Christoph Luxenberg ist das Pseudonym eines deutschen Semitisten, dessen Identität aber bis jetzt unbekannt ist. Unter diesem Namen ist das Buch Die syro-aramäische Lesart des Koran erschienen, das unter anderem durch Artikel in der «Neuen Zürcher Zeitung» (2001) und der Zeit (2003) einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde. Das Buch stellt, so der Autor, eine Vorveröffentlichung eines «Bruchteils» umfangreicherer Untersuchungen dar und soll «Anstöße zu einer ersten Diskussion» liefern.
Das Buch
In der Diskussion um Mündlichkeit und Schriftlichkeit der frühen Koranüberlieferung, nimmt Luxenberg im Gegensatz zur traditionellen islamischen Ansicht eine fehlende Kontinuität des mündlichen Teils an. Da sowohl die diakritischen Punkte zur genauen Unterscheidung der Konsonanten als auch die Vokalzeichen (siehe Arabisches Alphabet) erst im Laufe der ersten drei Jahrhunderte des Islam eingeführt wurden, geht er von einer Fehllesung zahlreicher ursprünglich aramäischer Ausdrücke durch Exegeten aus, die diese nicht mehr als solche erkannten und denen das mündliche Korrektiv fehlte. Durch diese Fehllesungen, so Luxenberg, seien die vielen unklaren Stellen des Korans -- deren Existenz auch andere Gelehrte nicht bestreiten -- erst entstanden, für die Luxenberg nun alternative syro-aramäische Lesarten anbietet.
Die Orientalistik nimmt zwar seit langem sowohl aramäische sprachliche als auch christlich-jüdische religiöse Einflüsse auf den frühen Islam, eine ansonsten aber im Kern zutreffende Darstellung der Koranentstehung durch die islamische Historiographie an. Luxenberg geht hingegen regelrecht von einer physikalisch vorhandenen aramäischen Vorlage des Korans aus. Er leitet das arabische Wort qur'ān (قرآن) über eine vermutete Schreibung qɘryān (قرين) von aramäisch qɘryānā «Lektionar» her und setzt die Bibel der syrisch-aramäischen Christen mit der Urschrift gleich, auf die der Koran Bezug nimmt -- ähnlich wie die Lektionare der christlichen Kirchen sich auf die Bibel beziehen, ohne mit ihr identisch zu sein.
Der Koran ist im Islam das Zentrum des Glaubens und es ist seit dem Ende der Mu'tazila Dogma, dass er in «klarer arabischer Sprache» als unverfälschte Wiedergabe einer unerschaffenen, bei Gott befindlichen Urschrift offenbart wurde. Beides stellt Luxenbergs Arbeit in Frage, weshalb die muslimische Reaktion auf seine Arbeit zum Teil wütend ausfällt (siehe Weblinks).
Anders sieht seit einem Symposium des «Wissenschaftskollegs zu Berlin» die Lage in der deutschsprachigen Orientalistik aus. Die verfestigten Gräben zwischen «Traditionalisten» und «Skeptikern» scheinen nun aufgeweicht, und das wichtige Desideratum einer «kritischen Koranausgabe» soll wieder in Angriff genommen werden. Luxenburgs Lesungsvorschläge müssen im Einzelfall geprüft werden, erst dann kann sich erweisen, in wie weit sie zutreffen und ob sie für einen Paradigmenwechsel tatsächlich ausreichen.
Literatur
- Christoph Luxenberg: "Die syro-aramäische Lesart des Koran: ein Beitrag zur Entschlüsselung der Koransprache". Berlin 2000. ISBN 3-86093-274-8; 2. Auflage, Berlin 2004, 350 Seiten, Paperback (ISBN 3-89930-028-9), € 29,90
- Christoph Luxenberg: "Weihnachten im Koran", in: imprimatur, Trier, Heft 1/2003
- Christoph Luxenberg: "Der Koran zum 'islamischen Kopftuch'" in: imprimatur, Trier, Heft 2/2004
Weblinks
Presseberichte
- Wie aramäisch ist der Koran? – der erwähnte Artikel der Neuen Zürcher Zeitung
- Keine Huris im Paradies – der Artikel aus der ZEIT
- 28 minütiges Interview vom Deutschlandfunk mit Luxenberg gesendet am 19.9.2004
- Interview Christoph Luxenbergs mit Alfred Hackensberger in Süddeutsche Zeitung, 24. Februar 2004, Seite 15
- Interview Christoph Luxenbergs mit Edith Kresta in die tageszeitung (taz) Nr. 7331 vom 10.04.2004, Seite 21
Wissenschaftskolleg zu Berlin
Rezensionen
Von Original-Homepages
- Robert R. Phenix Jr. and Cornelia B. Horn in Hugoye: Journal of Syriac Studies, Vol. 6, No. 1, January 2003. (Englisch)
Von Seiten Dritter
Die folgenden Rezensionen sind auf den Websites der entsprechenden Zeitschriften nicht vorhanden. Ihre Authentizität ist deshalb nicht gewährleistet.
- Rainer Nabielek, Berlin, inamo informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten (ISSN 0946-0721) Nr. 23/24, Jg. 6 Herbst/Winter 2000, S. 66-72,(deutsch).
- Michael Marx, Berlin, "Ein neuer Impuls für die Erforschung des Korans", inamo informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten (ISSN 0946-0721) Nr. 33, Jg. 6 Frühjahr 2003, S. 45-47,(deutsch).
- Michael Marx, Berlin, "Was ist eigentlich der Koran?" (Zusammenfassung einer Konferenz zu Christoph Luxenbergs Buch, die in Berlin vom 21. bis 25 Januar im Wissenschaftskolleg zu Berlin stattfand),(deutsch).
- Michael Marx & Nicolai Sinai, beide Berlin, "Historische Sondierungen und methodische Reflexionen zur Korangenese - Wege zur Rekonstruktion des vorkanonischen Koran" (ausführlicherer Bericht von dem genannten Berliner Symposions von dessen Organisatoren),(deutsch).
- Wilhelm Maria Maas "Der Koran - ein christliches Lektionar?" in Novalis, Zeitschrift für spirituelle Entwicklung, Quern, November/Dezember 2003, pp. 18-22,(deutsch).
- Robert R. Phenix Jr., Cornelia B. Horn, St. Paul, Minnesota, Hugoye: Journal of Syriac Studies, Vol. 6, No. 1, January 2003,(englisch).
- Angelika Neuwirth, Journal of Qur'anic Studies, 2003, Volume V, Issue I, pp. 1-18, gekürzt,(englisch).
- François de Blois, Journal of Qur'anic Studies, 2003, Volume V, Issue 1, pp. 92-97,(englisch).
- Piet Horsten, islamochristiana 28 (2002), pp. 310f.,(englisch).
- Johannes J. G. Jansen, Amsterdam, Bibliotheca Orientalis, LX N°3-4, mei-augustus 2003, Spalten 477-480,(englisch).
- Simon Hopkins, Jerusalem, Jerusalem Studies in Arabic and Islam 28 (2003), pp.377-380,(englisch).
- Rémi Brague, Paris, München, "Le Coran : sortir du cercle ?", Critique n° 671, avril 2003, pp. 232-251,(französisch).
- Claude Gilliot, Aix-en-Provence, "L'origine syro-araméenne du Coran", le nouvelle Observateur, Hors-Serie (avec France Culture) "Les nouveaux penseur de l'islam", avril/mai 2004, p. 64f.,(französisch).
- Robert R. Phenix Jr. und Cornelia B. Horn, St. Paul, Minnesota, Hugoye: Journal of Syriac Studies, Vol. 6, No. 1, January 2003,(arabische Fassung).
- arabischer Autor, der nicht namentlich genannt sein möchte,(arabisch).
Islamische Reaktionen
Personendaten | |
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NAME | Luxenberg, Christoph |
KURZBESCHREIBUNG | Pseudonym eines deutschen Semitisten, dessen Identität aber bis jetzt unbekannt ist |