Reformhaus

Einzelhandel nach den Ideen der Lebensreform-Bewegung
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Ein Reformhaus ist ein Unternehmen des Einzelhandels. Das Angebot dieses Fachgeschäftes umfasst u. a. Lebensmittel, Naturarzneimittel sowie Artikel für Körperpflege und Naturkosmetik. Die angebotenen Produkte sollen die Kriterien einer umweltschonenden und natürlichen Herstellung erfüllen, sie sollen bspw. keine synthetischen Konservierungsstoffe enthalten und dürfen nicht gentechnisch verändert worden sein.

Eingangsbereich eines Reformhauses

Entstehung

Die Entstehung der Reformhäuser geht aus der so genannten Lebensreform Mitte des 19. Jahrhunderts hervor, insbesondere aus dem Streben nach einer naturnahen Lebensweise, ökologischer Landwirtschaft, Vegetarismus, Reformkleidung, Naturheilverfahren usw. Die Lebensreformer suchten u. a. nach Alternativen zu allgemeinen konventionellen Produkten, daher umfasst der Warenkatalog der Reformhäuser Waren wie Heilkräuter, Lebensmittel auf Pflanzenbasis, Fleischersatz, Getränke ohne Alkohol und natürliche Kleidung. So entstand ein alternatives Produktangebot, welches in den Reformhäusern erhältlich war. Dieses ist inzwischen weit verbreitet und ein normaler Bestandteil des täglichen Konsums, bspw. Vollkornbrot, Pflanzenmargarine, alkoholfreie Fruchtsäfte, Stärkungsmittel, Öle für die Körperpflege, Naturheilmittel oder Naturkosmetik.

Entwicklung

 
Reformhaus in der Karl-Marx-Allee, Berlin 1969

Das erste Reformhaus in Deutschland wurde 1900 von Karl August Heynen in Wuppertal-Barmen eröffnet. Sein Einzelhandelsgeschäft hatte den Namen „Reformhaus Jungbrunnen“ und wurde zum Vorbild für nachfolgende Reformhäuser. Der Name „Reformhaus“ wurde zur gängigen Bezeichnung für diese Art von Geschäften. 1925 schlossen sich die bestehenden Reformhäuser zur „Vereinigung deutscher Reformhäuser“ zusammen, die reformerische Individualität blieb jedoch bestehen. 1927 gründeten die Reformhaus-Inhaber in Berlin eine Genossenschaft, die „neuform Vereinigung Deutscher Reformhäuser e.G.“. Die Mitgliedschaft ist für jeden Reformhaus-Inhaber zwingend, er bleibt aber ein selbständiger Unternehmer. Die Wortmarke „Reformhaus“ ist eine eingetragene Marke der neuform VDR e.G.

Das Produktangebot wurde im Laufe der Jahre an die ökologischen und wirtschaftlichen Maßstäbe angepasst, so werden bspw. kaum noch Schuhe oder Kleidung angeboten; Kräuter und Tees sind nur noch fertig verpackt erhältlich und es wird nur noch selten Mohn oder Getreide gemahlen. Tendenziell geht die Entwicklung dahin, dass in vielen Reformhäusern mehr Bio-Lebensmittel angeboten werden und verstärkt mit Öko-Bäckereien zusammengearbeitet wird.

Reformhäuser in dieser Geschäftsform gibt es nur in Deutschland und Österreich. In den Niederlanden gibt es ebenfalls Reformhäuser (Reformhuis), die nach denselben Prinzipien handeln und auch ein ähnliches Angebot haben; sie müssen jedoch nicht einer Genossenschaft angehören, um diesen Namen zu benutzen oder bestimmte Produkte verkaufen zu können.

Produkte

 
Symbol auf glutenfreien Nahrungsmitteln

Reformhäuser sind Fachgeschäfte für Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, diätetische Lebensmittel, Körperpflege, Naturkosmetika sowie Naturarzneimittel. Der Schwerpunkt des Angebots liegt dabei auf Nahrungsmitteln, es werden jedoch auch Bücher, Trinkwassersprudler, Wasserfilter, Getreidemühlen und Salzlampen angeboten. Je nach Größe des Ladenlokals umfasst das Angebot zwischen 2000 bis 9000 Produkte. Reformhäuser führen keine Fleischprodukte.

Zudem finden sich in Reformhäusern auch Nahrungsergänzungsmittel, die in Bioläden nicht oder nur in geringer Auswahl verkauft werden. Ferner werden auch frei verkäufliche Naturarzneimittel angeboten. Ein weiterer Schwerpunkt des Angebotes sind spezielle Produkte für Menschen mit verschiedensten Lebensmittel-Unverträglichkeiten, Allergien oder Gluten-Unverträglichkeit.

Unterschied zum Bioladen

Der Unterschied zwischen den in Bioläden und in Reformhäusern erhältlichen Produkten ist, dass die im Reformhaus angebotenen Produkte nicht alle aus biologischem Anbau stammen. Im Zentrum des Reformhaus-Sortiments stand bisher weniger die Art des Anbaus, sondern mehr die ernährungsphysiologischen Lebensmittel sowie die Körperpflege. Allerdings werden inzwischen auch verstärkt Bio-Produkte in Reformhäusern angeboten.

Genossenschaft „neuform“

Die neuform Vereinigung Deutscher Reformhäuser e.G. ist eine Genossenschaft der Reformhaus-Inhaber und war anfangs eine Genossenschaft für den Zentraleinkauf von bestimmten Produkten. Heute werden auch Dienstleistungen wie bspw. Marketing angeboten. Der Schwerpunkt des Angebots liegt aber auf dem sogenannten „neuform-Vertragswarensortiment“; das Sortiment umfasst Lebensmittel, Naturarzneimittel, Körperpflegeartikel und Kosmetik. Diese von Vertragspartnern gelieferten Produkte müssen die Qualitätskriterien der neuform erfüllen. Produkte mit dem neuform-Warenzeichen sind nur in Reformhäusern, Reformwaren-Depots oder Partner-Reformhäusern erhältlich. Ein Reformwaren-Depot ist die Kombination aus einer Apotheke mit einem Reformhaus. Partner-Reformhäuser sind Geschäfte, die in Kombination z. B. mit Parfümerien und Drogerien geführt werden können. Zur Geschäftsgründung ist die bindende Mitgliedschaft in der neuform Vereinigung Deutscher Reformhäuser VDR e.G. Voraussetzung.

Bei der Qualitätskontrolle aller Vertragswaren wird geprüft, ob die verwendeten Rohmaterialien hochwertig, natürlich und rückstandsarm sind. Sie sollten vorrangig aus ökologischem Anbau stammen. Die weitere Verarbeitung soll schonend und weitgehend werterhaltend sein. Tierische Produkte müssen aus artgerechter Tierhaltung stammen. Substanzen von toten Tieren werden bis auf wenige Ausnahmen (Gelatine, Muschelpulver) abgelehnt. Körper- und Schönheitspflegemittel dürfen nicht im Tierversuch getestet worden sein. Bei der Verpackung gilt, so wenig wie möglich, so viel wie nötig. Chemisch-synthetische Zusatzstoffe sowie gehärtete Fette in Lebensmitteln, Substanzen und Rohstoffe aus genmanipulierten Pflanzen und Tieren sowie radioaktiv bestrahlte Lebensmittel werden strikt abgelehnt.

Aus- und Weiterbildung

Reformhaus-Fachverkäufer/in ist ein Lehrberuf. Aufgrund des Warenangebotes sind für die Reformhausfachverkäufer/innen detaillierte Produktkenntnisse und physiologische Kenntnisse nötig. Diese Kenntnisse sind auch für eine Kundenberatung von Bedeutung. Die Grundlagen werden in der Berufsausbildung und in Schulungen der Reformhaus-Fachakademie vermittelt. Die Reformhaus-Fachakademie bietet verschiedene Weiterbildungsmöglichkeiten an, die auch von anderen Berufsgruppen genutzt werden können. Für die Berechtigung zum Verkauf von frei verkäuflichen Arzneimitteln muss ein Kurs mit Abschluss vor der Industrie- und Handelskammer, der Sachkundenachweis, abgelegt werden.

Siehe auch