Voltigieren

Zirkuskunst
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Beim Voltigieren handelt es sich um eine Sportart, bei der turnerische und akrobatische Übungen auf einem an einer Longe gehenden Pferd ausgeführt werden. Das Pferd wird von einem Longenführer auf einem Kreis von mindestens 18 m Durchmesser (Turniermaß), dem Voltigierzirkel, longiert und läuft in den Gangarten Schritt, Trab oder Galopp. Es turnen ein bis drei Voltigierer gleichzeitig auf und an dem Pferd. Als Grundvoraussetzung des Voltigierens gilt das abgestimmte Zusammenspiel zwischen Longenführer, Voltigierern und Pferd.[1]. Neben dem turnerischen Können sind, wie in allen Pferdesportarten, auch Wissen und Können im Umgang mit dem Partner Pferd von besonderer Wichtigkeit.

S-Gruppe München-Daglfing1

Gerade für Kinder ist das Voltigieren oft der Einstieg in den Pferdesport und auch im Schulsport sowie dem heilpädagogischen Bereich ist es bereits vertreten. Daneben gibt es das als Leistungssport betriebene Voltigieren.

Grundlegende Ausrüstung

Als Halt dient ein kurz hinter dem Widerrist aufliegender Voltigiergurt, der mit zwei Handgriffen, einer meist vorhandenen Mittelschlaufe und zwei Fußschlaufen versehen ist. Zum Schutz seines Rückens trägt das Pferd zudem eine Voltigierdecke, das Pad und eine Schaumstoffunterlage unter dem Gurt. Zur Ausrüstung gehören ferner eine Trense, Hilfszügel wie Lauffer-, Dreieckszügel oder Ausbinder, Gamaschen, Bandagen oder Streichkappen, eventuell Springglocken, eine Peitsche und eine Longe. Die Voltigierer tragen während des Trainings eng anliegende Kleidung. Die Trikots, meistens Voltigieranzüge sind aus dem elastischen Material Polyamid/Elasthan, aus dem auch Badebekleidung hergestellt wird.

Der Stoff der Trainings- und Turnieranzüge ist enganliegend, da sonst Haltungsfehler nur schwer zu erkennen sind und man mit weiter Kleidung am Pferd oder Gurt hängen bleiben kann. Voltigierer tragen spezielle weiche Voltigierschuhe oder Gymnastikschuhe. Die Haare werden aus Sicherheitsgründen zusammen gebunden und Körperschmuck abgelegt bzw. angeklebt.

Ursprung des Voltigierens

Der Ursprung des Voltigierens liegt in der Kavallerie. Ziel der Übungen war es dabei Gleichgewicht, Beweglichkeit, Kraft und Ausdauer der Soldaten zu schulen. Es gab auch Wettbewerbe, wobei hier fast ausschließlich Sprünge ausgeführt wurden. Voltigieren war 1920 in Antwerpen sogar schon einmal olympisch, damals noch unter dem Namen Kunstreiten. Dabei siegte Belgien vor Frankreich und Schweden im Mannschaftswettbewerb, während der Belgier T. Bouckaert das Einzel vor dem Franzosen Field und dem Belgier T. Finet gewann.

Voltigieren von der Antike bis zum Mittelalter:

Erste Ansätze des Voltigierens werden bereits in der Antike vermutet. Als Indiz werden Felszeichnungen nordgermanischer Stämme in Südskandinavien angesehen, die einen stehenden Menschen auf einem „pferdeähnlichen Tier“ zeigen. Auch auf Grabgemälden der Etrusker ist zu erkennen wie zwei Männer auf galoppierenden Pferden versuchten von einem Pferd auf das andere zu wechseln.

Es entwickelte sich, wie auch aus den Grabgemälden interpretiert, das „desultores“, das so genannte Wechselreiten. In dieser beliebten Disziplin hatte ein Reiter außer dem berittenen Pferd noch ein Handpferd, auf welches er wechseln konnte, wenn das andere keine Kraft mehr hatte. Hieraus ist zu schließen, dass dies ein Rennen über mehrere Kilometer sein musste, da ein Pferd ein normales Rennen durchaus durchhalten würde.

Auch in anderen antiken Kulturen galt das „ars desultoria“ als beliebt, welches sich stark an den etruskischen Wettkämpfen orientierte. Die Regeln für diesen Wettstreit waren in etwa dieselben, hier musste man auf einer bestimmten Strecke sooft wie möglich zwischen zwei Pferden wechseln. Rennen, die man auf dem Pferd stehend austrug, waren ebenfalls Teil der Wettkämpfe.

Das Voltigieren gehörte bei den Römern hauptsächlich zur militärischen Ausbildung der Soldaten. Dabei ging es im Wesentlichen um das Auf- und Abspringen an einem Holzpferd, damit die Technik auf echte Pferde umgesetzt werden konnte. Vor allem war dies zum Schutz des eigenen Lebens erforderlich, da durch diese Gewandtheitsübungen der Reiter entweder dazu befähigt war schnell und behände jeglichen Gefahren auszuweichen oder dadurch anderen erheblichen Schaden zufügen konnte.

Bei den alljährlichen altrömischen Spielen wurden nicht nur Wagen- und Pferderennen ausgeführt, sondern auch akrobatische Übungen auf dem galoppierenden Pferd gezeigt.

Auch im Mittelalter erlernten die Ritter das Aufspringen auf das Pferd in ihrer Ausbildung. Doch so einfach wie im alten Rom war es für die Ritter nicht, denn sie mussten in voller Rüstung nicht nur Aufsprünge auf das Pferd tätigen, sondern auch kunstvolle Übungen darauf ausführen.

Die Turniere und Wettkämpfe dienten zur Unterhaltung des Volkes und des Königs. Im Spätmittelalter kam es in Mode sich bei den Turnieren zu verkleiden. Zwar liegt keine eindeutige Quelle vor, die dies bestätigt, aber es könnte möglich sein, dass auch bei den akrobatischen Aufführungen auf dem Pferd Verkleidungen getragen wurden.

Voltigieren in der Renaissance (1420-1600):

Die Renaissance war nicht nur die „Wiedergeburt“ im kulturellen, sondern auch im sportlichen Sinne der Antike. Die „Brutalität“ des Mittelalters wurde zurückgelassen und es kamen wieder „feinere“ Sportarten wie Fechten, Reiten und Ringen auf, zu denen eine Vielzahl an Büchern verfasst wurde. Diese Lehrbücher enthielten unter anderem genaue Anleitungen zur Methodik dieser Sportarten. Nun war es nicht mehr ausreichend, wie im Mittelalter nur reiten und kämpfen zu können. Die Höflinge mussten gebildet sein und gute Manieren besitzen, dabei galt es auch sich vornehm und grazil bewegen zu können. Hier waren die mittelalterlichen Kampfspiele eine gute Grundlage, denn nun entwickelte sich aus dem Auf- und Abspringen das eigentliche Voltigieren, welches mit dem lateinischen Begriff „volte sive giri“ bezeichnet wurde. Auch über diese Übungen wurden viele Bücher verfasst, z.B von Petrus Monti zwischen 1492 und 1509. In seinen Werken beschrieb er Einzel- und Partnerübungen auf dem stehenden oder sich bewegenden Pferd.

Auch Giocondo Baluda benannte 1630 in seinem Werk „Trattato del modo di volteggiare e saltare il cavallo di legno“ Übungen, die jedoch fast nur für die Ausführung auf einem Holzpferd gedacht waren. Dennoch wurden die Übungen mit Begriffen wie Anmut, Schönheit, Leichtigkeit, Sicherheit, Exaktheit und Perfektion beschrieben, die dem Zeitgeist der Renaissance entsprachen. Das Voltigieren wurde ein besonders bei Hofe beliebter Zeitvertreib und gewann an Ansehen und Bedeutung.

Wie stark der ästhetische Aspekt betont wurde zeigt ein Zitat des italienischen Höflings, Diplomaten und Schriftstellers Castiglione:
„Für nicht weniger rühmlich halte ich das Voltigieren zu Pferde, das zwar mühevoll und schwierig ist, aber mehr als alles äußerst behände und geschickt macht; und es bietet, wenn die Leichtigkeit von schöner Anmut begleitet ist, außer dem Nutzen nach meiner Meinung ein schöneres Schauspiel als irgendetwas sonst.“

Nach Deutschland kam das Voltigieren durch den württembergischen Theologen Johann Valentin Andreä, der 1612 in Padua auf einer Italienreise das Pferdespringen für sich entdeckte und extra dafür eine Schule in Tübingen eröffnete.

Von der nach wie vor bedeutenden Rolle bei der Ausbildung von Soldaten zeugt ein Zitat von Grisone, dem Begründer der Reitschule in Neapel:
„Wenn auch das Ballspielen und das Wissen zu voltigieren für den Reiter nicht unbedingt notwendig sind, hilft es dennoch sehr, nicht nur um ihm Anmut zu verleihen, sondern um ihn geschickter und ruhiger zu machen.“

Voltigieren in der Kavallerieausbildung vom 17. bis zum 20. Jahrhundert:

Auch in der Ausbildung der Soldaten im 17. und 18. Jahrhundert spielte das Voltigieren eine große Rolle und gewann immer mehr an Bedeutung. Die jungen Adeligen mussten sich nicht nur Wissen und gutes Benehmen aneignen, sondern auch das Können im Fechten, Tanzen, Reiten und Voltigieren.
Der Begriff „Voltigieren“ wurde zu dieser Zeit als Oberbegriff für gymnastisch-turnerische Übungen am sich bewegenden Pferd geprägt.

Zwar wurde das Voltigieren vorerst als Vorübung und Ergänzung des Reitens gedacht, dennoch entwickelte es sich mit der Zeit zu einer selbstständigen Sportart, die man auf ein hölzernes Pferd übertrug. Trotzdem wurden Übungen immer noch auf dem sich bewegenden Pferd ausgeführt.

Es entstanden die ersten Lehrbücher, die sich mit dem Voltigieren auf dem lebenden wie auf dem Holzpferd beschäftigten. Johann Georg Paschen schrieb 1661 eine „Kurtze jedoch gründliche Beschreibung des Voltesirens sowohl auf dem Pferd als über den Tisch.“ Darin beschreibt er die Grundlagen für das Pferdeturnen und gibt eine Mischform an, in der Züge des Turnens auf dem lebendigen Pferd, welche in Verbindung mit dem Reiten standen, aber auch des Turnens auf dem Holzpferd sichtbar werden. 1791 erschien das Werk des Kurmainzischen Hof- und Universitäts- sowie Fecht- und Voltigiermeisters Alexander Doyle „Auslegung der Voltagierkunst“. 30 Jahre später schrieb Johann Andreas Schmidt, Nürnberger Fecht- und Exerzitienmeister, das Buch „Gründlich lehrende Fechtschule, nebst einem curiösen Unterricht von Voltigieren und Ringen“. Alle drei Werke beschrieben den Ausbildungsteil des Voltigierens, der zum festen Bestandteil im Kanon der Leibesübungen in der Schulerziehung der Philanthropen wurde.

Besonders populär wurde das Pferdeturnen durch Jahn (deutscher Pädagoge und Begründer der nationalen Turnbewegung im 19. Jahrhundert), welcher den Turnsport in die heutige Form gebracht hat. Denn zu dieser Zeit entwickelten sich zwei „Zweigsportarten“ des Voltigierens. Zum einen wurde immer noch auf dem lebenden Pferd geturnt, zum anderen erfuhr das Turngerät Pferd immer größere Beliebtheit. Lion hat ebenfalls sehr zur Entwicklung dieses Pferdesports beigetragen, denn 1795 gab er in seinem Buch „Die Turnübungen des gemischten Sprungs“ Hinweise zum Turnen auf dem galoppierenden Pferd. Außerdem wurde in seinem Werk zum ersten Mal ein Voltigiergurt erwähnt, welcher dem heutigen schon sehr ähnlich sah.

Im 19. Jahrhundert wurde die Ausbildung im Voltigieren weitergeführt. Der Stallmeister des königlichen Lehreskadron Seidler schrieb 1843 eine „Anleitung zum Voltigieren, sowohl auf dem hölzernen Voltigierbock als auf dem lebendigen Pferd“.

Ein Jahrhundert später war das Voltigieren nicht mehr nur Bestandteil der militärischen Ausbildung. Ein Höhepunkt des Voltigierens war die einmalige Teilnahme an den Olympischen Spielen 1920 in Antwerpen. Unter dem Namen Kunstreiten traten Kavalleristen aus verschiedenen Ländern gegeneinander an. Es mussten in Einzel- und Mannschaftswettkämpfen Sprünge auf gesattelten und ungesattelten Pferden sowie in allen möglichen Gangarten ausgeführt werden. Jeweils drei Mann waren in einer Gruppe vertreten.

In den Einzelwettkämpfen gewann der Belgier Bouckaert. Nach ihm kam Field für Frankreich und Finet für Belgien. In der Mannschaftswertung gewannen die Belgier vor Frankreich und Schweden.

Voltigieren zwischen den Weltkriegen:

Nach den Olympischen Spielen entwickelte sich das Voltigieren zum Kindersport weiter. Der Sport wurde als Reitvorbereitung genutzt und auf verschiedenen Reitturnieren durften die Voltigierer ihr Können zeigen.

Seidel, ein Ausbilder an der Kavallerieschule Hannover, war der Erste, der mit Kindern von den Angehörigen der Schule anfing zu voltigieren. Sie nannten sich die „Seideltruppe“ und traten als Schaunummer bei diversen Reitturnieren auf.

Nachkriegszeit – Das moderne Voltigieren:

 
Grüße der Voltigiergruppe

Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Voltigieren erstmals wieder 1950 im Universitätsreitstall in Göttingen aufgenommen. Dort wurde eine Schautruppe aufgestellt, die die gleiche Funktion wie die der „Seideltruppe“ hatte. Drei Jahre später veröffentlichte Dieter Schnelle die erste moderne Voltigieranleitung, über die damals gängigsten Übungen und den Aufbau einer Voltigierabteilung. Nun war die Produktivität des Voltigiersports nicht mehr aufzuhalten. Es wurde von „Voltigiervertretern ein komplettes Regelwerk“ in wenigen Jahren verfasst. Außerdem organisierten sich die Voltigierer in Vereinen und veranstalteten eigene Turniere. Das erste wurde 1953 in Göttingen bei einem Reitturnier ausgerichtet. Nun waren es jedoch nicht mehr nur Schaunummern, sondern es wurde um Platzierungen und Preise „gekämpft“. In den bundesweit gültigen Richtlinien waren die Pflichtübungen verankert.

Das Mannschaftsvoltigieren wurde nun als eine attraktive und wettbewerbsfähige Sportart angesehen. Die Funktion, die Kinder in den Reitsport einzubringen, verlor sich spätestens in den 60er Jahren, da endlich wieder Jugendliche und auch Erwachsene den Sport betrieben. Noch Jahre später profitierten die Voltigierer von den Bedingungen, die geschaffen wurden, da sie genug „Raum“ boten um die nächsten Jahre keine großen Veränderungen vornehmen zu müssen. Immer mehr Teams bildeten sich und nahmen an den Gruppenwettkämpfen teil. Auch das Leistungsniveau stieg an.

Die ersten Deutschen Gruppen-Meisterschaften fanden 1963 in Wiesbaden statt, welche die Gruppe aus Goslar gewann. Ein Jahr später wurde in den Richtlinien eine Altersgrenze von 16 Jahren vorgeschrieben. Mitte der 70er Jahre wurde das Einzelvoltigieren eingeführt. Viele forderten für diese neue Disziplin ein Reglement, damit auch dafür Wettbewerbe stattfinden konnten. Das 1. inoffizielle Turnier fand 1976 in Konstanz statt, bei dem sechs Nationen zugegen waren. Trotzdem wurde das Voltigieren, durch die FEI-Generalversammlung, als offizielle Sportart erst am 15. Dezember 1981 anerkannt. 1983 trat das 1. internationale Regelwerk der FEI in Kraft. Dadurch konnten nun auch offizielle internationale Turniere überall in der Welt ausgetragen werden.

Im Jahr 1972 hatte das Voltigieren seinen zweiten großen Auftritt bei Olympia in München.Fünf deutsche Voltigiergruppen stellten mit ihren Zirkeln die fünf olympischen Ringe bei einer Schauvorführung dar und konnten sich somit der Öffentlichkeit präsentieren.

Nachdem fünf Jahre lang die Aufnahme des Einzelvoltigierens in die Richtlinien gefordert wurde, geschah dies letztendlich 1980. Es wurde eine Altersgrenze von 21 Jahren bestimmt. Dennoch dauerte es wieder vier Jahre, bis 1986 die ersten Deutschen Meisterschaften im Einzelvoltigieren in Mannheim ausgetragen wurden. Ein Jahr später wurde die Altersgrenze für diese Disziplin jedoch durch die FEI wieder abgeschafft. Nun konnte jeder international im Einzelwettkampf starten, sogar noch im höheren Alter. Wenige Jahre danach wurde die Altersgrenze auch von der FN aufgehoben. Dadurch konnten sich Erwachsene wieder an den Einzel- und Duowettkämpfen beteiligen.

Im Jahre 1984 fand die erste Europameisterschaft statt. Diese wurde in Ebreichsdorf bei Wien ausgetragen und in Einzel – Damen, Einzel – Herren und Mannschaftswettbewerb eingeteilt.

Nachdem 1986 die ersten Weltmeisterschaften in Bulle / Schweiz ausgetragen wurden, entwickelte sich das Regelwerk des Voltigierens immer weiter. In den Jahren 1990 und 1994 veränderten sich die Richtlinien soweit, dass seit 1990 die Pflicht in zwei Blöcken und vier Jahre später die Voltigierwettbewerbe in die Leistungsklassen D, C, B und A eingeteilt wurden(mittlerweile A, L, M und S). Auch die Anforderungen in Kür und Pflicht wurden in den letzten Jahren an das Leistungsniveau angepasst, sodass unterschiedliche Pflicht- und Kürübungen gefordert waren.

In den Jahren der „Richtlinienänderungen“ fanden auch die Weltmeisterschaften im Rahmen der „World Equestrian Games“ statt. Durch dieses Ereignis konnte sich der Voltgiersport einem großen und vor allem auch internationalen Publikum zur Schau stellen, welches rege Begeisterung zeigte. Alle vier Jahre fanden die Weltreiterspiele mit dem Voltigieren statt. In deren Entwicklung zeigt sich, dass Deutschland bis jetzt ungeschlagen in der Gesamtwertung Platz 1 besetzt. Auch die Voltigierer waren von der ersten Stunde an erfolgreich. Nachdem die deutschen Einzelvoltigierer (Herren sowie Damen) die ersten drei Plätze bei den Weltreiterspielen 1990 belegten und die Mannschaft den zweiten Platz hinter der Schweiz einnahm, konnte Deutschland bis ins Jahr 2006 in der Abteilung Voltigieren immer mindestens eine Goldmedaille in Empfang nehmen. Seit 1998 sind auch in der Mannschaftswertung nur deutsche Vereine auf dem ersten Platz vertreten.

Voltigieren als Breitensport

Voltigieren ist eine vergleichsweise kostengünstige Pferdesportart, die allen Bevölkerungsschichten offensteht. Hier wird das Interesse junger Menschen am Pferd mit einer vielseitigen Bewegungserziehung und der Förderung sozialer Kompetenzen verbunden. Die Kinder erlernen zum einen den verantwortungsbewussten Umgang mit dem Partner Pferd. Zum anderen werden körperliche und motorische Fertigkeiten, vor allem Haltung, Rhythmus, Gleichgewicht und Konzentration geschult. Als Gruppensport werden beim Voltigieren darüber hinaus soziale Fertigkeiten wie Einfühlungsvermögen, Vertrauen, Gemeinschaftssinn und Selbstständigkeit gefördert. In der Regel bestehen Anfängergruppen aus acht bis 12 Jungen und Mädchen, die sich in etwa auf dem selben Leistungsstand befinden. Das breitensportliche Voltigieren kann dabei als Einstieg in den Reitsport genutzt werden, bietet jedoch auch eine gute Vorbereitung auf den Turniersport. [2] Für Einsteiger- und Anfängergruppen (auch Nachwuchsgruppen genannt) sowie teilweise auch für Einzelvoltigierer gibt es auf Landes- und Kreisebene Wettbewerbe, die ganz oder teilweise im Schritt durchgeführt werden.

Voltigieren als Turniersport

 
Voltigierturnier

Turniermäßig betrieben, ist Voltigieren ein anspruchsvoller Leistungssport, der wie wenig andere Sportarten den Sportler in vielerlei Hinsicht fordert. Es geht um Gleichgewicht, Kraft, Spannung, Beweglichkeit, Ausdauer, Rhythmusgefühl, Vertrauen, Mut und Kreativität und nicht zuletzt um das gemeinsame Turnen in der Gruppe und das gemeinsame Versorgen des Pferdes.

Als Turniersport existiert das Voltigieren als Einzel-, Doppel- sowie Gruppenvoltigieren. Die Gruppen bestehen aus acht (Leistungsklassen A, L und M) oder sechs Teilnehmern (Leistungsklassen S und Junior) und einer Ersatzperson. Das Doppel wird teilweise auch strikt als getrennt-geschlechtliches Pas de deux ausgeschrieben. Auf Championaten wird bei den Einzelwettbewerben nach Geschlechtern getrennt gerichtet.

Zwar gilt Europa als Leistungszentrum im Voltigiersport, doch auch außerhalb Europas gibt es sehr leistungsstarke Gruppen und Einzelvoltigierer, z.B. in den USA, Australien, Argentinien, Brasilien und Südafrika.

Leistungsklassen

Seit 1994 existierten in Deutschland die Leistungsklassen A, B, C und D, wobei A die anspruchsvollste Klasse bildete. 2008 erfolgte eine Neueinteilung der Leistungsklassen: LK D wurde zu A, LK C zu L, LK B zu M*, LK A wurde zu M**. Neu sind die Leistungsklassen S (dem Spitzensport vorbehalten) und Junior, die nach internationalem Reglement ausgeschrieben werden.

Breitensportliche Wettbewerbe werden oft in den folgenden Anforderungsklassen angeboten (Gangart Pflicht-Kür): Galopp-Galopp, Galopp-Schritt, Schritt-Schritt. Zudem gibt es in NRW auch noch die Abteilung E.

Beim Einzel-Voltigieren unterscheidet man die Leistungsklassen M*, M** und S sowie Nachwuchs. Beim Doppelvoltigieren gibt es keine Leistungsklassen.

Altersbeschränkung

Vor 2008 existierte im Gruppenvoltigieren eine Altersbeschränkung, die über die Jahre hinweg von 16 auf 21 Jahre angehoben wurde. Nach verschiedenen Pilotprojekten und vielen Diskussionen wurde im Zuge der neuen Leistungsklasseneinteilung die generelle Altersgrenze aufgehoben, so dass heute in jeder Leistungsklasse Erwachsene am Gruppensport partizipieren dürfen. In den Leistungsklassen A und L gibt es nun jeweils eine Zusatzklasse, A16 und L18, mit dem jeweiligen Höchstalter 16 und 18 Jahren. Die neu eingeführte Leistungsklasse Junior ist Voltigierern im Alter von 16 Jahren und jünger vorbehalten. Für die übrigen Klassen bestehen keine Altersbeschränkungen.

Im Einzel- und Doppelvoltigieren gibt es nach oben keine Altersgrenze. Allerdings ist im Einzelvoltigieren für die Wettkampfteilnahme ein Mindestalter von 16 Jahren in Kombination mit dem Besitz des Voltigierabzeichen in Bronze (DVA III) vorgeschrieben. Wer bereits im Besitz des Silbernen Voltigierabzeichens (DVA II) ist, darf mit 14 Jahren als Einzelvoltigierer starten. Zusätzlich können Turnierveranstalter Wettbewerbe für Nachwuchs-Einzelvoltigierer ausschreiben.

Für die genannten Altersgrenzen gilt das Erreichen im jeweiligen Kalenderjahr.

Turnierstart

Bei einem Voltigierturnier werden die Leistungen der einzelnen Starter üblicherweise von drei Turnierrichtern (Richter A, Richter B und Richter C) bewertet, die um den Wettkampfzirkel verteilt sitzen. Die Vorführung beginnt stets damit, dass Voltigierer, Longenführer und Pferd zu Musik in den Turnierzirkel einlaufen, sich vor Richter A aufstellen und diesen grüßen. Das Einlaufen der Sportler erfolgt dabei der Größe nach sortiert und im Gleichschritt. Nach dem Richtergruß stellen sich die Voltigierer am Rand des Zirkels auf.

Um sichergehen zu können, dass das Pferd nicht lahmt, muss der Longenführer es zunächst vortraben lassen. Liegen keine offensichtlichen Beeinträchtigungen des Gehapparates vor, so kann die eigentliche Vorführung starten. Andernfalls ist Richter A verpflichtet, die Gruppe „abzuklingeln“, d.h. von dem Wettbewerb auszuschließen.

Ein Turnierstart besteht in der Regel aus einem Pflicht- und einem Kürteil, der zu Musik geturnt wird. Die Pflicht setzt sich aus einer vorgeschriebenen Reihenfolge bestimmter Figuren zusammen, die jedes einzelne Gruppenmitglied nacheinander turnen muss. Die daran anschließende Kür beinhaltet eine frei zusammengestellte Abfolge von Übungsteilen. Je nach Ausschreibung können Pflicht und Kür auch in getrennten Durchgängen gezeigt werden. In diesem Fall existiert die Möglichkeit, im zweiten Durchgang vor der Kür eine sogenannte Kurzpflicht zu turnen.

Das Programm endet damit, dass Richter A von der Mannschaft gegrüßt wird und die Gruppe im Gleichschritt aus dem Turnierzirkel ausläuft.

Bewertungssystem [3]

Die Wertnoten rangieren beim Voltigieren im Bereich zwischen 0,0 (niedrigstes Ergebnis) und 10,0 (bestes Ergebnis). Die Gesamtnote eines Starters oder einer Gruppe errechnet sich als Mittelwert aus den Bewertungen der drei Richter.

In die Bewertung fließen, je nach Leistungsklasse, Wettbewerb, Ausschreibung und Diziplin, folgende Elemente ein:

  • Pflicht
  • Technik
  • Kür-Schwierigkeit
  • Kür-Gestaltung
  • Kür-Ausführung
  • Gesamteindruck
  • Pferd

Die Gewichtung der einzelnen Bewertungselemente ist abhängig von Leistungsklasse und Disziplin.

Turniere, Meisterschaften

In Deutschland finden jährlich eine große Anzahl Voltigierwettkämpfen statt: zunächst die von den Vereinen ausgerichteten Turniere auf Bezirks- oder Kreisebene, dann die jeweiligen Landesmeisterschaften, Nord- und Süddeutsche Meisterschaften, Deutsche Meisterschaft, der nationalen L-Team-Cup (sozusagen die DM für L-Gruppen), sowie der 5-Länder-Vergleichskampf zwischen Hessen, dem Saarland, dem Rheinland, Westfalen und Rheinland-Pfalz. Nach Änderung der LPO in Deutschland fand 2008 die erste Deutsche Meisterschaft für Junioren statt. Neu dazugekommen sind darüber hinaus der 2009 erstmals ausgerichtete Achtergruppen Cup und der Doppelcup. Es ist im Grunde die Deutsche Meisterschaft für 8ter Teams sowie Doppelvoltigierer. Gewonnen wurde der erste Achtergruppen Cup vom RVV Equus, der Doppelcup ging an das Geschwisterdoppel Kraft vom RV Essen.

Des Weiteren werden auf internationaler Ebene Championate (CVI - Concours Voltige International) und, jeweils im abwechselnden Zweijahresrhythmus, Europa- und Weltmeisterschaften ausgetragen. Die Junioren EM gibt es seit 2005 und findet jedes Jahr statt, da es bisher keine Juniorweltmeisterschaft gibt.

Organisation

Das Voltigieren wird trotz der sportlichen Nähe zum Kunstturnen oder Ballett nicht als Turnsportart, sondern als Pferdesportart vertreten. Internationale Vertretung ist die International Federation of Equestrian Sports (FEI). In Deutschland nimmt die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) die Vertretung wahr bzw. die jeweilige Landeskommission des Pferdesportverbandes. Innerhalb der FN wird Voltigieren von dem Fachbereich Jugend betreut, der u.a. für die Ausstellung von Voltigier- und Longenführerausweisen sowie für die Turnierergebnisse zuständig ist.

Statistische Daten

Während für den breitensportlichen Bereich keine offiziellen Statistiken geführt werden, werden die Leistungssportler über ihre Leistungsnachweise statistisch von der FN erfasst. Im Jahr 2009 waren insgesamt 1131 Voltigiergruppen, 677 Einzelvoltigierer und 1512 Longenführer bei der FN gemeldet. Die Einzelvoltigierer waren zu 89,2% weiblichen Geschlechts. Bei den Gruppen machten die beiden niedrigsten Leistungsklassen A und L zusammen 60,5% an allen gemeldeten Gruppen aus. Der Spitzensport (S-Gruppen) hatte hingegen einen Anteil von lediglich 6%. Der zahlenmäßig stärkste Landesverband war 2009 Westfalen mit 137 Einzelvoltigierern, 197 Gruppen und 253 Longenführern, gefolgt von den Landesverbänden Bayern und Hannover. [4].

Die FN-Statistiken werden u.a. für die Vergabe der Startplätze bei der Deutschen Meisterschaft verwendet, da diese nach einem Quotensystem erfolgt. Hier darf jeder Landesverband grundsätzlich einen Voltigierer entsenden. Je volle 70 Voltigiergruppen und je volle 20 Einzelvoltigierer erhält der Landesverband einen zusätzlichen Startplatz [5].

Reiterliche Ausbildung

Voltigieren wird oft als Grundschulung in der reiterlichen Ausbildung angewendet. Der Reitschüler lernt und übt dabei, ohne das Pferd selbst "lenken" zu müssen, einen korrekten Sitz, ein dynamisches Gleichgewicht und eine losgelassene Haltung. Durch die Grundübungen des Voltigierens macht er sich mit dem Pferd als Partner vertraut und lernt sich darauf frei zu bewegen, sowie einen sicheren Auf- und Abgang und schonendes Fallen.

Heilpädagogisches Voltigieren

Heilpädagogisches Voltigieren ist eine heilpädagogische Methode zur Arbeit mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen. Dafür werden spezielle Reittherapeuten ausgebildet, die als Ausbildungsvoraussetzung eine B-Trainerlizenz und eine pädagogische Berufsausbildung mitbringen müssen.

Siehe auch

Literatur

  • Ulrike Rieder: Voltigieren vom Anfänger zum Könner. BLV-Verlag, München
  • Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V.: Richtlinien Band 3: Voltigieren. FN-Verlag, Warendorf 2008, ISBN 978-3-88542-445-1.
  • Rieder, Lockert: Abzeichen im Voltigiersport. FN-Verlag, Warendorf 2010, ISBN 978-3-88542-473-4.
  • Ulrike Rieder: Das Buch vom Voltigieren für Kinder. FN-Verlag, Warendorf 2008, ISBN 978-3-88542-720-9.
  • Umminger: Sport Chronik. 5000 Jahre Sportgeschichte
  • Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V.(FN): Aufgabenheft Voltigieren (Ausgabe 2008). Anforderungen und Kriterien im Deutschen Turniersport gem. LPO (Nationale Aufgaben). FN-Verlag, Warendorf 2007, ISBN 978-3-88542-442-0.
  • Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V., Abteilung Jugend; Der Voltigierzirkel e.V.: Beim Voltigieren geht es rund. Informationsbroschüre. 2004 (Kostenloser Download, zuletzt abgerufen: 8. September 2010)

Einzelnachweise

  1. Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V., Abteilung Jugend; Der Voltigierzirkel e.V.: Beim Voltigieren geht es rund. Informationsbroschüre. 2004, S.3
  2. Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V., Abteilung Jugend; Der Voltigierzirkel e.V.: Beim Voltigieren geht es rund. Informationsbroschüre. 2004, S.6
  3. Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (FN): Aufgabenheft Voltigieren. Anforderungen und Kriterien im Deutschen Turniersport gem. LPO. 2007, S. 19-32.
  4. Quotenverteilung der FN. Statistiken der FN Teil 1 (Stand: Oktober 2009). Übersicht Einzelvoltigierer, Gruppen, Longenführer und Vereine im Jahr 2009 (Übersicht 6r). http://www.voltigieren-rlp.de/downloads/ Kostenloser Download, letzter Abruf: 10.September 2010
  5. Quotenverteilung der FN. Startplätze bei der DM/DJM 2010 gem. Landesquote (Stand: Oktober 2009). http://www.voltigieren-rlp.de/downloads/ Kostenloser Download, letzter Abruf: 10.September 2010

Linkkatalog zum Thema Voltigieren bei curlie.org (ehemals DMOZ)

Wiktionary: Voltigieren – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen