Visual Kei

Musikgenre
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Visual Kei (jap. ヴィジュアル系 vijuaru kei [viʑɯaɺɯ keː], in Fankreisen oft als VK abgekürzt) ist ein in Japan geprägter Sammelbegriff für optisch auffällige Musiker aus verschiedenen Musikrichtungen und die sie nachahmenden Fans.

Jugendliche Visual-Kei-Fans im Stil der Gruppe Malice Mizer (Tokio, 1998)
Visual-Kei-Fans in Tokio, 2006

In Japan gehören Visual-Kei-Musiker überwiegend der Independent-Musikszene an und haben innerhalb der Musikbranche eine geringe wirtschaftliche Bedeutung. International hat sich Visual Kei jedoch zu einer der bekanntesten Erscheinungsformen der japanischen Populärmusik entwickelt.

Begriffsdefinition

Die Bezeichnung setzt sich aus dem englischen Begriff visual (visuell, optisch) und dem Kanji-Zeichen 系 kei (System, Herkunft, Abstammung, Clique) zusammen.

Visual Kei ist gekennzeichnet durch das auffällige und ungewöhnliche Aussehen der Musiker. Die Musik kann keinem bestimmten Genre zugeordnet werden: Visual-Kei-Gruppen spielen u. a. Pop, Rock oder Metal, wobei sich viele Bands nicht nur auf eine Musikrichtung beschränken.

Ursprung und Geschichte

Anfang der 1980er-Jahre begannen einige japanische Rockmusiker, sich stilistisch und optisch an der westlichen Musikszene zu orientieren und sich außergewöhnlich zu kleiden und zu schminken. Einflüsse dafür stammten aus den Bereichen New Romantic, Glam Rock, Sleaze Rock sowie dem Gothic der frühen 1980er-Jahre. Als Vorbilder dienten unter anderem Rockmusiker wie David Bowie, Kiss und Twisted Sister – die sich wiederum vom japanischen Kabuki-Theater und der Takarazuka Revue hatten inspirieren lassen –, sowie die modischen Aufmachungen von Visage, Siouxsie and the Banshees und Alien Sex Fiend.

Es ist unklar, welche japanischen Musiker zuerst im Visual-Kei-Stil auftraten. Als Vorläufer gilt allgemein die Band „X“ (später X Japan), auch wenn sich die Band diesem Stil nie zugehörig erklärt hat. Rasche Verbreitung fand Visual Kei dann während der 1990er-Jahre, als es Bands wie Luna Sea und Malice Mizer gelang, den Stil in Japan als eigenen Modetrend zu etablieren.

Viele Visual-Kei-Elemente wurden von jungen Fans aufgegriffen, die versuchen, ihren Idolen nachzueifern. Dies findet in Japan in der Freizeit statt, da das streng geregelte japanische Schul- und Arbeitsleben der Individualität, vor allem in Bezug auf das Aussehen (Frisur, Make-Up, Kleidung), nur wenig Spielraum lässt. Beliebte Visual-Kei-Vorbilder sind u. a. X Japan, Malice Mizer, Moi dix Mois, D'espairsRay oder The Gazette.

Seit Ende der 1990er-Jahre entstehen Visual-Kei-Bands u. a. auch in den USA, Frankreich und Deutschland.

Das erste Visual-Kei-Festival in Japan fand am 24. und 25. Oktober 2009 unter dem Titel „V-Rock Festival“ in der Makuhari Messe in Chiba statt. Dabei traten mehr als 50 Gruppen vor über 29.000 Fans aus 49 Ländern auf.[1]

Aussehen

Beim Visual Kei gibt es keine festen Regeln in Bezug auf Kleidung und Schminke. Die Musiker kombinieren verschiedenste modische Elemente wie Gothic und Punk, aber auch stilisierte Schuluniformen und Fantasiekostüme. Zudem wechseln die Bands ihre Stile und Outfits oft in kurzen Abständen.

In den Anfängen zeichnete sich Visual Kei vor allem durch auffällige Frisuren oder Perücken, durchgedrehtes Make-Up und verrückte

Kleidung aus - ein Zurückgreifen auf traditionelle japanische Kunst wie das Kabuki-Theater, in dem alle Rollen von Männern gespielt werden. Heutzutage werden die Haare meist lang oder halblang getragen und verdecken einen Teil des Gesichts, nicht selten hat jedes Bandmitglied eine andere Haarfarbe. Die Augen werden schwarz umrandet, oft werden auch Kontaktlinsen verwendet, die die Augenfarbe verändern.

Dominierten früher in Anlehnung an Gothic und Punk schwarze Kleidung, Latex und Leder, so werden mittlerweile viele verschiedene Farbtöne getragen, die oft absichtlich unpassend kombiniert werden. Zugehörige Accessoires sind beispielsweise Korsetts, Gürtel, Schuhe mit hohen Absätzen (Plateauschuhe) und Hosenbeine, die kein integraler Teil der Hose sind. Auch Barock- und Rokoko-artige Kleider kommen vor, eines der bekanntesten Beispiele dafür war die Band Malice Mizer.

Eine Weiterentwicklung von Visual Kei ist Oshare Kei (oshare bedeutet hübsch, süß, modisch). Vertreter dieses Stils geben sich möglichst niedlich und tragen viele bunte Accessoires wie Schleifen, Schmucksteine, Klammern und Armbänder. Bei der Kleidung (meist kurze Hosen und bauchfreie Hemden) dominieren helle Farben, auch das Make-Up ist bunt und hell.

Die Lolita-Mode, die durch den Visual-Kei-Musiker Mana bekannt wurde, entstammt nicht dem Visual Kei und ist diesem auch nicht zugehörig, sondern stellt eine eigene Modeerscheinung dar.

Debatten zur Zuordnung

Allgemein

In westlichen Ländern wird den meist männlichen, oft androgyn auftretenden japanischen Visual-Kei-Musikern häufig Homosexualität oder Transgender-Sein unterstellt. Der Gebrauch von Lippenstift, Haarstyling und weiblicher Kleidung erklärt sich jedoch einerseits aus fernöstlichen Schönheitsidealen und Kabuki-Traditionen und andererseits aus dem Bestreben, durch die Übersteigerung solcher Traditionen aufzufallen oder zu schockieren.

Visual Kei und Gothic

Die Übernahme von modischen Elementen der Gothic-Szene führt zu der oft geäußerten Ansicht, Visual Kei stelle eine Spezialform der Gothic-Bewegung dar. Dagegen spricht jedoch vor allem der fehlende Bezug vieler Visual-Kei-Musiker zur Gothic-Musik sowie die häufige Verwendung greller Haar- und Kleiderfarben, die für das Gothic-Umfeld unüblich sind.

Bei Visual Kei handelt es sich im Gegensatz zur Gothic-Subkultur um ein rein äußerliches Erscheinungsbild. Meist fehlt der der Gothic-Bewegung zugerechnete individuelle Ausdruck der inneren Einstellung von Weltschmerz, (Todes-)Sehnsucht, Düsterromantik und Interesse an Mystischem und Okkultem, weshalb sich die Gothic-Kultur in Japan gegen Visual Kei und insbesondere gegen die in der Visual-Kei-Szene vorhandenen Nachahmungstendenzen deutlich abgrenzt.[2]

Visual-Kei-Szene im Westen

Ursprünglich in den 1990er-Jahren in Japan entstanden und im eigenen Land eine Randerscheinung, findet die Visual-Kei-Szene etwa seit dem Jahr 2000 weltweit zunehmend Anhänger. Mittlerweile wird sie auch in Musik- und Jugendzeitschriften vermarktet.

Die westliche Visual-Kei-Szene besteht zum großen Teil aus jungen Frauen, die überwiegend über Manga, Anime und japanische Populärmusik (J-Pop, J-Rock) mit der Szene in Kontakt kommen. Hauptmedium ist dabei das Internet. Deutschsprachige Anhänger der Szene bezeichnen sich selbst als „Visuals“ oder „Visus“.

Aussehen

Oft wird dem Outfit der jeweiligen Lieblingsband nachgeeifert. Die Kleidung ist meist selbst genäht und zusammengestellt, was sehr zeit- und kostenintensiv sein kann. Dazu kommen häufig auch Applikationen wie Sicherheitsnadeln, Aufnäher und Buttons, Haaraccessoires, Lack und Leder, bunte Kontaktlinsen, Extremfrisuren, bunte Knöpfe und Haarspangen sowie viel Schminke.

Aufgrund von teilweise ähnlichen Accessoires und Haarstylings können Visus mit Emos verwechselt werden.

Treffen

Die wichtigste öffentliche Aktivität der Szenemitglieder ist der Besuch von Visual-Kei-Treffen („ViT“), seltener auch von Anime-Conventions. Bei solchen Gelegenheiten veranstalten sie u. a. Outfit-Wettbewerbe, Fotoshootings und gegenseitige Eintragungen in Freundesbücher (Con-Hons).

Im Gegensatz zu Anime-Conventions, die oft überregionale, teilweise auch kommerziell organisierte Treffen von Manga- und Anime-Fans sind, sind Visual-Treffen privat organisiert und lokal begrenzt. Eines der größten Visual-Treffen im deutschsprachigen Raum ist das „Kölner Visual-Treffen“ (KöViT) mit mehr als 300 Besuchern.

Siehe auch

Literatur

  • Marco Höhn (2008): Visual kei: Vom Wandel einer ‚japanischen Jugendkultur‘ zu einer translokalen Medienkultur. In: Tanja Thomas (Hg.): Medienkultur und soziales Handeln. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, S. 193-207

Einzelnachweise

  1. "Visual" Bands Rock the World, Web Japan, 21. Januar 2010
  2. Peter Matzke, Tobias Seeliger: Gothic! – Die Szene in Deutschland aus der Sicht ihrer Macher, 2000, S. 143