Chemische Waffe

Waffen, die Chemikalien verwenden, um Menschen kampfunfähig zu machen oder zu töten
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Chemische Waffen sind künstlich hergestellte Giftstoffe, die gezielt als Kriegswaffen entwickelt und hergestellt werden. Sie gehören zu den ABC-Waffen.

Offiziell werden Chemische Waffen als Chemische Kampfmittel bezeichnet.

Bei chemischen Waffen wird landläufig von Giftgasen gesprochen. Hiermit sind meist eher die chemischen Kampfstoffe gemeint, die unmittelbar den menschlichen Organismus angreifen. Die Vorstellung als Gas ist nur bedingt richtig. Oft werden chemische Kampfstoffe als Flüssigkeiten verteilt. Diese geben nach und nach die eigentlichen Substanzen als Gase frei. Gasmasken, wie sie bei der Armee eingesetzt werden, schützen gegen viele moderne Kampfstoffe nur unzureichend, da die Substanzen meist nicht nur durch die Lunge, sondern auch über die Haut aufgenommen werden können. Einen vollständigen Schutz bietet daher nur ein Ganzkörperschutz.

Chemische Kampfmittel

Chemische Kampfmittel werden in folgende Kategorien unterteilt:

  • Chemische Kampfstoffe: Lungenkampfstoff, Blutkampfstoff, Hautkampfstoff, Nervenkampfstoff, Psychokampfstoff.
  • Reizstoffe: Reizen die Augen oder die Atemwege. Ein Beispiel ist das CS-Tränengas, das von der Polizei eingesetzt wird. Prinzipiell unterscheiden sich diese nicht von anderen Haut- und Lungenkampfstoffen. Die so genannten "Tränengase" führen genau wie diese zu Hautverätzungen, Augen- und Lungenschäden und sind in ausreichender Konzentration auch tödlich. Die Unterscheidung zwischen "Reizstoffen", "Tränengasen", chemischen Kampfstoffen und Giftgas ist rein willkürlich und politisch bedingt.
  • Brandstoffe: Leicht entflammbare oder in Sauerstoffumgebung selbst entzündliche Stoffe, die Brände verursachen. Am bekanntesten dürften Phosphor und Napalm sein, welche im 2. Weltkrieg und im Vietnamkrieg von den USA eingesetzt wurden.
  • Nebelstoffe: Diese sollen die Sicht verschlechtern. In diese Kategorie fallen z. B. Nebelkerzen und Rauchbomben.
  • Pflanzenschädigende chemische Stoffe: Hier soll die Vegetation vernichtet werden, um Kampfhandlungen auf dem Gebiet zu vereinfachen. Diese so genannten Herbizide, sind aber oft nicht nur pflanzenschädigend, sondern auch giftig für Mensch und Tier. Auch diese Art des Kampfmittels ist durch die USA im Vietnamkrieg allgemein bekannt geworden. Dort wurde Agent Orange zur Entlaubung von Wäldern eingesetzt, Restfolgen, sogen. "Kollateralschäden", sind an nachgeborenen Vietnamesen heute noch akut und kaum behandelbar.

Chemische Kampfstoffe

Die chemischen Kampfstoffe werden noch einmal in verschiedene Kategorien unterteilt. Die Kategorisierung erfolgt nach dem Wirkungsort des Kampfstoffes:

Einsatzgeschichte

Der Einsatz von chemischen Waffen ist schon im Altertum bekannt, Verwendung von Brandstoffen wie Pech, Öle, Griechisches Feuer oder das Salzen von Ackerland als Herbizid oder später im kleinen Umfang die Verwendung chemischer Gifte wie Arsen.

Erster Weltkrieg

Datei:French gas casualties 1915 1.jpg
Französische Opfer eines Gasangriffs, 1915

Im Ersten Weltkrieg fand der erste Einsatz von chemischen Kampfstoffen, im August 1914 durch französische Truppen statt, die Xylylbromid, ein Tränengas, entwickelt von der Pariser Polizei, gegen deutsche Truppen anwandten. Erste Versuche beider Seiten mit Stoffen wie Bromessigsäureethylester (Frankreich März 1915) und Dianisidinchlorsulfonat, einem feinkristallinen Pulver, das Schleimhäute der Augen und Nase reizte, (Deutschland 27. Oktober 1914 bei Neuve-Chapelle) verliefen unzufriedenstellend, da die Stoffe sich beim Abschuss durch die entstehende Hitze zersetzten.

 
Livens Gas Projektoren werden geladen

Zum ersten mal gelingt der Einsatz von chemischen Waffen am 22. April 1915 in der Zweiten Flandernschlacht bei Ypern, als deutsche Truppen 150 Tonnen Chlorgas aus Flaschen nach dem so genannten Haberschen Blasverfahren entweichen ließen. Da Chlor schwerer ist als Luft, sank es nach unten in die französischen Schützengräben und forderte dort rund 5.000 Tote und 10.000 Verletzte. Bald darauf wurden chemische Kampfstoffe auch von der Gegenseite eingesetzt. So setzte Frankreich als erste der kriegführenden Nationen an der Somme am 22. Februar 1916 Phosgen (Cl2CO) in Reinform ein, nachdem Deutschland es bereits am 31. Mai 1915 als 5%ige Beimengung zum Chlorgas verwendet hatte. Dieses Gas wird für den größten Anteil an allen Gasverletzten verantwortlich gemacht. Später wurden die Kampfstoffe durch Giftgasgranaten verschossen, bei denen durch farbige Kreuze (Blaukreuz, Gelbkreuz, Grünkreuz) erkennbar war, welche Art von Kampfstoff sie enthielten. An der Westfront wurde verstärkt "Gelbkreuz" eingesetzt, das für Hautkampfstoffe stand. Es wurde von Soldaten erzählt, die sich selbst erschossen, als sie von einer gelbgrünen Wolke umschlossen wurden.

Buntschießen

Bestimmte - nicht tödliche, aber stark reizend wirkende - Kampfstoffe (Blaukreuz) durchdrangen die Filter der Gasmasken. Die Reizstoffe zwangen den Gegner, die Gasmaske abzunehmen. Gleichzeitig oder kurz nach diesen "Maskenbrechern" wurden lungenschädigende - oftmals tödliche - Kampfstoffe (Grünkreuz) eingesetzt. Diese Kombination von "Maskenbrechern" und Lungengiften wurde verharmlosend Buntschießen genannt.

Chemische Waffen verursachten im ersten Weltkrieg insgesamt etwa 100.000 Tote und 1,2 Millionen Verwundete auf beiden Seiten.

Bewertung von Giftgas als Kriegswaffe

Giftgas wird heute allgemein als eine der schrecklichsten Waffen des 1. Weltkrieges angesehen. Dies beruht allerdings vor allem auf ihrer psychologischen Wirkung. Fuller sagt beispielsweise: "Entgegen der allgemeinen Ansicht erwies sich Gas als die humanste Waffe, die im Krieg angewandt wurde, zugleich aber die wirksamste." (J.F.C. Fuller, Die entartete Kunst Krieg zu führen, Köln 1964, S.192) Giftgas verursachte sehr hohe Verlustraten (d.h. kampfunfähige Soldaten), im Vergleich zu anderen Waffen aber sehr geringe Todesraten. Dies setzt natürlich voraus, dass man das dauerhafte Verstümmeln von Menschen als "human" bezeichnen will.

Tatsächlich wird es von Militärs als vorteilhaft angesehen, gegnerische Soldaten nicht zu töten, sondern sie so schwer zu verletzen und zu verstümmeln, dass diese dauerhafter Pflege bedürfen. Damit sollen gegnerische Ressourcen gebunden werden, welche nicht mehr für die Kriegsführung zur Verfügung stehen.

Da Giftgas eine der billigsten Methoden war, den Gegener kampfunfähig zu machen, erfreute es sich bei den Militärs hoher Beliebheit. Allerdings wurde schon im Laufe des ersten Weltkriegs klar, dass sich Giftgas von einer billigen und vergleichsweise humanen Waffe zu einem Waffensystem entwickelt, welches derartig grausame und unkalkulierbare Wirkungen zeigt, sodass es als "rationale" Waffe nicht einsetzbar ist.

Zwischen den Weltkriegen

Ein weiteres Mal wurde Giftgas im Krieg zwischen Italien und Äthiopien verwendet, der von 1935-1936 geführt wurde. Dabei setzten die italienischen Truppen Senfgas ein.

Ab 1919 wurde das Konzept der kolonialen Kontrolle aus der Luft von Winston Churchill erstmalig umgesetzt. Die Royal Air Force sollte die Kontrolle der Kolonien im Nahen Osten übernehmen. Neben konventionellen Waffen wurden dabei auch Giftgaseinsätze aus der Luft erwogen und von Churchill gefordert. Wegen ungelöster technischer Probleme wurde Giftgas dann aber nur mit den bereits im Ersten Weltkrieg erprobten Methoden gegen die irakische Bevölkerung angewandt.

Vorbehalte britischer Militär wies Churchill zurück: "Ich verstehe den Widerstand gegen den Einsatz von Gas nicht. Ich bin sehr dafür, Giftgas gegen unzivilisierte Stämme einzusetzen", ließ er verlauten. Das eingesetzte Gas müsse ja nicht tödlich sein, sondern nur "große Schmerzen hervorrufen und einen umfassenden Terror verbreiten".

Genfer Protokoll

Die Verwendung von vergiftenden Waffen war schon vor dem Ersten Weltkrieg durch die Haager Landkriegsordnung geächtet. Angesichts der Gräuel des ersten Weltkrieges wurde 1925 im Genfer Protokoll betreffend das Verbot der Anwendung von Giftgasen und bakteriologischen Mitteln der Einsatz von Giftgasen ausdrücklich verboten. Die USA treten diesem Vertrag erst 1974 bei.

Zweiter Weltkrieg

Datei:KZ Birkenau Hauptgebäude 320x240.jpg
Hauptgebäude/-Einfahrt zum Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau

Das Verbot der Anwendung von vergiftenden, chemischen und biologischen Waffen wurde im Zweiten Weltkrieg zumindest auf dem europäischen Kriegsschauplatz weitgehend beachtet, obwohl nicht alle beteiligten Länder dem Protokoll beigetreten waren.

In Asien setzte Japan chemische Waffen (Senfgas und Arsenverbindungen) gegen Truppen der Republik China ein. Zugleich wurden auch biologische Kampfstoffe (Erreger von Cholera, Typhus, Anthrax und weitere) eingesetzt.

In Europa setzten die Westalliierten, insbesondere Großbritannien, im großen Stil, zum systematischen Abbrennen von deutschen Städten im Rahmen der Moral Bombing Strategie, Phosphorbomben ein. Diese wurden zumeist auf dicht mit mittelalterlichen Holzbauten (Fachwerkhäusern) bebaute Innenstädte fächerförmig abgeworfen mit dem Ziel der Entfachung eines sogenannten Feuersturms. Der Vorteil dieser Waffe liegt darin das sich diese nur durch vollständigen Sauerstoffentzug löschen läßt und somit herkömmliche Löschmaßnahmen (Wasser) nahezu wirkungslos sind. Beim direkten Kontakt des Phosphors mit der menschlichen Haut führt dieser zu sehr tiefen meist bis auf die Knochen reichenden Brandverletzungen. Durch die Kontamination der Wundstelle mit dem Phosphor treten schon nach kurzer Zeit zumeist schwere Vergiftungserscheinungen auf die häufig zum Tode des Betroffenen führen.

Im „Dritten Reich“ Adolf Hitlers wurden bei IG Farben, ab Mitte der dreissiger Jahre, im Werk Dyherrnfurth in Schlesien die Nervengifte Sarin, Tabun und Soman entwickelt. Jedoch wurden diese, wohl auch wegen Bedenken eines dadurch zu erwartenden Gegenschlages, nicht eingesetzt. Abseits der Kriegsschauplätze wurde in den Gaskammern der deutschen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, Belzec, Sobibor, Mauthausen, Treblinka und Lublin-Majdanek etwa 6 Millionen Menschen mit dem blausäurehaltigen Desinfektionsgas Zyklon B und Benzinmotorabgasen (Kohlenmonoxid) ermordet.

Nach 1945

Auch nach dem zweiten Weltkrieg wurden noch chemische Waffen eingesetzt. So gilt als sicher, dass z.B. Ägypten solche im Jemen eingesetzt hat. Die Technologie dazu stammte aus der Sowjetunion, welche diese auch an andere mit ihr im Nahen-Osten verbündeten Staaten, wie Irak weitergegeben hat.

 
Napalmeinsatz südlich von Saigon, 1965

Im Vietnamkrieg wurde zum erstenmal seit dem ersten Weltkrieg in großen Umfang chemische Waffen eingesetzt.

Während anfangs von Frankreich und den USA noch konventionelle Brandbomben, Napalm gegen die Nordvietnamesen verwandt wurden, startete die Regierung Kennedy 1961 die systematische chemische Kriegsführung gegen Nordvietnam (Operation Ranch Hand) mit dem hochgiftigen Herbizid Agent Orange, welches nicht nur dem Gegner die Deckung durch die Vegetation nehmen sollte, sondern auch die Nahrungsbasis Reis der Bevölkerung zerstören sollte.

Es wurden auch Haut und Lungen schädigende Gase wie CS gegen nordvietnamesische Bunker und Tunnel eingesetzt. Der angebliche Einsatz von Sarin gegen eigene Kräfte (Deserteure) in der "Operation Tailwind" in Laos stellte sich als eine Falschmeldung des Senders CNN heraus.

Im Krieg zwischen Irak und Iran kam es 1984 zum zweitenmal nach dem ersten Weltkrieg zum Einsatz von chemischen Waffen im großen Maßstab.

Datei:Halabascha01.jpg
Opfer des Giftgasangriffs auf Halabascha

Am 16. März 1988 soll der Irak Giftgas gegen die aufständischen Bewohner der kurdischen Stadt Halabdscha eingesetzt haben. Es wurde von etwa 5.000 Getöteten berichtet. Ein späterer amerikanischer Untersuchungsbericht schloss nicht aus, dass die Stadt versehentlich von iranischen Flugzeugen angegriffen wurde.

Im Rahmen der Vorbereitung auf den ersten und zweiten Irakkrieg kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den USA und Deutschland über die Herkunft der irakischen Chemiewaffentechnologie.

Internationale Ächtung

Seit 1997 sind chemische Waffen durch die Chemiewaffenkonvention international offiziell geächtet; auch die Entwicklung, Herstellung und Lagerung sind verboten.

Siehe auch

Literatur