Édith Cresson (* 27. Januar 1934 in Boulogne-Billancourt bei Paris) ist eine französische Politikerin. Sie war die erste Frau im Amt des französischen Premierministers und bekleidete dieses Amt knapp elf Monate lang.

Cresson ist bekannt für offen ausgesprochene, kontroverse, gelegentlich undiplomatische Äußerungen. Sie steht den angelsächsischen Nationen kritisch gegenüber und verurteilt die Kultur und Völker der USA, Großbritanniens und Deutschlands. Häufig beschrieb sie Homosexualität als ein großes angelsächsisches Problem mit geringer Relevanz für Frankreich. Ihre scharfe Kritik an japanischen Handelspraktiken brachte ihr den Ruf ein, eine harsche Rhetorik zu benutzen, die hart am Rande des Rassismus stehe (wenn sie soweit ging, Japaner mit Ameisen zu vergleichen).
Ihre politische Karriere, der sie schließlich selbst durch ungeschickt offene Korruption ein Ende setzte, verdankt sie in erster Linie ihrem Mentor, dem Vorsitzenden der Parti socialiste (PS) und späteren französischen Staatspräsidenten, François Mitterrand, zu dem ihr auch eine außereheliche Affäre nachgesagt wurde. Im Juli 2006 stellte der EuGH fest, dass Cresson als EU-Kommissarin pflichtwidrig gehandelt hatte und bestätigte damit die Korruptionsvorwürfe wegen der Anstellung eines befreundeten Zahnarztes als Berater durch Cresson. Entgegen der Empfehlung des EuGH-Generalanwaltes, der das Gericht üblicherweise folgt, wurde gegen Cresson keine Sanktion in Form einer Pensionskürzung verhängt, da die bloße Feststellung der Schuld in diesem Fall bereits als angemessene Strafe betrachtet wurde. Der EuGH stellte damit im ersten und bisher einzigen Fall gerichtlich bestätigter Korruption durch ein Kommissionsmitglied klar, dass der Rechtsverletzer unter Umständen mit keinen weiteren Konsequenzen zu rechnen hat.
In der letzten Zeit ist Cresson, ansonsten in der Öffentlichkeit seit ihrem Ausscheiden aus der Europäischen Kommission sehr zurückhaltend, wieder vereinzelt aufgetreten, um die Präsidentschaftskandidatur Ségolène Royals im Jahr 2007 zu unterstützen.
Cresson ist verheiratet und hat zwei Töchter.
Studium
- Absolventin der Elitehochschule für Wirtschaft HECJF (École de Haut Enseignement Commercial pour Jeunes Filles (Paris)).
- Doktortitel in Demografie.
Politische Karriere
- 1965: Teilnahme an der Staatspolitischen Kommission
- 1975 - 1981: Mitglied im Führungsausschuss der sozialistischen Partei
- Übernimmt als erste Frau das Landwirtschaftsministerium
- Mai 1991 - März 1992: erste französische Premierministerin, verbleibt allerdings nur zehn Monate im Amt, da ihr Mangel an diplomatischem Geschick und ihr persönliches Umfeld sie an Popularität verlieren ließen
- 1995 - In die Europäische Kommission unter Jacques Santer berufen. Korruptionsvorwürfe an ihre Adresse führten in der Folge zum spektakulären kollektiven Rücktritt der gesamten Kommission im Jahr 1999. Dabei kommt es 2003 zu Ermittlungen der belgischen Justiz gegen sie wegen Betrugs im Zusammenhang mit Ausschreibungen ihres Kommissariats.
- 2006 - Der Europäische Gerichtshof stellt am 11. Juli in dieser Angelegenheit fest, dass Édith Cresson ihre Pflichten als Mitglied der Europäischen Kommission verletzt hat (Rechtssache C-432/04).
Politische Mandate
- 1977 – 1983: Bürgermeisterin von Thuré (Département Vienne)
- 1979 – 1981: Abgeordnete im Europäischen Parlament
- 1981 – 1986: Abgeordnete für das Département Vienne
- 1981 – 1983: Landwirtschaftsministerin in der Regierung von Pierre Mauroy
- 1983 – 1997: Bürgermeisterin von Châtellerault
- 1983 – 1984: Ministerin für Außenhandel und Tourismus unter Mauroy
- 1984 – 1986: Ministerin für industrielle Weiterentwicklung und Außenhandel der Regierung Laurent Fabius
- 1988 – 1990: Ministerin für Europäische Fragen in der Regierung Michel Rocard
- Mai 1991 – März 1992: Premierministerin
- 1994 – 1999: Europäische Kommissarin für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung
Siehe auch
Weblinks
- Literatur von und über Édith Cresson im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Telepolis über das Gerichtsverfahren im Fall Cresson und Korruption in der EU
Personendaten | |
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NAME | Cresson, Édith |
KURZBESCHREIBUNG | französische Politikerin |
GEBURTSDATUM | 27. Januar 1934 |
GEBURTSORT | Boulogne-Billancourt bei Paris |