Afghanistan, offiziell Islamische Republik Afghanistan (Paschtu/Dari (Persisch): افغانستان Afghānestān), ist ein Binnenstaat an der Schnittstelle von Zentralasien und Südasien, der an den Iran, Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan, die Volksrepublik China und Pakistan grenzt. Drei Viertel des Landes bestehen aus schwer zugänglichen Gebirgsregionen.
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Amtssprache | Paschtu und Dari (Persisch).[1][2][3][4] | ||||
Hauptstadt | Kabul | ||||
Staatsform | Präsidialrepublik | ||||
Staatsoberhaupt, zugleich Regierungschef | Präsident Hamid Karzai (alternative Schreibweise: Hamid Karsai) | ||||
Fläche | 652.225 km² | ||||
Einwohnerzahl | 28,4 Mio.[5] | ||||
Bevölkerungsdichte | 38 Einwohner pro km² | ||||
Bruttoinlandsprodukt | 12,58 Mrd US$ (2006) | ||||
Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner | 350 US$ (2006) | ||||
Index der menschlichen Entwicklung | 0,352 (181.) | ||||
Währung | 1 Afghani = 100 Puls 1 € = 75,17 AFN 100 AFN = 1,33 € (Stand: 4. Okt 2024) | ||||
Nationalhymne | Milli Tharana | ||||
Zeitzone | UTC +4,5 | ||||
Kfz-Kennzeichen | AFG | ||||
Internet-TLD | .af | ||||
Telefonvorwahl | +93 | ||||
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In den 1990er-Jahren besiegten von Pakistan aus operierende und von den USA und Saudi-Arabien finanzierte Mudschaheddin die von der Sowjetunion gestützte Regierung. Die Aufteilung der Machtbereiche scheiterte jedoch an Rivalitäten; die fundamentalistisch islamisch ausgerichteten Taliban-Milizen kamen an die Macht und setzten eine radikale Interpretation des Islam und insbesondere die Scharia mit aller Härte durch. Nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 in den USA wurde das Taliban-Regime, das Mitgliedern von Terrororganisationen Unterschlupf gewährt hatte, im maßgeblich von den USA geführten Krieg gegen den Terror gestürzt. Das Land ist seit 2004 eine Islamische Republik und verfügt mit Hamid Karzai über einen gewählten Präsidenten, der am 2. November 2009 für eine zweite Amtszeit bestätigt wurde.
Namensgebung
Der Name Afghanistan bedeutet wörtlich Land der Afghanen. Das Suffix -stan geht dabei auf den indoiranischen Ausdruck für Platz oder Ort, an dem man steht zurück. Das Wort Afghane ist hierbei nicht im modernen Sinne als Staatsbürger Afghanistans zu verstehen, sondern bezieht sich speziell auf das Volk und auf die Stämme der Paschtunen, die im persischen Sprachraum, länderübergreifend, als Afghanen und im indischen Subkontinent als Pathanen bezeichnet werden.
1801 wurde der Name Afghanistan im Anglo-Persischen Friedensvertrag im Zusammenhang mit den paschtunischen Siedlungsgebieten zum ersten Mal offiziell erwähnt, nachdem er bereits in den tschagataischsprachigen Memoiren Baburs aus dem 16. Jahrhundert in einem regional begrenztem Sinne und bezogen auf die Paschtunen erwähnt wurde.[6] Erst 1919, mit der vollen Unabhängigkeit Afghanistans vom Britischen Weltreich, wurde der Name offiziell anerkannt und 1936, mit der ersten Konstitution des Landes, etabliert.
Eine sehr alte Bezeichnung für den Großteil des Gebietes ist Kabulistan, die noch im 19. Jahrhundert vom englischen Geschichtsschreiber Mountstuart Elphinstone als Landesbezeichnung bevorzugt verwendet wurde.[7] Der wohl bekannteste historische Name dieser Region ist Khorasan, der über viele Jahrhunderte hinweg für die islamische und persische Blütezeit stand. Der Norden und Westen des heutigen Afghanistans waren bedeutende Gebiete des historischen Khorasan.
Geographie
Topografie
Afghanistan ist ein Binnenstaat mit strategischer Bedeutung in der Region. Das Land ist größtenteils Gebirgsland. Weniger als 10 Prozent der Landesfläche liegen unterhalb von 600 m Meereshöhe. Die Gebirge des Hindukusch (bis 7500 m Höhe) und des Sefid Kuh erstrecken sich über weite Teile des 652.090 km² großen Landes.
Im Südwesten befindet sich eine abflusslose Ebene mit dem Hilmendsee an der Grenze zum Iran. Sein wichtigster Zufluss ist der Hilmend, der im Osten des Landes nahe der Hauptstadt Kabul entspringt. Afghanistan besitzt ein kontinentales Klima mit heißen Sommern und sehr kalten Wintern. Afghanistan ist vor allem ein Gebirgsland im östlichen Hochland von Iran. Nur im Norden liegen Ebenen am Amudarja und im Südwesten kleinere wüstenartige Becken. Der Nordosten wird vom Hindukusch durchzogen. Zwischen dem Becken von Kabul und dem nördlichen Landesteil besteht seit 1964 eine winterfeste Straßenverbindung über den Gebirgskamm mit einem fast 3 km langen Tunnel (Salangpass-Straße).
Der südliche Hindukusch fällt steil in die Landschaft Nuristan ab, die teilweise noch von Nadelwäldern bedeckt ist. Die Landschaften zwischen der Hauptstadt Kabul und dem Khaiberpass an der Grenze zu Pakistan sind der politische und wirtschaftliche Kernraum des Landes. Siedlungskern im westlichen Afghanistan ist die Stadt Herat. Das südliche und südwestliche Afghanistan besteht aus Wüsten und Halbwüsten. Es wird nur vom Hilmend durchflossen, der der längste afghanische Fluss ist. Der Hilmend endet in den Salzseen von Sistan an der Grenze zum Iran. Östlich des Hilmend liegt die Wüste Rigestan („Sandland“) und westlich des Hilmend die vorwiegend aus Schotter und Lehmflächen bestehende Dascht-e Margoh.
Der höchste Punkt des Landes ist der Gipfel des 7485 m hohen Noshak im Hindukusch. In der Flussebene des Amudarja an der Grenze zu Turkmenistan befindet sich mit 285 m über NN die tiefstgelegene Stelle Afghanistans.
Die Band-e-Amir-Seen bei Bamiyan zählen zu den in der westlichen Welt bekanntesten Sehenswürdigkeiten. Sie sind seit 2009 als erster Nationalpark in Afghanistan ausgewiesen.
Klima
Jahreszeiten: Die winterlichen Westwinde bringen meist mäßige Niederschläge, während die Sommer ausgeprägt trocken sind und nur im äußersten Südosten der Monsun für Regen sorgt. Im Winter sind wegen der großen Höhe des Landes vor allem im Norden gelegentlich auch Schneefälle bis in die Täler möglich. Klimatisch gehört der Süden des Landes bereits zu den wärmeren Subtropen, in denen der Anbau von Dattelpalmen möglich ist, während der Norden eher zur gemäßigten Zone gehört. Im Jahr 2000 hatte die Hälfte der Bevölkerung unter einer der häufig auftretenden schweren Dürren zu leiden.
Ort | Tages-/Nachttemperatur im Januar | Tages-/Nachttemperatur im Juli |
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Herat | 9 °C/-3 °C | 37 °C/21 °C |
Kabul | 5 °C/-7 °C | 32 °C/15 °C |
Kandahar | 12 °C/0 °C | 40 °C/23 °C |
Bevölkerung
80 % der Bevölkerung Afghanistans leben auf dem Land und nur 20 % in den Städten. Größere Städte sind Kabul (als Agglomeration 4,9 Mill. Ew.), Kandahar (339.200 Ew.), Mazar-e-Scharif (239.800 Ew.), Herat (166.600 Ew.), Dschalalabad (158.800 Ew., 2002) und Kunduz (118.000 Ew., 2003).
Ethnien
Die Bevölkerung des Landes fühlt sich einer Vielzahl ethnischer Gruppen und Stämme zugehörig, wobei sich aus historischen Gründen die Paschtunen häufig als staatstragendes Volk ansehen. Das Land hatte 2009 etwa 28 Millionen Einwohner.[5] Oftmals leben mehrere Volksgruppen gemischt innerhalb von Siedlungsgebieten, deren Einwohnerzahlen nur geschätzt werden konnten. Die Kategorisierung in ethnische Gruppen ist zudem nicht eindeutig, da sich Selbstidentifikation und Fremdzuschreibung häufig unterscheiden.
Angaben über Größe und Bevölkerungsanteil der ethnischen Gruppierungen können deswegen nicht als konkrete Werte sondern nur in bestimmten Bereichen gemacht werden. Die folgenden Angaben sind auf die Bevölkerungszahl des Jahres 2009 hochgerechnet.[8]
- Paschtunen, historisch „Afghanen“, sind die Begründer und Namensgeber des Landes. Sie machen etwa 42 % der Bevölkerung aus. Ihnen zugeordnet sind unter anderem mehrere Nomadenstämme, allen voran die Kuchi mit rund 5 Millionen Menschen. Diese wurden durch Artikel 14 der afghanischen Verfassung besonders geschützt und mit Mitspracherechten ausgestattet.
- Tadschiken sind mit etwa 27 % die zweitgrößte Gruppe Landes. „Tadschik“ ist eine generelle Bezeichnung der persischsprachigen Bevölkerung in Afghanistan, oft werden sie auch als „Parsiwan“ („Persischsprecher“) oder, im Osten und Süden, als „Dihgan“ und „Dihwar“ („Dorfbesitzer“, im Sinne von „sesshaft“) bezeichnet.[9] Die Tadschiken bilden keine ethnische Gruppe im engen Sinn, eine erkennbare kulturelle, soziale oder politische Abgrenzung zu anderen Gruppen besteht nicht. Im Westen sind sie die direkte Fortsetzung der persischsprachigen Bevölkerung Irans, im Norden die der persischsprachigen Bevölkerung Zentralasiens. Sie bilden zudem die Mehrheit in den meisten Städten.[9] Der Begriff „Tadschik“ wird meist von anderen als analytischer Terminus für Bevölkerungsgruppen verwendet, die keiner Stammesgesellschaft angehören, Persischsprecher und zumeist sunnitischen Glaubens sind. Auch andere persischsprachige Gruppen, wie die „Qizilbasch“, identifizieren sich selbst zunehmend als Tadschiken.[10]
- Hazara, ebenfalls persischsprachig, jedoch größtenteils schiitischen Glaubens, stellen etwa 10 % der Bevölkerung.
- Usbeken, eines der vielen Turkvölker Zentralasiens, stellen etwa 10 % der Bevölkerung.
- Daneben existieren noch mehrere kleinere Gruppen von unter anderem Aimaken (3–6 %) Turkmenen (1–3 %), Belutschen (< 1 %), Nuristani und zahlreiche weitere Ethnien.
Nach 1992 haben ethnische Konflikte die Auseinandersetzungen zwischen den Mudschaheddin geprägt. Die traditionellen Herrscher Afghanistans waren die Paschtunen, sie bilden auch die große Mehrheit der Taliban-Bewegung. Der Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 gab einer Allianz aus Tadschiken, Hazara und Usbeken die Gelegenheit, ein Abkommen über die Aufteilung der Macht durchzusetzen. Die Paschtunen sehen sich seitdem Vergeltungsangriffen ausgesetzt. Unter den Taliban war es darüber hinaus zu Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten gekommen.
Sprachen
In Afghanistan werden etwa 49 Sprachen [11] und über 200 verschiedene Dialekte gesprochen. Von diesen wurden durch die große Ratsversammlung Loja Dschirga Persisch („Dari“) und Paschtu als offizielle Landes- und Regierungssprachen (Amtssprachen) bestätigt.
Dari (درى) – die offizielle afghanische Bezeichnung für die Ostdialekte des Persischen und abgeleitet von Fārsī-ye Darbārī, „Persisch des königlichen Hofes“ (persisch دربار – Darbār, „Königshof“) – ist die Mehrheitssprache[5] und seit dem Mittelalter die dominierende Verwaltungs- und Kultursprache der Region. Die literarische Schriftsprache des Persischen fungiert seit der Staatsgründung Afghanistans als Amts- und Verwaltungssprache. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung Afghanistans (hauptsächlich Tadschiken, Hazara, Aimaken, aber auch sehr viele Paschtunen) spricht einen Dialekt des Persischen als Muttersprache. Persisch ist zudem die Sprache der Bevölkerung der Hauptstadt Kabul, deren Dialekt – umgangssprachlich gleichgesetzt mit Dari – nicht nur als Regierungs- und Wirtschaftssprache, sondern auch als lingua franca zwischen jenen Volksgruppen dient, die nicht eine der beiden Landessprachen als Muttersprache sprechen.[1]
Paschtu, die Sprache der Paschtunen, ist seit 1964 Amtssprache und wird von rund 35 % der Bevölkerung gesprochen. So wird traditionellerweise die Nationalhymne Afghanistans in Paschtu gesungen. Auch militärische Titel sind der Sprache der Paschtunen entnommen. Trotzdem konnte sich Paschtu bisher nicht als Verwaltungssprache durchsetzen und hat diesen Status nur in den paschtunischen Stammesgebieten. Von anderen Bevölkerungsgruppen wird Paschtu meist als zweitrangig angesehen, und auch die Frage der Nationalhymne hat immer wieder provokante Diskussionen heraufbeschworen. Jegliche Versuche der Regierung, den Status von Paschtu in der Bevölkerung zu erhöhen, sind bisher im Großen und Ganzen gescheitert.
Daneben sind auch fünf Minderheitensprachen in jenen Regionen als Amtssprache anerkannt, in denen diese von der Mehrheit gesprochen werden; die Wichtigste ist dabei Usbekisch. Aber auch Turkmenisch, Belutschisch, Pashai und Nuristani (Kati) haben unter Karzai eine Aufwertung erfahren. Momentan wird unter anderem mit deutscher Hilfe daran gearbeitet, Wörterbücher und Lehrmaterialien für den Schulunterricht in diesen Sprachen zu erstellen.
Religion
Über 99,9 % der Bevölkerung sind Muslime, davon etwa vier Fünftel meist hanafitische Sunniten und ein Fünftel imamitische Schiiten. Daneben gibt es noch etwa 15.000 Hindus, einige wenige hundert Sikhs und einen letzten bucharischen Juden: Zebulon Simentov. Über die Zahl der Christen ist wenig bekannt.
Der Islam wird je nach ethnischer Gruppe, nach Region und/oder nach Bildungsstand unterschiedlich verstanden und interpretiert. Eine wichtige Rolle spielen bis heute die vorislamischen Bräuche der Bevölkerung, wie zum Beispiel das altiranische Neujahr (Nowroz) nach dem iranischen Kalender oder der Glaube an segenbringenden Weihrauch (Espand), beides zoroastrische Bräuche.
Gesellschaft
Der Islam in Afghanistan ist über die Jahrhunderte von den Afghanen sehr konservativ ausgelegt worden, wobei das Stammesrecht der Paschtunen eine Rolle gespielt hat. Vor allem in Städten und größeren Orten gehen Frauen meist nur mit Ganzschleier (Burqa) aus dem Haus. Allerdings wurde sie nur in größeren Städten allgemein üblich. Auf dem Land war die Burqa nicht allgemein üblich, da sie etwa bei der Feldarbeit hinderlich ist. Nur in der kurzen Phase der kommunistischen Regierung 1978 und während deren Unterstützung durch sowjetische Truppen seit 1979 haben Frauen teilweise formale Selbstständigkeit, Freiheit und Schulbildung erhalten.
Die Taliban verpflichteten Mitte der 1990er-Jahre alle Frauen zum Tragen einer Burqa. Bei den Tadschiken und den anderen Volksgruppen war diese Tradition bis dahin nicht weit verbreitet. Die Burqa-Pflicht wurde 2001 offiziell wieder aufgehoben, aber die Burqa bleibt weiterhin die gewöhnliche Kleidung für die meisten Frauen.
Nur wenige Frauen wagen es, sich ohne männliche Begleitung in der Öffentlichkeit zu bewegen. Übergriffe gegen Frauen sind in Kabul und anderen größeren Städten nicht selten – obwohl die Lage zumindest hier durch ausländische Truppenpräsenz einigermaßen stabil ist.
Unter den Taliban war Frauen die Berufstätigkeit verboten, auch den Mädchen war es untersagt eine Schule zu besuchen. Da es durch den Krieg allein in Kabul etwa 30.000 Witwen gab, waren diese völlig auf sich allein gestellt. Vielen blieb nichts anderes übrig, als zu betteln.
Bildung
Die Analphabetenrate ist mit zirka 70 % im internationalen Vergleich sehr hoch. Invasion, Bürgerkrieg und die Kulturfeindlichkeit der Taliban ließen große Teile der Bevölkerung ohne jeden Zugang zu Bildung aufwachsen. Besonders betroffen von diesem Ausschluss aus dem Bildungssystem waren Frauen, so dass noch heute zirka 90 % aller Afghaninnen Analphabetinnen sind. Der Analphabetismus ist eines der größten Hindernisse beim Wiederaufbau des Landes. Mit dem Ende des Taliban-Regimes entstanden mit ausländischer Hilfe zahlreiche Schulen mit zum Teil neu ausgebildetem Lehrpersonal, so dass inzwischen ein großer Teil der Kinder und Jugendlichen, vor allem auch Mädchen, Zugang zu einer Schulbildung haben.[12][13]
In Afghanistan gibt es 13 Universitäten und 8 Fachhochschulen[14] sowie 30 private Hochschulen und Fachhochschulen[15]. Finanziell gefördert werden lediglich Universitäten und Hochschulen, deren Namen aus den „bisherigen nationalen (...) Fachausdrücken“ bestehen. Der afghanische Staat macht die staatliche Anerkannung und Förderung der Hochschulen und Universitäten des Landes in den nicht-paschtunischen Gebieten von der paschtunischen Benennung der Hochschule abhängig, was legitim ist, da Paschto eine der beiden Amts- und Landessprachen ist. In den paschtunischen Gebieten kann die persische Benennung der Hochschulen jedoch fehlen, ohne dort Sanktionen zu fürchten. Der letzte Absatz des Artikels 16 der Verfassung („die bisherigen nationalen ... und addministrativen Fachausdrücke werden beibehalten“ - in Anspielung auf den Status der paschtunischen Sprache als Nationalsprache in der Zeit von Mohammad Zahir Khan, 1933-1973) hebt die vorangegangenen, eigentlich demokratischen Absätze über Sprachenfreiheit wieder auf.[16]
Flüchtlinge
Seit 1980 sind mehr als sechs Millionen Afghanen in die benachbarten islamischen Republiken Pakistan und Iran geflohen. Viele kamen zwar zurück, doch durch die Kämpfe im Jahr 2001 entstand eine neue Flüchtlingswelle; Hunderttausende wurden innerhalb des Landes vertrieben.
Mit 3,2 Millionen Rückkehrern aus Pakistan und 860.000 aus dem Iran hat das UNHCR seit 2002 rund vier Millionen Afghanen bei ihrer Rückkehr ins Heimatland unterstützt. Etwa drei Millionen registrierte Afghanen befinden sich Ende 2007 noch im Exil, davon zirka zwei Millionen in Pakistan, insbesondere in Peschawar, und 910.000 im Iran. Die Aufnahme des Programms der freiwilligen Rückkehr aus Pakistan wird seit März 2008 fortgesetzt.[17]
Geschichte
Von der Antike bis zur Neuzeit
In der Antike gehörte das Gebiet des heutigen Afghanistan, das dem Osten des antiken „Aryānām Xšaθra“ entspricht, zum Perserreich. Später entstand in Baktrien ein Griechisch-Baktrisches Königreich, das von den Nachkommen der Truppen Alexanders des Großen regiert wurde, bevor das Gebiet von den Parthern und anschließend vom persischen Sassanidenreich kontrolliert wurde. Nach dem Fall der Sassaniden, im Zuge der Invasion der muslimischen Araber, und dem langsamen Zerfall des Kalifats der Abbasiden, dominierten bis zum Mittelalter persische Lokaldynastien, die dem Kalifat jedoch nominell unterstanden. Der Islam setzte sich dennoch in dieser Region verhältnismäßig langsam durch. Erst gegen Ende des 10. Jahrhundert, mit der Eroberung der Region durch türkische Nomaden und Militärsklaven (unter anderem die Ghaznawiden und Seldschuken), sollen nach einer islamischen Chronik die meisten Einwohner im Raum Ghor (zwischen Herat und Kabul) Muslime gewesen sein. Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert stand die Region im Mittelpunkt der Konflikte zwischen den persischen Safawiden im Westen, dem indischen Mogulreich im Südosten und den usbekischen Scheibaniden im Norden.
Aufstieg der Paschtunen
Die Geschichte des modernen Afghanistan ist unzertrennlich mit der nationalen Geschichte der Paschtunen verbunden. Unzählige paschtunische Aufstände gegen die jeweiligen Herrscher (persische Safawiden und indische Mogulen) führten schließlich mit dem Aufstand des Stammes Ghilzai (1719) zum Sturz der Safawiden in Persien (1722). Dieser Sieg der Paschtunen hielt aber nicht lange an. Nur sieben Jahre später wurden sie von Nadir Schah besiegt und zurück nach Kandahar verdrängt. Durch die folgenden Eroberungen Nadir Schahs (1736-1747) erlangte das persische Reich vorübergehend wieder die Gewalt über die Region, die heute Afghanistan heißt. Nach dessen Ermordung übernahm der Stamm der Durranis, die mit Nadir Schah gegen die Ghilzai verbündet waren und unter seinem Befehl kämpften, selbständig die Macht.
Staatsgründung und Namensgebung
Der Paschtune Ahmad Schah Durrani begründete im Jahr 1747 nach dem Tod Nadir Schah Afschars, im Osten seines Reiches, ein selbstständiges, paschtunisches Königreich, das als Vorgänger des modernen Staates Afghanistan betrachtet werden kann. Damit gilt er allgemein als der Begründer Afghanistans. Das von Ahmed Schah Durrani gegründete Reich zerbrach später an inneren Streitigkeiten und Einmischungen von außen. Wenig später geriet Afghanistan in den Einflussbereich der expandierenden Briten. Der Name „Afghanistan“ wurde erst im 19. Jahrhundert eingeführt und erst 1919 als Staatsname etabliert.
Einflussbereich britischer und russischer Interessen
In Afghanistan kollidierten russische und britische Kolonialinteressen (The Great Game). Seit der Aufstellung der Kaiserlich Russischen Marine durch Zar Peter den Großen war es Ziel russischer Expansionspolitik, zum Indischen Ozean vorzustoßen und dort einen eisfreien Hafen zu bauen. Um Russland zuvorzukommen, sollte Afghanistan erobert und als Teil des Britischen Weltreichs an das spätere Britisch-Indien angegliedert werden. Dazu kämpfte 1839–1842 eine große anglo-indische Armee im ersten anglo-afghanischen Krieg gegen einen relativ schlecht ausgerüsteten afghanischen Widerstand. Die Briten konnten zwar das Land besetzen, jedoch nicht ihre Ziele durchsetzen. 1842 wurde ein Waffenstillstand vereinbart, bei dem die Briten sich bereit erklärten, ihre Truppen zurückzuziehen. Diese wurden jedoch kurz darauf am Khyber-Pass angegriffen und alle 12.000 Zivilisten, 690 britischen und 2.840 indischen Soldaten getötet. Als Reaktion auf diese Niederlage wurde eine Strafexpedition unter Generalmajor George Pollock entsandt, die am 15. September 1842 Kabul einnahm. Am 11. Oktober 1842 zogen sich die britischen Truppen aus Kabul und in der Folge aus Afghanistan vollständig zurück. Dieser Krieg hatte zur Folge, dass die britische Kolonialverwaltung lange Zeit keine direkten weiteren Unternehmungen in Afghanistan durchführte und erschwerte ihre politisch-wirtschaftlichen Bestrebungen wie die Kontrolle der Handelswege in Zentralasien und den von dort versuchten Angriff auf die chinesische Qing-Dynastie. Die Katastrophe in Afghanistan erregte auch viele Inder, da die britisch-indische Armee zu einem großen Teil aus Belutschen bestand.
Angetrieben durch den Frust der vorangegangenen Demütigung, erklärte 1878 die britische Regierung erneut den Krieg gegen Afghanistan. Trotz kleiner militärischer Erfolge der Afghanen im Zweiten Anglo-Afghanischer Krieg, wie bei der Schlacht von Maiwand 1880, wurde der Widerstand durch die Briten niedergeschlagen, die Hauptstadt Kabul aus Rache niedergebrannt und eine Marionette als König installiert. Gleichzeitig übernahmen die Briten für die folgenden 40 Jahre die afghanische Außenpolitik. Aufgrund vieler Aufstände in Afghanistan wurde 1893 das Land durch die Durand-Linie von den Briten geteilt und das süd-östliche Gebiet (die heutigen pakistanischen Provinzen NWFP, FATA und ein kleiner Teil Belutschistans) der indischen Kronkolonie einverleibt. Um diese Linie kontrollieren zu können wurde das aus Afridis einem Paschtunenstamm bestehende Regiment Khyber Rifles im 1880 aufgestellt, da sich nur Einheimische in diesem Gebiet ungehindert bewegen können. Das Regiment besteht auch heute noch als Bestandteil der Pakistanischen Armee.
Der dritte Anglo-Afghanische-Krieg im Mai 1919 – ein letzter Versuch Afghanistans, sich von den britischen Kolonialbestrebungen zu befreien – führte schließlich durch geschicktes Verhandeln der afghanischen Diplomaten unter Amanullah Khan [18] (die Afghanen drohten den Engländern, sich Russland weiter anzunähern) zum Vertrag von Rawalpindi und am 8. August 1919 zur Anerkennung Afghanistans als souveränen und unabhängigen Staat durch Großbritannien. Somit hatte Afghanistan nach mehr als 60 Jahren britischer Vorherrschaft seine volle Unabhängigkeit erlangt, während ein großer Teil der Gebiete wie Teile der pakistanischen Nordwestprovinz als frontier area auch als tribal area (Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) bezeichnet, an die Briten verlorengingen und später dem Staat Pakistan zugesprochen wurde. Das unabhängige Afghanistan bildete einen Puffer zwischen russischen und britischen Interessen. Dies schlug sich auch in der Grenzziehung nieder und ist noch heute am Wakhan-Korridor ersichtlich.
Afghanistan nach der Unabhängigkeit
Seit 1933 bestand mit Mohammed Sahir Schah (Baraksai) an der Spitze ein konstitutionelles Königreich. Seit 1946 ist Afghanistan Mitglied der Vereinten Nationen. 1973 musste das Königreich einer Republik weichen, in der 1978 die Kommunisten die Macht übernahmen, sich aber nur mit sowjetischer Hilfe an der Macht behaupten konnten. Mit Einmarsch von Sowjettruppen im Dezember 1979 entwickelte sich der Bürgerkrieg zu einem zehnjährigen Stellvertreterkrieg (siehe Sowjetisch-afghanischer Krieg) zwischen sowjetischer Besatzungsmacht und den von den USA, Saudi-Arabien und Pakistan unterstützten islamischen Guerillas (Mudschaheddin). Dieser endete schließlich mit dem Abzug der sowjetischen Truppen 1989. Die sowjetisch gestützte Regierung unter Präsident Nadschibullah konnte sich noch bis zur Einnahme Kabuls 1992 durch die Mudschaheddin halten.[19] Die verschiedenen Mudschaheddin-Gruppierungen begannen sofort danach, sich gegenseitig zu bekämpfen. Es entbrannte ein weiterer Bürgerkrieg, der bis etwa 1995 dauerte.
1995 begannen von Pakistan aus die radikal-islamistischen Taliban, das Land zu erobern. Sie nahmen bis 1995 die Städte Kandahar und Dschalalabad ein, eroberten im September 1996 die Hauptstadt Kabul, bis 2001 zirka 90 Prozent des Landes und riefen das Islamische Emirat Afghanistan aus. Die einzig verbleibende Opposition, die Vereinigte Islamische Front zur Rettung Afghanistans, auch bekannt als Nordallianz, konnte sich lediglich noch in einem kleinen Landstrich im Nordosten des Landes halten. So wurden Musik, Sport, Bilder und Fernsehen verboten, fast sämtliche Schulen und Universitäten geschlossen, Männer gezwungen, Bärte zu tragen, und Frauen durften nur mit männlicher Begleitung und in eine Ganzkörperverschleierung (Burqa) gehüllt das Haus verlassen. Zudem waren Frauen und Mädchen Schulbesuch und Berufstätigkeit untersagt.
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001
Die US-Regierung vermutete, dass der aus Saudi-Arabien stammende Osama bin Laden und Teile des Terrornetzwerkes al-Qaida sich in Afghanistan aufhielten, denen sie die Drahtzieherschaft an den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 zur Last legen. Daraufhin führten die USA im Oktober 2001 eine Invasion Afghanistans mit Hilfe einer Allianz unter ihrer Führung durch. Die US-Regierung nutzte zur Legitimierung dieser Invasion einen Entschluss des UN-Sicherheitsrats, der ihnen das Recht auf Selbstverteidigung zusprach. Infolge dieser Invasion gelang es, die herrschenden Taliban zu stürzen, wobei die Nordallianz den Großteil der Bodentruppen stellte. Jedoch gelang es seit der Invasion nicht, Osama bin Laden zu fassen.
Im Dezember 2001 trafen sich Führer der ehemaligen Mudschaheddin sowie afghanischer Exilgruppen auf der Petersberger Konferenz in Bonn, wo sie sich auf das sogenannte „Petersberger Abkommen“ einigten, das einen Stufenplan zur Demokratisierung des Landes sowie die Bildung einer provisorischen Regierung mit dem paschtunischen Stammesführer Hamid Karsai als Vorsitzenden vorsah. Insbesondere Mitglieder der siegreichen Nordallianz übernahmen Schlüsselpositionen in der neuen Regierung. Außerdem wurde um die Stationierung einer einem Mandat der Vereinten Nationen unterstellten internationalen Truppe ersucht, um die Sicherheit der provisorischen Regierung zu gewährleisten. Diese Aufgabe übernahm die internationale Afghanistan-Schutztruppe ISAF.
Die provisorische Regierung wurde im Juni 2002 abgelöst durch eine von einer landesweiten außerordentlichen Loya Dschirga bestimmten Übergangsregierung, wiederum mit Karzai als Übergangspräsidenten an der Spitze. Ende 2003 wurde eine verfassungsgebende Loya Dschirga einberufen, die die neue afghanische Verfassung im Januar 2004 ratifizierte. Die am 9. Oktober 2004 stattgefundenen Präsidentschaftswahlen bestätigten Karsai als nunmehr demokratisch legitimierten Präsidenten. Den Abschluss des im Petersberger Abkommen vorgesehenen Demokratisierungsprozesses markierten die Parlamentswahlen im September 2005, aus denen sich das erste frei gewählte afghanische Parlament seit 1973 konstituierte. Diese Wahlen sollten ursprünglich im Juni 2004 stattfinden, mussten aber aufgrund von Verzögerungen bei der Wahlregistrierung mehrmals verschoben werden.
Die Zerstrittenheit innerhalb der Nordallianz nahm bis 2002 zu, landesweit kam es zu ethnischen und sprachlichen Verfolgungen. Der dominierenden Stellung der Nordallianz innerhalb der Regierung tat dies allerdings keinen Abbruch. Die Rivalitäten zwischen den Stämmen und Völkern nahmen weiter zu und gefährdeten den Frieden weiter.
Die Sicherheitslage des Landes ist immer noch kritisch und hat sich insbesondere seit Ende 2005 wieder verschlechtert. Bombenanschläge und Selbstmordattentate, die vorher in Afghanistan völlig unbekannt waren, auf nichtmilitärische Ziele nahmen stark zu. Die Zahl der versuchten und durchgeführten Selbstmordanschläge nahmen von drei im Jahr 2003 auf 106 im Jahr 2006 stark zu, zu denen sich meist die Taliban bekannten.[20] Im Süden und Osten von Afghanistan existieren Gebiete, die von ausländischen Hilfsorganisationen und auch ISAF-Truppen gemieden werden. Durchschnittlich sterben in Afghanistan pro Tag zehn Polizisten.[21]
Politik
Politisches System
Seit der Verabschiedung der heute gültigen Verfassung im Jahr 2004 ist Afghanistan eine Islamische Republik mit einem präsidialen Regierungssystem. Die Verfassung gilt als eine der demokratischsten der islamischen Welt und sieht die Gleichberechtigung der Angehörigen aller Religionen und ethnischen Gruppen sowie der Geschlechter vor.[22]
Der Präsident wird direkt vom Volk für eine Dauer von fünf Jahren gewählt. Nach zwei Amtszeiten ist es dem Präsidenten verwehrt, wieder zu kandidieren. Ein Präsidentschaftskandidat muss mindestens 40 Jahre alt, ein Moslem und afghanischer Staatsbürger sein. Der Bewerber nominiert zwei Vizepräsidentschaftsbewerber. Der Präsident ist Staats- und Regierungsoberhaupt und Oberbefehlshaber der militärischen Streitkräfte. Zu seinen Befugnissen gehören außerdem die Bestimmung seines Kabinetts, sowie die Besetzung von Positionen im Militär, der Polizei und Provinzregierungen mit der Zustimmung des Parlaments.
Die Nationalversammlung ist die Legislative von Afghanistan und besteht aus zwei Häusern: der Wolesi Dschirga (Haus des Volkes) und der Meschrano Dschirga (Haus der Älteren). Die Wolesi Dschirga besteht aus 249 Sitzen, wobei 68 für Frauen und zehn für die Nomaden-Minderheit der Kuchis vorbehalten sind. Die Abgeordneten werden durch direkte Wahl bestimmt, wobei die Anzahl der Sitze im Verhältnis zur Einwohnerzahl der jeweiligen Provinz stehen. Es müssen mindestens zwei Frauen pro Provinz gewählt werden. Eine Legislaturperiode dauert fünf Jahre. Zur Wahl sind keine Parteien zugelassen. Auf dem Stimmzettel erscheinen der Name, das Foto und das Symbol des Bewerbers, dem keine Verbindung zu bewaffneten Organisationen erlaubt sind. Die Mandatsträger erhalten keine Immunität vor dem Gesetz. Die Meschrano Dschirga besteht zu je einem Drittel aus Delegierten, die von den Provinz- beziehungsweise Bezirksräten für vier Jahre bestimmt werden sowie zu einem Drittel aus Abgeordneten, die vom Präsidenten bestimmt werden, wobei die Hälfte aus Frauen bestehen muss.
Die Judikative setzt sich aus dem Stera Mahkama (Oberster Gerichtshof), dem Berufungsgericht und niederen Gerichten für bestimmte Zuständigkeiten zusammen. Der Stera Mahkama besteht aus neun Richtern, die vom Präsidenten für eine Amtszeit von zehn Jahren nominiert und vom Parlament bestätigt werden. Richter müssen mindestens das Alter von 40 Jahren erreicht haben, dürfen keiner politischen Partei angehören und müssen einen Abschluss in Jura oder islamischer Rechtsprechung haben. Die Stera Mahkama hat auch die Befugnisse eines Verfassungsgerichtshofs.
Wahlen
Parlamentswahl am 18. September 2005
Am 18. September 2005 fanden in Afghanistan die Wahlen für die Wolesi Dschirga, dem „Haus des Volkes“, und die 34 Provinzräte statt. Für die 249 Sitze des Parlaments (68 per Quote für Frauen) gab es 2.800 Kandidaten (330 Frauen), für die Provinzräte über 3.000. Trotz Anschlagsdrohungen ließen sich 12,7 der 28 Millionen Afghanen registrieren. Zur Wahl gingen schließlich 6,8 Millionen, was einer Wahlbeteiligung von etwa 54 % entspricht. Parteien sind laut Verfassung verboten. Die Wahl wurde international als Erfolg gewertet und bildete den Abschluss des so genannten „Petersberger Prozesses“.
Präsidenten- und Provinzratswahlen 2009
Am 20. August 2009 fanden in Afghanistan die Wahlen für das Präsidentschaftsamt statt, sowie auch gleichzeitig die Provinzratswahlen. Der damalige Amtsinhaber Hamid Karzai wurde dabei am 19. November 2009 erneut als Präsident vereidigt, nachdem in den Wochen davor eine geplante Stichwahl wegen des Rückzugs seines Mitstreiters Abdullah Abdullah abgesagt worden war. Der erste Wahlgang, bei dem Karzai eine notwendige absolute Mehrheit verfehlt hatte, war von Wahlmanipulationen und mehreren Bombenanschlägen in den Tagen zuvor überschattet.
Internationale Organisationen
Afghanistan ist seit 1946 Mitglied der Vereinten Nationen. Es hat Beobachterstatus in der WTO und ist Vertragsstaat des ICC.[23] Daneben ist es Mitglied der Organisation der Islamischen Konferenz sowie Mitglied der Bewegung der Blockfreien Staaten.
Provinzen
Afghanistan gliedert sich in 34 Provinzen (velayat), die wiederum in 329 Bezirke (woluswali) unterteilt sind. Den Provinzen steht jeweils ein Gouverneur (waali) vor, der von der Regierung in Kabul ernannt oder bestätigt wird.
Sicherheit
Afghanische Sicherheitskräfte
Seit dem Sturz der Taliban haben die an der ISAF beteiligten Nationen großes Interesse daran, den Afghanen auch auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik wieder volle Souveränität garantieren zu können. Deshalb bauen sie unter Führung der USA Polizei, Militär und Geheimdienst auf.
Die afghanischen Streitkräfte mit dem Namen Afghan National Army kurz ANA verfügen zurzeit über ca. 100.130 Mann (Stand 22. Dezember 2009). Bis Oktober 2011 ist eine Truppenstärke von 171.600 Mann angestrebt.[24]. Da der Aufbau und Unterhalt einer einsatzfähigen Luftwaffe teuer ist, übernehmen die USA die Sicherung des afghanischen Luftraums. Die Notwendigkeit einer afghanischen Luftwaffe wird zurzeit debattiert, aufgrund der geographischen Gegebenheiten gilt diese aber als vorhanden. Die Kommandostruktur orientiert sich an der der USA. So soll Afghanistan unter militärisch sinnvollen Regionalkommandos aufgeteilt werden, vergleichbar den US-Streitkräften. Vorrangiges Ziel bleibt aber zunächst die Verbesserung von Ausbildung, Moral und Ausrüstung sowie die Bereinigung des Militärs von Spionen und Saboteuren. Die Streitkräfte unterstehen Verteidigungsminister Abdul Rahim Wardak.
In Zusammenarbeit mit Deutschland und der EU bilden die USA zurzeit afghanische Polizisten aus, derer es ca. 80.000 geben soll (Stand März 2009).[25] Auch hier orientiert sich der Aufbau an den USA, zum Beispiel mit einer Art Highway Police. Derzeit ist die afghanische Polizei zentral organisiert, was aber angesichts des Verfassungsgebungsprozesses und der noch nicht abgeschlossenen Bewertung aller Faktoren ein Provisorium darstellt.
Der neu gegründete afghanische Geheimdienst NDS unterstützt die afghanische Regierung durch Informationsgewinnung und -auswertung.
Ausländische Truppenpräsenz
Im Rahmen des ISAF-Mandates sind rund 71.420 Soldaten aus 43 Staaten in Afghanistan stationiert. Das größte Kontingent stellt die USA mit 34.800 Soldaten. Deutschland beteiligt sich mit 4.365 Soldaten, die im Norden des Landes stationiert sind.[26][27] Weitere etwa 14.000 Truppen der USA der Operation Enduring Freedom sind nicht dem ISAF-Kommando unterstellt. Die größten alliierten Militärbasen sind die Bagram Air Base und Kandahar Airfield beim Flughafen Kandahar.
Wirtschaft
Nach zwei Jahrzehnten Krieg war die Wirtschaft des Landes weitgehend zerstört, ebenso ein Großteil der Viehbestände.
Das Bruttoinlandsprodukt liegt bei geschätzten 20 Milliarden US-Dollar (Stand 2003). Damit zählt Afghanistan zu den ärmsten Staaten. Bei der Entstehung des BIP ist der Landwirtschaftssektor mit geschätzten 60 % beteiligt, die Industrie mit geschätzten 15 % und Dienstleistungen mit geschätzten 25 %.
Trotz bestehender Probleme wie mangelhafte Infrastruktur, teils unsicherer Sicherheitslage und Korruption haben in den letzten Jahren große Investitionen in Afghanistan stattgefunden: verschiedene staatliche Unternehmen wurden privatisiert, durch den Krieg zerstörte Industrie wurde wieder aufgebaut. Die im Jahr 2003 gegründete Afghanistan Investment Support Agency (kurz: AISA) registriert neue Unternehmen und betreut Investoren bei Problemen nach der Unternehmensgründung.
Zu den wichtigsten Handelspartnern zählt neben Staaten der Region, vor allem Pakistan und Iran, auch die Europäische Union.
Landwirtschaft
Obwohl nur etwa 6 % der Staatsfläche landwirtschaftlich nutzbar sind und diese Nutzung meist von künstlicher Bewässerung abhängt, sind 67 % der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig (Stand 2001).
Weitreichende Waldrodungen, Überweidung der Böden und unkoordiniertes Abpumpen von Grundwasser während der Bürgerkriegsjahre bewirkten einen Rückgang der landwirtschaftlich nutzbaren Ressourcen des Landes. Dadurch ist die Versorgung des Landes empfindlicher gegenüber Dürren und anderen Naturkatastrophen geworden. So sind die Ernten regelmäßig durch Dürren bedroht, die in ihrer Häufigkeit und Intensität in den letzten drei Jahrzehnten zugenommen haben. Dabei trockneten in manchen Fällen bestimmte Flüsse und Seen völlig aus.[28] Teile der Bevölkerung sind auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen.
Eine Reihe von Organisationen befassen sich daher mit der Erhebung, Überwachung und dem Entwickeln von Nutzungskonzepten der Wasserressourcen des Landes.[29]
Drogenproduktion
Afghanisten ist der größte Opiumproduzent der Welt. Im Juli 2000 wurde der Opiumanbau durch das Taliban-Regime verboten, worauf die Opiumproduktion völlig einbrach und im Jahre 2001 fast auf Null sank. Nach dem US-geführten Krieg stieg die Produktion wieder an und ist seit 2004 höher als in den Jahren zuvor.[30] 2006 betrug der Handel mit Opium 46 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Anbaufläche für Schlafmohn stieg seit der Beseitigung des Taliban-Regimes kontinuierlich, im Jahr 2006 erneut um 59 Prozent auf rund 193.000 Hektar. Nach Angaben des UNO-Büros für Drogen und Verbrechen (UNODC) wurden im Jahr 2006 über 6.000 Tonnen Opium geerntet, das entspricht 92 Prozent der gesamten Weltproduktion. Der Exportwert dieses Opiums liegt nach Angaben des Außenministeriums der Vereinigten Staaten bei 3,1 Milliarden US-Dollar, dagegen liegt der Straßenpreis bei rund 38 Milliarden US-Dollar. Im Herbst 2007 wurden in Afghanistan rund 8.200 Tonnen Opium geerntet, davon mehr als die Hälfte in der afghanischen Provinz Helmand. Das übersteigt den weltweiten Verbrauch um 3.000 Tonnen. Der einzelne Opiumfarmer erzielt hierbei etwa 122 US$ pro Kilogramm Opium („farm gate price“). Somit ist für diesen der Schlafmohnanbau um etwa das Zehnfache lukrativer als der Weizenanbau.[31][30]
Afghanistan ist auch größter Ertragsproduzent von Haschisch wie 2010 von der UNODC festgestellt wurde. Nach Angaben der UNODC-Studie werden in Afghanistan pro Hektar 145 Kilogramm Cannabis-Harz gewonnen. In Marokko, dem größten Cannabisanbauland der Welt, sind es zum Vergleich pro Hektar nur 40 Kilogramm. [32]
Drogenbekämpfung
Zur Bekämpfung der Drogenkriminalität wird in Afghanistan seit dem Jahr 2002 die „Counter Narcotics Police of Afghanistan“ (CNPA) aufgebaut. Im Rahmen von Felderzerstörungen der afghanischen Drogenvernichtungseinheit (Afghan Eradiction Force) und der nationalen Polizei wird seit 2005 in zunehmendem Umfang der Opiumanbau bekämpft. Nachteil dieser von westlichen Geberländern geforderten Maßnahme ist, dass zahlreiche Bauern, deren Lebensgrundlage zerstört wurde, zu Anhängern lokaler Kriegsherren wurden, ein Grund für die Verschlechterung der Sicherheitslage seit dieser Zeit. Ein wirtschaftlich negativer Effekt ist, dass Marktverknappung der derzeitigen Überschussproduktion den Drogenhändlern in die Hände spielt, weil er die Preise steigen lässt. 2003 betrug bei einer Ernte von 4000 Tonnen das von den Bauern erzielbare Bruttoeinkommen noch das 27-fache des Weizenanbaus. Der erneute Anbau von Opium wird durch die Vernichtung von Feldern lukrativer, die politische Macht der Drogenbarone wird dagegen nicht angegriffen.[33]
Bergbau und Industrie
Die bedeutendsten Bodenschätze sind neben Eisen- und Kupfererzen, Erdgas, Kohle und Halbedelsteinen (hauptsächlich Lapislazuli) auch Erdöl, von dem im Jahr 2006 im Norden des Landes Lagerstätten entdeckt wurden, die das 18-fache der ursprünglich geschätzten Menge enthalten. Bereits im Jahr 1991 ergab eine US-Studie, dass durch den Abbau von Bodenschätzen genügend Profit erzielt werden könnte, um damit den Wiederaufbau des Landes zu finanzieren.[34]
Zahlreiche der früher ausschließlich als Staatseigentum angesehenen Minen und Lagerstätten wurden inzwischen privatisiert, was die Beteiligung ausländischer Investoren erst ermöglicht. Bei Erhebungen des möglichen Abbaus vorhandener nicht-fossiler Bodenschätze wurden 20 Lagerstätten identifiziert, die das Potenzial für einen wirtschaftlichen Abbau besitzen sollen. Voraussetzung für einen Produktionsbeginn ist jedoch eine ausreichende Sicherheitslage [35], die vielerorts noch nicht gegeben ist.
Die mit 5,5 bis 11,3 Millionen Tonnen bedeutenden Vorkommen von Kupfererzen bei Aynak, nur etwa 30 km südlich der Hauptstadt, werden künftig von einem chinesischen Unternehmen abgebaut. Ende 2007 wurde beschlossen dort innerhalb von 5 Jahren eine Mine zu errichten, die dem Land langfristig Einnahmen in der Höhe von 2,9 Milliarden US-Dollar bescheren soll.[Anm. 1][35]
2010 wurden von Geologen aus den Vereinigten Staaten[36] zudem große Vorkommen an Bodenschätzen in beträchtlicher Höhe entdeckt. [37] So soll Afghanistan z.B. über Vorkommen an Lithium verfügen wie bisher nur Bolivien. Weitere Funde betreffen erneut Eisen und Kupfer sowie Niob, Kobalt, Gold, Molybdän, seltene Erden und Asbest.[38] Der Wert der neuerlichen Funde wird auf über 1 Billion USD geschätzt.[39] Für den Abbau der Bodenschätze wären jedoch weitere Studien sowie größere Investitionen in Infrastruktur und Sicherheitslage notwendig.[40]
Tourismus
In Kabul sind einige Hotels und Gästehäuser für Ausländer geöffnet. Reisen außerhalb der Hauptstadt sind gefährlich. Viele Kulturschätze wie zum Beispiel die berühmten Buddha-Statuen von Bamiyan wurden zerstört oder geplündert. Afghanistan veröffentlicht keine offiziellen Zahlen zum Tourismus. In den 1960er und 1970er Jahren führte der sogenannte Hippie trail von Europa nach Südasien durch Afghanistan.
Für Afghanistan existiert eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland (Stand: 17. Dezember 2005). Reisen gelten als gefährlich, und von ihnen wird dringend abgeraten, da eine Rettung (besonders aus den Provinzen) im Unglücksfall nur unter schwersten Bedingungen möglich ist und nicht garantiert werden kann.
Staatshaushalt
Der Staatshaushalt umfasste 2007 Ausgaben von umgerechnet 3,3 Mrd. US-Dollar, dem standen Einnahmen von umgerechnet 1,1 Mrd US-Dollar gegenüber, zusätzlich erhielt Afghanistan internationale Finanzhilfen in Höhe von 2,7 Mrd. US-Dollar. Daraus ergibt sich ein Haushaltsüberschuss in Höhe von 4,8 % des BIP.[5]
Die Staatsverschuldung betrug 2009 2,104 Mrd. US-Dollar oder 15,8 % des BIP.
2010 wurden Afghanistan von den Staaten des Pariser Clubs 441 Mio. US-Dollar erlassen, ein Erlass von weiteren 585 Mio. US-Dollar wird angestrebt.[41] Bereits in den Jahren zuvor waren Afghanistan große Teile der Staatsschulden erlassen worden.[42]
2006 betrug der Anteil der Staatsausgaben (in % des BIP) folgender Bereiche:
Infrastruktur
Pipelines
Afghanistan wird bereits seit Jahrzehnten als mögliches Transitland für fossile Brennstoffe in Betracht gezogen; dies aufgrund seiner Lage zwischen den turkmenischen Erdöl- und Erdgasfeldern des Kaspischen Meeres und dem Indischen Ozean. Der Baubeginn der seit längerem geplanten Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Pipeline (kurz: TAP), die Pakistan und gegebenenfalls Indien mit turkmenischem Erdgas beliefern würde, hätte 2006 stattfinden sollen. Das Projekt wurde aber aufgrund der unsicheren Sicherheitslage und unklarer Finanzierung auf unbestimmte Zeit verschoben und kommt möglicherweise nicht mehr zustande. Der Bau der Pipeline würde tausende Arbeitsplätze schaffen und dem Staat jährlich etwa 100 bis 300 Millionen US-Dollar an Transitgebühren einbringen.[44]
Energieversorgung
Nach Jahrzehnten des Bürgerkrieges war die elektrische Infrastruktur in weiten Teilen zerstört: 2003 hatten nur etwa 6–7 % der Bevölkerung Zugang zu elektrischem Strom, der jedoch nur etwa 4 Stunden am Tag zur Verfügung stand. 30% aller Stromanschlüsse des Landes befanden sich in Kabul, die damals vorhandenen 42 Kraftwerke leisteten nur mehr 240 MW anstatt den nominellen 454 MW. Ein landesweites Leitungsnetz existierte nicht, weshalb der Bau von kleineren Kraftwerken für die lokale Versorgung vorgeschlagen und auch schon mehrfach realisiert wurde. Ende des Jahres 2006 wurden mit einigen Nachbarstaaten Verträge für Stromimporte unterzeichnet.[45] In Afghanistan wird insbesondere der Wasserkraft viel Potential eingeräumt: Es ist geplant, unter anderem die Kajakai-Talsperre mit einem zusätzlichen Wasserkraftwerk „Kajakai II“ auszubauen.[46]
Inzwischen wurden in diesem Bereich große Fortschritte erzielt: 2009 ging ein neues, landesweites Leitungsnetz in Betrieb, das den Zugang zu elektrischem Strom für größere Teile der Bevölkerung ermöglichen soll.[47]
Verkehrsinfrastruktur
Das Straßennetz befindet sich im Wiederaufbau und wird zudem erweitert. Die sogenannte ring road, die Hauptverkehrsader des Landes, in deren Umgebung rund 60 Prozent der Bevölkerung leben, wurde wieder instandgesetzt. So wurden bis 2007 bereits 715 Kilometer von ihr erneuert.[48] Die Fertigstellung des letzten rund 400 km langen, neu trassierten Teilstücks, welches die letzte Lücke im Nordwesten des Landes schließen würde, verzögert sich jedoch wegen der lokal präkären Sicherheitslage.[49] Weiters wurden bis Mitte 2007 über 800 km an sekundären Straßen erneuert oder neu angelegt.[50]
Der Grenzfluss Amudarja beziehungsweise dessen Quellfluss Pjandsch stellt ein natürliches Hindernis für Überlandtransporte in die nördlich gelegenen Nachbarländer Usbekistan und Tadschikistan dar, da nur wenige Brücken über diese beiden Flüsse existieren. Weiters besteht teilweise eine hohe Minengefahr und viele Straßen sind je nach Jahreszeit oft stark unterspült. Es gilt die Straßenverkehrsordnung der DDR.[51]
In Afghanistan gibt es über sechzig Flugplätze und Flughäfen, überwiegend handelt es sich um einfache Schotterpisten. Nur in einigen Städten sind größere Flughäfen vorhanden, diese werden auch beziehungsweise überwiegend von der US Airforce militärisch genutzt.[52] Der größte Flughafen des Landes ist der Flughafen Kabul. Über ein Dutzend Fluggesellschaften fliegen Ziele in Afghanistan an.[53] Afghanische Fluggesellschaften sind Ariana Afghan Airlines, Kam Air und Pamir Airways.
Das afghanische Schienennetz beschränkt sich auf 24,6 Kilometer. Von Turkmenistan, Usbekistan und Pakistan führen kurze Stichstrecken auf afghanisches Gebiet, wobei die Chaiber-Pass-Bahnlinie zum pakistanisch-afghanischen Grenzort Landi Khana stillgelegt ist. Die Breitspurstrecke vom usbekischen Termiz überquert auf der Brücke der Freundschaft (kombinierte Eisenbahn–Straßenbrücke) den Amudarja und führt in das zwölf Kilometer entfernte Hayratan.[54] Über diese Brücke wird annähernd die Hälfte des afghanischen Imports abgewickelt. Ende Januar 2010 begann der Bau der Verlängerungsstrecke von Hayratan in das 75 Kilometer entfernte Masar-e Scharif. Dieser wird von der usbekischen Eisenbahngesellschaft durchgeführt und soll im Juni 2011 beendet sein.[55] Aus dem turkmenischen Serhetabat führt eine Güterverkehrsstrecke zwei Kilometer auf afghanisches Gebiet, die 2007 erneuert wurde.[56][57] Diese beiden Strecken sind in der Zeit der sowjetischen Besatzung gebaut worden. Aufgrund des steigenden Außenhandels mit Iran gibt es Bestrebungen eine Bahnlinie zwischen Maschhad und Herat zu bauen.[58] Des Weiteren gibt es konkrete Bauabsichten für eine Strecke vom pakistanischen Grenzort Chaman nach Kandahar.[59]
Telekommunikation
Es existieren zwei Mobilfunknetze, die 70 % des Landes abdecken (Stand Sommer 2006). Anfang 2008 gab es in Afghanistan etwa 45.000 Festnetzanschlüsse und 4,5 Millionen Mobilfunknutzer. Das Telekommunkikationssnetz der Afghan Telecom versorgt alle 34 afghanischen Provinzhauptstädte sowie 254 Orte und Dörfer.
Gesundheitswesen
Auf 10.000 Einwohner kommen zwei Ärzte und 4,2 Krankenhausbetten. Die ländliche Bevölkerung hat nur zu etwa 66 Prozent Zugang zu medizinischer Versorgung. 80 Prozent der Ärzte arbeiten in Kabul. In der Hauptstadt sind auch 60 Prozent der Krankenhausbetten und 40 Prozent der Apotheken.
Afghanistan hat eine der höchsten Mutter-Kind-Sterblichkeitsraten der Welt. Nur bei 19 Prozent der Geburten steht medizinisches Fachpersonal zur Verfügung. Jährlich sterben etwa 24.000 Frauen vor, während oder direkt nach einer Entbindung. Fast ein Viertel der Kinder stirbt vor dem fünften Lebensjahr.[60]
Kultur
Die Region war etwa vom 2. bis etwa zum 10. Jahrhundert buddhistisch geprägt. Aus dieser Zeit sind zahlreiche Überreste buddhistischer Stätten erhalten. Der Islam, der das Gebiet im 7. Jahrhundert erreicht hatte, verbreitete sich zunächst eher langsam.
Eine der größten Sehenswürdigkeiten waren die Buddha-Statuen von Bamiyan. Im Jahre 2001 wurden diese in eine Felswand eingearbeiteten Kunstwerke durch die damals herrschenden Taliban zerstört. Die zahlreichen Überreste von Klöstern, ausgemalten Höhlen, Statuen und Festungsanlagen im Bamiyan-Tal stehen auf der Liste des UNESCO-Welterbes, wie auch das sich in der Provinz Ghor befindliche Minarett von Jam mit den dortigen archäologischen Überresten.[61]
Die Taliban zerstörten und plünderten viele Kunstwerke (unter anderem Gemälde und Figuren aus buddhistischer Zeit), vor allem die, die Menschen darstellten. Einigen Mitarbeitern des örtlichen Institutes für Kunst gelang es jedoch, einige Kunstwerke vor den Taliban zu retten. Das Reiterspiel Buzkashi gilt als afghanischer Nationalsport. Die afghanische Fußballnationalmannschaft wurde 1933 gegründet, bestritt aber zwischen 1984 und 2002 keine Spiele mehr; heute ist die Mannschaft wieder aktiv und absolviert wieder Pflichtspiele.
Zu den kulinarischen Spezialitäten der afghanischen Küche zählen zum Beispiel Khabilie Palau mit delikaten Gemüsesoßen, Borani-Badenjan und Aschak.
Medien
Nach der Machtübernahme der Taliban 1996 gab es fünf Jahre lang keine Fernsehsender, heute sind es bereits 16 Sender, die hauptsächlich Filme und Serien aus dem Ausland wie Indien, Pakistan und dem Iran im Unterhaltungsprogramm ausstrahlen. Freizügige Kleidung in der Werbung oder in indischen Serien wird durch Bildfilter unkenntlich gemacht oder verschwommen gezeigt. Informationssendungen und Talkshows werden auch von Frauen moderiert.
Kalender
Gesetzliche oder staatliche und landwirtschaftliche Feiertage und Feste wie Nauroz, Unabhängigkeitsfest sowie staatliche Gedenktage werden nach dem iranischen Sonnenkalender gefeiert. Religiöse Feste werden nach dem islamischen Mondkalender gefeiert.
Der Kalender nach dem Sonnenjahr ist Staatskalender, auch wenn er im Laufe der Geschichte auf dem Boden des heutigen Landes, aber auch seit der Namensgebung „Afghanistan“ im 19. Jahrhundert wiederholt außer Kraft gesetzt worden ist. Zuletzt wurde der Solarkalender im Jahre 1996 von den Taliban für ungültig erklärt. Der islamische Lunarkalender war der Kalender des „Islamischen Emirats Afghanistan“.
Seit der Loja Dschirga von 2004 ist der auf dem Sonnenjahr beruhende Kalender abermals in der Verfassung verankert. Demnach basiert der Kalenderanfang auf dem Zeitpunkt der Pilgerfahrt (Hidschra) des Propheten Mohammad. Die Arbeitsgrundlage des Staatswesens ist der auf jener Pilgerfahrt beruhende Sonnenkalender. 22 Sonnenjahre entsprechen 23 Mondjahren. Die zwölf Monatsnamen des Sonnenkalenders entsprechen in Afghanistan den Tierkreiszeichen. Afghanische Kalender mit deutschen Feiertagen (GPL-Lizenz) sowie weitere Informationen zum Afghanischen Kalender sind unter Afghan Kalender Projekt verfügbar.
Siehe auch
Weblinks
Deutsch
- Afghanistan-Seiten des Militärgeschichtlichen Forschungsamts in Potsdam
- AGA. Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft Afghanistan Eigene Beiträge und umfangreiche kommentierte Linkliste.
- Länderinformationen des Auswärtigen Amtes zu Afghanistan
- Entwicklungspolitische Informationen des InWEnt-Länder-Informations-Portal (LIPortal) zu Afghanistan
- Afghanistan-Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung
- Studie zur Situation in Afghanistan von ARD, ABC News und BBC, Befragungen des afghanischen Volkes in allen Provinzen, Daten für 2005–2008: Bericht (englisch), Zusammenfassung der ARD
- Zusammenfassung einer neuen Umfrage von Tagesschau.de im Januar 2010
Englisch
- Selected Internet Resources, Library of Congress
- UNHCR: 2010 country operations profile – Afghanistan
- UNODC: Drugs finance Taliban war machine, 27. November 2008
- Bildergalerie Luke Powell, 1974–2003
Literatur
- Jan-Heeren Grevemeyer: Afghanistan : Sozialer Wandel und Staat im 20. Jahrhundert. Berlin, VWB-Verlag 1989, ISBN 978-3-927408-24-1
- Conrad J. Schetter / Almut Wieland-Karimi (Hrsg.) – Afghanistan in Geschichte und Gegenwart, Beiträge zur Afghanistanforschung, IKO-Verlag für interkulturelle Kommunikation, Frankfurt/M 1999, ISBN 3-88939-498-1
- Bernhard Chiari (Hrsg.): Wegweiser zur Geschichte. Afghanistan, 3., durchges. und erw. Aufl., Ferdinand Schöningh, Paderborn 2009, ISBN 978-3-506-76761-5 (PDF-Download 8.7 MB)
- Claudine Nick-Miller(Hrsg.): Strategisches versus hunmanitäres Denken: das Beispiel Afghanistan, vdf, Zürich 2009, ISBN 978-3-7281-3230-7 (Eintrag in der Deutschen Nationalbibliothek)
Anmerkungen
- ↑ 5,5 bis 11,3 Millionen Tonnen sind etwa 1 bis 2 % der weltweiten Vorkommen, die wirtschaftlich gefördert werden können. (nach United States Geological Survey, World Mine Production, Reserves, and Reserve Base, 2008, abgerufen 26. Oktober 2009)
Nachweise
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- ↑ Britannica.com
- ↑ The Constitution of the Islamic Republic of Afghanistan – January 26, 2004
- ↑ a b c d e f The World Factbook
- ↑ Baburnama in der Übersetzung von Annette S. Beveridge, vgl. Fußnote 2
- ↑ Elphinstone, M., „Account of the Kingdom of Cabul and its Dependencies in Persia and India“, London 1815; published by Longman, Hurst, Rees, Orme & Brown
- ↑ Conrad Schetter: II. Strukturen und Lebenswelten – Stammesstrukturen und ethnische Gruppen In: Bernhard Chiari (Hrsg.): Wegweiser zur Geschichte. Afghanistan, 3., durchges. und erw. Aufl., Ferdinand Schöningh, Paderborn 2009, ISBN 978-3-506-76761-5, S.124 (PDF-Datei; 8.7 MB) vgl: Conrad Schetter: Ethnizität und ethnische Konflikte in Afghanistan, Reimer, Juni 2003 ISBN 978-3-496-02750-8
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- ↑ UNESCO, auf: Offizielle Webseite: UNESCO World Heritage (online), abgerufen am 19. März 2009
Koordinaten: 34° N, 66° O