstellungen von einem hierarchischen und elitär geführten autoritären Staat. Ebenfalls wichtig ist der Nationalismus, das heißt die Stärkung einer "nationalen Identität" und eines "nationalen Selbstwertgefühls", wobei die deutsche Geschichte einer ständigen Revision unterworfen wird und gegen den vermeintlichen "Kult um die Schuld" Front gemacht wird.
Wichtigster theoretischer Ansatz der Neuen Rechten ist der Anspruch, "Diskurshoheit" in gesellschaftlichen Debatten und kulturelle Hegemonie zu erringen. Das Prinzip der Diskurshoheit wurde ursprünglich von dem marxistischen Theoretiker der Kommunistischen Partei Italiens Antonio Gramsci erkannt. Er ananlysierte, dass gesellschaftliche Hegemonie auch im bestehenden System derart funktioniert. Will man eine solche Hegemonie erreichen sei es demnach Ziel, durch publizistische Tätigkeiten den Elitendiskurs zu infiltrieren, in Vereinen, Verbänden und Kultureinrichtungen mitzuarbeiten und auf dieser Basis ideologische Inhalte in die gesellschaftliche Diskussion zu bringen, letztlich Akzeptanz für sie zu schaffen und die öffentliche Meinung langfristig zu dominieren. Ist dies erreicht, sei die Gesellschaft "reif" für einen Umsturz der Verhältnisse durch eine immer mehr zunehmende Zahl der Wahlanteile und Parlamentssitze und damit einer Übernahme der Regierungsverantwortung.
Ziele
Ziele dieser neurechten Debatten sind etwa die Ablehnung der 68er-Bewegung (deren Errungenschaften als negativ dargestellt werden), aber auch von multikulti (als Verballhornung der multikulturellen Gesellschaft) oder egalitärer Bestrebungen, herausgestellt werden alte Tugenden wie Fleiß, Patriotismus. Eliten sollen sich bilden und die Gesellschaft führen. Nationalistische Konzepte werden auf ganz Europa erweitert. Eindeutig rechtsextreme Äusserungen werden aber kaum getätigt, um so grössere Akzeptanz zu erreichen.
Bevorzugte Ziele des "Kulturkampfs" der Neuen Rechten sind Gesellschaftssegmente, in denen sich junge Menschen finden, die eine gewisse Toleranz für neurechte Positionen haben (z.B. Burschenschaften, Vertriebene). Aber auch die Schwarze Szene wurde in den 1990er Jahren bereits umworben. Anknüpfungspunkt dafür war der "Neofolk", ein Musikstil, bei dem man partiell mit faschistischer Ästhetik operiert. Im Neofolk-Fanzine Sigill (heute: "Zinnober") wurde denn auch neben musikalischen Rezensionen Essays über das Werk Armin Mohlers, Ernst Jüngers, Julius Evolas und anderer veröffentlicht.
Funktionen
Die genannten Beispiele erfüllen eine Doppelfunktion: Sie sind einerseits Ziel neurechter Agitation, andererseits wird diese aufgrund bereits erfolgter Etablierung der Protagonisten in den entsprechenden Organisationen bzw. "Szenen" aus ihnen heraus betrieben.
Einige Politikwissenschaftler sowie der Verfassungsschutz unterscheiden zwei Hauptströmungen der Neuen Rechten: "Jungkonservative" und "Nationalrevolutionäre".
- Jungkonservative zielen demnach eher auf das bürgerliche Lager, vermeiden Reizbegriffe wie "Revolution" oder "Sozialismus" und beziehen sich stärker als die Nationalrevolutionäre auf das Vorbild der Konservativen Revolution. Vor allem die "Junge Freiheit" kann als Organ dieser Richtung gelten. Jungkonservative müssen nicht zwangsweise als verdeckt arbeitende Rechtsextremisten zu betrachten sein, viele stehen auch hinter den Jungkonservativen Vorstellungen und engagieren sich in größeren demokratischen Parteien, oder Jugendorganisationen wie der Jungen Union.
- Nationalrevolutionäre beziehen sich eher auf Ernst Niekisch und bedienen sich oft der Rhetorik des so genannten "linken" Flügels der NSDAP (Gregor und Otto Strasser). Entsprechend verfolgen sie eine Querfront-Strategie, d.h. sie versuchen, mit originär "linken" Inhalten wie Antiimperialismus oder Antikapitalismus Einfluss in die gesellschaftliche Diskussion, auch im Umfeld der Linken zu bekommen. Nationalrevolutionäre Rhetorik lässt sich bei der NPD aber auch bei Organisationen wie dem Deutschen Kolleg von Horst Mahler finden. Wegen der oftmals offen nationalsozialistischen Agitation dieser Richtung wird sie von einigen Wissenschaftlern nicht zur "Neuen", sondern inhaltlich eher zur "Alten" Rechten gezählt.
Wichtige Publikationsorgane der Neuen Rechten sind die "Junge Freiheit", "Criticon", "Nation und Europa", Staatsbriefe und Elemente. Ihre Ansätze finden sich aber auch in Deutschland in Geschichte und Gegenwart und anderen Publikationen aus dem Grabert-Verlag, dem Ullstein-Verlag (Ullstein-Report), dem Straube-Verlag und dem Türmer-Verlag. Von besonderer Bedeutung für die Neue Rechte waren neben de Benoist Armin Mohler und die Personen aus dem Umfeld des Thule-Seminars wie Pierre Krebs und des Bundes freier Bürger (BfB) wie Heiner Kappel. Als herausragende Autoren der Neuen Rechten werden weiterhin genannt: Henning Eichberg, Hans-Ulrich Kopp, Hans-Dietrich Sander, Caspar von Schrenck-Notzing, Wolfgang Strauss, Michael Stürmer, Rainer Zitelmann und Bernhard Willms. Medial auch im Mainstream sehr präsent ist beispielsweise Arnulf Baring. Sowie das Institut für Staatspolitil welches eine Vordenker-Funktion besitzt.
Beispiele für Kontinuitäten
Kontinuitäten zeigen sich beispielsweise an der Deutsche Gildenschaft, die über ihre Wurzeln in der Konservativen Revolution, dem Nationalsozialismus (Volkstumsforschung, Rassehygiene, Deutsche Christen, Sudetendeutscher Kameradschaftsbund), dem Revanchismus des Aufbruch-Kreises, der Sudetendeutschen Landsmannschaft und dem Witikobund des Kalten Krieges hinaus, mit der Gründung der Jungen Freiheit, dem Instituts für Staatspolitik (INSTAPO) und dem Verlag Edition Antaios heute eine wichtige Verbindung zwischen extremer Rechte und Neokonservativen aus der CDU herstellen. Zu ihnen zählen z.B. Karlheinz Weißmann, Götz Kubitschek und Dieter Stein.
Siehe auch
- New Right (zur Neuen Rechten in den USA)
Literatur
- Wolfgang Gessenharter, Thomas Pfeiffer (Hrsg.): Die Neue Rechte - eine Gefahr für die Demokratie?. VS Verl. für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004, ISBN 3810041629. Vgl. hierzu auch http://www.idgr.de/texte/rezensionen/gessenharter/neue-rechte.php .
- Dieter Stein: Phantom "Neue Rechte". Edition JF, Berlin 2005, ISBN 3-929886-22-7.
- Hanna-Ruth Metzger: Rechtsintellektuelle Offensive : diskursstrategische Einflüsse auf die politische Kultur der Bundesrepublik Deutschland. Politische Theorie und Kultur 1. Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 2003. LIT-Verl., Münster 2004, ISBN 382587432X.
- Frank Decker: Der neue Rechtspopulismus. 2. überarb. Aufl. Leske + Budrich, Opladen 2004, ISBN 3810039365.
- Rainer Benthin: Auf dem Weg in die Mitte : Die Öffentlichkeitsstrategien der Neuen Rechten. Campus Forschung 875. Zugl.: Universität Hamburg, 2003, Diss, 2003. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3593376202.
- Thomas Pfeiffer: Die Kultur als Machtfrage : die Neue Rechte in Deutschland. Innenministerium des Landes NRW, Düsseldorf 2003.
- Martin K. W. Schweer (Hrsg.): Die Neue Rechte : eine Herausforderung für Forschung und Praxis. Lang, Frankfurt am Main [u.a.] 2003, ISBN 363139053X.
- Alice Brauner-Orthen: Die Neue Rechte in Deutschland. Antidemokratische und rassistische Tendenzen. Sachbuch Politik. Leske + Budrich, Opladen 2001, ISBN 3810030783.
- Jean Cremet, Felix Krebs, Andreas Speit: Jenseits des Nationalismus. Ideologische Grenzgänger der "Neuen Rechten". Ein Zwischenbericht. Unrast Verlag, 1999, ISBN 3928300946.
- Wolfgang Gessenharter u.a. (Hrsg.): Rechtsextremismus und Neue Rechte in Deutschland. Neuvermessung eines politisch-ideologischen Raumes? Leske + Budrich, Opladen 1998, ISBN 3810020532.
- Kurt Lenk, Günter Meuter, Henrique Ricardo Otten: Vordenker der Neuen Rechten. Reihe Campus 1094 Einführungen. Campus-Verlag, Frankfurt/Main [u.a.] 1997, ISBN 359335862X.
Weblinks
- Richard Stöss: Die "neue Rechte" in der Bundesrepublik: http://www.extremismus.com/texte/neuerechte.htm
- Was will die "Neue Rechte"?: http://www.comlink.de/cl-hh/m.blumentritt/agr23.htm
- Andreas Beisbart: Das Konzept des Ethnopluralismus in der "Neuen Rechten". http://www.hausarbeiten.de/faecher/hausarbeit/soj/20345.html
- Neue Rechte: http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/lexikon2.php?pid=441
- Artikel des IDGR zur Neuen Rechten
- http://www.uni-duisburg.de/DISS/DJ_01_8/HTM-Format/Raunen_und_Runen/Die_Deutsche_Gildenschaft.htm - Auseinandersezung mit der heutigen Gildenschaft