Marcion

christlicher Theologe
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Marcion oder Markion (* 85 in Sinope in Pontus; † 160) war der Begründer einer einflussreichen christlichen Richtung des 2. Jahrhunderts mit Nähen zu gnostischen Einflüssen. Seine religiösen Bestrebungen wurden im Prozess der Selbstdefinition der römischen Kirche als häretisch angegriffen. So ging er in die Kirchengeschichte als Erzketzer ein, entfaltete aber schon insofern große Wirkung, als ihm die reichste apologetische Literatur gewidmet ist. In der liberalen Theologie wurde zum Teil eine Rehabilitation Marcions als eine Art frühkirchlicher Reformator unternommen.

Biografie

Marcion, der Sohn eines wohlhabender Reeder, wird wegen Verführung einer Jungfrau von der Gemeinde von Sinope ausgeschlossen - vielleicht ist dies aber Teil späterer Ketzerpolemik. Er reist etwa 135 nach Rom und bringt als erfolgreicher Kaufmann der Gemeinde ein ungeheures Vermögen ein (die Rede ist von 100.000 Sesterzen). Dort entwickelt er auch seine eigene Theologie, vermutlich unter dem Einfluss des Gnostikers Cerdo, den er dort kennenlernt. Seine Reformversuche finden kein Gehör. 144 kommt es zum Bruch und zur Gründung einer eigenen Kirche, Marcion wird exkommuniziert und sein Geldgeschenk zurückgegeben (was einen Hinweis auf den erheblichen Reichtum ist, über den die römische Kirche schon im 2. Jhdt. verfügte). Durch Reisen Marcions breitet sich seine Kirche rasch bis Ägypten und Persien aus. Erst im 3. Jh. kommt es im Westen, im 4. Jh. im Osten zum Rückgang, erst im 6. Jh. stirbt die markionitische Kirche aus. Viele der Gemeinden gehen im Manichäismus auf. Traditionen der markionitischen Kirche fanden sich nach Petros Sikeliotes bei den Paulikanern.

Theologie

Marcion ist der erste Theologe, der systematisch einen Unterschied definierte zwischen einem guten Gott der Liebe des Neuen Testamentes, wie er von Jesus als Vater verkündigt wurde und einem bösen Gott des Alten Testamentes, der für Schöpfung, Gesetz und Gericht verantwortlich sei. Infolgedessen weist Marcion das gesamte Alte Testament zurück, da es einen Demiurg beschreibe, den er, wie in der Gnosis, als bösen Gott auffasst, vor allem aber als ein Gott des Gesetzes. Dabei wird die Schöpfung nicht in ihrer Schönheit, sondern in ihrer materiellen Grobheit wahrgenommen (inter urinas et faecas nascimur - zwischen Urin und Kot werden wir geboren). Für den geistlich-spirituellen Menschen eine grauenvolle Vorstellung. Foglich ist dieser Demiurg auch für das Leid und Unglück in der Welt zuständig. Es bedarf einer Erlösung die als Rückkehr zum eigentlich geistlichen, spirituellen und grenzenlosen Leben gedacht wird. Christus vertrete daher den Gott der Liebe, welcher die Menschen von der Herrschaft dieses Gottes des Gesetzes befreit. Alleine der Glaube an den Gott der Liebe ist zur Erlösung notwendig. Jesus gilt ihm nicht als Messias, sondern als ein göttliches Wesen mit einem Scheinleib (Doketismus), denn freilich kann Erlösung nicht durch Leid, Schweiß, Blut und Tränen geschehen, sondern als geistliche Überwindung des Materiellen durch den Erlöser. Wie in der Gnosis fasst also Marcion das Materielle als schlecht auf und postuliert zwei Götter. Anders als in der Gnosis jedoch gibt es keine Geheimlehre, die notwendig zur Erlösung ist. Moraltheologische Folge ist der Anspruch, sich von der Welt des bösen Demiurgen loszusagen, mithin Askese, Ehelosigkeit, Fasten und Martyriumssehnsucht.

Wirken und Wirkung

Aus den angeführten theologischen Gründen und um die von ihm als gefährlich erachtete zeitgenössiche Fortschreibung der Offenbarung (wie in der Gnosis) zu verhindern, sichtet Marcion den Bestand kursierender christlicher Texte und reduziert sie auf einen Bestand, welcher als ein erster biblischer Kanon die Paulusbriefe sowie ein gereinigtes (um allen Referenzen auf das Alte Testament gekürztes) Lukas-Evangelium enthält.

Seine Lehren hatte Marcion unter anderem in den Antithesen niedergelegt, die eine Kommentierung seiner Bibel darstellten. Die Werke Marcions sind aber nicht erhalten, sondern nur durch Zitate und Berichte seiner Gegner, vor allem bei Tertullian, überliefert. Ein Versuch, seine eigentliche Lehre darzustellen, ist daher vor Schwierigkeiten gestellt. Eine weitere ungelöste Frage ist, ob Marcion einen Mythos entworfen hat, was zumeist bestritten wird. Bei Tertullian findet sich nichts davon, jedoch beschreibt Eznik von Kolb einen Mythos der markionitischen Kirche, der jedoch auch in späterer Zeit entstanden sein kann.

Es muss auch noch weiter untersucht werden, wie groß der Einfluss der "markionitischen" Kirche auf die Kirchengeschichte speziell des Orients gewesen ist. Es hat wohl Regionen gegeben, in denen die einzige christliche Kirche eben die markionitische war. Spuren markionitischer Theologie sind nach Ansicht mancher Forscher noch im Koran des Propheten und Religionsgründers Mohammed zu finden.

In der Kirche beschleunigte die Herausforderung durch Markion die Bildung des umfangreichen und ungekürzten biblischen Kanons und die Herausbildung einer Christologie, die die spirituell-geistlichen und die menschlich-leidenden Elemente in sich vereint (Zwei-Naturen-Lehre).

Literatur

  • Adolf Harnack: Marcion. Das Evangelium vom Fremden Gott.
  • Gerd Lüdemann: Ketzer. Die andere Seite des frühen Christentums. ISBN 3-87173-085-8