Die Lullusglocke ist die älteste datierte, gegossene Glocke Deutschlands[1] und ist die größte erhaltene Theophilusglocke. Sie wurde 1038 in dünner Bienenkorb-Rippe gegossen und hängt im Katharinenturm der Stiftsruine Bad Hersfeld.



Seit Oktober 2002 ist sie nach Sanierungsarbeiten im Glockenturm durch die Gesellschaft der Freunde der Stiftsruine e. V. wieder läutefähig (Seilzug). Der Originalklöppel wurde gegen einen neu gegossenen ausgetauscht. Der originale Klöppel hängt seitdem im Stadtmuseum.
Die Lullusglocke wurde über Jahrhunderte zu Beginn des Lullusfestes geläutet, wonach sie schließlich ihren Namen erhalten hat. Bis zu der Sanierung wurde die Glocke auch nur noch ein mal im Jahr, zu diesem Fest geläutet. Seitdem erklingt sie zu besonderen Anlässen, wie dem Lullusfest in der Woche des 16. Oktober (Todestag von Lullus), am Sonntagabend nach dem Fackelzug und der Ansprache in der Stiftsruine, zum Jahreswechsel um 24 Uhr und an kirchlichen Hochfesten (Weihnachten, Ostersonntag, Pfingstsonntag) um 12 Uhr.
Technische und klangliche Daten
Nominal | Durchmesser (mm) |
Höhe ohne Krone (mm) |
Gesamthöhe (mm) |
Umfang (mm) |
Gewicht (kg) |
c1/h0 | 1120 | 1070 | 1440 | 3520 | ~1000 |
Inschrift
Die Lullusglocke hat fast senkrecht ansteigende Flanken mit stark gewölbter Haube. Die Haube hat drei erhabene Ringe. Zwischen dem mittleren und dem unteren Ring steht eine vertiefte, etwa drei Zentimeter hohe und eine über den ganzen Umfang von etwa 2200 mm eingegossene Schrift. Sie besteht aus altrömischen Lapidarbuchstaben (Majuskel) mit insgesamt 84 Zeichen und Zeichenkombinationen. Die Schrift ist durch Synkopie gekürzt wiedergegeben. Das heißt, der Schreiber hat den Text durch Auslassung von Buchstaben um 30 Zeichen gekürzt. Weitere Kürzungen wurden durch neun Buchstabenbündelungen (sechs Duetten und drei Terzetten[2]) erreicht, wodurch der Schreiber den Text um weitere zwölf Zeichen gekürzt hat. Dies ist auch der Grund, warum man auf den ersten Blick nur drei Wörter lesen kann. Sie ermöglichen es aber, die Inschrift als einen in lateinisch geschriebenen Text zu erkennen. Zusätzlich erschwert die Entzifferung der Inschrift, dass sie in der Gussform, an einer Stelle nachträglich korrigiert wurde, wodurch die Buchstaben im Guss dort unleserlich wurden. Weiterhin gibt es einen nicht geänderten Schreibfehler im Text und es gibt keinen gekennzeichneten Inschriftenbeginn[3].
Hier die originalen Zeichen, so wie auf der Glocke erkennbar sind[4]:
FVDIT .. .. [5]NDIDIT .R.NEATIVER.E IS.V |
GWENON HOC VAS ABBATI NONENSE .. A… |
IS BAP..E SDANE[6] DEO MARENDAD MEGINHARIO |
Nach Analogie von Inschriften bei frühmittelalterlichen Denkmälern wird angenommen, dass der Text im klassischen Versmaß von Hexametern geschrieben wurde. Setzt man oben angegebenen Text in dieses Versmaß, ergibt sich ein Vers in drei Hexametern zu folgendem Text[7]:
FVDIT (ME), (CO)NDIDIT TRINITATI VERAE I(VS)SV |
GWENON HOC VAS ABBATI NONENSE SECVNDI ANNI |
IS BAPT(IS)T(A)E MANE. DEO, MARENDA,D MEGINHARIO |
Übersetzt ergibt sich dadurch, beginnend ab dem zweiten Teil des dritten Hexameters, folgender Inhalt:
Ehrwürd’ge Maria! Für den Abt, Herrn Meginhar, |
Gründet’ und goß mich, diese Glocke, Gwenon auf Geheiß, |
Gott, der wahren Dreieinigkeit zur Ehre, |
Im neunten Monat des zweiten Jahrs’s[8], |
Morgens früh am Tage Johannes Baptist.[9] |
Die Lullusglocke wurde demnach Maria geweiht. Sie nennt den Gießer und den amtierenden Hersfelder Abt. Durch die Zeitangabe seiner Abtschaft ist auch der genaue Tag (24. Juni 1038) ermittelbar, an dem die Glocke gegossen wurde.
Weblinks
Quellen und Anmerkungen
- Elisabeth Ziegler, Das Territorium der Reichsabtei Hersfeld von seinen Anfängen bis zur hessischen Kreisordnung von 1821, Teildruck: Die Vorgeschichte des Territoriums, Universitäts-Buchdruckerei Joh. Aug. Koch, Marburg 1928, Seite 38 bis 58
- Louis Demme, Chronik von Hersfeld Band 1, Verlag von Hans Schmidt Hersfeld 1891
- ↑ eine aus zwei Eisenblechen geschmiedete Glocke aus dem 9. Jahrhundert gibt es in Köln, der sogenannte Saufang (→ Vgl. Jörg Poettgen, 700 Jahre Glockenguss in Köln (2005), S. 233)
- ↑ ME, RI, SV, AS, NE, NS; NIT IVE, NNI
- ↑ zum Beispiel durch ein Kreuz
- ↑ die Punkte kennzeichnen nicht lesbare Buchstaben
- ↑ dieser Bereich wurde in der Gussform korrigiert, wodurch der Guss dieser Buchstaben nicht gelang
- ↑ der nicht korrigierter Fehler befindet sich in diesem Wort. Statt des gesetzten SD in SDANE muss M gesetzt werden, so dass es MANE heißt.
- ↑ die in Klammern gesetzten Buchstaben wurden zu dem originalen Text, der auf Glocke erkennbar ist, ergänzt
- ↑ das zweite Jahr der Abtschaft von Abt Meginher ist das Jahr 1038
- ↑ der Tag Johannes Baptist ist der 24. Juni