Zuwanderungsgesetz

Gesetz zur Regelung der Einwanderung
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Das Zuwanderungsgesetz (Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern) regelt die Einwanderung in die Bundesrepublik Deutschland (bei gleichzeitiger Vermeidung des Begriffs Einwanderung). Es wurde am 5. August 2004 verkündet (BGBl. I S. 1950) und trat am 1. Januar 2005 in Kraft. Relevante Diskussionen und politische Auseinandersetzungen hierzu erfolgten in Deutschland in den Jahren 2001 bis 2004. Aus der Gesetzgebung ausgeschlossen ist per definitionem die illegale Migration.

Neuregelungen

Durch das Gesetz wurden unter anderem neu gefasst bzw. geändert:

Eine weitere wesentliche Änderung ist, dass im Zuwanderungsgesetz das Ausländergesetz durch das Aufenthaltsgesetz ersetzt wird. Im Gegensatz zu den alten Bestimmungen (staatliche Verfolgung) kann eine asylrelevante Verfolgung nunmehr auch dann vorliegen, wenn die Verfolgung von Parteien und Organisationen ausgeht, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen sowie von nichtstaatlichen Akteuren, soweit diese nicht willens oder in der Lage sind, entsprechenden Schutz vor Verfolgung zu bieten. Auch eine fortgeschrittene Bürgerkriegssituation kann, falls keine inländische Fluchtalternative existiert, ein Aufenthaltsrecht begründen. Neu ist auch die "geschlechtsspezifische Verfolgung", wenn Antragstellerinnen nicht vom Staat, sondern beispielsweise von Familienangehörigen gerade wegen des Geschlechts verfolgt werden.

Ein Novum im Ausländerrecht ist außerdem die Möglichkeit zur Einrichtung von Härtefallkommissionen auf Länderebene, die erstmals eine eigene Rechtsgrundlage für eine Aufenthaltserlaubnis aufgrund des Ersuchens einer Härtefallkomission normiert. Die Entscheidung über ein Aufenthaltsrecht für Ausländer wird damit faktisch von einer Initiative einer Stelle außerhalb der Verwaltung abhängig gemacht. Die Entscheidung über die Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis auf Ersuchen einer Härtefallkommission bleibt jedoch bei der zuständigen Ausländerbehörde bzw. der übergeordneten Behörde (= Innenministerium). Einige Bundesländer haben angekündigt, Härtefallkommissionen einzurichten, andere haben dies ausgeschlossen.

Vorgeschichte

Deutschland war schon immer nicht nur ein Auswanderungsland (in je nach politischer und wirtschaftlicher Lage unterschiedlicher Zahl wanderten Deutsche aus) sondern auch lange schon ein Einwanderungsland. Die Einwanderung von Ausländern geschah ohne deutliche offizielle Wahrnehmung, sondern wurde direkt von den betroffenen Betrieben geregelt. Dabei handelte es sich großteils um Saisonarbeiter aus Polen, die in der Landwirtschaft beschäftigt wurden.

Die Nicht-Regelung der De-facto-Einwanderung in die 1949 gegründete Bundesrepublik Deutschland wurde im Laufe der Zeit durch wiederholte Absichtserklärungen verschiedenster Politiker in den Status des politischen Bekenntnisses erhoben: "Wir wollen und können kein Einwanderungsland werden", so Helmut Schmidt im Jahre 1979. Tatsächlich erfolgende Einwanderung wurde daher mit Ad-hoc-Regelungen gesteuert und offiziell nicht als Einwanderung angesehen:

  • Der Zuzug der am Ende des Zweiten Weltkriegs vertriebenen Deutschen (etwa 12 Millionen) ist keine Einwanderung, da es sich hier um Deutsche handelt, die aus deutschen Gebieten vertrieben wurden. Zwar wurden auch Deutsche aus damals nicht zu Deutschland gehörenden Gebieten vertrieben (Freie Stadt Danzig, Polen, Litauen, Sowjetunion usw.), aber hier handelte es sich um Menschen, die explizit wegen ihrer deutschen Volkszugehörigkeit vertrieben wurden und die daher eindeutig dem deutschen Kulturkreis verhaftet waren. Etwas anders, aber politisch ähnlich verhält es sich mit den in späteren Jahren nach Deutschland gekommenen Spätaussiedlern, die zwar oft keine aktuelle Bindung mehr zum deutschen Kulturkreis haben, die aber nach dem seit 1871 gültigen Staatsbürgerschaftsrecht als Menschen deutscher Volkszugehörigkeit Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft haben und deswegen fast ungehindert einwandern können.
  • Im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der Bundesrepublik beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg wurden ab 1955 Gastarbeiter als zusätzliche Arbeitskräfte ins Land geholt. Dies geschah unter der bis zum Anwerbestopp 1973 erhaltenen Regel mit dem Namen "Rotation", die besagte, dass die Menschen nur vorübergehend in Deutschland bleiben und spätestens mit Eintritt in die Rente in ihre Heimatländer zurückkehren sollten.

In den 1990er Jahren zeigte sich, dass die bisherigen Regelungen viele Mängel aufwiesen. Insbesondere zwangen sie durch ihren weitgehenden Ausschluss legaler Einwanderungsmöglichkeiten, Menschen auf das wesentliche verbliebene Schlupfloch zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung auszuweichen, das Asylrecht. Um die als groß empfundene Zahl vermeintlicher oder echter so genannter Scheinasylanten abzuwehren, wurde die Praxis des Asylrechts verschärft.

Weiterhin klagten viele Wirtschaftsunternehmen, insbesondere in wirtschaftlich florierenden Branchen wie der Informationstechnologie, aber auch in Branchen mit sehr niedrigem Lohnniveau wie der Landwirtschaft, dass sie nicht genügend deutsche Arbeitskräfte finden könnten und es kaum legale Möglichkeiten gebe, solche Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuwerben. Der immer noch gültige Anwerbestop von 1973 schiebt derartigen Maßnahmen einen gesetzlichen Riegel vor.

Um die Mängel der komplizierten Ausländergesetzgebung zu beheben und der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Deutschland de facto seit den 1960er Jahren ein Einwanderungsland mit einem Bevölkerungsanteil von knapp neun Prozent Ausländern geworden ist, wurde Anfang des 21. Jahrhunderts nach langer Diskussion erneut ein Zuwanderungsgesetz vorgelegt.

Infolge der seit 2001 in Deutschland anhaltenden wirtschaftlichen Rezession ist allerdings die Arbeitslosigkeit bei Informatikern, Ingenieuren und Naturwissenschaftlern, deren Zuzug aus dem Ausland durch das Zuwanderungsgesetz gefördert werden sollte, wieder stark angestiegen. Dies führte in der weiteren Diskussion zwischen Rot/Grün und CDU/CSU im Vermittlungsausschuss dazu, dass auf die im Gesetz ursprünglich vorgesehen Möglichkeiten für Neuzuwanderer weitgehend verzichtet wurde.

Eine kurze Chronologie

  • Am 18. Dezember 2002 erklärt das Bundesverfassungsgericht auf Antrag CDU/CSU-regierter Bundesländer die Bundesratsabstimmung vom 22. März für ungültig.
Grund dafür war, dass die beiden Vertreter des Landes BrandenburgMinisterpräsident Manfred Stolpe und Innenminister Jörg Schönbohm – unterschiedlich abgestimmt hatten. Der amtierende Bundesratsvorsitzende Klaus Wowereit hatte die Stimmen des Landes gemäß der Erklärung des Ministerpräsidenten für das Gesetz gezählt, was das Verfassungsgericht als unzulässig einstufte. Ohne diese vier Stimmen hatte das Gesetz aber keine Mehrheit in der Abstimmung.
  • Im Januar 2003 legt die Bundesregierung das Gesetz ohne inhaltliche Veränderung erneut dem Bundestag vor, der es erneut beschließt.
Ebenfalls im Januar erlässt die Bundesregierung Verordnungen, um diejenigen Teile des Gesetzes umzusetzen, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürfen.
  • Am 20. Juni 2003 lehnt der Bundesrat, in dem aufgrund zwischenzeitlicher Wahlen nun die CDU/CSU-geführten Länder eine deutliche Mehrheit haben, das Gesetz ab.
Wie in solchen Fällen zwingend vorgeschrieben, wird ein Vermittlungsverfahren im gemeinsamen Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat eingeleitet.
  • Am 18. März 2005 tritt ein 1. Änderungsgesetz zum Aufenthaltsgesetz in Kraft. Ein 2. Änderungsgesetz ist in Arbeit, es soll die - teils bereits überfällige - Anpassung des Ausländer- und Asylrechts an verbindliche Vorgaben (Richtlinien) der Europäischen Union vornehmen.

Kritik

Es wird kritisiert, dass Integration von staatlicher Seite besser gefördert werden sollte, etwa durch Sprachkurse, Kultureinrichtungen, Eingliederungsprogramme und Nachbarschaftsprojekte, und dass die behauptete Ghettobildung am besten durch Schaffung von angemessenen und bezahlbaren Wohnraum und vernünftig bezahlte Arbeitsplätze hintangehalten werden könnte. Dafür stellt aber, so behaupten Kritiker, die Bundesregierung unter Gerhard Schröder (SPD), mit Unterstützung der Opposition (Stoiber, CSU) zu wenig Geld zur Verfügung.

Die öffentlich verkündete Öffnung Deutschlands für neue Zuwanderer hat mit dem Gesetz nicht stattgefunden. Die zugehörigen Rechtsverordnungen begrenzen die Möglichkeiten für Neuzuwanderer ziemlich genau auf den Personenkreis, der auch schon nach altem Recht zuwandern durfte (Beispiel: Spitzensportler, Spezialitätenköche, hochqualifizierte wissenschaftliche Fachkräfte).

Aus humanitären Gründen (Härtefallregelung u.a.) dauerhaft bleibeberechtigte Ausländer bleiben in vielen Fällen von staatlichen Integrationsleistungen (Deutschkurse, Kindergeld, Ausbildungsförderung) ausgeschlossen. An Restriktionen (Abschiebehaft, Residenzpflicht für Asylbewerber, hohe formale Anforderungen für den Ehegattennachzug zu Ausländern und Deutschen, u.a.) wird unverändert festgehalten. Auch der vielfach kritisierte, jede Integration verhindernde Status der "Kettenduldung" wurde - entgegen der Ankündigung - nicht abgeschafft.

Literatur

  • Klaus Bade: Vom Auswanderungsland zum Einwanderungsland? Deutschland 1880–1980. Berlin 1983.
  • Bernt Engelmann: Du deutsch? Geschichte der Ausländer in unserem Land. München 1984.
  • Ulrich Herbert: Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge. München 2001.
  • Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, spez. Kapitel C, Entwicklung des Rechts, Berlin Juni 2005, download unter [[1]] (2 MB)
  • Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht - AufenthG, FreizügG/EU, AsylVfG, StAG. Handkommentar, Nomos Verlag, vorauss. August 2005, ca. 79.- Euro

Siehe auch