Unter Liberalismus (lat. liber: frei, lat. liberalis: die Freiheit betreffend, freiheitlich) wird eine in der Aufklärung entstandene freiheitliche Gesinnung und politisch-philosophische Lehre verstanden.
Der Liberalismus sieht sich als Emanzipation von Ideologien, die Unfreiheit rechtfertigen sollten. (Beispiel: Gottesgnadentum). Im Zentrum seiner politischen Philosophie steht das Individuum, dem größtmögliche Freiheit gegeben werden soll. Die individuelle Freiheit ist nach liberaler Überzeugung die Grundnorm und Basis einer menschlichen Gesellschaft, auf die hin der Staat und seine politische wie wirtschaftliche Ordnung auszurichten sind. Wo die Freiheit des Einzelnen berührt wird, hat jede, nicht nur die staatliche Gewalt zu enden – diese hat nur dann einzugreifen, wenn die Freiheit eines anderen Individuums verletzt wird. Das bedeutet, dass er vorrangig für Recht und Ordnung sorgen soll (Justiz, Polizei). Regulationen der Wirtschaft, aber auch Sozialleistungen sollen minimiert werden, ebenso die Steuern.
Der Liberalismus steht im Gegensatz zum Totalitarismus. Vom Anarchismus unterscheidet sich der heutige Liberalismus durch die Auffassung, dass der Staat zur Sicherung von Freiheit und Eigentum als notwendig angesehen wird.
Begriffe und Konzepte
Der Begriff des Liberalismus selbst ist relativ schwer zu bestimmen, ohne auf den gesamten westlichen Individualismus Bezug zu nehmen. Die Spannbreite reicht von den Sozial- bzw. Linksliberalen bis zu den Ultra-Liberalen oder Libertären, die prinzipiell jede durch erzwungene Beiträge finanzierte soziale Maßnahme als unzulässigen Eingriff des Staates in die persönliche Freiheit des Einzelnen ablehnen. In den USA werden heute mit liberalism Sozialliberale gemeint, während sich die Verfechter eines auf ein absolutes Minimum reduzierten staatlichen Eingreifens seit den 1930er Jahren in Abgrenzung zu den Sozialliberalen unter dem Begriff des Libertarianism sammeln.
Politik
Zentrale politische Forderung des Liberalismus ist die nach Grundrechten als institutionalisierter Form der Menschenrechte. Diese sind vom Staat zu garantieren und haben Vorrang auch vor demokratisch herbeigeführten Entscheidungen. Siehe auch Rechtsstaat, Minderheitenschutz. Als Begründer des Liberalismus gilt John Locke. In seinem 1689 veröffentlichtem Werk Two Treatises of Government (deutsch: Über die Regierung) postuliert er Leben, Freiheit und Eigentum als unveräußerliche Rechte des Bürgers. Zweck des Staates sei, diese Rechte zu schützen. Der Franzose Voltaire prägte mit seinem Ausspruch "Ich bin nicht Eurer Meinung, aber ich werde darum kämpfen, dass Ihr Euch ausdrücken könnt." das liberale Prinzip der Toleranz. Charles de Montesquieu gilt mit seinem 1748 veröffentlichten De l'esprit des lois (dt. Vom Geist der Gesetze) als Begründer des Konzepts der Gewaltenteilung. John Stuart Mill formulierte in seiner bekanntesten Schrift On Liberty (dt: Über die Freiheit) das Limit "dass der einzige Grund, aus dem die Menschheit, einzeln oder vereint, sich in die Handlungsfreiheit eines ihrer Mitglieder einzumischen befugt ist: sich selbst zu schützen. Dass der einzige Zweck, um dessentwillen man Zwang gegen den Willen eines Mitglieds einer zivilisierten Gesellschaft rechtmäßig ausüben darf: die Schädigung anderer zu verhüten."
Ökonomie
Ökonomisch betonen Liberale das Recht auf privates Eigentum, da nur dieses die Freiheit des Einzelnen gewährleisten könne. Begründungen dafür können entweder naturrechtlichen Argumentationsmustern folgen oder primär auf die Effektivität eines auf Privateigentum basierenden Gesellschaftssystems verweisen. Naturrechtliche Begründungen dieser Art finden sich in Ansätzen bei Hugo Grotius und Samuel Pufendorf und werden von John Locke ausformuliert: Der einzelne besitze Eigentum an seinem Körper und folglich auch an der Arbeit seines Körpers. Er sei auch berechtigt, Dinge aus dem Naturzustand zu reißen, wenn er diese bearbeitet hat (beispielsweise den Boden, den jemand das erste mal bearbeitet). Ist das Ding aus dem Naturzustand gerissen, könne es dann nur noch durch Schenkung oder Tausch den Eigentümer wechseln. Zwang sei hiermit ausgeschlossen. In der Tradition dieser Begründung argumentieren beispielsweise die US-amerikanischen Gründerväter, Robert Nozick oder Ayn Rand.
Die auf Effizienz beruhende Argumentation nimmt an, dass der Markt für die optimale Allokation der Ressourcen sorge. Ein freier Wettbewerb stellt dabei das prinzipiell optimale Steuerungsinstrument der Wirtschaft dar. Sowohl staatliche Wettbewerbshemmnisse (z.B. Steuerprivilegien oder Schutzzölle) als auch Unternehmenskonzentrationen seien dabei eine Bedrohung des Wettbewerbs. Erster bekannter Vertreter des klassischen Liberalismus ist Adam Smith, berühmt wurde sein Konzept der unsichtbaren Hand: Das eigennützige Streben der Menschen trage zum Wohl der gesamten Gesellschaft bei. Weiter wird die Idee des klassischen Liberalismus - explizit ohne naturrechtliche Komponente - von Jeremy Bentham und John Stuart Mill vertreten, auf ein sozialdarwinistisches Extrem von Herbert Spencer getrieben und findet sich in der neueren Theorie beispielsweise bei James M. Buchanan oder Robert Axelrod.
Zu ökonomischen Aspekten des Liberalismus siehe auch: Manchesterliberalismus, Neoklassik, Österreichische Schule, Neoliberalismus, Ordoliberalismus, Monetarismus
Geschichte des Liberalismus
Wurzeln des Liberalismus
Obwohl der Begriff des Liberalismus erst relativ spät in Spanien entstand (1812), ist seine Geschichte doch älter. Er entwickelte sich zeitgleich mit der Aufklärung als politische Gegenbewegung zum Absolutismus des 17. und 18. Jahrhunderts.
Während der Liberalismus die politische Szene in England und den USA während des 18. und 19. Jahrhunderts fast vollkommen beherrschte, hatten er in den kontinentaleuropäischen Ländern zunächst weit weniger Einfluss. Dies änderte sich mit in den verschiedenen französischen Revolutionen (besonders die Bürgerliche Revolution von 1830 und in der Folge auch in anderen Ländern (Deutschland, Österreich-Ungarn, Italien, Schweiz)
Liberalismus in Großbritannien
Heute ist mit den Liberal Democrats eine liberale Partei (ca 18%) im Unterhaus vertreten, welche aber eher dem Namen nach als Liberal einzuordnen ist.
Liberalismus in Deutschland
Erste Höhepunkte waren das Hambacher Fest 1832 und die Revolution von 1848.
In der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche 1848/1849 stellten die bürgerlich-liberalen Fraktionen Casino und Württemberger Hof (Heinrich von Gagern) die Mehrheit. Sie traten für eine konstitutionelle Monarchie, Volkssouveränität und parlamentarische Rechte ein.
Die Deutsche Fortschrittspartei, die sich 1861 gründete, war in Deutschland die erste liberale Partei im heutigen Sinne, mit Parteiprogramm und klaren politischen Zielen. Nach Bismarcks Reichsgründung kam es zu einer Spaltung des deutschen Liberalismus. Die Nachfolger der Deutschen Fortschrittspartei in der Zeit des Deutschen Kaiserreiches waren die Nationalliberale Partei (gegründet 1867), die Deutsche Volkspartei (gegründet 1867, bildete mit anderen ab 1910 die Fortschrittliche Volkspartei) sowie die Deutsche Freisinnige Partei (gegründet 1884).
Mit dem Aufkommen der Sozialdemokratie verloren Liberale ihren Einfluss als prägende politische Kraft.
Bei der Gründung der Weimarer Republik spielten die Liberalen wieder eine entscheidende Rolle. In der Anfangsphase gründeten sich zwei liberale Parteien, die DDP und die DVP. Damals standen unter anderen Persönlichkeiten wie Friedrich Naumann, Max Weber, Albert Einstein, Walther Rathenau, Gustav Stresemann, Hugo Preuß, Reinhold Maier, Theodor Heuss für den Liberalismus.
In der bundesrepublikanischen Zeit vereinten sich die Liberalen Deutschlands wieder in einer Partei: der FDP - Die Liberalen, sie war unter anderem mit Thomas Dehler, Erich Mende, Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher und Klaus Kinkel an verschiedenen Bundesregierungen beteiligt, konnte aber nie die alte Bedeutung wieder gewinnen. Die FDP ist die einzige Partei im Deutschen Bundestag, die für sich in Anspruch nimmt, für den ganzheitlichen Liberalismus einzutreten.
Kritisiert wurde daran, auch aus den eigenen Reihen (u.a. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Burkhard Hirsch, Gerhart Baum), dass bürgerrechtsliberale Werte bei Themen wie Großer Lauschangriff, Videoüberwachung und biometrischer Reisepaß kaum noch eine Rolle spielen würden, und statt dessen wirtschaftsliberaler Werte (Neoliberalismus) dominierten. Der Bundesparteitag der FDP 2005 in Köln scheint aber mit seinen Beschlüssen zur Bürgerrechtspolitik, die z.T. weit über die Vorstellungen der Parteiführung hinausgingen, einen Wendepunkt zu markieren.
Liberalismus in Österreich
Auch in Österreich erlebten die Liberalen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (nach 1860) einen Aufschwung und stellten eine bedeutende Fraktion im Parlament. So konnte sich langsam die Konfessionsfreiheit, Emanzipation der Juden und die Trennung von Schule und Kirche durchsetzen. Dies alles gegen die Widerstände des Kaisers und der mit ihm vebündeten konservativen Tiroler Abgeordneten.
In der Republik Österreich gibt es - mit kleinen Ausnahmen - keine eigenständige liberale Partei mehr. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich auf Dauer keine politische Partei halten, die ausschließlich den Zielen des Liberalismus verpflichtet gewesen wäre; die wenigen Vertreter des politischen Liberalismus waren stets gezwungen, sich anderen, eigentlich nicht-liberalen und stark etatistischen Parteien anzuschließen, sei dies die katholisch-konservative und protektionistische ÖVP, die SPÖ oder die Grünen. 1949 formierte sich zwar der "Verband der Unabhängigen" (VdU), der einen liberalen Flügel hatte, doch stand diesem ein ungleich gewichtigerer "nationaler" Flügel gegenüber, dessen Mitglieder zumeist Altnazis waren und weiterhin ein deutsch-nationales bzw. - mehr oder weniger offen - nationalsozialistisches Gedankengut pflegten und die eigentlich liberalen Vertreter rasch marginalisierten oder aus der Partei drängten. Dasselbe gilt auch für die in "Freiheitliche Partei Österreichs" (FPÖ) umbenannte Nachfolgepartei des VdU, und zwar nicht erst, seitdem 1986 Jörg Haider, ein rechtspopulistischer Politiker aus Kärnten, Parteiobmann der FPÖ geworden war. Erst 1993 entstand als Abspaltung der FPÖ mit dem Liberalen Forum um Heide Schmidt wieder eine kleine liberale Partei. Diese konnte sich bis 1999 im österreichischen Parlament halten; bei den Neuwahlen am 3. Oktober 1999 scheiterte sie jedoch an der 4-Prozent-Klausel.
Liberalismus in der Schweiz
Nach ersten Anfängen im Kanton Aargau um 1835 (siehe Aargauer Klosterstreit) setzten sich die liberalen gegen die katholischen Kantone im Sonderbundskrieg von 1847 ganz durch, und es wurde 1848 eine liberale Verfassung verabschiedet, in der es unter anderem hieß:
- Art. 4. Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich. Es gibt in der Schweiz keine Untertanenverhältnisse, keine Vorrechte des Orts, der Geburt, der Familien oder Personen.
Die liberale Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) beziehungsweise ihre Vorgänger sind seit 1848 in Bundesrat (Regierung) und Bundesversammlung (Parlament) vertreten. Daneben existiert noch die heute vor allem in den protestantischen Kantonen der Westschweiz und in Basel verankerte, stark föderalistische Liberale Partei der Schweiz (LPS), die aber nie nationale Verbreitung fand.
Liberalismus in Italien
Auch in Italien hatte der Liberalismus im 19. Jahrhundert seine große Zeit und zwar unter König Viktor Emanuel II. und Camillo Cavour, der von 1852 bis 1861 als Ministerpräsident des Königreichs Piemont-Sardinien maßgeblich an der Einigung Italiens beteiligt war.
Sein liberaler Antiklerikalismus bestimmte auch die Verfassung des Königreichs Italien (1861 - 1946). Bis zum Eintritt des konservativen Partito Popolare (Volkspartei) von Don Luigi Sturzo in die politische Landschaft 1919 stellten verschiedene liberale Parteien die Mehrheit im Parlament der italienischen Monarchie.
In der Republik Italien wurde der politische Diskurs vom Kampf zwischen konservativen Christdemokraten (DC) und der Kommunistischen Partei Italiens bestimmt. Es existierten zwar zwei (meist an der Regierung beteiligte) Liberale Parteien (PLI und PRI), die aber nie aus dem Schatten der großen DC hervortreten konnten. Aktuell spielt der Liberalismus in Italien eine eher unbedeutende Rolle, allenfalls die Radikale Partei mit der ehemaligen EU-Kommissarin Emma Bonino konnte gewisse Achtungserfolge erzielen, z.B. bei der Europawahl 1999. Auch Vittorio Sgarbi, vom konservativen Haus der Freiheiten hat eine Liberale Partei gegründet, die mit dem PRI zusammenarbeitet. In der Liberalen Internationale ist die Federazione dei Liberali als Beobachter vertreten. Mehrere italienische Parteien des Mittelinksspektrums gehören der ELDR an und ihre Abgeordneten sind Mitglieder der ALDE.
Kritik
Die reine Form des wirtschaftlichen Liberalismus wird das Laissez-faire, auch Manchesterliberalismus genannt. Unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise stellte John Maynard Keynes (*1883, †1946) vor allem dieses wirtschaftliche Laissez-faire infrage. Er war der Meinung, dass der Staat bei konjunkturellen Einbrüchen aktiv eingreifen muss, um fehlende private Nachfrage durch staatliche Nachfrage zu ersetzen. Allerdings besteht hierüber das Risiko einer marktschädigenden Marktverzerrung zugunsten der Unternehmen, die von der staatlichen Nachfrage profitieren und führt auch ohne Kreditfinanzierung zu zukünftigen finanziellen Steuerbelastungen kleiner Unternehmen.
An der naturrechtlichen Herleitung des Privateigentums entzündet sich eine Kritik, die diesen Naturbegriff des Naturzustands hinterfragt. Ein solcher Zustand erweise sich bei Betrachtung als Fiktion, da einerseits beispielsweise Boden schon immer irgendwann von jemandem bearbeitet wurde, also Eigentum wäre, andererseits aber auch verwildern und verwittern kann, und somit in einen Naturzustand zurückkehren würde, der die Effekte der Bearbeitung aufhebt. In der Praxis ergebe sich aus so einer Herleitung immer, dass derjenige, der im Besitz von etwas ist, dies auch bleiben soll, ohne weiteres Hinterfragen dieser Verhältnisse. Deshalb verpflichtet Eigentum nach dem deutschen Grundgesetz - entgegen liberalen Grundsätzen - zur Beachtung des Gemeinwohls. Eine solche Eigentumsverpflichtung ist in der EU-Verfassung nicht vorgesehen.
Einen scharfen Feind fand der politische Liberalismus im Nationalsozialismus.
Auch Karl Marx formulierte seine Schrift Das Kapital als Kritik der politischen Ökonomie.
Bedeutende Liberale
Siehe auch
Literatur
Klassiker
- John Locke: Über die Regierung ISBN 315009691X
- John Stuart Mill: Über die Freiheit ISBN 3150034914
- Montesquieu: Vom Geist der Gesetze ISBN 3150089530
- Adam Smith: Der Wohlstand der Nationen; ISBN 342330149-X
Moderne
- Wolfgang Fach: Die Regierung der Freiheit; Frankfurt a.M., Edition Suhrkamp, 2003; ISBN 351812334-3
- Milton Friedman: Kapitalismus und Freiheit ISBN 349223962-5
- Friedrich von Hayek, Die Verfassung der Freiheit ISBN 316145844-3
- Dieter Langewiesche, Liberalismus in Deutschland, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1988
- Ludwig von Mises: Liberalismus ISBN 3896654281
- Karl Popper, Die Offene Gesellschaft und ihre Feinde ISBN 3161459512 (Band1) ISBN 3825217256 (Band 2)
Weblinks
- Liberales Forum Österreich
- Liberale Partei der Schweiz
- FDP Deutschland
- Info-Portal über Liberalismus
- Die Stiftung für liberale Politik
- Liberales Institut (Schweiz)
- Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft e.V.
Kritik am Liberalismus