Als Stammfunktion oder unbestimmtes Integral (außerhalb fachwissenschaftlicher Publikationen gelegentlich auch Aufleitung) einer reellen Funktion bezeichnet man eine differenzierbare Funktion , deren Ableitungsfunktion mit übereinstimmt. Ist also auf einem Intervall definiert, so muss auf definiert und differenzierbar sein, und es muss für beliebige Werte aus gelten:
Existenz und Eindeutigkeit
Eine auf einem Intervall definierte Funktion hat entweder keine oder unendlich viele Stammfunktionen. Ist nämlich eine Stammfunktion von , so ist für jede beliebige reelle Zahl auch die durch definierte Funktion eine Stammfunktion von . Die Bezeichnung unbestimmtes Integral bezeichnet manchmal auch die Menge aller dieser Funktionen. Ist der Definitionsbereich von kein Intervall, so ist die Differenz zweier Stammfunktionen von nicht notwendigerweise konstant, aber lokal konstant.
Für jede integrierbare Funktion ist eine Integralfunktion definiert durch
Diese Funktion ist stetig, und falls auch stetig ist, ist nach dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung eine Stammfunktion von . Ist jedoch auf integrierbar, aber nicht überall stetig, dann gilt zwar für alle , aus
aber braucht in diesem Falle nicht überall differenzierbar zu sein und somit keine Stammfunktion von .
Anwendung
Ist eine auf dem kompakten, also endlichen und abgeschlossenen Intervall stetige (oder allgemeiner Riemann-integrierbare[1]) Funktion, so lässt sich mit Hilfe einer beliebigen Stammfunktion von das bestimmte Integral von über berechnen:
Stammfunktionen werden daher für verschiedene Berechnungen benötigt, z. B.:
- Flächenberechnung für Flächen, die von Funktionsgraphen begrenzt werden
- Volumenberechnung für Rotationskörper
Abgeschlossenheit/Integrationsregeln
Für das Differenzieren gibt es einfache Regeln. Dagegen ist die Situation beim unbestimmten Integrieren ganz anders, da die Operation des unbestimmten Integrierens zu einer Erweiterung vorgegebener Funktionensklassen führt, z. B. ist das Integrieren innerhalb der Klasse der rationalen Funktionen nicht abgeschlossen und führt auf die Funktionen und . Auch die Klasse der so genannten elementaren Funktionen ist nicht abgeschlossen. So hat Joseph Liouville bewiesen, dass die einfache Funktion keine elementare Stammfunktion besitzt. Auch die einfache Funktion besitzt keine elementare Stammfunktion. Dagegen ist . Die Technik des Integrierens basiert auf folgenden Integrationsregeln:
- Additivität
- der Tabelle der sog. Grundintegrale (Übersicht über die wichtigsten Funktionen und deren Stammfunktionen).
- Methode der partiellen Integration
- Substitutionsregel
- speziellen Verfahren
- Ausnutzung raffinierter Zerlegungen und Umformungen (z. B. Polynomdivision, Partialbruchzerlegung, Funktionalgleichungen)
Da es keine allgemeine Regel zur Bestimmung von Stammfunktionen gibt, werden Stammfunktionen in sogenannten Integraltafeln tabelliert. Computeralgebrasysteme sind heute in der Lage fast alle bisher tabellierten Integrale zu berechnen.
Stammfunktionen für komplexwertige Funktionen
Der Begriff der Stammfunktion lässt sich auch für komplexe Funktionen formulieren. Hier reicht es jedoch nicht mehr aus, dass die Funktion stetig ist, sie muss zudem auf einem einfach zusammenhängenden Gebiet , d. h. auf einer offenen, einfach zusammenhängenden Teilmenge des Grundraumes (in diesem Fall ) definiert und dort holomorph sein. Sind diese Forderungen erfüllt, gelten folgende äquivalente Aussagen:
- Die Funktion hat eine Stammfunktion auf ganz , das heißt, ist holomorph und ist die komplexe Ableitung von .
- Wegintegrale über hängen nur von den Endpunkten des Weges ab.
- Wegintegrale über geschlossene Wege (Anfangspunkt = Endpunkt) liefern als Ergebnis immer 0.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Fritz Reinhardt, Heinrich Soeder: dtv-Atlas zur Mathematik. Band 2, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1977, ISBN 3-423-03008-9, S. 333.
Weblinks
- The Integrator – Berechnung von Stammfunktionen online
- Applet zur Integralfunktion – interaktives Arbeitsblatt mit Lösungen zur Visualisierung des Begriffs der Integralfunktion