Gegenstand des Jugendstrafrechts ist die Haftung junger Menschen für ihre strafbaren Handlungen. Heute ist es selbstverständlich, dass das kritische Übergangsstadium zwischen Kindheit und Erwachsenenalter mit seinen vielfältigen Eigenheiten einer besonderen Behandlung jugendlicher Straftäter bedarf. Das ist nicht immer so gewesen. Ein Sonderstrafrecht für Jugendliche gibt es erst seit Ende des vorletzten Jahrhunderts. Zwar wurden im Spätmittelalter die "infantes" (bis 7 Jahre) nicht bestraft, allenfalls leicht gezüchtigt, die "impuberes" (die Unreifen, 7 - 13 Jahre) nach ihrem jeweiligen Entwicklungsgrad belangt, jedoch die "minores" (junge Leute, 14 - 25 Jahre) unterlagen dem Strafrecht wie die Erwachsenen. Es kam durchaus vor, dass Todesurteile gegen 13 - 14- jährige verhängt und vollstreckt wurden.
Im 19. Jahrhundert wurde die Strafmündigkeit über 8, 10, 12 auf 14 Jahre heraufgesetzt. Ende des 19. Jahrhunderts traten verstärkt Bestrebungen zur Schaffung eines besonderen Jugendstrafrechts auf, die ihre ersten Früchte darin fanden, dass 1908 erste einzelne Jugendgerichte, im Jahre 1912 das erste Jugendgefängnis errichtet wurde. 1923 wurde dann das Jugendgerichtsgesetz (JGG) verabschiedet, erhielt im Dritten Reich einige gravierende Änderungen, das heutige JGG passierte den Bundestag 1953.
I. Grundsätze des Jugendstrafrechts
Die weitaus überwiegende Zahl der von Jugendlichen begangenen Straftaten beruhen darauf, dass ihre Entwicklung und Sozialistion noch nicht abgeschlossen sind. Hieraus ergeben sich die besonderen Aufgaben, aber auch die gegenüber dem rwachsenenstrafrecht geltenden divergierenden Grundsätze des Jugendstrafrechts:
Jugendstrafrecht ist Erziehungsstrafrecht. Nicht Sühne, Vergeltung, Abschreckung oder Sicherung der Allgemeinheit, sondern Erziehung, Sozialisation, Resozialisation bestimmen Art und Maß der Reaktion auf die Straftat. Jugendstrafrecht ist Täterstrafrecht. Nicht die Tat, sondern die umfassend gewürdigte Persönlichkeit des Täters steht im Vordergrund.
1. Geltung des allgemeinen Strafrechts
Die umfassende Erforschung der Persönlichkeit des Täters und der besondere Strafzweck erfordern Unterschiede sowohl im Verfahrensrecht als auch in der Strafzumessung und im Strafvollzug. Nicht (unbedingt) notwendig ist es, besondere Straftatbestände zu schaffen. § 1 JGG verweist auf die Geltung der allgemeinen Vorschriften (Strafgesetzbuch, strafrechtliche Nebengesetze). Diese bestimmen, welche Handlungen mit Strafe bedroht sind und unter welchen Voraussetzungen ein Täter bestraft werden kann. Ein Verhalten, das nicht den Tatbestand einer Strafnorm erfüllt, bleibt straflos, auch wenn es noch so verwerflich oder "unmoralisch" erscheint.
Voraussetzung für eine Bestrafung sind a. Tatbestandsmäßigkeit: Der Täter muss durch seine Handlungen die Tatbestandsmerkmale der Tat erfüllt haben. b. Rechtswidrigkeit: Ein Verhalten, das tatbestandsmäßig ist, ist in der Regel auch rechtswidrig (Indizwirkung), es sei denn, es liegen Rechtfertigungsgründe vor (z.B. Einwilligung, Notwehr, Notstand etc). c. Schuld: Schuldfähigkeit (§§ 3 JGG, 20, 21 StGB) und Zurechenbarkeit (Vorsatz, Fahrlässigkeit) müssen gegeben sein. d. Strafzumessung: Die gesetzliche Beschreibung der Strafandrohung des Strafgesetzbuches gilt im Jugendstrafrecht nicht. Dies hat eigene Rechtsfolgen entwickelt. Das Erwachsenenstrafrecht und das Jugendstrafrecht unterscheiden sich im Wesentlichen in der Frage der Schuldfähigkeit und der Strafzumessung. (wird fortgesetzt)