Die Orthogonalität verallgemeinert in der Mathematik das Konzept des Senkrechtstehens der Physik beziehungsweise das des rechten Winkels der Geometrie in n-dimensionalen Räume.
Das Wort orthogonal kommt aus dem Griechischen und heißt ‚rechtwinklig‘ (Vorlage:Polytonisch orthos‚ richtig, recht-‘, Vorlage:Polytonisch gonu‚ Ecke, Winkel‘). Gleichbedeutend zu rechtwinklig steht auch normal (lateinisch norma ‚das Maß‘, im Sinne des rechten Winkels), ein Begriff, der aber in der Mathematik viel umfassender in Verwendung ist. Senkrecht kommt vom Senkblei (Lot) und meint ursprünglich nur ‚orthogonal zur Erdoberfläche‘ (lotrecht), derselbe Sachverhalt wird durch vertikal (zu lat. vertex ‚Scheitel‘) ausgedrückt.
Orthogonalität in der Geometrie
Elementargeometrie
In der Elementargeometrie heißen zwei Geraden oder Ebenen orthogonal, wenn sie einen rechten Winkel, d. h. einen Winkel von 90° einschließen.
- Eine Gerade heißt Orthogonale (Normale) auf eine Ebene, wenn ihr Richtungsvektor ein Normalenvektor der Ebene ist.
- Eine Ebene heißt Orthogonale (Normalebene) einer Ebene, wenn ihr Normalenvektor in dieser Ebene liegt.
- Eine Gerade/Ebene heißt Orthogonale (Normale) an eine Kurve, wenn sie zur Tangente/Tangentialebene im Schnittpunkt orthogonal ist.
Mit gilt
Man notiert:
- respektive
Es gilt:
Und in Vektorschreibweise der jeweiligen Richtungs- und Normalenvektoren
- mit dem Skalarprodukt
Analytische Geometrie
Zwei Geraden in der euklidischen Ebene sind orthogonal, wenn ihre Richtungsvektoren orthogonal sind. Im Raum oder in höheren Dimensionen ist kein Schnittpunkt nötig. Dort sind zwei Geraden auch orthogonal, wenn sie windschief zueinander sind. Eine Gerade und eine Ebene im Raum sind orthogonal, wenn der Richtungsvektor der Geraden orthogonal zu jedem Vektor in der Ebene ist.
Zwei Ebenen im euklidischen Raum sind orthogonal, wenn es eine Gerade gibt, die in einer der beiden Ebenen enthalten und orthogonal zur zweiten ist.
Sind zwei Geraden in der euklidischen Ebene durch die Gleichungen
- und
gegeben, so sind sie genau dann orthogonal, wenn ist, oder äquivalent: wenn gilt.
Orthogonalität in der linearen Algebra
Orthogonale Vektoren
Allgemein gelten zwei Vektoren aus einem reellen Vektorraum, für den ein positiv definites inneres Produkt (oder Skalarprodukt) definiert ist, als orthogonal zueinander, wenn das innere Produkt der beiden Vektoren gleich 0 ist. Diese Vektorräume können zum Beispiel der und der sein, aber auch Funktionenräume.
Eine Menge von Vektoren nennt man orthogonal oder Orthogonalsystem, wenn alle darin enthaltenen Vektoren paarweise orthogonal zueinander sind. Eine Menge von orthogonalen Vektoren, die alle vom Nullvektor verschieden sind, ist immer linear unabhängig und bildet deshalb eine Basis der linearen Hülle dieser Menge. Wenn zusätzlich alle darin enthaltenen Vektoren die Norm 1 besitzen, nennt man die Menge ein Orthonormalsystem. Ist der Vektorraum endlichdimensional, so besitzt er immer eine Orthonormalbasis; diese lässt sich durch das Gram-Schmidtsche Orthogonalisierungsverfahren bestimmen.
Orthogonale Funktionen
In Funktionenräumen mit Skalarprodukt, wie Hilberträumen, erfolgt die Definition orthogonaler Funktionen analog, so lassen sich beispielsweise orthogonale Polynome bestimmen und auch orthogonale Basen. Allerdings sind viele interessante Räume wie die L2-Räume unendlichdimensional, siehe dazu Hilbertraumbasis. In der Quantenmechanik bilden auch die Zustände eines Systems einen Vektorraum. Entsprechend spricht man dort auch von orthogonalen Zuständen.
Orthogonale Matrix
Eine quadratische, reelle Matrix nennt man orthogonale Matrix, wenn sie mit dem Skalarprodukt verträglich ist, wenn also für jedes Paar von Vektoren und die Gleichung gilt. Die Matrix ist genau dann orthogonal, wenn ihre Spalten (oder ihre Zeilen), als Vektoren aufgefasst, zueinander orthonormal sind (nicht nur orthogonal), anders gesagt, falls oder (gleichwertig) gilt. Die Entsprechung bei den komplexen Zahlen ist die unitäre Matrix.
Orthogonale Abbildung
Sei ein endlich dimensionaler, euklidischer Vektorraum. Eine Abbildung heißt orthogonal, wenn für alle gilt. Insbesondere erhält Längen von und Winkel zwischen Vektoren und bildet also auch orthogonale Vektoren auf orthogonale Vektoren ab. Eine Abbildung ist genau dann orthogonal, wenn sie linear ist und ihre Matrixdarstellung bezüglich einer Orthonormalbasis eine orthogonale Matrix ist.
Die orthogonale Abbildung ist nicht zu verwechseln mit zueinander orthogonalen Abbildungen. Dabei handelt es sich um Abbildungen, die selbst als Vektoren aufgefasst werden, und deren Skalarprodukt gleich 0 ist.
Orthogonale Projektion
Ist insbesondere ein endlichdimensionaler reeller oder komplexer Vektorraum mit einem positiv definiten Skalarprodukt, so gibt es zu jedem Unterraum die Projektion entlang des orthogonalen Komplementes von , welche orthogonale Projektion auf genannt wird. Sie ist die eindeutig bestimmte lineare Abbildung , für die
und
für alle gilt.
Ist ein unendlichdimensionaler Hilbertraum, so gelten diese Aussagen entsprechend für abgeschlossene Unterräume . Diese Aussage wird häufig auch als Projektionssatz bezeichnet.
Literatur
- Elemente der Mathematik. Lineare Algebra/Analytische Geometrie Leistungskurs. Schroedel Verlag GmbH, 2004, S.64.