"The United States Of America" waren eine psychedelische Rockband aus den 60er-Jahren, die im Jahr 1968 nur ein Album vorlegten, das zu den musikalisch anspruchsvollsten und experimentellsten Werken der populären Musik dieser Zeit gezählt werden kann.
Bandgeschichte
Laut Christian Grafs Rockmusiklexikon und Auskünften auf dem Cover ihrer einzigen LP bestand die Band aus den fünf Musikern Joseph Byrd (Tasteninstrumente, elektronische Klangerzeuger, Gesang), Rand Forbes (Bassgitarre), Gordon Marron (Violine), Dorothy Moskowitz (Gesang) und Craig Woodson (Schlagzeug, Percussion, Orgel). Die einzige LP "United States Of America" vor erreichte trotz geringem kommerziellen Erfolgs wegen ihres in sich geschlossenen Konzepts, der hochintelligenten Musik und der pointierten Texte einen gewissen Kultstatus. Sie ist außerdem interessant, weil auf dieser LP erstmals in der Geschichte der Rockmusik eigens für die LP entwickelte Synthesizer anstelle von E-Gitarren zum Einsatz kommen.
Werk
"The United States of America" ist gleichzeitig Name der Band, Titel der LP und Überschrift des Programms, das dem Inhalt dieser LP zu Grunde liegt: die zur Einheit verschmolzene musikalische und kulturelle Vielfältigkeit eines Amerika des Jahres 1968. Was die Beatles mit Sgt. Pepper´s Lonely Hearts Club Band im Jahre 1967 halbherzig vorgemacht hatten, nämlich die Schallplatte als in sich geschlossenes, zusammenhängendes Kunstwerk vergleichbar einem Liederzyklus im Bereich der klassischen Musik zu behandeln, wird hier im Jahre 1968 von dieser heute noch weitgehend unbekannten, wenn auch seit Jahren als Geheimtipp gehandelten Band perfektioniert, die in einer extrem kurzen und wenig erfolgreichen Karriere überhaupt nur diese eine Schallplatte produzierte.
Interessanterweise war ein in sich geschlossener Liederzyklus, eine programmatische LP, laut einer angeblichen Äußerung der Sängerin Dorothy Moskowitz von den Musikern der Band allerdings gar nicht beabsichtigt: "As a whole, the album does not have a coherent, unified vision (...) If you listen to each song, it's almost like a variety show." Und dennoch stellt diese "Variety Show", wenn man sie heute hört, ein vollkommen in sich geschlossenes programmatisches Kunstwerk von höchstem Rang dar.
In ihren Texten zeichnen die fünf Musiker das Bild einer dekadenten Überflussgesellschaft, in der die Befriedigung jedes perversen Bedürfnisses käuflich ist ("The American Metaphysical Circus"), in der alt gewordene Paare als Fremde nebeneinander leben ("Stranded in Time") und in der spießige Familienväter ihrer minderjährigen Geliebten erklären, dass sie ihre "hölzerne" Ehefrau nicht für sie verlassen werden: "I won´t leave my wooden wife for you, sugar, I´ve got a split level house with a wonderful view, sugar, Three sweet kids and a yorkshire terrier, too, sugar. And I just couldn´t stand it, if you come home late from school."
Konterkariert wird dieses Bild einer bigotten, entfremdeten Gesellschaft durch lyrische Passagen voller Sehnsucht ("Cloud Song", "Love Song for the dead Ché") und Abschnitte voller Lebenslust ("The American Way of Love"), die in der Feststellung "Love is all" gipfeln, welche vor dem genannten Hintergrund gar nicht klischeehaft erscheint und das Werk gleichsam als "frohe Botschaft" abrundet - freilich nicht ohne Ironie: im Hintergrund erklingt dazu die Filmmusik zu einer Hollywood-Romanze.
Die Musik, die wir auf dieser Schallplatte zu hören bekommen, sucht im Bezug auf Originalität, Eigenständigkeit und Virtuosität innerhalb der Popmusik vergeblich ihresgleichen. Allein die Tatsache, dass auf einer „Psychedelic“-Rockplatte aus dem Jahre 1968 an keiner Stelle eine Gitarre verwendet wird, lässt schon aufhorchen. Neben Schlagzeug und Bass finden sich eine elektrische Violine, ein elektronisches Cembalo, Orgel, Klavier und diverse weitere elektronische Instrumente – darunter erste primitive Synthesizer - dazu der virtuose, sehr genau intonierte und extrem ausdrucksstarke Gesang von Sängerin Dorothy Moskowitz und ihren männlichen Bandkollegen Gordon Marron (Geige), Craig Woodson (Schlagzeug, Percussion u.a.), Rand Forbes (Bass) und Joseph Byrd (Tasteninstrumente, elektronische Klangerzeuger).
Joseph Byrd stellte so etwas wie den Kopf der "United States of America" dar, jedoch bestand die Gruppe insgesamt aus extrem talentierten, eigenständigen Musikerpersönlichkeiten, was die schnelle Auflösung der Band wohl begünstigte. Sowohl Byrd als auch Moskowitz hatten Musik studiert, Byrd außerdem Psychologie. Produziert wurde die LP von David Rubinstein, diverse Gastmusiker kamen zum Einsatz, unter anderem Ed Bogas. Die elektronischen Klangerzeuger wurden extra für diese Platte von Richard Durrett konstruiert.
Die Songs der LP zeichnen sich durch eine ungewöhnliche, oft modale Melodik aus. Sie sind angereichert durch Klangcollagen ähnlich der "Revolution 9", die John Lennon im gleichen Jahr für das White Album der Beatles produzierte. Gleich zu Beginn werden wir durch eine sehr "wild" spielende Marschmusikkapelle mit den "United States of America" bekannt gemacht, die uns im Folgenden panoramaartig vorgeführt werden. Es finden sich (wie schon erwähnt) Filmmusik-Zitate, Alltagsgeräusche und jede Menge damals vollkommen neuer und auch heute noch selten gehörter, reizvoller elektronischer Klänge, die sich stets zu einem ästhetischen Gesamtbild zusammenfügen und nie einfach zusammenhanglos nebeneinander stehen. Bass und Schlagzeug liefern dabei abwechslungsreiche, zum Teil sehr schnelle und nach vorn peitschende Beats (so in "The Garden of Earthly Delights") und es finden sich kompositorische Glanzlichter, wie man sie sonst nur aus der klassischen Musik kennt, so zum Beispiel das als Kanon komponierte Stück "Where is Yesterday?" und ein nach allen Regeln der Kunst komponiertes Finale "The American Way of Love", in dem alle Songs der Platte noch einmal wiederkehren.
Bedeutung
Nie zuvor und vielleicht auch nie danach war die Popmusik der Popart so nahe wie im Fall dieser Schallplatte. Popmusik wird hier zur eigenständigen, der Neuen Musik gleichwertigen Kunstform, statt bloße Ge- und Verbrauchskunst zu sein.
Literatur
Graf, Christian - Rockumusiklexikon Amerika, Afrika, Australien. Band 2. Fischer: Frankfurt am Main, 1996. S. 997/ 998.