Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht

Ende der Kriegshandlungen zwischen den Alliierten und dem Deutschen Reich 1945
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Die Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht wurde am 7. Mai 1945 in Reims unterzeichnet und trat am Folgetag in Kraft. Die Verliererpartei musste den Siegerparteien das Recht einräumen, alle politischen und gesellschaftlichen Angelegenheiten im Verliererstaat zu regeln. Grundlage hierfür war insbesondere die einen Monat später folgende sogenannte Juni-Deklaration,[1] ein zwischen den vier Hauptsiegermächten des Zweiten Weltkrieges unterzeichnetes Abkommen zur alliierten Übernahme der obersten Regierungsgewalt im Gebiet des Deutschen Reiches.

Generaloberst Alfred Jodl unterzeichnet die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht am 7. Mai 1945 in Reims.
Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel unterzeichnet die ratifizierende Kapitulationsurkunde am 8./9. Mai 1945 in Berlin-Karlshorst.

Die Forderung nach einer bedingungslosen Kapitulation

Die Forderung nach einer bedingungslosen Kapitulation (unconditional surrender) der Achsenmächte wurde von den Westalliierten auf der Konferenz von Casablanca zu Beginn des Jahres 1943 erhoben: Ein Sieg der Alliierten über Deutschland schien am ehesten durch ein Auseinanderbrechen der Anti-Hitler-Koalition zwischen den Westalliierten einerseits und der Sowjetunion andererseits gefährdet.

Da eine bedingungslose Kapitulation Waffenstillstandsverhandlungen und Teilkapitulationen ausschloss, bewies dies der Sowjetunion, dass die Westalliierten bereit waren, den Krieg gegen Deutschland unter allen Umständen weiter an ihrer Seite zu führen. Die Sowjetunion schloss sich dieser Forderung an. Unter Verweis auf diese Maximalforderung sprach das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda von einem „Vernichtungskrieg gegen Deutschland“ und konnte somit möglicherweise den Verteidigungswillen der Bevölkerung stärken.

Den Alliierten war bereits im Vorfeld bewusst, dass sie im Falle der militärischen Besetzung Deutschlands keine handlungsfähige Regierung (vgl. auch Regierung Dönitz) mehr antreffen würden. Man wollte eine Vorgehensweise finden, mit der Deutschland beziehungsweise das Deutsche Reich nicht abgeschafft oder annektiert, sondern in gemeinsamer Verantwortung der Siegermächte übernommen würde, ohne sich aber dessen finanzielle wie rechtliche Verpflichtungen als Rechtsnachfolger anzueignen. Die rechtstheoretischen Überlegungen für die zuletzt gefundene rechtliche Konstruktion gehen dabei auf Arbeiten Hans Kelsens wie des britischen Staatsrechtler William Malkin zurück.[2]

Verhandlungen

Nachdem sich Adolf Hitler, der jegliche Art von Kapitulation ablehnte, am 30. April 1945 das Leben genommen hatte, erklärte der von ihm testamentarisch[3] zum Reichspräsidenten und Oberbefehlshaber der Wehrmacht bestimmte Karl Dönitz in seiner Rundfunkansprache: „Meine erste Aufgabe ist es, deutsche Menschen vor der Vernichtung durch den vordrängenden bolschewistischen Feind zu retten. Nur für dieses Ziel geht der militärische Kampf weiter.“ Entsprechend versuchte er, nachdem bereits mehrere regionale Teilkapitulationen deutscher Streitkräfte in Kraft getreten waren (unter anderem für Berlin, Norditalien, Nordwestdeutschland, Dänemark und die Niederlande), einen separaten Waffenstillstand mit den Westalliierten zu erreichen. Dieses Ansinnen der deutschen Delegation bestehend aus Generaloberst Alfred Jodl, Generaladmiral von Friedeburg und Major i. G. Oxenius, die sich am 6. Mai in das SHAEF im französischen Reims begeben hatten, wurde von Dwight D. Eisenhower aber zurückgewiesen. Eisenhower war nicht bereit, auf die Gesamtkapitulation auch gegenüber dem sowjetischen Oberkommando zu verzichten.

Daraufhin beauftragte und autorisierte Dönitz Generaloberst Jodl, den Chef des Wehrmachtführungsstabes, der ursprünglich nur zum „Abschluss eines Waffenstillstandsabkommens mit dem Hauptquartier des Generals Eisenhower“[4] bevollmächtigt war, per Funk zur Unterzeichnung einer bedingungslosen Kapitulation der deutschen Truppen.[5] Dies geschah am 7. Mai in der Zeit von 2:39 bis 2:41 Uhr. Der Reichssender Flensburg verkündete mit einer Ansprache durch Lutz von Schwerin-Krosigk am 7. Mai um 12:45 Uhr zum ersten Mal von deutscher Seite her das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa. Die bedingungslose Kapitulation trat für alle Fronten am 8. Mai um 23:01 Uhr mitteleuropäischer Zeit in Kraft. Dieses Datum, an dem der Zweite Weltkrieg in Europa beendet war, wird als Tag der Befreiung beziehungsweise V-E-Day begangen.

Für das SHAEF unterzeichnete Eisenhowers Stabschef General Smith, für das sowjetische Oberkommando General Susloparow, als Zeuge unterschrieb General Sevez.[6]

Da diese militärische Kapitulation lediglich von Jodl, nicht aber von den Oberbefehlshabern der einzelnen Teilstreitkräfte der deutschen Wehrmacht unterzeichnet werden konnte, wurde im direkten Anschluss ein weiteres Dokument unterzeichnet, das die Ratifizierung dieser Kapitulation durch das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) sowie die Oberbefehlshaber von Heer, Luftwaffe und Kriegsmarine vorsah.[7] Dies geschah rückwirkend zum 8. Mai 1945, 23:01 Uhr MEZ durch Unterzeichnung einer weiteren Kapitulationsurkunde am 9. Mai um 0:16 Uhr im Offizierskasino der Heerespionierschule in Berlin-Karlshorst (heute: Deutsch-Russisches Museum) durch Generalfeldmarschall Keitel für das OKW und das Heer, Generaladmiral von Friedeburg für die Kriegsmarine und Generaloberst Stumpff für die Luftwaffe (als Vertreter des Oberbefehlshabers Generalfeldmarschall von Greim), alle drei bevollmächtigt durch Dönitz. Für das SHAEF unterzeichnete Marschall Tedder, für das sowjetische Oberkommando General Schukow, als Zeugen unterschrieben der französische General de Lattre de Tassigny und US-Air Force-General Spaatz.[8] Da in der Sowjetunion die Kapitulation erst nach diesem Akt bekanntgegeben wurde und bedingt durch die Zeitverschiebung das Inkrafttreten der Kapitulation in Moskau auf den 9. Mai fällt, werden in Russland bis heute die Feierlichkeiten zum Ende des Großen Vaterländischen Krieges als „Tag des Sieges“ erst an diesem Tag begangen. Bedingt durch kommunikationstechnische Schwierigkeiten, aber vor allem auch das Bestreben, möglichst viele Soldaten und Zivilisten vor der Roten Armee in Sicherheit zu bringen und noch in die Westgebiete zu transportieren, verzögerte sich die Umsetzung der Kapitulation bei einzelnen Verbänden.

Eine Kapitulation Deutschlands, d. h. des Deutschen Reichs 1945, hatte nach heute herrschender Meinung in der Rechtswissenschaft nicht stattgefunden (siehe Hauptartikel Rechtslage des Deutschen Reiches nach 1945).

Text der Kapitulationsurkunde

 
Die Kapitulationsurkunde (ACT OF MILITARY SURRENDER) vom 7. Mai 1945 – erste Seite.
 
Die Kapitulationsurkunde (7. Mai 1945) – zweite Seite.

KAPITULATIONSERKLAERUNG

1. Wir, die hier Unterzeichneten, handelnd in Vollmacht für und im Namen des Oberkommandos der Deutschen Wehrmacht, erklaeren hiermit die bedingungslose Kapitulation aller am gegenwaertigen Zeitpunkt unter deutschem Befehl stehenden oder von Deutschland beherrschten Streitkraefte auf dem Lande, auf der See und in der Luft gleichzeitig gegenueber dem Obersten Befehlshaber der Alliierten Expeditions-Streitkraefte und dem Oberkommando der Roten Armee.

2. Das Oberkommando der Deutschen Wehrmacht wird unverzueglich allen Behoerden der deutschen Land-, See- und Luftstreitkraefte und allen von Deutschland beherrschten Streitkraeften den Befehl geben, die Kampfhandlungen um 23:01 Uhr Mitteleuropaeischer Zeit am 8. Mai einzustellen und in den Stellungen zu verbleiben, die sie an diesem Zeitpunkt innehaben und sich vollstaendig zu entwaffnen, indem sie Waffen und Geraete an die oertlichen Alliierten Befehlshaber beziehungsweise an die von den Alliierten Vertretern zu bestimmenden Offiziere abliefern. Kein Schiff, Boot oder Flugzeug irgendeiner Art darf versenkt werden, noch duerfen Schiffsruempfe, maschinelle Einrichtungen, Ausruestungsgegenstaende, Maschinen irgendwelcher Art, Waffen, Apparaturen, technische Gegenstaende, die Kriegszwecken im Allgemeinen dienlich sein koennen, beschaedigt werden.

3. Das Oberkommando der Deutschen Wehrmacht wird unverzueglich den zustaendigen Befehlshabern alle von dem Obersten Befehlshaber der Alliierten Expeditions Streifkraefte und Oberkommando der Roten Armee erlassenen zusaetzlichen Befehle weitergeben und deren Durchfuehrung sicherstellen.

4. Diese Kapitulationserklaerung ist ohne Praejudiz fuer irgendwelche an ihre Stelle tretenden allgemeinen Kapitulationsbestimmungen, die durch die Vereinten Nationen und in deren Namen Deutschland und der Deutschen Wehrmacht auferlegt werden moegen.

5. Falls das Oberkommando der Deutschen Wehrmacht oder irgendwelche ihm unterstehenden oder von ihm beherrschte Streitkraefte es versaeumen sollten, sich gemaess den Bestimmungen dieser Kapitulations-Erklaerung zu verhalten, werden das Oberkommando der Roten Armee und der Oberste Befehlshaber der Alliierten Expeditions Streitkraefte alle diejenigen Straf- und anderen Massnahmen ergreifen, die sie als zweckmaessig erachten.

6. Diese Erklaerung ist in englischer, russischer und deutscher Sprache abgefasst. Allein massgebend sind die englische und die russische Fassung.


Unterzeichnet zu Berlin am 8. Mai 1945

gez. v. Friedeburg gez. Keitel gez. Stumpff
für das Oberkommando der deutschen Wehrmacht
[…]

Einzelnachweise

  1. Erklärung in Anbetracht der Niederlage Deutschlands und der Übernahme der obersten „Regierungsgewalt hinsichtlich Deutschlands“
  2. Matthias Etzel, Die Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen durch den Alliierten Kontrollrat (1945–1948), Band 7 von Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts, Verlag Mohr Siebeck, 1992, ISBN 3-161-45994-6.
  3. Hinweis auf den Artikel Rechtslage des Deutschen Reiches nach 1945 zu den Fragen der Wirksamkeit der dt. Erklärungen
  4. German Surrender Documents of WWII, Zweites Dokument (fälschlich mit {Reichspresident Donitz’s authorization to Colonel General Jodl} {to conclude a general surrender:} betitelt)
  5. Katja Gerhartz: Protokoll der letzten Momente (Die Welt vom 7. Mai 2005)
  6. ACT OF MILITARY SURRENDER: Seite 1 mit Punkt 1 bis 4 und Seite 2 mit Punkt 5 sowie Datum und Unterschriften (Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst). Bekanntgabe durch die Alliierten im Amtsblatt des Kontrollrates in Deutschland, Ergänzungsblatt 1, S. 6.
  7. UNDERTAKING (Museum Karlshorst)
  8. KAPITULATIONSERKLAERUNG. Seite 1, Seite 2 mit den Unterschriften (Museum Karlshorst)
Commons: Category:Instrument of German surrender, World War II – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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