Hannelore Kraft

deutsche Politikerin (SPD), Ministerpräsidentin a.D. Nordrhein-Westfalen, MdL
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Hannelore Kraft (* 12. Juni 1961 in Mülheim an der Ruhr als Hannelore Külzhammer) ist eine deutsche Politikerin der SPD und seit dem 14. Juli 2010 Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen.

Hannelore Kraft,
Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen

Seit 2007 ist sie Landesvorsitzende der SPD Nordrhein-Westfalen und seit 2009 eine der vier stellvertretenden Bundesvorsitzenden ihrer Partei.

Leben

Nach ihrem Abitur 1980 absolvierte Hannelore Kraft zunächst eine Ausbildung zur Bankkauffrau. 1982 nahm sie das Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität-Gesamthochschule Duisburg auf. Von 1986 bis 1987 studierte sie am King’s College London. 1989 schloss sie ihr Studium in Duisburg ab.

Von 1989 bis 2001 war sie Beraterin und Projektleiterin beim Zentrum für Innovation und Technik NRW (ZENIT GmbH)[1] und Leiterin des dortigen Euro Info Centre.

Seit 1994 ist Hannelore Kraft Mitglied der SPD und seit dem 2. Juni 2000 Abgeordnete im Landtag Nordrhein-Westfalen; sie vertrat dort von 2000 bis 2005 den Wahlkreis 74 (Mülheim an der Ruhr II – Essen VII), seit 2005 den Wahlkreis 64 (Mülheim I).

Am 24. April 2001 wurde sie als Nachfolgerin von Detlev Samland zur Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten ernannt (Kabinett Clement II). Unter Ministerpräsident Steinbrück amtierte sie vom 12. November 2002 bis 31. Mai 2005 (vorzeitiger Rücktritt) als Ministerin für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen.

Nach der verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wurde Kraft am 31. Mai 2005 mit 95,7 Prozent der abgegebenen Stimmen als Nachfolgerin von Edgar Moron zur Vorsitzenden der SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag gewählt. Nach dem Rücktritt Jochen Dieckmanns als SPD-Landesvorsitzender am 11. Dezember 2006 wurde Kraft am 20. Januar 2007 auf einem Landesparteitag in Bochum zur neuen Landesvorsitzenden gewählt.

Kraft amtierte von 2001 bis 2005 in verschiedenen Ressorts als Ministerin des Landes Nordrhein-Westfalen. Anschließend amtierte sie bis zu ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin am 14. Juli 2010 als Vorsitzende der SPD-Fraktion und Oppositionsführerin im Landtag Nordrhein-Westfalen.

Am 13. November 2009 wurde Kraft auf dem Bundesparteitag der SPD zu einer der vier stellvertretenden Bundesvorsitzenden des neuen Parteichefs Sigmar Gabriel gewählt. Dabei erhielt sie mit 90 Prozent das beste Ergebnis unter Gabriels Stellvertretern.

Im Februar 2010 wurde sie auf einem Landesparteitag in ihrer Funktion als Landesvorsitzende bestätigt und fast einstimmig auf Platz eins der Landesliste für die Landtagswahl im Mai 2010 gewählt; damit war sie die Spitzenkandidatin der SPD für das Amt des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen.[2]

Hannelore Kraft ist verheiratet und hat einen Sohn. Nach dem Austritt aus der römisch-katholischen Kirche trat sie später in die evangelische Kirche ein.[3]

Politische Positionen

Hannelore Kraft versteht sich als Vertreterin einer Politik auf Grundlage der sozialen Gerechtigkeit.[4]

Bildungspolitik

Ihr Programm legt dabei insbesondere Wert auf eine umfassende Revision der Bildungspolitik; hier will sie das dreigliedrige Schulsystem abschaffen und durch eine längere gemeinsame Grundschulzeit und darauf aufbauend die Gemeinschaftsschule ersetzen. Die Entscheidung, ob das Abitur nach acht oder neun Jahren erreicht wird, soll den Schulen und Eltern überlassen werden. Studiengebühren sollen abgeschafft, Kindergartenplätze schrittweise gebührenbefreit werden. Kleinkinder unter drei Jahren sollen einen Rechtsanspruch auf Betreuungsplätze erhalten.

Arbeitsmarktpolitik

Es soll ein neues Landespersonalvertretungsgesetz beschlossen werden, das die Mitbestimmungsrechte in den Mittelpunkt stellt, die geplanten massiven Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst sollen überprüft werden.

Das von CDU und FDP gekippte Tariftreuegesetz, das die Vergabe öffentlicher Aufträge an die Einhaltung von Tarifverträgen knüpft, soll wieder Anwendung finden.

Energiepolitik

Hannelore Kraft gibt an, sich am Ziel einer vollständig aus regenerativen Energieformen gespeisten Energieversorgung zu orientieren und will diese dementsprechend fördern. Für die Übergangsphase soll der Abbau insbesondere von heimischer Kohle weiter gefördert werden und auch der Bau von Kohlekraftwerken auf der Grundlage geltender Gesetze weiterhin möglich sein. Aus der Energieversorgung mittels Kernkraftwerken soll ihrer Ansicht nach wie vorgesehen ausgestiegen werden.

Finanzpolitik

Finanziell angeschlagene Kommunen sollen Hilfen vom Land erhalten und auch Gelder aus dem Programm Aufbau Ost beantragen können, das in einen gesamtdeutschen Ausgleichsfonds umgewandelt werden soll. Der komplette Verkauf aller Landesbeteiligungen an der WestLB wird abgelehnt.

Positionen zu bundespolitischen Themen

Im Bundesrat will Hannelore Kraft u. a. verhindern, dass die von der Bundesregierung geplante Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken beschlossen wird, ebenso wie die angedachten Senkungen bei der Lohn- und Einkommensteuer. Zudem will sie die Einführung einer Kopfpauschale in der gesetzlichen Krankenversicherung blockieren und die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns fördern.

Kraft forderte, ähnlich wie schon zuvor Guido Westerwelle,[5] „gemeinnützige Jobs“ für Arbeitslosengeld-II-Empfänger, „wie in Altenheimen Senioren Bücher vorlesen, in Sportvereinen helfen oder Straßen sauber halten“, damit ein „Gemeinwohl-orientierter Arbeitsmarkt“ entstehe. Dies würde keine Mehrkosten für den Staat erfordern, zudem würden sich „die meisten Langzeitarbeitslosen … über eine sinnvolle Beschäftigung freuen, selbst wenn sie dafür nur einen symbolischen Aufschlag auf die Hartz-IV-Sätze bekommen“. Dies sei notwendig, da eine strukturelle Arbeitslosigkeit vorherrsche: „Wir müssen endlich ehrlich sein: Rund ein Viertel unserer Langzeitarbeitslosen wird nie mehr einen regulären Job finden.“[6]

Landtagswahl und Regierungsbildung 2010

Bei der Landtagswahl am 9. Mai 2010, bei welcher Kraft Spitzenkandidatin und Herausforderin von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) war, erzielte die SPD 67 Mandate im neuen Landtag. Die SPD verlor weniger stark als die CDU, erreichte mit 34,5 Prozent jedoch ebenfalls weniger Stimmen als bei den Wahlen zuvor. Die von Kraft favorisierte Rot-Grüne Koalition verfehlte mit insgesamt 90 Sitzen eine absolute Mehrheit im Parlament um ein Mandat. Daraufhin führte Hannelore Kraft Sondierungsgespräche mit allen im neugewählten Landtag vertretenen Parteien zur Bildung einer Regierung, die jedoch scheiterten.[7]

Kraft kündigte daraufhin an, einen Politikwechsel aus dem Parlament heraus betreiben zu wollen und die Regierung Rüttgers somit geschäftsführend im Amt zu belassen.[8] Einige Tage später erklärte sie dann doch, sich zur Ministerpräsidentin einer Rot-Grünen Minderheitsregierung wählen zu lassen.[9] Am 14. Juli wurde sie im zweiten Wahlgang mit 90 Stimmen, bei 80 Gegenstimmen und 11 Enthaltungen, ins Amt gewählt. Dies entspricht den Stimmen, die Rot-Grün, Schwarz-Gelb und die Linken im Landtag halten. Im zweiten Wahlgang reichte zur erfolgreichen Wahl eine einfache Mehrheit. Im ersten Wahlgang war sie mit 90 Stimmen, 81 Gegenstimmen und 10 Enthaltungen an der noch erforderlichen absoluten Mehrheit in Höhe von 91 Stimmen gescheitert.[10] Die Mitglieder der neuen Landesregierung wurden am 15. Juli 2010 ernannt und vereidigt. Damit war der Regierungsbildungsprozess 67 Tage nach der Landtagswahl abgeschlossen.

Commons: Hannelore Kraft – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. ZUR PERSON: Hannelore Kraft, MdL. In: hannelore-kraft.de. 3. März 2006, archiviert vom Original am 3. März 2006; abgerufen am 30. Juni 2009.
  2. SPD in NRW feiert ihre Spitzenkandidatin Kraft, „Die Welt“ (Onlineausgabe), 26. Februar 2010
  3. Webseite der evangelischen Kirche im Rheinland: Gemeinsam zur Wir-Gesellschaft
  4. Kandidatencheck bei Abgeordnetenwatch.de
  5. Die Zeit: Westerwelle will Hartz-IV-Empfänger Schnee schippen lassen, 21. Februar 2010.
  6. Financial Times Deutschland:SPD-Vize verlangt gemeinnützigen Einsatz von Hartz-IV-Empfängern, 6. März 2010.
  7. Gescheiterte Sondierungsgespräche: Kraft lehnt Neuwahl in NRW ab, Spiegel online, 12. Juni 2010
  8. Starke Opposition: Kraft kündigt erste Gesetzesinitiativen in NRW an, Spiegel online, 14. Juni 2010
  9. Krafts Machtplan: Rot-Grün plant Minderheitsregierung in NRW, Spiegel online, 17. Juni 2010
  10. Rüttgers-Nachfolge: Kraft zur NRW-Ministerpräsidentin gewählt, Spiegel online, 14. Juli 2010