Konvexe und konkave Funktionen

mathematische Funktionen
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 20. Juli 2005 um 10:51 Uhr durch NeoUrfahraner (Diskussion | Beiträge) (Weblinks). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

In der Analysis heißt eine Funktion f von einem Intervall I (oder allgemeiner einer konvexen Teilmenge C eines reellen Vektorraums) nach R konvex, wenn für alle x, y aus I (bzw. aus C) und t zwischen 0 und 1 gilt:

Normalparabel ist konvex

Anschaulich bedeutet die Definition: Die Funktionswerte zwischen zwei Werten x,y liegen unterhalb der Verbindungsgeraden der beiden Funktionswerte an x und y.

Gilt des Ungleichheitszeichen in die umgekehrte Richtung, also

für alle x, y aus I und t zwischen 0 und 1 gilt, so wird die Funktion als konkav bezeichnet. Vereinzelt (z.B. in Bronstein-Semendjajew) wird der hier verwendete Begriff "konvex" als "konvex von unten" und im Gegensatz dazu "konkav" als "konvex von oben" bezeichnet.

Eine Funktion heißt streng konvex, wenn für alle x,y aus I (bzw. C) und t zwischen 0 und 1 gilt:

.

Analog heißt eine Funktion streng konkav, wenn für alle x,y aus I (bzw. C) und t zwischen 0 und 1 gilt:

.

Die besondere Bedeutung konvexer bzw. konkaver Funktionen liegt darin, dass sie allgemeiner als lineare Funktionen sind, aber viele einfach zu untersuchende Eigenschaften haben, die viele Aussagen über nichtlineare Systeme, insbesondere über nicht-lineare Optimierungsprobleme ermöglichen.

Eigenschaften

Graph

Der Graph einer konvexen Funktion ist so gewölbt, dass die Menge der Punkte oberhalb des Graphen eine konvexe Menge ist, Der Graph einer konkaven Funktion ist so gewölbt, dass die Menge der Punkte unterhalb des Graphen eine konvexe Menge ist. Zu beachten ist, dass eine nicht-konvexe Funktion nicht automatisch konkav sein muss, d.h. konvex und konkav sind hier nicht das exakte Gegenteil voneinander. Jede lineare Funktion ist sowohl konkav als auch konvex, und die Sinusfunktion ist keins von beiden (weder die Menge der Punkte oberhalb des Graphen noch die der Punkte unterhalb des Graphen ist eine konvexe Menge).

Verhältnis konvex und konkav

Eine Funktion f ist genau dann konvex (konkav), wenn die Funktion -f konkav (konvex) ist.

Umkehrfunktion

Ist   invertierbar und setzt man  , so erhält man für eine konvex Funktion

 .

Für eine monoton steigende Funktion gilt also

 ,

für eine invertierbare monoton steigende und konvexe (konkave) Funktion hat daher die Umkehrfunktion die umgekehrte Art der Konvexität, ist also monoton steigend und konkav (konvex), siehe z.B.   und  .

Für eine monoton fallende Funktion gilt hingegen

 ,

für eine invertierbare monoton fallende und konvexe (konkave) Funktion hat daher die Umkehrfunktion die gleiche Art der Konvexität, ist also streng monoton steigend und konvex (konkav), siehe z.B.   auf   bzw.  .

Konvexität und erste Ableitung

Ist f:   differenzierbar, dann gilt

  • f ist genau dann konvex, wenn ihre Ableitung   wachsend ist, und genau dann streng konvex, wenn   streng monoton wachsend ist.
  • Konvexe Funktionen liegen oberhalb der Tangente, also  , wobei für streng konvex   für   gilt. Aus dieser Beziehung folgt beispielsweise die Verallgemeinerung der Bernoullischen Ungleichung   für reelle r mit   oder  .
  • f ist genau dann konkav, wenn ihre Ableitung   fallend ist, und genau dann streng konkav, wenn   streng monoton fallend ist.
  • Konkave Funktionen liegen unterhalb der Tangente, also  , wobei für streng konkav   für   gilt. Aus dieser Beziehung folgt beispielsweise die Verallgemeinerung der Bernoullischen Ungleichung   für reelle r mit  .

Konvexität und zweite Ableitung

Ist die Funktion f:   zweimal stetig differenzierbar, dann gilt

  • f ist genau dann konvex, wenn   nichtnegativ ist. Ist   positiv, so ist die Funktion streng konvex; bei streng konvexen Funktionen kann die zweite Ableitung aber einzelne Nullstellen haben, wie das Beispiel   für   zeigt.
  • f ist genau dann konkav, wenn   nichtpositiv ist. Ist   negativ, so ist die Funktion streng konkav; bei streng konkaven Funktionen kann die zweite Ableitung aber einzelne Nullstellen haben, wie das Beispiel   für   zeigt.

Ist die Funktion f:   zweimal stetig differenzierbar, dann gilt

Extremwerte

  • Ein lokales Minimum einer konvexen Funktion ist auch ein globales Minimum. Eine strikt konvexe Funktion hat höchstens ein globales Minimum. Eine stetige strikt konvexe Funktion auf einer kompakten konvexen Menge hat auf dieser Menge genau ein globales Minimum.   hat aber beispielsweise kein globales Minimum für  .
  • Ein lokales Maximum einer konkaven Funktion ist auch ein globales Maximum. Eine strikt konkave Funktion hat höchstens ein globales Maximum.Eine stetige strikt konkave Funktion auf einer kompakten konvexen Menge hat auf dieser Menge genau ein globales Maximum.   hat aber beispielsweise kein globales Maximum für  .

Da konvexe bzw. konkave Funktionen die Eindeutigkeit von Extremwerten sicherstellen, spielen sie in der nicht-linearen Optimierung eine wichtige Rolle.

Verknüpfungen

Linearkombination

Sind   und   zwei konvexe (konkave) Funktionen, so ist auch jede Linearkombination   mit nichtnegativen Koeffizienten   wieder konvex (konkav).

Grenzwert

Der Grenzwert einer punktweise konvergenten Folge konvexer (konkaver) Funktionen ist auch wieder eine konvexe (konkave) Funktion. Ebenso ist die Summe einer punktweise konvergenten Reihe konvexer (konkaver) Funktionen ist auch wieder eine konvexe (konkave) Funktion.

Supremum konvexer Funktionen

Ist   eine Menge konvexer Funktionen, und existiert punktweise das Supremum

 

für alle x, so ist auch f eine konvexe Funktion.

Infimum konkaver Funktionen

Ist   eine Menge konkaver Funktionen, und existiert punktweise das Infimum

 

für alle x, so ist auch f eine konkave Funktion.

Jensensche Ungleichung

Für konvexe und konkave Funktionen gilt die Jensensche Ungleichung.

Der Fall t<0 bzw. t>1

Für   oder   dreht sich das Ungleichheitszeichen um, für konvexe Funktionen gilt dann also

 

sofern   noch im Intervall I (bzw. in der konvexen Menge C) ist. Um das zu sehen sei beispielsweise  , dann gilt  , wegen Konvexität also

 , somit
 .


Konvexität und Stetigkeit

Jede auf einem offenen Intervall konvexe Funktion ist stetig. Setzt man umgekehrt Stetigkeit voraus, so reicht für Konvexität bereits die Bedingung, dass für alle x,y aus I gilt:

 .

Beispiele

  • Die Funktion f(x) = x2 ist auf ganz R streng konvex, denn f '(x) = 2x ist streng monoton wachsend.
  • Die Funktion f(x) = -x2 ist auf ganz R streng konkav, denn f '(x) = -2x ist steng monoton fallend.
  • Die Wurzelfunktion f(x) = √x ist streng konkav auf dem Intervall [0, ∞) der nichtnegativen reellen Zahlen.
  • Die Exponentialfunktion ist streng konvex auf ganz R.
  • Die Logarithmusfunktion ist streng konkav auf dem Intervall (0, ∞).
  • Die Betragsfunktion f(x) = |x| ist auf ganz R konvex, aber nicht streng konvex.
  • Die negative Betragsfunktion f(x) = -|x| ist auf ganz R konkav, aber nicht streng konkav.
  • Die Funktion f(x) = x3 ist konkav für x ≤ 0 und konvex für x ≥ 0.
  • Die Funktion f(x) = 1/x ist streng konvex auf dem Intervall (0, ∞) der positiven reellen Zahlen und streng konkav auf dem Intervall (-∞, 0) der negativen reellen Zahlen.


Konvexität, Beschränktheit und Stetigkeit

Schwächere Definition der Konvexität

Setzt man Stetigkeit voraus, so reicht für Konvexität bereits die Bedingung, dass für alle x,y einer konvexen Teilmenge C eines reellen topologischen Vektorraums gilt:

 .

Um dies zu sehen, betrachtet man die Menge   aller "guten"  , die durch

 

definiert ist. Seien nun  . Dann gilt

 
 
 .

Somit ist dann auch   und analog auch  .

Laut Voraussetzung ist  . Man erhält damit sukzessive   Damit ist   eine dichte Teilmenge des Intervalls  ; wegen der Stetigkeit von   enthält   daher alle Zahlen des Intervalls.

Gegenbeispiel ohne Stetigkeit

Dass Stetigkeit für die schwächere Definition wirklich benötigt wird, lässt sich mit folgendem Gegenbeispiel zeigen: Ist    eine Hamelbasis des Vektorraums der reellen Zahlen über dem Körper der rationalen Zahlen, also eine über den rationalen Zahlen linear unabhängige Menge reeller Zahlen, in der jede reelle Zahl   eine Darstellung der Art   mit nur endlich vielen rationalen   hat, so erfüllt bei beliebiger Wahl von   die Funktion   zwar  , ist aber nicht notwendigerweise konvex.

Beschränktheit und Konvexität

Setzt man für eine Funktion f zusätzlich zur Bedingung dass für alle x,y aus einer konvexen Teilmenge C eines normierten Vetkorraums die Beziehung

 

gilt, noch voraus, dass f nach oben beschränkt ist, so folgt daraus bereits die Stetigkeit von f in den inneren Punkten von C. Anschaulich wird dies daraus klar, dass man an einer Unstetigkeitsstelle eine beliebig steile Verbindungsgerade zwischen zwei Funktionswerten ziehen kann, wobei die Funktion zwischen den beiden Werten unterhalb der Verbindungsgeraden und außerhalb der beiden Werte oberhalb der Verbindungsgerade liegen muss. Kann die Verbindungsgerade nun beliebig steil werden, so stößt man irgendwann über die obere Schranke der Funktion.

Formal ist der Beweis allerdings etwas komplizierter. Zunächst beachte man, dass aus den obigen Voraussetzungen für natürliche Zahlen n und

 

folgt, dass

 

bzw.

 .

Sei nun a ein beliebiger innerer Punkt von C und

  

eine zur Gänze in C enthaltene offene Kugel um  . Wäre nun f nicht stetig in a, so gäbe es ein   sodass für jedes   ein x existiert, sodass zwar   aber  . Sein nun   so gewählt, dass

 ,

wobei M eine obere Schranke für f sei. Wählt man nun  , so existiert also ein x mit

 

aber

 .

Angenommen,  . Dann gilt für  

 .

Das kann aber nicht sein, da  . Daher liegt y in C und es muss   gelten.

Sei daher  . Dann gilt für  

 .

Das kann aber auch nicht sein, da  . Daher liegt auch z in C und es muss ebenfalls   gelten.

f muss daher stetig in a sein.

Die Aussage, dass eine konvexe beschränkte Funktion stetig in den inneren Punkten ist, ist auch bedeutsam für das Lösen der Funktionalgleichung

 
 .

Aus dieser Aussage folgt nämlich, dass diese Funktionalgleichung eine eindeutige Lösung hat, wenn zusätzlich gefordert wird, dass f beschränkt ist.

Unendlichdimensionaler Fall

Im unendlichdimensionalen Fall brauchen konvexe Funktionen nicht stetig sein, da es lineare (also somit auch konvexe) Funktionale gibt, die nicht stetig sind. Allerdings gilt, dass beschränkte konvexe Funktionale eines normierten Vektorraums stetig sind.

Endlichdimensionaler Fall

Innere Punkte

Konvexe Funktionen f einer konvexen Teilmenge C des endlichdimensionalen reellen Vektorraums   sind stetig in den inneren Punkten. Um das zu sehen, betrachte man einen inneren Punkt  . Für diesen existiert ein Simplex   mit den Eckpunkten  , der   wieder als inneren Punkt enthält. Jeder Punkt   ist aber in der Form

 

mit

 

und   für alle   darstellbar. Nach der Jensenschen Ungleichung gilt nun

 .

f ist daher nach oben beschränkt und somit, wie oben gezeigt wurde, stetig im inneren Punkt a.

Randpunkte

In Randpunkten können konvexe Funktionen unstetig sein, wie das Beispiel der Funktion   mit

 

zeigt, die zwar konvex ist, aber am Randpunkt   eine Unstetigkeit aufweist.

Literatur

  • Harro Heuser, Lehrbuch der Analysis (Teil 1), 10. Auflage, B. G. Teubner, Stuttgart, 1993. ISBN 3-519-32231-5.
  • I. P. Natanson, Theorie der Funktionen einer reellen Veränderlichen, 4. Auflage, Verlag Harri Deutsch, Thun, 1981. ISBN 3-87144-217-8.