Oberbadische Okkupation

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Der Begriff der „Oberbadischen Okkupation“ wird in der historischen Literatur für die Besetzung der oberen Markgrafschaft Baden-Baden durch Truppen des Markgrafen Ernst Friedrich von Baden-Durlach unter Wolf Dietrich von Gemmingen verwendet, die am 21. November 1594 erfolgte.[1] Der Begriff umfasst auch die bis 1622 andauernde Besetzung und Verwaltung.

Besetzte Gebiete

 
Karte der Markgrafschaft Baden-Baden

Unmittelbar wurden die Hauptorte Ettlingen, Baden-Baden, Kuppenheim, Stollhofen und Rastatt besetzt.[2] Die Herrschaft Gräfenstein sowie die Vordere und Hintere Grafschaft Sponheim wurden nicht besetzt; die Herrschaften Rodemachern, Useldingen und Hesperingen bildeten zu dieser Zeit die gesonderte Markgrafschaft Baden-Rodemachern und wurden von Philipp III., einem Bruder Eduard Fortunats regiert. Ein Versuch Ernst Friedrichs die Herrschaft Gräfenstein einzunehmen wurde abgewehrt.[3]

Rechtsgrundlage

Ernst Friedrich stützte seine Intervention rechtlich auf die Pragmatische Sanktion des Markgrafen Christoph I. von Baden und den Schadloshaltungsvertrag von 1537 ab.[4]

Nach dem Hausgesetz von Markgraf Christoph bildete das gesamtbadische Gebiet trotz aller Teilungen weiterhin eine Einheit. Nach dem Tod Bernhard III. von Baden-Baden wurde zwischen den Vormündern seiner Kinder und seinem Bruder Ernst eine erweiterte vertragliche Bindung vereinbart. Sofern eine Linie des Hauses Baden bei der Abtragung gemeinsamer Schulden säumig war und die andere Linie dafür von Gläubigern in Anspruch genommen wurde, so erhielt die geschädigte Linie das Recht sich durch Besetzung des Landes der anderen Linie schadlos zu halten. Dieser Fall trat ein nachdem ein Gläubiger des Markgrafen Eduard Fortunat von Baden-Baden ausgebliebene Zinszahlungen auch bei den baden-durlachischen Städten Durlach und Pforzheim eintrieb.[5] Eduard Fortunat änderte trotz aller Anmahnungen seines durlachischen Vetters sein Verhalten nicht und lebte weiter über seine Verhältnisse.

Moralische Rechtfertigung

Die Bevölkerung der Markgrafschaft litt unter der drückenden Schuldenlast des Landes, die zu erhöhter Abgabenlast führte. Darüberhinaus bestand unter Eduard Fortunat eine erhebliche Rechtsunsicherheit, die in Justizmord und fürstlich organisiertem Straßenraub gipfelte.[6] Es ist wohl davon auszugehen, daß vor dem Hintergrund der religiösen Konflikte die protestantische Seite die Verfehlungen Eduard Fortunats überbetonte, aber auch die eigenen, katholischen Berater[7] bezeugen solche Verfehlungen und die Versuche Eduard Fortunats sich als Opfer einer protestantischen Intrige darzustellen, zielten nur darauf ab Beistand durch katholische Stände zu gewinnen. Seine religiöse Einstellung und sein Charakter wurden von allen Seiten stark kritisiert.

Politische Absicherung

 
Denkschrift Ernst Friedrichs zur oberbadischen Okkupation

Direkt nach der Besetzung sandte Ernst Friedrich eine Denkschrift an Kaiser Rudolf II. und eine Reihe evangelischer und katholischer Fürsten in denen er die juristische und moralische Begründung für seine Maßnahme darlegte und keinerlei religionspolitische Motive andeutete.[8]

Der Preis

Der Preis, den Ernst Friedrich für die Okkupation bezahlen musste, war recht hoch. Zur Besetzung und zur Abwehr der drohenden Rückerorberung durch Eduard Fortunat musste er Truppen anwerben. Deren Kosten und die Schuldenlast des Landes zwangen ihn dazu die Ämter Besigheim und Mundelsheim 1595 an Herzog Friedrich I. von Württemberg zu verkaufen und 1603 auch noch die Ämter Altensteig und Liebenzell gegen Malsch und Langensteinbach einzutauschen. Durch diese Verkäufe verlor Baden-Durlach reichen Waldbesitz und Schifffahrtsrechte.[9] Das Herzogtum Württemberg nahm damit immer mehr Positionen im ehemaligen badischen „Nordosten“ ein.

Geschichte

Markgraf Ernst Friedrich (1577-1604) besetzte im Jahr 1594 die obere Markgrafschaft Baden-Baden und vertrieb den dort regierenden Fürsten Eduard Fortunat. Dieser Akt, verschärfte die konfessionellen Gegensätze am Oberrhein und führte Baden-Durlach politisch noch näher an die calvinistisch geprägte Kurpfalz heran.

Auch Ernst Friedrichs Nachfolger, sein Bruder Georg Friedrich hielt das baden-badische Territorium weiterhin besetzt, in dem es jedoch auf Grund der politischen Großwetterlage nur ansatzweise zur Einführung des evangelischen Glaubens kam. Nach der Niederlage in der Schlacht bei Wimpfen (6. Mai 1622) musste Georg Friedrich auf Baden-Baden verzichten, das im weiteren Verlauf des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) nochmals und für kurze Zeit (1634/1635) von Baden-Durlach besetzt wurde. Erst Erbvertrag von 1765 und Erbvereinigung von 1771 führten die beiden badischen Territorien wieder zusammen.

Literatur

  • Werner Baumann: Ernst Friedrich von Baden-Durlach. Die Bedeutung der Religion für Leben und Politik eines süddeutschen Fürsten im Zeitalter der Gegenreformation (= VKGLBW B 20), Stuttgart 1962, S.64ff
  • Michael Buhlmann: Badische Geschichte. Mittelalter – Neuzeit (= VA 29), St. Georgen 2007, S.27ff
  • Hansmartin Schwarzmaier: Baden. Dynastie – Land – Staat (= Urban Tb 607), Stuttgart 2005, S.128ff
  • Markgraf Ernst Friedrich: Grundtlicher Warhaffter und Bestendiger Bericht: Was sich vor und nach Unlangst durch den Herrn Ernest Friderichen Maggraven zu Baden ... fürgenommen Occupation, deß Obertheils deß Fürstenthumbs der Marggraffeschafft Baden mit einzihung etlicher Marggraff Eduardi Fortunati Dienern ... verloffen u.s.w.,1595

Landesarchiv Baden-Württemberg - Bestand 47: Haus- und Staatsarchiv II: Haus- und Hofsachen - Oberbadische Okkupation

Grundtlicher Warhaffter und Bestendiger Bericht: Was sich vor und nach Unlangst durch den Herrn Ernest Friderichen Maggraven zu Baden ... fürgenommen Occupation, deß Obertheils deß Fürstenthumbs der Marggraffeschafft Baden mit einzihung etlicher Marggraff Eduardi Fortunati Dienern ... verloffen u.s.w.,1595


Abkürzung

  • VA = Vertex Alemanniae
  • VKGLBW B = Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde Baden-Württemberg, Reihe B: Forschungen

Einzelnachweise / Anmerkungen

  1. s. Baumann S. 78-80
  2. s. Baumann S. 79
  3. s. Baumann S. 89
  4. s. Baumann S. 64/65
  5. s. Baumann S. 64/65
  6. s. Baumann S. 76/77 spricht von einem "rechtsbrecherischen Regiment"
  7. Franziskus Bornius a Madrigal und Johannes Pistorius der Jüngere
  8. s. Baumann S. 80/81
  9. s. Josef Bader:Badische Landesgeschichte, Freiburg 1836, S. 478/479