Grundrechte

wesentliche Rechte von Mitgliedern der Gesellschaft
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Grundrechte sind wesentliche Rechte, die Mitgliedern der Gesellschaft gegenüber Staaten als beständig, dauerhaft und einklagbar garantiert werden. In erster Linie sind sie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat, sie können sich jedoch auch auf das Verhältnis der Bürger untereinander auswirken („Drittwirkung“).

Französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte 1789

Rechtsquellen

Grundrechte werden, sofern explizit kodifiziert, in der Regel in der Verfassung formuliert. So enthalten etwa das deutsche Grundgesetz, die schweizerische Bundesverfassung und viele deutsche Landesverfassungen Grundrechte.

Auch im österreichischen Rechtssystem gibt es Grundrechte. Diese wurden aber mangels Einigung nicht in die 1929 entstandene Verfassung aufgenommen, sondern im aus dem Jahr 1867 stammenden Staatsgrundgesetz festgeschrieben. Zusätzlich ist die Europäische Menschenrechtskonvention in Österreich in Verfassungsrang in direkter Geltung.

Grundrechte können auch in sonstigen Gesetzen enthalten oder durch völkerrechtliche Verträge vereinbart sein. So stellt etwa die Europäische Menschenrechtskonvention einen völkerrechtlichen Vertrag dar, welcher Grundrechte beinhaltet. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist am 1. Dezember 2009 - mit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon - in Kraft gesetzt worden.

Teilweise werden Grundrechte auch nur aus allgemeinen Rechtsprinzipien abgeleitet. So erkannte das schweizerische Bundesgericht bis zum Inkrafttreten der Bundesverfassung von 1999 ungeschriebene Grundrechte an.

Verhältnis Grundrechte und Menschenrechte

Die Entwicklung der Grundrechte ist eng mit der Idee der Menschenrechte verbunden. Die Menschenrechtsidee wiederum findet ihre philosophischen Wurzeln in der Idee des Naturrechts, wonach es „Rechtsgrundsätze gibt, die stärker sind als jedes positive Recht“ (Radbruch). Das deutsche Grundgesetz bezieht sich auf diese Zusammenhänge, indem es das Bekenntnis des deutschen Volkes zu „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten“ enthält (Art. 1 Abs. 2 GG), und als Konsequenz hieraus alle Staatsgewalt an die nachfolgenden Grundrechte „als unmittelbar geltendes Recht“ bindet (Art. 1 Abs. 3 GG). In ihrer heutigen Ausprägung sind die Grundrechte des Grundgesetzes also Teil des durch Rechtsetzung entstandenen Rechts (positives Recht).

Mitunter wird der Begriff der Menschenrechte abweichend von der hier gewählten Terminologie verwendet. Als Menschenrechte werden dann etwa Grundrechte bezeichnet, die nicht nur staatsbürgerschaftsbezogen sind, sondern jedermann zustehen.

Regelung in einzelnen Staaten

Auch die supranationale Rechtsordnung der Europäischen Union anerkennt neben den Grundfreiheiten Europäische Grundrechte. Sie sind mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union mit dem Vertrag von Lissabon am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten.

Geschichte

England und Niederlande

Ihre Wurzeln finden die Grundrechte der Moderne bereits in der Magna Carta von 1215, die die königliche Macht beschränkte und mit ihren Artikeln 39 und 40 jedem Freien in England ein gewisses Minimum an Rechtsschutz gegen Willkür garantierte.

Neueren Forschungen zufolge gilt auch die Dordrechter Ständeversammlung als eine wesentliche Keimzelle von verfassungstextlich und politisch wirksamen Grundrechten in der Neuzeit. Am 15./16. Juli 1572 kamen Repräsentanten der meisten Städte der Niederlande in Dordrecht zusammen. Sie beschlossen ihre Unabhängigkeit von Spanien und machten Wilhelm von Oranien zu ihrem Anführer.

Weitere Grundrechte wurden im Habeas Corpus Act von 1679 schriftlich fixiert. Sie enthielt einen Schutz vor willkürlicher Verhaftung und das Recht, einem Richter vorgeführt zu werden. 1689 brachte die Bill of Rights das Petitionsrecht und das Verbot von Verhaftungen ohne richterliche Anordnung.

USA

1776 erklärte die Virginia Bill of Rights, dass alle Menschen von Natur aus gleich und frei sind und ihr Leben und Eigentum unverletzlich sind. In der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung wurden das Leben, Freiheit und das Streben nach Glück zu unveräußerlichen Rechten (Naturrecht) erklärt und das Recht auf Leben garantiert. Die Bill of Rights der USA, d. h. die ersten zehn Zusätze zur amerikanischen Verfassung (beschlossen 1789, ratifiziert 1791), stellten die erste einklagbare und somit durchsetzbare Grundrechteordnung dar. Sie sind heute noch in Kraft.

Frankreich

1789 wurden in der Französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte die Freiheit, die Gleichheit , die Meinungs-, Glaubens- und Gedankenfreiheit festgesetzt sowie das Eigentum garantiert.

Deutschland

Hauptartikel: Grundrechte (Deutschland)

In der Paulskirchenverfassung waren die Freizügigkeit, die Berufsfreiheit, die Auswanderungsfreiheit, das Briefgeheimnis, die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit, die Glaubensfreiheit, die Gewissensfreiheit, die Versammlungsfreiheit und das Recht auf Eigentum garantiert. Zwar trat die Verfassung als solche nie in Kraft, doch ihr späterer Grundrechtsteil (Abschnitt VI, §§ 130 bis 189) entsprach den durch das Reichsgesetz betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes vom 27. Dezember 1848 für anwendbar erklärten Grundrechten. Den Grundrechten kam allerdings noch kaum praktische Bedeutung zu, da die Gegenrevolution zu diesem Zeitpunkt wieder erstarkt war und mehrere Gliedstaaten des Deutschen Bundes die Veröffentlichung der Grundrechte in ihren Gesetzblättern verweigerten, was nach damaligem Bundesrecht zu deren Inkrafttreten erforderlich gewesen wäre. Schon im August 1851 wurde der Grundrechtskatalog von der Bundesversammlung auch formal wieder aufgehoben. Die Verfassung des Deutschen Reichs von 1871 verbürgte dagegen keine Grundrechte („Einheit vor Freiheit“). Erst die Weimarer Reichsverfassung knüpfte dann an die Paulskirchenverfassung an und enthielt die gleichen Grundrechte und als zusätzliche soziale Grundrechte unter anderem die Grundpflicht und das Grundrecht auf Arbeit (Art. 163 WRV).

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden mit der Reichstagsbrandverordnung von 1933 die in den Artikeln 114 (Freiheit der Person), 115 (Unverletzlichkeit der Wohnung), 117 (Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis), 118 (Meinungsfreiheit), 123 (Versammlungsfreiheit), 124 (Vereinigungsfreiheit) und 153 WRV (Eigentumsgewährleistung) festgeschriebenen Grundrechte außer Kraft gesetzt.



Organisation und Verfahren

Literatur

  • Robert Alexy: Theorie der Grundrechte, 4. Auflage, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-518-28182-8.
  • Robert Alexy: Grundrechte, in: H. J. Sandkühler (Hg.): Enzyklopädie Philosophie, Hamburg 1999.
  • Walter Berka: Lehrbuch Verfassungsrecht, 1. Auflage, Springer Verlag, Wien 2005, ISBN 3-211-21868-8.

Siehe auch

Wiktionary: Grundrecht – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen